Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz -
SGG - zulässige Berufung ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den begehrten Sportrollstuhl als Hilfsmittel.
Nach
§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in anderen Bereichen der Leistungsgewährung der gesetzlichen Krankenversicherung müssen die Leistungen nach § 33
SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungsträger nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (
§ 2 Abs 4;
§ 12 Abs 1 SGB V).
1. Der Sportrollstuhl ist beim Kläger nicht erforderlich, um eine ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion selbst auszugleichen (unmittelbarer Behinderungsausgleich). Bei dem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (
BSG 25.6.2009 -
B 3 KR 19/08 R Rn 11, auch zum Folgenden). Die gesonderte Prüfung, ob ein aktuelles Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt hier, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Beim Kläger fehlt es indes an der Notwendigkeit eines Sportrollstuhls unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, weil er bereits über einen Aktivrollstuhl verfügt und der Sportrollstuhl keinen darüber hinausgehenden Ausgleich des bei ihm vorhandenen allgemeinen Funktionsdefizits in Bezug auf das Gehen und Stehen bewirkt, sondern nur die Ausübung bestimmter Sportarten erleichtert.
2. Der begehrte Sportrollstuhl ist auch nicht zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung (sog mittelbarer Behinderungsausgleich; hierzu vgl
BSG 25.6.2009 aaO Rn 12, auch zum Folgenden) erforderlich. Im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs ist die gesetzliche Krankenversicherung nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung zuständig. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Basisausgleich ist daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen Freiraums. Der hier in Rede stehende Sportrollstuhl dient allein dazu, dem Kläger das Betreiben bestimmter Sportarten zu ermöglichen; abgesehen davon hat dieser Rollstuhl keine Vorteile gegenüber dem vorhandenen Aktiv-Rollstuhl. Sportliche Betätigungen zählen jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (
BSG 25.6.2009 aaO Rn 15; vgl auch bereits
BSG 8.11.2006
B 3 KR 17/06 B;
LSG Nordrhein-Westfalen 26.11.2008
L 11 KR 56/07). Unabhängig davon ist es dem Kläger auch ohne den Sportrollstuhl möglich, einen Teil der in Betracht kommenden Sportarten, zB Schwimmen, ohne den Sportrollstuhl auszuüben (
vgl. LSG Nordrhein-Westfalen aaO, juris Rn 32: zB auch Volleyball). Die Möglichkeit der Ausübung bestimmter Sportarten stellt jedoch keinesfalls ein Grundbedürfnis dar.
3. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Integration in den Kreis gleichaltriger Jugendlicher oder im Familienverbund (vgl dazu
BSG 12.8.2009
B 3 KR 11/08 R Rn 19, 22). Es kann offen bleiben, ob der begehrte Sportrollstuhl für den Kläger erforderlich ist, um den Behindertensport im Verein RSC Rollis T angemessen ausüben können. Jedenfalls ist die beklagte Krankenkasse nicht für Leistungen zur Ermöglichung dieses Vereinssports zuständig. Würde jede Leistung, welche (auch) der Integration des behinderten Jugendlichen dient, als Grundbedürfnis iSd Rechtsprechung zu § 33 qualifiziert, würden der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungspflichten auferlegt, für welche nach der Gesetzessystematik des Neunten Buchs des Sozialgesetzbuchs (
SGB IX) der Sozialhilfeträger zuständig ist. Unter diesen Umständen kommt bei solchen Sachverhalten die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für ein Hilfsmittel nur in Betracht, wenn das Hilfsmittel zum einen bei der allgemein üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger benötigt wird (vgl
BSG 16.4.1998
B 3 KR 9/97 R, juris Rn 19) und zum anderen nicht nur relativ eng begrenzte Lebensbereiche in der Freizeit betrifft. Solche Fallgestaltungen sind zB bei einem Rollstuhl-Bike (vgl
BSG 16.4.1998 aaO) und bei einem Dreirad (vgl
BSG 27.7.2002 aaO) betroffen, die in verhältnismäßig weitem Umfang der Gewinnung üblicher sozialer Kontakte in der Freizeit dienen. Ein Sportrollstuhl dient der Sicherstellung eines Grundbedürfnisses, wenn er für den Schulunterricht (vgl
BSG 16.4.1998 aaO) benötigt wird (vgl SG Itzehoe 28.9.2005
S 1 KR 71/04), was jedoch beim Kläger nicht der Fall ist. Ein Sportrollstuhl zur Sportausübung in einem Verein überschreitet den Kreis der Grundbedürfnisse, weil eine solche Sportausübung bei Jugendlichen nicht allgemein üblich ist und nur einen eng begrenzten Lebensbereich bei der Freizeitgestaltung anbetrifft. Für die Gewährung eines Hilfsmittels zu einem solchen Zweck ist der Sozialhilfeträger zuständig. Für dessen Leistungspflicht, die von der Bedürftigkeit des behinderten Menschen abhängt, ergeben sich indes vorliegend keine Anhaltspunkte, dies hat auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt.
4. Der beantragte Sportrollstuhl ist auch nicht zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung erforderlich. Die vom Kläger angestrebten Verbesserungen seiner körperlichen und seelischen Verfassung einschließlich der Stärkung von Muskulatur, Lungenfunktion, Körperkoordination und Balancegefühl können durch regelmäßige Krankengymnastik gezielter und besser erreicht werden (vgl
BSG 12.8.2009 aaO Rn 17).
5. Aus dem "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen", das von der Bundesrepublik Deutschland am 21.12.2008 ratifiziert (BGBl 2008 II 1419) worden und im März 2009 in Kraft getreten ist (vgl
Art 45 des Übereinkommens), ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine weitergehende Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers in derartigen Fällen rechtfertigen könnten (offen gelassen von
BSG 12.8.2009 aaO Rn 28). Nach
Art 20 dieses Abkommens treffen die Vertragsstaaten wirksame Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie ua a) die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl und zu erschwinglichen Kosten erleichtern, b) den Zugang von Menschen mit Behinderungen ua zu hochwertigen Mobilitätshilfen erleichtern, auch durch deren Bereitstellung zu erschwinglichen Kosten. Dieser Verpflichtung hat der bundesdeutsche Gesetzgeber, soweit es die Sachverhaltskonstellation des vorliegenden Falls anbetrifft, dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass im Falle der Bedürftigkeit des Versicherten der Sozialhilfeträger unter dem Gesichtspunkt der sozialen Rehabilitation leistungspflichtig sein kann (vgl
§ 56 SGB IX).
6. Diese rechtliche Beurteilung verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (
GG) oder Art 3 Abs 3 Satz 2
GG. Der Gesetzgeber verfügt über einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Frage, welche Lebensrisiken er mit bestimmten Leistungen in welcher Weise absichert (
BSG 1.9.2005 - B 3 KR 19/04 R, SozR 42500 § 37 Nr 5). Dieser Spielraum ist in Bezug auf die vorliegende Fallkonstellation nicht überschritten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160
SGG nicht erfüllt sind.