I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19.6.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.1.2008 ist rechtmäßig, soweit er den orthopädischen Bürostuhl betrifft, und beschwert die Klägerin deshalb insoweit nicht (§ 54
Abs. 2 Satz 1
SGG).
Die Beklagte hat die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines orthopädischen Bürostuhls zu Recht abgelehnt. Gemäß § 9
Abs. 2
SGB VI erbringt die Rentenversicherung unter anderem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu den in § 9
Abs. 1 Satz 1
SGB VI genannten Zwecken, wenn die persönlichen (§ 10
SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11
SGB VI) Voraussetzungen dafür erfüllt sind und kein Ausschlussgrund nach § 12
SGB VI vorliegt. Dann werden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den
§§ 33 bis
38 SGB IX gewährt (§ 16
SGB VI), wobei der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (§ 13
Abs. 1 Satz 1
SGB VI).
Dass die Klägerin in diesem Sinne die persönlichen (§ 10
SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11
SGB VI) Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach erfüllt und kein Ausschlussgrund nach § 12
SGB VI vorliegt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Klägerin wurden von der Beklagten deshalb mit dem hier nur teilweise angefochtenen und im Übrigen bestandskräftigen Bescheid vom 19.6.2007 bereits Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für einen höhenverstellbaren Schreibtisch gewährt.
Allerdings hat der orthopädische Sachverständige
Dr. med. R ausgeführt, dass aufgrund der Erkrankungen der Klägerin (Ruhe- und Belastungsschmerzen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten ohne Nervenwurzelreizzeichen bei verbliebenen Gefühlsstörungen im linken Fuß und Unterschenkel als Zustand nach Bandscheibenvorfall am Lendenwirbelsäulensegment L4/5 im Jahre 1997) ihre Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der typischen Anforderungen an die bisherige Berufstätigkeit als Sachbearbeiterin und Rechercheurin weder erheblich gefährdet noch gemindert ist, so dass es entgegen der Ansicht der Beteiligten bereits an den persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Teilhabeleistungen gemäß § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI fehlen würde.
Dies kann hier jedoch dahinstehen. Selbst wenn wegen der Erkrankungen der Klägerin die Erwerbsfähigkeit in der von ihr ausgeübten Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Rechercheurin zumindest erheblich gefährdet und zur Abwendung einer Erwerbsminderung in dieser Tätigkeit der bereits gewährte höhenverstellbare Schreibtisch (
ggf. zusammen mit dem erst in der mündlichen Verhandlung unmittelbar bei der Beklagten beantragten Sitz-Steh-Hocker) nötig wäre, damit sie eine zwischen Sitzen und Stehen wechselnde Arbeitshaltung einnehmen kann, steht ihr jedenfalls für sitzende Tätigkeiten kein orthopädischer Bürostuhl zu.
Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Sachverständige die "typischen" Anforderungen an eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin und Rechercheurin im Sinne einer (nur) überwiegend sitzenden Tätigkeit richtig zugrunde gelegt hat oder - wie die Klägerin behauptet - bei ihr - bisher - eine ausschließlich sitzende Tätigkeit vorliegt. Denn jedenfalls wird, wenn die Klägerin mit ihrer Behauptung einer zu 100 % (und nicht nur überwiegend) sitzenden Tätigkeit Recht hätte, die zwischen Sitzen und Stehen wechselnde Körperhaltung bei der Arbeit an den Akten und am
PC dann bereits durch den höhenverstellbaren Schreibtisch (
ggf. zusammen mit dem erst beantragten, hier nicht streitigen Sitz-Steh-Hocker) erreicht. Auch in diesem Falle würde deshalb für diejenigen Zeitanteile einer Arbeitsschicht, in denen die Klägerin ihre Tätigkeit noch sitzend ausführt, ein ergonomischer Bürostuhl gemäß den hierfür geltenden Richtlinien genügen, wie dies der Sachverständige für die von ihm angenommenen typischen Anforderungen an die Berufstätigkeit der Klägerin (nur überwiegend, aber nicht ausschließlich sitzende Tätigkeit) festgestellt hat.
Selbst wenn deshalb unterstellt wird, dass die Klägerin entgegen
Dr. med. R dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat, umfasst ein solcher Anspruch gemäß § 16
SGB VI i. V. m. § 33
Abs. 1
SGB IX nur die - konkret - erforderlichen Leistungen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Erforderlich im Sinne des § 33
Abs. 1
SGB IX sind jedoch nur solche konkreten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, durch die - im Sinne von § 10
Abs. 1
SGB VI - bei erheblich gefährdeter Erwerbsfähigkeit eine Erwerbsminderung voraussichtlich abgewendet werden kann oder bei bereits geminderter Erwerbsfähigkeit diese voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet oder (falls keine wesentliche Besserung in Aussicht steht) wenigstens der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Sofern nicht nur Teilhabeleistungen dem Grunde nach, sondern wie hier konkrete Teilhabeleistungen streitig sind, kann sich daher die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 10
Abs. 1
SGB VI nicht darauf beschränken, ob der Versicherte grundsätzlich rehabilitationsfähig ist, was unter Berücksichtigung seiner körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit, seiner Motivation und seines Alters festzustellen wäre, hier aber (wie oben dargelegt) unterstellt werden kann. Vielmehr müssen die Rehabilitationsbedürftigkeit und die Erfolgsaussicht der Rehabilitation im Sinne von § 10
Abs. 1
SGB VI in diesen Fällen gemäß § 16
SGB VI i. V. m. § 33
Abs. 1
SGB IX maßnahme-
bzw. leistungsbezogen geprüft werden (
vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2006 -
B 5 RJ 15/05 R -, Juris Rn. 29
ff. = SozR 4-2600 § 10
Nr. 2, mit Verweis auf:
BSG, Urt. v. 11.9.1980 -
1 RA 47.79 -, Juris Rn. 30 = SozR 2200 § 1237a
Nr. 16 sowie
BSG, Urt. v. 14.3.1979 -
1 RA 43/78 -, Juris Rn. 21 = SozR 2200 § 1237a
Nr. 6).
Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei dem begehrten orthopädischen Bürostuhl nicht um eine erforderliche Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Denn der Klägerin genügt aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen zur Überzeugung des Gerichts - jedenfalls wenn sie mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch und
ggf. noch mit dem hier nicht streitigen Sitz-Steh-Hocker versorgt ist (siehe oben) - für sitzende Tätigkeiten ein ergonomischer Bürostuhl, wie er vom Arbeitgeber auch gesunden Arbeitnehmern zu Verfügung zu stellen ist, so dass der Anspruch auf einen solchen ergonomischen Bürostuhl nicht behinderungs-
bzw. gesundheitsbedingt besteht. Falls die Klägerin daher nicht bereits mit einem solchen ergonomischen Bürostuhl ausgestattet ist, liegt die Ursache der Gefährdung oder Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit insoweit entgegen § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI nicht in einer Krankheit oder Behinderung (sondern in einer mangelnden Arbeitsplatzausstattung durch den Arbeitgeber) und kann daher nicht durch eine konkrete Teilhabeleistung in Form eines ergonomischen Bürostuhls nach § 10
Abs. 1
Nr. 2
SGB VI beseitigt werden. Umgekehrt, falls ihr bereits ein solcher ergonomischer Bürostuhl zur Verfügung steht, kann eine trotzdem verbleibende Gefährdung oder Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI dann jedenfalls nicht durch einen Bürostuhl mit zusätzlichen, über die Einhaltung der ergonomischen Standards hinausgehenden Ausstattungsmerkmalen beseitigt werden.
Welche Kriterien an Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen ein ergonomischer Bürostuhl erfüllen muss, der vom Arbeitgeber auch gesunden Arbeitnehmern zur Verfügung zu stellen ist, ergibt sich aus den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften: Gemäß § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (
ArbSchG) und § 4
Abs. 1 der aufgrund von § 19
ArbSchG erlassenen Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Bildschirmarbeitsverordnung - BildscharbV)
i. V. m.
Nr. 11 des Anhangs zur BildscharbV müssen die von Arbeitgebern an Bildschirmarbeitsplätzen zur Verfügung gestellten Arbeitsstühle ergonomisch gestaltet und standsicher sein. Wann sie ergonomisch und standsicher sind, ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Jedoch sind Arbeitgeber an die staatlichen Arbeitschutzvorschriften und darüber hinaus an die zu deren Konkretisierung von den Unfallversicherungsträgern gemäß § 15
SGB VII erlassenen weiterführenden Unfallverhütungsvorschriften gebunden. Diese Bindung folgt grundsätzlich aus § 2 der von allen Unfallversicherungsträgern satzungsmäßig umzusetzenden Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (GUV-V A 1) von Juli 2004 (
vgl. Rentrop,
BG 2003, 226
ff. und 401
ff., m. w. N.). Gemäß § 115
Abs. 1
SGB VII i. V. m. § 3 der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Regelung der Unfallverhütung im Bundesdienst (1. AVU Bund) vom 17.3.2005 gilt dies auch im Zuständigkeitsbereich der Unfallkasse des Bundes und damit für den Arbeitgeber der Klägerin.
Nach der beigezogenen Auskunft der Unfallkasse des Bundes vom 18.8.2009 stützt sich diese bei der Feststellung, ob Arbeitsstühle ergonomisch gestaltet und standsicher im Sinne von
Nr. 11 des Anhangs zur BildscharbV sind, mithin ob der Arbeitgeber insoweit seinen arbeitsschutz- und unfallverhütungsrechtlichen Pflichten nachgekommen ist, auf eine Information des Spitzenverbandes "Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung" (
DGUV),
d. h. auf den "Leitfaden für die Gestaltung von Bildschirm- und Büroarbeitsplätzen" (GUV-I 650). Dieser Leitfaden ist eine Zusammenstellung der Inhalte aus den staatlichen Arbeitsschutz- und den satzungsmäßigen Unfallverhütungsvorschriften sowie aus technischen Spezifikationen, insbesondere harmonisierten Normen
(z. B. nach
DIN), und den Erfahrungen der Präventionsarbeit. Er konkretisiert - ohne selbst Normcharakter zu haben - die sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, ergonomischen und arbeitspsychologischen Anforderungen für Gestaltung und Betrieb von Arbeitssystemen mit Bildschirmgeräten und gilt auch für Büroarbeitsplätze. Die Unternehmen können bei Beachtung der darin enthaltenen Informationen davon ausgehen, dass die Anforderungen und Schutzziele von
ArbSchG, BildscharbV und Betriebssicherheitsverordnung eingehalten wurden. Dadurch soll eine aufwendige und kostspielige Diskussion der allgemeinen Vorgaben der BildscharbV vermieden werden. Die in dem Leitfaden beschriebenen technischen Lösungen schließen allerdings andere, mindestens ebenso sichere Lösungen nicht aus (
vgl. die Vorbemerkung zur GUV-I 650, Seiten 5 bis 7).
Der Leitfaden enthält somit in tatsächlicher Hinsicht die Kriterien, die nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik erfüllt sein müssen, damit ein Bildschirm- oder Büroarbeitsplatz den staatlichen Arbeitsschutz- und den ergänzenden Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger entspricht. Genügt einem Versicherten daher insgesamt oder in Teilen eine Arbeitsplatzausstattung, die den Mindestanforderungen dieses Leitfadens entspricht, damit eine Gefährdung oder Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI ausgeschlossen ist, benötigt er in diesem Umfang keine Teilhabeleistungen nach § 10
Abs. 1
Nr. 2
SGB VI.
Dabei ist es im Rahmen der Prüfung, ob Teilhabeleistungen nötig sind, ohne Bedeutung, dass statt der im Leitfaden beschriebenen technischen Lösungen andere, mindestens ebenso sichere technische Lösungen zulässig sind. Denn für die Frage, ob gesundheitsbedingt eine über den Leitfaden hinausgehende Arbeitsplatzausstattung nötig ist, kommt es nicht darauf an, auf welchem technischen Weg (mittels welcher technischen Lösungen) die dort beschriebenen Kriterien erfüllt werden, sondern nur darauf, ob und inwieweit es gesundheitlich für den jeweiligen Versicherten ausreicht, wenn die im Leitfaden niedergelegten Kriterien erfüllt werden, weil dann feststeht, dass insoweit keine zusätzlichen Teilhabeleistungen erforderlich sind. Dies ist bei der Klägerin hinsichtlich eines Büroarbeitsstuhls nach
Nr. 11 des Anhangs zur BildscharbV der Fall.
Der Sachverständige
Dr. med. R hat ausgehend von den Erkrankungen der Klägerin (Ruhe- und Belastungsschmerzen in allen drei Wirbelsäulenabschnitten ohne Nervenwurzelreizzeichen bei verbliebenen Gefühlsstörungen im linken Fuß und Unterschenkel als Zustand nach Bandscheibenvorfall am Lendenwirbelsäulensegment L4/5 im Jahre 1997) für die Kammer überzeugend dargelegt, dass der Klägerin ein Büroarbeitsstuhl genügt, der den ergonomischen Mindestanforderungen entspricht, wie sie für Büroarbeitsstühle auf den Seiten 63 bis 68 des Leitfadens dargelegt sind.
Danach ist es für die Klägerin ausreichend, wenn der Stuhl individuell an die Arbeitshaltung angepasst werden kann, ohne dass orthopädischerseits eine darüber hinausgehende spezielle Sitzanpassung nötig ist. Der Sachverständige sieht sich insoweit in weitgehender Übereinstimmung mit den Anforderungen an einen für die Klägerin nötigen Büroarbeitsstuhl, wie dies bei der Arbeitsplatzberatung am 3.8.2009 anlässlich einer stationären medizinischen Rehabilitation ergotherapeutisch herausgearbeitet wurde. Diese Anforderungen stehen - abgesehen von der vom Sachverständigen verneinten Notwendigkeit einer zusätzlichen individuellen Sitzanpassung - im Einklang mit den auch im Leitfaden niedergelegten ergonomischen und sicherheitstechnischen Mindestanforderungen an einen ergonomisch gestalteten Bürostuhl, wie sie auf den Seiten 63 bis 68 des Leitfadens im Einzelnen erläutert werden.
Die von der Betriebsärztin in ihrer Stellungnahme vom 4.11.2008 empfohlene zusätzliche individuelle Sitzanpassung und die zusätzliche Halswirbelstütze hält der Sachverständige hingegen nicht für erforderlich. Angesichts der vom Sachverständigen nach eigener ausführlicher Untersuchung schlüssig und widerspruchsfrei erhobenen Befunde und Diagnosen sowie angesichts der daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen sieht das Gericht keinen Grund, von dessen Einschätzung abzuweichen.
Ob der vom Arbeitgeber tatsächlich zur Verfügung gestellte Stuhl die Mindestanforderungen gemäß dem Leitfaden tatsächlich erfüllt, muss hier hingegen nicht geprüft werden. Denn entweder hat der Arbeitgeber einen solchen Bürostuhl noch zur Verfügung zu stellen oder er hat dies schon getan. Im letzteren Falle könnte dies dafür sprechen, dass die von der Klägerin beschriebenen Rückenprobleme bei ihrer Arbeit nicht auf einem medizinisch unzulänglichen, weil nicht ergonomisch gestalteten Bürostuhl beruhen, sondern darauf, dass bisher kein Wechsel zwischen sitzender und stehender Tätigkeit am Bildschirmarbeitsplatz möglich war. Darauf kommt es aber, wie eingangs ausgeführt, hier nicht an.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1 Satz 1
SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.