1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 25.03.2010 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Umstritten ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einer Badeprothese mit einem Schaft in Silikonlinertechnik zu versorgen.
Bei der 1957 geborenen, bei der Beklagten krankenversicherten Klägerin wurde 2007 der rechte Unterschenkel amputiert. Die Beklagte versorgte die Klägerin mit einer Unterschenkelprothese. Im Juli 2008 verordnete der Arzt Dr M. der Klägerin eine Bade- und Schwimm-Unterschenkelprothese. In einem Kostenvoranschlag bezifferte das Institut K deren Kosten auf 2.864,29
EUR. Nach Befragung des Medizinischen Dienstes (MDK) lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin durch Bescheid vom 1.8.2008 ab, da es sich bei der beantragten Leistung nicht um eine Kassenleistung handele.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren erstatteten Orthopädiemeister S /Ärztin Dr W vom MDK im Oktober 2008 aufgrund eines Hausbesuchs bei der Klägerin am 16.10.2008 ein Gutachten: Bei der Klägerin bestehe neben der Unterschenkelamputation eine Einschränkung der Greiffähigkeit der linken Hand, sodass sie in Feuchträumen unter Absicherung mit Unterarmgehstützen nicht sicher gehen könne. Diese Faktoren stellten eine ausreichende Indikation zur Versorgung mit einer wasserfesten Gehhilfe (Bade-/Schwimmprothese) dar. Die von der Klägerin angestrebte Versorgung überschreite indes das Maß des Notwendigen. Eine Versorgung im Sinne der Badeprothesenliste Nr 1.01.03.11 sei ausreichend. In dieser Position seien alle notwendigen Zusatzpositionen bereits im Grundpreis enthalten; hierzu zähle auch der im Kostenverzeichnis aufgeführte Weichwandinnentrichter.
In einem bei der Beklagten Anfang Dezember 2008 eingegangenen Kostenvoranschlag des Instituts K heißt es wörtlich: "Der Unterschenkelstumpf ist nur mit einer Linerversorgung voll belastbar. Bei konventioneller Bauweise müssen knöcherne Areale freigelegt werden. Hier kommt es gerade durch die Wassertherapie zu Stumpfödemen. Dies führt zu einer mangelhaften Passform beim anschließenden Tragen der Laufprothese. Eine gleichbleibende Stumpfbelastung vermindert auch hier eine Unsicherheit im Laufen und somit die Sturzgefahr. Durch das Lock-System ist ein sicherer Halt im Schaft gegeben." Durch Bescheid vom 28.1.2009 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten einer Badeprothese in Höhe von 1.877,30
EUR zu übernehmen. Sie wies den darüber hinausgehenden Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 20.4.2009 zurück.
Am 20.5.2009 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, ein Systemwechsel bei der Schaftversorgung würde eine krankhafte Veränderung des Amputationsstumpfes herbeiführen, was vermieden werden müsse. Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme von Orthopädiemechaniker P /Dr K vom MDK vom August 2009 vorgelegt, die ausgeführt haben: Gebrauchsprothese und Badeprothese seien für unterschiedliche Einsatzzwecke konzipiert. Es sei deshalb nicht zwingend erforderlich, gleiche Schaftsysteme einzusetzen. Ein Gebrauchsvorteil eines Silikonhaftschafts lasse sich nicht erkennen. Unabhängig davon sei der vorliegende Kostenvoranschlag für eine Silikonversorgung unwirtschaftlich erstellt. Es handele sich um eine Kopieversorgung der Gebrauchsprothese. Das vorhandene Gipsmodell könne jedoch weiterverwendet werden; insoweit wären Kosten in Abzug zu bringen.
Durch Urteil vom 25.3.2010 hat das Sozialgericht (SG) Trier die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel nach
§§ 27,
33 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Die von der Klägerin begehrte Versorgung sei unwirtschaftlich. Wie sich aus der Stellungnahme des MDK vom August 2009 ergebe, sei die von der Beklagten angebotene Versorgung ausreichend.
Gegen dieses Urteil richtet sich die am 15.4.2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Auf ihren Antrag hat der Senat nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ein Gutachten von Prof Dr G vom April 2011 (persönliche Untersuchung der Klägerin am 29.3.2011) mit ergänzender Stellungnahme vom Juni 2011 eingeholt. Bei dieser Untersuchung hat die Klägerin angegeben: Sie habe die wasserfeste Gehhilfe beantragt, weil ihr außer Schwimmen keine Sportart, die sie trotz ihrer Rückenschmerzen sinnvoll betreiben könne, möglich sei. Vom Schwimmen erhoffe sie sich eine Kräftigung der Muskulatur. Der Gutachter hat dargelegt, die Versorgung mit einer Silikonlinerprothese sei medizinisch nicht zwingend erforderlich; es sei auch eine Versorgung mit einer Weichwandschaftprothese in konventioneller Technik möglich. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom Juni 2011 hat der Gutachter ausgeführt: Typischerweise würden mit Badeprothesen nur kurze Gehstrecken absolviert. Aber auch bei längeren Gehstrecken, beispielsweise am Wasser (zB Strandspaziergang), sei nicht zwingend eine Linerversorgung notwendig. Nur wenige Patienten gingen mit ihrer Prothese schwimmen, weil die Prothese vom Material her die Tendenz zum Aufschwimmen habe und nur durch subtile Anpassung der Gewichtsverhältnisse die Gehhilfe so eingestellt werden könne, dass ein Aufschwimmen nicht möglich sei. Wenn der Patient aber mit der Prothese schwimme oder an einer Wassertherapie teilnehme, habe die Versorgung mit einem Silikonliner-System deutliche Vorteile gegenüber der Weichwandschaftversorgung, da das Eindringen von Wasser in die Prothese vermieden werde; hierdurch sei die Haftung am Stumpf besser.
Die Klägerin trägt vor: Durch die ergänzende Stellungnahme des Prof Dr G sei geklärt, dass die Silikonlinerprothese im Verhältnis zu einer Weichwandschaftversorgung erhebliche Vorteile biete. Denn die wasserfeste Versorgung habe dem Versorgungsstandard der Alltagsprothese zu entsprechen (Hinweis auf Bundessozialgericht -
BSG - 25.6.2009 -
B 3 KR 19/08 R). Wenn es möglich sei, werde sie die Badeprothese auch im Wasser tragen. Es sei ihr ein Grundbedürfnis, sich stehend länger im Wasser aufzuhalten, was nur mit einer Badeprothese in Silikonlinertechnik möglich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Trier vom 25.3.2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1.8.2008 und 28.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Silikonliner-Badeprothese zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist ergänzend darauf, dass sie der Klägerin im Rahmen des
§ 43 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) Funktionstraining für den Zeitraum 2008 bis 2010 gewährt habe, das auch Wassergymnastik umfasst habe. Für die Teilnahme an derartigen Angeboten sei eine Badeprothese in Silikonlinertechnik nicht notwendig.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind.
Die nach §§ 143 f, 151 Sozialgerichtsgesetz
SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit einer Badeprothese mit Schaft in Silikonlinertechnik.
Nach
§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Vorliegend geht es um den sog unmittelbaren Behinderungsausgleich (vgl
BSG 25.6.2009 -
B 3 KR 2/08 R, juris Rn 21). Der Anspruch besteht auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (
BSG 25.6.2009 aaO Rn 20). Marginale Einschränkungen der Alltagsgestaltung sind dem Versicherten zuzumuten (
BSG 25.6.2009 -
B 3 KR 10/08 R, juris Rn 24).
Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht umstritten, dass die Klägerin Anspruch auf eine wasserfeste Badeprothese, die kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist, hat. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsprinzips (
§§ 2 Abs 1 Satz 1,
12 SGB V) ist die Beklagte aber nicht verpflichtet, der Klägerin anstelle einer Weichwandschaftprothese eine (teure) Silikonlinerprothese zu gewähren. Letztere bietet dem Versicherten im Verhältnis zu einer Weichwandschaftprothese nur sehr geringe Vorteile. Beim Gehen an Land bringt sie der Klägerin nach dem Gutachten von Prof Dr G keinen zusätzlichen Nutzen, soweit sie nicht, zB im Rahmen eines längeren Strandurlaubs, längere Gehstrecken von mehr als einem bis zwei Kilometer täglich zurücklegt. Zusätzliche Möglichkeiten lediglich etwa im Rahmen eines Strandurlaubs verpflichten die Krankenkasse nicht zur Leistungsgewährung (vgl
BSG 25.6.2009 -
B 3 KR 10/08 R, juris). Im Übrigen werden Badeprothesen nach Prof Dr G typischerweise nicht für längere Gehstrecken eingesetzt. Dafür, dass der Einsatz einer Badeprothese ohne Linerausstattung bei der Klägerin zu gesundheitlichen Schäden führen kann oder sogar schon geführt hat, ist nichts ersichtlich.
Die Beklagte ist auch nicht deshalb verpflichtet, der Klägerin eine Silikonliner-Badeprothese zu gewähren, weil sie sich mit der Prothese, zB im Schwimmbad, ins Wasser begeben will. Durch die Silikonlinerversorgung wird zwar das Eindringen von Wasser in die Prothese vermieden, wodurch eine bessere Haftung am Stumpf gewährleistet ist. Einen gewissen zusätzlichen Nutzen bietet die Silikonlinerprothese dem Beinamputierten jedoch nur, wenn er, zB im Schwimmbad, nicht nur schwimmen, sondern längere Zeit im Wasser stehend verbringen will. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen marginalen Vorteil. Üblicherweise wird ein Schwimmbad nicht deshalb aufgesucht, um sich im Wasser länger stehend aufzuhalten, sondern um dort zu schwimmen. Wie Prof Dr G dargelegt hat, gehen im Übrigen die meisten Beinamputierten nicht mit der Prothese schwimmen, weil die Prothese eine Tendenz zum Aufschwimmen hat und die wasserfeste Gehhilfe nur durch subtile Anpassung der Gewichtsverhältnisse so eingestellt werden kann, dass ein Aufschwimmen nicht möglich ist. Aus diesen Gründen ist die Silikonliner-Badeprothese nicht notwendig, um im Rahmen des Anspruchs auf unmittelbaren Behinderungsausgleich einen weitgehenden Ausgleich des behinderungsbedingten Funktionsdefizits zu gewährleisten.
Letztlich hat die Klägerin nicht deshalb Anspruch auf eine Silikonlinerprothese, um an Wassergymnastik teilnehmen zu können. Für eine solche ist nicht zwingend eine Badeprothese in Silikonlinertechnik erforderlich. Wie die Beklagte angegeben hat, ist die Teilnahme an einer Wassergymnastik im Rahmen eines Funktionstrainings der Rheumaliga auch ohne Silikonliner-Badeprothese möglich. Nachteile hat die Versorgung mit einer Prothese ohne Linerausstattung nur, wenn die Klägerin an einer mit längerem Stehen verbundenen Wassertherapie teilnimmt. Insoweit wird jedoch die Grenze eines nur marginalen Gebrauchsvorteils nicht überschritten. Aus dem Gutachten von Prof Dr G ergibt sich nichts dafür, dass es für die Klägerin aus medizinischen Gründen notwendig ist, an einer Wassertherapie im Stehen teilzunehmen. Auch sonst finden sich dafür keine Anhaltspunkte. Eine ärztliche Verordnung zur Teilnahme an einer solchen Therapie liegt nicht vor.
Die Klägerin hat die Möglichkeit, im Rahmen ihres Wunsch- und Wahlrechts anstelle der Weichteilschaftprothese die Silikonlinerprothese zu wählen, wobei sie die hierdurch entstehenden Mehrkosten zu tragen hat (§ 33 Abs 1 Satz 5
SGB V).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1
SGG).