Urteil
Pflegeversicherung - Ansprüche aus einer privaten Krankenversicherung - Erleichterung der Pflege durch ein Hilfsmittel - Reines Pflegehilfsmittel - Krankenversicherungsrechtliche Rehabilitation

Gericht:

SG Aachen 5. Kammer


Aktenzeichen:

S 5 P 99/14


Urteil vom:

06.06.2017


Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für seinen schwerstbehinderten Sohn ein Sitzschalenuntergestell Typ "Franka" nach Maßgabe der beigezogenen Produktinformation der Firma Schuchmann sowie eine Sitzschale nach Maß für dieses Untergestell zur Verfügung zu stellen bzw. 20 % der Kosten einer Neuanschaffung zu übernehmen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Streitig ist die Versorgung des schwerstbehinderten Sohnes des Klägers mit einem Zimmeruntergestell nebst einer entsprechenden Sitzschale nach Maß.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Beihilfeberechtigter privat pflegeversichert (Tarif PVB). Sein im 00.00.0000 geborener schwerstbehinderter Sohn G. (Pflegestufe III) ist über ihn zu 20 % bei der Beklagten versichert, die restlichen 80 % übernimmt die Beihilfe. Der Sohn wurde in der 25. Schwangerschaftswoche geboren. Er leidet unter anderem an einer cerebralen Bewegungsstörung mit Athetose, einer neuropathischen Skoliose sowie einer globalen Entwicklungsstörung mit schwerer Intelligenzminderung. Er ist weder in der Lage zu gehen, noch zu stehen, zu sitzen oder zu sprechen.

Auf Grund seiner Behinderungen ist der Sohn auf die Nutzung eines Sitzschalenuntergestells mit angepasster Sitzschale angewiesen. Zuletzt wurde er mit einem Zimmeruntergestell des Typs "Delfin" im Jahr 2004 sowie mit einem weiteren, für den Einsatz im Außenbereich geeigneten Sitzschalenuntergestell des Typs "Mika" im Jahr 2010 versorgt. Darüber hinaus verfügt er hierfür über zwei Sitzschalen nach Maß, angeschafft in den Jahren 2010 und 2011.

Mit Schreiben vom 30.06.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der Kosten eines Sitzschalenuntergestells des Typs "Franka" als Zimmeruntergestell nebst einer Sitzschale nach Maß unter Vorlage von Kostenvoranschlägen der TRI-O-med GmbH. Zur Begründung führte er aus, der Sohn sei auf Grund des zwischenzeitlichen Größenwachstums sowie der sich verschlechternden Skoliose auf die Versorgung mit einer neuen Sitzschale angewiesen. Zudem könne das vorhandene Sitzschalenuntergestell das höhere Gewicht des Sohnes nicht mehr tragen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab.

Am 18.09.2014 hat der Kläger Klage erhoben. Nach außergerichtlicher Vorlage eines Attestes des behandelnden Orthopäden L. vom 00.00.0000 hat die Beklagte aus der Krankenversicherung eine Leistungszusage für die Anschaffung einer neuen Sitzschale gegeben, Leistungen aus der Pflegeversicherung jedoch weiter abgelehnt. Der Kläger hat seine Klage aufrecht erhalten und trägt zur Begründung ergänzend vor, auch nach Erteilung der Leistungszusage für eine Sitzschale sei sein Sohn weiterhin auf die Versorgung mit einem Zimmeruntergestell und einer weiteren Sitzschale angewiesen. Hierbei handele es sich insbesondere um Pflegehilfsmittel, da hierdurch die Pflege wesentlich erleichtert werde. Als Zimmeruntergestell sei das begehrte Untergestell in der Sitzhöhe und -neigung individuell einstellbar. Daher seien die auf Grund der Skoliose zur Vermeidung von Druckstellen erforderlichen Lagerungswechsel ohne übermäßige Belastung der Pflegepersonen durchführbar. Ein Anheben des Sohnes sei hierzu nicht erforderlich. Durch die Verstellbarkeit der Sitzhöhe könne das Untergestell nebst Sitzschale - anders als das für den Außenbereich eingesetzte Untergestell "Mika" - zum Waschen des Sohnes unter den Waschtisch geschoben werden. Zusätzlich könne der Sohn ohne wesentlichen Aufwand oder körperliche Belastung auch bei Bedarf, so etwa beim Zähneputzen oder Haare waschen, bis zu einem Winkel von 45° vornüber gebeugt werden. Die individuelle Einstellbarkeit der Sitzneigung ermögliche weiter, dass der Sohn bei der Nahrungsaufnahme nicht nur in eine optimale Sitzposition verbracht, sondern auch auf einen akuten Hilfebedarf, so etwa bei drohendem Verschlucken, unverzüglich reagiert werden könne. Einem Anspruch stehe nicht entgegen, dass der Sohn bereits im Jahr 2004 mit einem Zimmeruntergestell versorgt worden sei. Seit der Versorgung im Jahr 2004 habe der Sohn erheblich an Gewicht zugenommen mit der Folge, dass das nur bis 40 kg belastbare Untergestell "Delfin" nicht bloß reparaturbedürftig, sondern nicht mehr geeignet sei. Soweit der behandelnde Orthopäde L. in dem zwischenzeitlich vorgelegten Attest auf eine Reparaturbedürftigkeit hinweise, beziehe sich dies auf das im Jahr 2010 beschaffte Gestell "Mika". Schließlich handele es sich bei der Anschaffung eines Zimmeruntergestells auch nicht um eine nicht erstattungsfähige Zweitversorgung. Zwar sei zutreffend, dass der Sohn mit dem Untergestell "Mika" noch versorgt sei. Hierbei handele es sich jedoch nicht um ein Zimmeruntergestell, sondern einen insbesondere auch zur auswärtigen Nutzung geeigneten Rollstuhl. Dieser sei auf Grund der Größe, der nur sehr eingeschränkten Verstellbarkeit der Sitz-/Liegeposition und der Sitzhöhe sowie der geringeren Wendigkeit nicht geeignet, die Pflege ohne erhöhten Aufwand auszuführen. Zwar habe die Beklagte zwischenzeitlich eine Leistungszusage aus der Krankenversicherung für eine Sitzschale erteilt. Eine weitere Sitzschale sei jedoch als Zweitversorgung erforderlich. Seit der letzten Versorgung des Sohnes mit einer Zweitschale sei es sowohl zu einer weiteren Verschlechterung der Skoliose, als auch zu einer Gewichtszunahme gekommen mit der Folge, dass eine Neuanpassung der Sitzschale auch für das Zimmeruntergestell erforderlich sei. Auf Grund der Sperrigkeit und des Eigengewichts der Sitzschale von ca. 30 kg sei ein Umsetzen der Sitzschale von einem Untergestell auf das andere der Pflegeperson nicht zumutbar. Hierbei müsse auch Berücksichtigung finden, dass ein Umsetzen wegen des Gewichts des Sohnes zudem nur möglich sei, wenn dieser für diese Zeit umgelagert werde. Dies sei nicht nur mit erheblichen Belastungen für die Pflegeperson, sondern insbesondere auch wegen der unmittelbar auftretenden Spastiken mit erheblichen Beeinträchtigungen für den Sohn verbunden.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, ihm für seinen schwerstbehinderten Sohn ein Sitzschalenuntergestell Typ "Franka" nach Maßgabe der beigezogenen Produktinformation der Firma Schuchmann sowie eine Sitzschale nach Maß für dieses Untergestell zur Verfügung zu stellen bzw. 20 % der Kosten einer Neuanschaffung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dem Anspruch stehe bereits entgegen, dass nur die im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel erstattungsfähig seien. Das begehrte Sitzschalenuntergestell nebst Sitzschale sei hierin jedoch gerade nicht aufgeführt. Im Übrigen werde durch das Zimmeruntergestell nebst Sitzschale weder die Pflege erleichtert, noch die Beschwerden des Pflegebedürftigen gelindert oder eine selbständigere Lebensführung ermöglicht mit der Folge, dass auch die Einordnung als Pflegehilfsmittel abzulehnen sei. Jedenfalls aber stehe dem Anspruch entgegen, dass der Sohn des Klägers bereits über zwei Untergestelle verfüge. Neben den vorhandenen Sitzschalen sei zudem 2015 aus der Krankenversicherung eine Leistungszusage für eine weitere Sitzschale gegeben worden. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass nunmehr noch ein drittes Untergestell nebst Sitzschale angeschafft werden müsse, zumal das zuletzt im Jahr 2010 - nicht wie vom Kläger angegeben im Jahr 2004 - angeschaffte Untergestell auch unter Berücksichtigung des Attestes des Orthopäden L. noch geeignet, jedoch reparaturbedürftig sei. Soweit der Kläger zudem auf Schwierigkeiten beim Umsetzen der Sitzschale von einem Untergestell auf das andere verweise, sei nicht nachvollziehbar, warum nicht ein Untergestell gewählt worden sei, welches für drinnen und draußen geeignet sei. Hiermit ließe sich auch ein Umsetzen vermeiden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Wegen der Einzelheiten des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Streitakte S 15 P 122/09 Bezug genommen.

Rechtsweg:

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 05.10.2017 - L 5 P 75/16

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit übereinstimmend einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist aktivlegitimiert. Leistungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag stehen allein ihm und nicht seinem Sohn als eigenes Recht zu. Dies ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 193 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Rechtsinhaber ist danach allein der Versicherungsnehmer, auch wenn es sich nicht um einen ihn selbst betreffenden Versicherungsfall handelt, sondern um den einer dritten Person, für die der Versicherungsnehmer die Leistungsverpflichtung übernommen hat. Aus dieser Aktivlegitimation folgt das Recht des Klägers, den Anspruch zu Gunsten seines Sohnes im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 13.05.2004, Az.: B 3 P 7/03 R, Sozialgerichtsbarkeit.de).

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf anteilige Versorgung seines Sohnes mit dem begehrten Zimmeruntergestell nebst angepasster Sitzschale gegen die Beklagte. Gemäß § 192 Abs. 6 VVG haftet der Versicherer im Falle der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen (Pflegekostenversicherung) oder er leistet das vereinbarte Tagegeld (Pflegetagegeldversicherung). Versicherte Person ist gemäß §§ 110, 25 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) auch der schwerstbehinderte Sohn des Klägers. Der Leistungsumfang der hier vorliegenden Pflegekostenversicherung bestimmt sich nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die "Leistungen der häuslichen Pflege" ist die Regelung in § 4 MB/PPV 2013 maßgeblich. Nach § 4 Abs. 7 S. 1 MB/PPV haben versicherte Personen gemäß Nr. 4 des Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Pflegehilfsmittel oder deren leihweise Überlassung, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden der versicherten Person beitragen oder ihr eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist. Nach Nr. 4 des Tarifs PV sind grundsätzlich Aufwendungen für die in dem Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel erstattungsfähig.

Zwar ist im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung das streitgegenständliche Zimmeruntergestell nebst angepasster Sitzschale nicht aufgeführt (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil vom 23.05.2012, Az.: L 10 P 1/11, Sozialgerichtsbarkeit.de). Dies schließt jedoch eine Leistungspflicht der Beklagten aus der Pflegeversicherung nicht aus. Denn § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI sieht vor, dass ein Vertrag der privaten Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für den Versicherungsnehmer und seine Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen muss, die nach Art und Umfang den Leistungen der §§ 28 bis 45 SGB XI gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle des Sachleistungsanspruchs eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs. 1 S. 3 SGB XI). Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs ist § 40 Abs. 1 SGB XI. Danach haben Pflegebedürftige der sozialen Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Eine Einschränkung der Leistungspflicht auf die in einem Hilfsmittelverzeichnis aufgenommenen Pflegehilfsmittel sieht die Regelung des § 40 Abs. 1 SGB XI demgegenüber nicht vor. Das von den Spitzenverbänden der Pflegekassen nach § 78 Abs. 2 SGB XI erstellte Pflegehilfsmittelverzeichnis ist nach ständiger Rechtsprechung für den Leistungsanspruch des Versicherten daher nicht verbindlich, sondern stellt grundsätzlich eine unverbindliche Auslegungshilfe dar (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.2007, B 3 P 9/06 R, Juris, Rn. 16).

Dass im Übrigen der Umstand, dass ein begehrtes Hilfsmittel nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen ist, einen Anspruch nicht ausschließt, ergibt sich nunmehr unmittelbar auch aus Nr. 4 des Tarifs PV, wonach im Einzelfall auch Aufwendungen für im Pflegehilfsmittelverzeichnis nicht aufgeführte Pflegehilfsmittel erstattungsfähig sind, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 S. 1, 2. Halbsatz MB/PVV erfüllt sind und die Pflegehilfsmittel wegen Krankheit oder Behinderung nicht von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Dabei können Pflegehilfsmittel grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Betätigungen beansprucht werden, die für die Lebensführung im häuslichen Umfeld erforderlich sind. Von der Erstattung aus der Pflegeversicherung ausgeschlossen sind Pflegehilfsmittel, die nicht alleine oder schwerpunktmäßig der Pflege, sondern vorwiegend dem Behinderungsausgleich dienen.

Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für das Zimmeruntergestell wie auch einer weiteren Sitzschale nach Maß. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei dem begehrten Zimmeruntergestell nebst Sitzschale um ein Pflegehilfsmittel, für das die Zuständigkeit der Krankenversicherung nicht gegeben ist (dazu I.). Darüber hinaus ist die Versorgung des Sohnes auch notwendig (dazu II.).

I. Bei dem vom Kläger begehrten Zimmeruntergestell in Kombination mit einer Sitzschale handelt es sich um ein Pflegehilfsmittel, das in erster Linie der Pflegeerleichterung und nicht dem Behinderungsausgleich dient mit der Folge, dass die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers, insbesondere jedoch der Krankenversicherung nach § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bzw. nach der entsprechenden Regelung der privaten Krankenversicherung (PKV), nicht gegeben ist. Insoweit steht es zur Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers in der nichtöffentlichen Sitzung fest, dass der Einsatz eines Zimmeruntergestells für die ordnungsgemäße und sachgerechte Durchführung der Pflege des schwerstpflegebedürftigen Sohnes erforderlich ist. Nicht auszuschließen ist, dass diese zwar auch dem Behinderungsausgleich dienen, dies tritt jedoch gegenüber dem Pflegeausgleich in den Hintergrund mit der Folge, dass das Zimmeruntergestell "Franka" in Kombination mit einer angepassten Sitzschale ein Pflegehilfsmittel im häuslichen Bereich darstellt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 23.05.2012, a.a.O. zum Fall einer Sitzschale und dem Zimmeruntergestell "Delphin").

Durch die Maße des Zimmeruntergestells und die dadurch bedingte Wendigkeit sowie die variable Verstellbarkeit der Sitzposition und -höhe in Verbindung mit einer maßangefertigten Sitzschale wird die vom Kläger und seiner Ehefrau geleistete Pflege in allen Bereichen der Grundpflege erheblich erleichtert. Dies entnimmt die Kammer den nachvollziehbaren Ausführungen des Klägers im Erörterungstermin vom 22.02.2016. So können nicht nur die regelmäßig erforderlichen Lagerungswechsel ohne eine übermäßige körperliche Belastung der Pflegepersonen durchgeführt werden. Vielmehr wird gerade durch den Einsatz des Zimmeruntergestells, welches nur mit angepasster Sitzschale verwendet werden kann, auch die Körperpflege erleichtert, da der Sohn hiermit nicht nur in das Badezimmer verbracht, sondern das Zimmeruntergestell, anders als das bereits vorhandene Untergestell "Mika", etwa zum Waschen von Händen und Gesicht unter den Waschtisch geschoben werden kann. Durch die Möglichkeit mit einem Handgriff die Sitzschale bis zu 45° vornüber zu neigen und zu halten, wird zudem das Waschen der Haare oder das Zähneputzen ohne Gefahr des Verschluckens ermöglicht, gleichzeitig jedoch eine übermäßige körperliche Belastung der Pflegeperson vermieden. Im Bereich der Ernährung kann zudem durch die stufenlose Neigungsfähigkeit der Sitzschale auf dem Gestell der Sohn ohne wesentlichen Aufwand in die zur Nahrungsaufnahme optimal geeignete Sitzposition gebracht und ohne zusätzliche Belastung der Pflegeperson in dieser gehalten werden. Dabei ist es der Pflegeperson durch die variable und ohne übermäßigen Kraftaufwand verstellbare Sitzposition weiter möglich, unverzüglich auf spontan während der Nahrungsaufnahme entstehenden Hilfebedarf, etwa bei Gefahr des Verschluckens, zu reagieren.

II. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Versorgung des Sohnes des Klägers sowohl mit einem Zimmeruntergestell, als auch mit einer angepassten Sitzschale notwendig.

Der Notwendigkeit der Versorgung mit einem neuen Zimmeruntergestell steht insbesondere nicht entgegen, dass der Sohn in der Vergangenheit bereits mit einem Zimmeruntergestell und einem zum externen Einsatz geeigneten Untergestell versorgt worden ist. Insoweit hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass das vorhandene, im Jahr 2004 beschaffte Zimmeruntergestell "Delfin" auf Grund der Gewichtszunahme des Sohnes nicht mehr einsatzfähig sei. Die insoweit vorgesehene Belastungsgrenze von 40 kg werde durch das Gewicht der Sitzschale und des Sohnes erheblich überschritten mit der Folge, dass die Stabilität nicht mehr gewährleistet sei. Nichts anderes folgt aus der Versorgung mit dem Untergestell "Mika". Dieses Untergestell, welches mit großen Rädern und besonderen Vorrichtungen für den Außenbereich ausgestattet ist, dient dem Transport und der Lagerung des Sohnes außerhalb des häuslichen Bereiches, ermöglicht jedoch bereits auf Grund der Maße und der geringeren Variabilität nicht in gleichem Maße die grundpflegerische Versorgung des Sohnes. So ist es etwa ohne mechanische Veränderungen nur möglich, den Sohn in eine Position zwischen liegend und halbliegend, nicht aber in eine sitzende oder vornübergebeugte Stellung zu verbringen.

Zur Überzeugung des Gerichts steht es weiter fest, dass auch die Versorgung des Sohnes des Klägers mit einer weiteren Sitzschale für das Zimmeruntergestell notwendig ist. Zwar ist der Sohn des Klägers bereits in den Jahren 2010 und 2011 mit zwei Sitzschalen versorgt worden. Seit diesem Zeitpunkt hat der Kläger jedoch nicht nur an Gewicht zugenommen. Vielmehr ist auch die Skoliose der Wirbelsäule weiter fortgeschritten. Dies entnimmt das Gericht dem Attest des Orthopäden L., wonach durch die skoliotischen Veränderungen der erforderliche Seithalt durch die Sitzschale nicht mehr gegeben ist. Zudem weist der Orthopäde darauf hin, dass der Sohn ca. 10 kg zugenommen habe mit der Folge, dass die Sitzschale insbesondere im Beckenbereich zu eng geworden sei. Zwar ist nicht ersichtlich, auf welche der Sitzschalen sich das Attest vom 24.01.2015 bezieht. Da die vorhandenen zwei Sitzschalen jedoch in einem Abstand von ca. einem Jahr beschafft worden sind, ist jedoch weder erkennbar, noch von der Beklagten vorgetragen, dass insoweit eine abweichende Situation vorliegt. Vielmehr hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass beide Sitzschalen nicht mehr geeignet seien, da diese nicht mehr passen. Nichts anderes folgt daraus, dass die Krankenversicherung zwischenzeitlich eine neue Sitzschale im Jahr 2015 bewilligt hat. Die Versorgung des Sohnes mit einer weiteren Sitzschale ist vielmehr zur Pflegeerleichterung erforderlich. Insoweit hat der Kläger nachvollziehbar ausgeführt, dass die Sitzschale bereits auf Grund ihres Eigengewichts von ca. 30 kg nur unter erheblicher körperlicher Belastung der Pflegeperson vom Zimmeruntergestell auf das Untergestell "Mika" umgebaut werden könne. Ein Verbleiben des etwa 30 kg schweren Sohnes in der Sitzschale zum Umbau sei nicht möglich. Dieser müsse daher, da er weder geh- noch stehfähig sei, abgelegt und nach Umbau unter Überwindung der sofort auftretenden Spastiken wieder in die Schale gesetzt werden. Dies stelle eine erhebliche körperliche Belastung sowohl für den Sohn als auch die Pflegeperson dar, welche nur durch den Einsatz einer zweiten Schale vermieden werden könne. Dem schließt sich das Gericht nach eigener Würdigung an. Dabei berücksichtigt das Gericht insbesondere, dass ein Verlassen des Hauses und damit ein Umsetzen mindestens dreimal in der Woche für Arzt- und Therapietermine erforderlich ist.

Der Notwendigkeit steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Versorgung mit einem anderen gleich geeigneten Hilfsmittel möglich ist. Ein solches ist weder ersichtlich, noch hat die Beklagte ein solches konkret aufgezeigt. Zwar verweist diese zuletzt darauf, dass es auch Untergestelle gebe, welche sowohl zum Verlassen der Wohnung geeignet, als auch in der Wohnung wegen ihrer geringeren Maße entsprechend eingesetzt werden könnten. Ob es sich bei diesen Untergestellen um ein vergleichbares Hilfsmittel darstellt, kann mangels hinreichender Information durch die Beklagte nicht festgestellt werden. Allein der pauschale Hinweis auf die Existenz eines nicht näher konkretisierten Hilfsmittels, ohne dass auf den konkret bei dem Pflegebedürftigen bestehenden Hilfebedarf eingegangen wird, reicht jedoch nicht aus, die Notwendigkeit zu widerlegen. Im Übrigen hat die Beklagte dem Kläger ein solches Untergestell auch nicht konkret angeboten.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Referenznummer:

R/R7603


Informationsstand: 31.07.2018