Urteil
Kein Anspruch auf Ausstattung eines gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatzes mit einem behinderungsgerechten Bürostuhl durch die Rentenversicherung - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit - Ausstattungspflicht des Arbeitgebers

Gericht:

SG Frankfurt 29. Kammer


Aktenzeichen:

S 29 R 303/12


Urteil vom:

12.06.2013


Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit einem besonderen behinderungsgerechten Bürostuhl im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auszustatten.

Die am XX. XX 1954 geborene Klägerin ist am L.- und A.gericht F. als Mitarbeiterin des einfachen Justizdienstes beschäftigt. Als Justizbeschäftigte ist sie im Bereich der Justizwachtmeisterei vollzeitbeschäftigt.

Am 16. Juli 2011 stellte die Klägerin bei der Beklagten ein Antrag auf die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Im Rahmen dieses Antrages gab sie an, dass sie neben Bluthochdruck, Asthma und Allergiebeschwerden vor allen an Schmerzen im Lenden- sowie Brust- und Halswirbelbereich leide. Sie benötige als technisches Arbeitsmittel zur Berufsausübung in dem von ihr verrichteten Pförtnerdienst einen für ihre Bandscheibe gerechten Stuhl. Sie sitze in ihrer Arbeit fast acht Stunden am Stück. Ein leidensgerechter Stuhl sei an ihrer Arbeit nicht vorhanden.

Dem Antrag beigefügt war eine Bestätigung des Arbeitgebers, dass die Klägerin dem betrieblichen Pflichtkontingent schwerbehinderter Arbeitnehmer im Sinne des § 71 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuzuordnen sei. Das Landgericht sei nicht bereit, die Klägerin auf eigene Kosten behinderungsgerecht auszustatten, da eine verspätete Anmeldung des Bedarfs vorgelegen habe. Eine Berücksichtigung im laufenden Haushaltsjahr sei daher nicht mehr möglich.

Die Klägerin reichte ferner eine betriebsärztliche Stellungnahme vom 13. Oktober 2011 der Betriebsärztin Frau Sternberg zur Verwaltungsakte, in der Frau Sternberg dahingehend Stellung nahm, dass die Klägerin an einer Muskelskeletterkrankung und Beeinträchtigungen des unteren Rückens leide. Langes Sitzen in gleichbleibender Position führe bei der Klägerin zu Verspannungen. Die Klägerin benötige unter anderem einen ergonomischen Arbeitsstuhl mit individuell einstellbarer Lordosenstütze und einer flexibel einstellbaren Sitzfläche.

Mit Bescheid vom 4. Januar 2012 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten eines individuell besonders ausgestatteten ergonomischen Bürostuhls im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass, sofern die medizinische Notwendigkeit für eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes gegeben sei, vorrangig eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehe, dieses zu gewährleisten.

Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2012 legte die Klägerin gegen den vorgenannten Bescheid Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass ihr vom Arzt empfohlen worden sei, sich an ihren Rentenversicherungsträger für die Ausstattung mit einem ergonomischen Bürostuhl zu wenden. Sie sei eine Stufe vor dem Bandscheibenvorfall. Sie müsse acht Stunden am Tag in der Zentrale arbeiten und deshalb auch acht Stunden auf einem Stuhl sitzen. Diesem Widerspruch fügte die Klägerin ein Schreiben der Bezirksverbändevertretung und Schwerbehindertenvertretung des nichtrichterlichen Dienstes der Ordentlichen, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 25. Januar 2012 bei. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, dass die Schwerbehindertenvertretung den Antrag auf Übernahme der Kosten eines individuell besonders ausgestatteten ergonomischen Bürostuhls unterstützt. Die Klägerin sei schwerbehindert und habe einen GdB von 50. Für Arbeitnehmer sei der Rententräger für die besondere Ausstattung des Arbeitsplatzes zuständig. Es sei richtig, dass der Arbeitgeber vorrangig verpflichtet sei, den Arbeitsplatz einzurichten, jedoch geschähe dies nur mit einer Grundausstattung. Da die Klägerin einen besonders ausgestatteten ergonomischen Bürostuhl benötige, könne dies nicht durch den Arbeitgeber gewährleistet werden. Die Klägerin sitze mehr als 6 Stunden ausschließlich in der Managementzentrale. Es werde daher nochmals um Überprüfung der Sachlage und Bewilligung der Übernahme der Kosten in diesem Fall gebeten.

Die Beklagte bat daraufhin ihren sozialmedizinischen Dienst um die Abgabe einer Stellungnahme im Widerspruchsverfahren. Am 14. Februar 2012 nahmen der Facharzt für Chirurgie Herr Doktor K. und der leitende Medizinaldirektor Herr Doktor A.-S. insbesondere unter Auswertung eines Reha-Entlassungsberichts der Reha-Klinik G. vom 8. Dezember 2011 für eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung der Klägerin vom 2. November 2011 bis 30. November 2011 dahingehend Stellung, das von den behandelnden Klinikärzten eingeschätzt worden sei, dass die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit als Angestellte am L.-gericht weiterhin vollschichtig ausüben könne. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Entsprechend den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei für die Klägerin ein individuell besonders ausgestatteter ergonomischer Bürostuhl nicht erforderlich. Der Arbeitgeber sei für die Arbeitsplatzausstattung verantwortlich, wobei dies auch einen ergonomischen Bürostuhl betreffe. Ein individuell besonders ausgestatteter Bürostuhl sei jedoch aus medizinischen Gründen nicht erforderlich. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Reha-Einrichtung sollten die körperlichen Aktivitäten eigener Regie, einschließlich des Rehasportes fortgeführt werden. Desgleichen erforderlich sei die weitere Gewichtsreduktion.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gestützt auf die prüfärztliche Stellungnahme als unbegründet zurück. Ein individuell besonders ausgestatteter ergonomischer Bürostuhl sei im Fall der Klägerin nicht erforderlich.

Mit Schriftsatz vom 10. April 2012, Eingang bei der Beklagten am 13. April 2012, legte die Klägerin gegen den vorgenannte Entscheidung der Beklagten erneut Widerspruch ein. Hierbei nahm sie Bezug auf die Entscheidung des Sozialgerichts Dresden vom 28. Februar 2011, Aktenzeichen S 24 KN 625/09, in welcher das Sozialgericht Dresden entschieden hatte, dass Ansprüche gegenüber Rehabilitationsträger auf Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form technische Arbeitshilfen Vorrang vor den Ansprüchen gegenüber Arbeitgeber nach dem Teil 2 des SGB IX auf eine behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung haben. Diesen zweiten "Widerspruch" der Klägerin leitete die Beklagte mit Schreiben vom 11. Mai 2012 an das zuständige Sozialgericht Frankfurt (Oder) weiter.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Januar 2012 und des Widerspruchsbescheides 8. März 2012 zu verurteilen, ihr im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für ihren Arbeitsplatz einen besonders ausgestatteten ergonomischen Bürostuhl mit einer individuell einstellbarer Lordosenstütze und einer flexibel einstellbaren Sitzfläche zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat im Rahmen des Klageverfahrens eine Niederschrift der Arbeitsplatzbegehung der Klägerin vom einen 20. September 2011 der Betriebsärzten Frau A. S. zur Gerichtsakte gereicht. In dieser wird die Auswahl eines Arbeitsstuhls mit einer individuell einstellbaren Lordosenstütze und einer flexibel einstellbaren Sitzfläche empfohlen.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat zur weiteren Sachaufklärung Befundberichte der behandelnden Ärzte Doktor B. und Doktor K. - B. eingeholt. Das Sozialgericht hat darüber hinaus Frau Dr. S. um die Abgabe einer ergänzenden Stellungnahme gebeten. Frau Dr. S. hat angegeben, dass sich aus den vorliegenden Befunden eine chronische Bewegungs- und Belastungseinschränkung entnehmen lasse. Das Tätigkeitsfeld der Klägerin bestehe unter anderem aus einer überwiegend sitzenden Tätigkeit mit Publikumsverkehr. Die Klägerin habe ihr Beschwerden bei längeren Sitzen angegeben, sowie Beschwerden bei Zwangshaltungen. Das Arbeiten am Computer in der Pforte sei mit einer Rotationsbewegung im Rumpf verbunden. Das längere eingeschränkte Sitzen auf dem vorhandenen Arbeitsstuhl, stelle bei unzulänglicher Einstellmöglichkeit ebenfalls eine Zwangshaltung dar. Für die Gesunderhaltung und für eine Arbeitserleichterung sei ein ergonomischer Arbeitsplatz erforderlich. Der vorhandene Arbeitsstuhl erfülle diese Voraussetzungen nicht. Es sei keine ausreichend hohe Rückenlehne, keine individuell einstellbarer Lordosenstütze, keine flexible Rückenlehne für des dynamisches Sitzen und die individuell einstellbarer Sitztiefe vorhanden.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat ferner eine Arbeitgeberauskunft vom L.gericht F. über die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes der Klägerin eingeholt. Hierbei wurde ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen vor allen Dingen in der Gefahrenmanagementzentrale im Eingangsbereich des Gerichtsgebäudes eingesetzt werde. Gelegentlich werden sie auch bei der Bearbeitung der ein- und ausgehenden Post sowie bei Boten- und Kontrollgängen eingesetzt. Die Klägerin verfüge gegenwärtig über einen Bürodrehstuhl. Dieser entspreche ergonomischen Anforderungen und sei mit einer Höhenverstellung für Sitz- und Armlehnen sowie einer aktiven Lordosenstütze ausgestattet. Auf die ausführliche Arbeitgeberauskunft des Landgerichts Frankfurt oder vom 15. Juni 2012 wird Bezug genommen. Das Landgericht hat auf eine weitere Anforderung des Gerichts auch eine Bedienungsanleitung für den Bürodrehstuhl der Klägerin übersandt.

Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 6. September 2012 eine ausführliche Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes vom 30. August 2012 übersandt, in der dieser dahingehend Stellung nahm, dass für die letzte berufliche Tätigkeit der Klägerin als Angestellte im L.-gericht die Erwerbsfähigkeit weder gemindert noch gefährdet sei. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin keinesfalls einen ununterbrochenen 8-Stunden-Tag in sitzender Beschäftigung habe. Die Klägerin könne kurzzeitig auch stehen und gehen und gegebenenfalls auch kleinere Botengänge übernehmen. Darüber hinaus habe der Arbeitgeber mitgeteilt, dass die Klägerin an einem großzügig bemessen Schreibtisch arbeite und mit einem ergonomischen Bürodrehstuhl versorgt worden sei. Eine Notwendigkeit einer Ausstattung mit einem individuell besonderen ergonomischen Bürodrehstuhl gebe es nicht.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat daraufhin die Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens durch die Fachärztin für Arbeitsmedizin Frau Doktor L. F. veranlasst. Hierbei wurde in der Anamneseerhebung der Arbeitsablauf wie folgt beschrieben:

8.00 Uhr bis 9.30 Uhr sitzende Tätigkeit in der Gefahrenmanagementzentrale, dann 30 Minuten Botengänge im Haus, 10.00 Uhr bis 11.30 Uhr wieder sitzende Tätigkeit im Eingangsbereich, 11.30 Uhr bis 12.00 Uhr Mittagspause, 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr sitzende Arbeitshaltung, 13.30 Uhr bis 14.00 Uhr Rundgang im Haus und um das Haus, 14.00 Uhr bis 15.45 Uhr sitzende Tätigkeit. Zwei mal wöchentlich Gang zum Finanzamt. Des Weiteren Bewegungsausgleichprogramm am Arbeitsplatz in der Gefahrenmanagementzentrale zur Entlastung der Wirbelsäule und der Gelenke.

Diese stellte in ihrem Gutachten vom 30. November 2012 für die Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest:

- Schmerzhafte Lendenwirbelsäulenerkrankung mit psychotischer Überlagerung ohne relevante Funktionseinschränkungen und ohne neurologische Ausfälle - Metabolisches Syndrom mit Adipositas, Bluthochdruck, Glukostoleranzstörung, Fettstoff- und Harnsäurestoffwechselstörung - Asthma - Schilddrüsenfehlfunktion - Kniegelenksverschleiß links - Fußfehlform beidseits - Fersensporn links - Restless - legs - Syndrom - Gallensteinleiden - Seelisches Leiden.

Nach Einschätzung der Gutachterin Frau Dr. F. sei die Fähigkeit der Klägerin ihre derzeitige berufliche Tätigkeit als Justizwachtmeisterei auszuüben weder erheblich gefährdet noch gemindert. Ein individuell besonders ausgestatteter ergonomischer Bürostuhl sei nicht erforderlich, der vom Arbeitgeber gestellte Bürostuhl mit höhenverstellbarer Sitzfläche, beweglichen Armlehnen und dynamische Rückenlehne entspreche den notwendigen Anforderungen. Der Einschätzung der Betriebsärzten Frau Doktor S. könne nicht gefolgt werden. Bei der Klägerin würden weder relevante Funktionsstörungen der Wirbelsäule vorliegen, noch könne bei Fehlen entsprechender zielgerichteter Therapiekonzepte von einer ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung die Rede sein, weshalb von einer erheblichen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht auszugehen und deshalb auch keine speziellen Hilfsmittel erforderlich seien. Verbesserte Belastbarkeit und eine Schmerzreduktion seien durch weitere Gewichtsreduktion, eine in der Schweren angepasste kontinuierliche körperliche Ertüchtigung und eventuell durch eine psychotherapeutische Mitbehandlung zu erreichen. Nach Angaben der Klägerin würden sich auch eine entsprechende Arbeitsorganisation mit wechselnden Tätigkeiten und dadurch wechselnde Arbeitshaltungen sowie das in Eigeninitiative durchgeführte Bewegungsübungsprogramm am Arbeitsplatz positiv auf das Wirbelsäulenleiden auswirken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2010 sowie die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR xxx), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig erhoben worden.

II. 1. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2012 durch den die Beklagte die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv - öffentlichen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines besonders einstellbaren ergonomischen Bürostuhls zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 9 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung unter anderem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben um gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Auswirkungen von Krankheiten oder Behinderungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und die Versicherten dadurch vor Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit zu bewahren, ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder diese möglichst dauerhaft wieder in das Erwerbsleben einzugliedern, wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen dafür erfüllt sind und kein Ausschlussgrund nach § 12 SGB VI vorliegt. Dann werden die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 SGB IX gewährt (§ 16 SGB VI), wobei der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Dass die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach erfüllt und kein Ausschlussgrund nach § 12 SGB VI vorliegt, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klägerin erfüllt jedoch nicht die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI, da ihre Erwerbsfähigkeit für die zuletzt und auch weiterhin ausgeübte Tätigkeit als Justizangestellte im unteren Dienst beim Land- und Amtsgericht Frankfurt (Oder) nicht wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn nach ärztlicher Feststellung wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen in absehbarer Zeit, das heißt unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 102 Abs. 2 S. 2 SGB VI innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren, damit zu rechnen ist, dass ohne Leistungen zur Teilhabe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eintritt (vgl. Kater in Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 77. Auflage 2013, zu § 10 SGB VI Rn 7 und 9 mit weiteren Nennungen). Im Fall der Klägerin ist dieser allgemeine Zeitraum jedoch auf die Zeit der mündlichen Verhandlung am 12. Juni 2013 bis zum Ausscheiden der Klägerin aus dem aktivem Dienst am 21. Dezember 2013 zu begrenzen, da es für die gerichtliche Entscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage anders als z.B. bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage auf die am Tag der mündlichen Verhandlung aktuelle Tatsachenlage ankommt. Es ist darauf abzustellen, ob die Klägerin das begehrte Hilfsmittel aktuell noch benötigt wobei in dem hier zu entscheidenden Fall weiter der Umstand zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin im Rahmen der Altersteilzeit ab dem 22. Dezember 2013 in die so genannte "Ruhephase" ihrer Altersteilzeit eintritt und danach mangels Fortbestehens der durch die Arbeitsleistung bestehenden Belastung per se nicht mehr erwerbsgefährdet sein kann (vgl. § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages Altersteilzeit im öffentlichen Dienst - so genanntes "Blockmodell"). Es muss daher in dem verbliebenen halben Jahr der aktiven Arbeitstätigkeit der Klägerin die erhebliche Gefahr einer "Ausgliederung" aus Arbeit, Beruf und Gesellschaft bestehen. Der Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit darf nicht nur möglich sein. Es muss die begründete Aussicht bestehen, dass diese bis zum regelmäßigen Ausscheiden der Klägerin aus dem aktiven Dienst am 22. Dezember 2013 eintritt. Die Gefährdung muss bis zum Abschluss der Leistung voraussichtlich fortbestehen und durch die Teilhabeleistung beeinflusst werden können (vgl. Kater in Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 77. Auflage 2013, zu § 10 SGB VI Rn 7 und 9 mit weiteren Nennungen). Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 10 SGB VI liegt im Abgrenzung zur erheblichen Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nicht nur vor, wenn eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI vorliegt, sondern bereits dann, wenn die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben nicht unwesentlich eingeschränkt ist und der Versicherte daher nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf normal auszuüben. Eine - hier nicht vorliegende - Minderung der Erwerbsfähigkeit hat im Gegensatz zur Gefährdung bereits zu einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geführt (vgl. Kater, a.a.O. Rn 8).

Vorliegend liegen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vor:

- Schmerzhafte Lendenwirbelsäulenerkrankung mit psychotischer Überlagerung ohne relevante Funktionseinschränkungen und ohne neurologische Ausfälle - Metabolisches Syndrom mit Adipositas, Bluthochdruck, Glukostoleranzstörung, Fettstoff- und Harnsäurestoffwechselstörung - Asthma - Schilddrüsenfehlfunktion - Kniegelenksverschleiß links - Fußfehlform beidseits - Fersensporn links - Restless - legs - Syndrom - Gallensteinleiden - Seelisches Leiden

Auch unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen besteht aus Sicht der Kammer, die sich insoweit den überzeugenden Ausführungen der Gutachterin Frau Dr. F. und des prüfärztlichen Diensts der Beklagten anschließt, keine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin. Die Kammer ist vielmehr der Überzeugung, dass die Klägerin zumindest für die verbleibende Zeit bis zum Eintritt der Klägerin in die Ruhephase ihrer Altersteilzeitbeschäftigung am 22. Dezember 2013 ihre bisherigen berufliche Tätigkeit auch ohne die Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zumutbar verrichten kann. Der abweichenden Einschätzung der Betriebsärztin Frau Sternberg, die sich auf die Befundunterlagen der behandelnden Ärzte der Klägerin und deren subjektive Angaben zu ihren durch die Arbeitssituation hervorgerufenen Leiden beruft und die ersichtlich keine umfassende eigene körperliche Untersuchung durchgeführt hat folgt die Kammer aus folgenden Gründen nicht: Die körperlichen Wirbelsäulenbeschwerden stellen sich nicht so schwerwiegend dar, als dass sich die Notwendigkeit einer sofortigen Versorgung der Klägerin mit einem besonders einstellbaren ergonomischen Bürostuhl, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2013 beschrieben würde, aufdrängen würde. Dass die Belastbarkeit und Funktionsfähigkeit der Wirbelsäule der Klägerin noch nicht wesentlich eingeschränkt ist, ergibt sich aus dem Ergebnis der ambulanten Untersuchung durch Frau Dr. F. (Punkte 3.6. der gutachterlichen Untersuchung, Blatt 8f. des Gutachtens) in der die Klägerin im Wesentlichen Normalwerte erreichte und nach Erfahrungswerten des Gerichts deutlich besser abschnitt als Personen mit schwerwiegenden Wirbelsäulenbeschwerden. Dieses deckt sich mit der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. K. - B. in seinem Befundbericht vom 27. Juni 2012, bei dem die Klägerin in längeren Zeitabständen in Behandlung ist und der angab, dass sich bei der Klägerin eine Besserung der Wirbelsäulenbeschwerden ergeben habe (Eintrag in der Patientenakte am 12. Juni 2012 "Beschwerdefreiheit lumbal"). Im Weiteren führt die Klägerin in der Gefahrenmanagementzentrale des L.- und A.-gerichts F. eine leichte körperliche Tätigkeit aus, die keineswegs durchgehend sitzend zu verrichten ist. Die Klägerin kann gut ein Viertel der täglichen Arbeitszeit mit Kontroll- oder Botengängen verbringen und hierbei ihre Wirbelsäule entlasten. Hinzu kommt eine halbstündige Pause zur freien Disposition. Darüber hinaus kann die Klägerin durch regelmäßigen Positionswechsel und Bewegungsübungen in der Gefahrenmanagementzentrale ihr Wirbelsäulenleiden positiv beeinflussen. Die Klägerin ist im Übrigen bereits mit einem recht guten Bürostuhl der bezüglich der Sitzhöhe und der Armlehnen höhenverstellbar ist und über eine Lordosenstütze verfügt, versorgt. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer in den kommenden sechs Monaten keine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit für die Klägerin. Dieses gilt umso mehr, als die Klägerin den Antrag auf Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Angabe ihres Arbeitgebers nach erfolgtem Hinweis auf die Möglichkeit der Antragsstellung bei der Beklagten im August 2010 erst nach mehreren Sachstandsanfragen durch diesen und erst im Mai 2011 gestellt hat. Dieses weist ebenso wie der Umstand, dass die Klägerin Schmerzmedikamente nur bei Bedarf einnehmen muss, darauf hin, dass der durch die Arbeitsplatzsituation entstandene körperliche Leidensdruck nicht so hoch ist, dass der Klägerin eine unveränderte Situation nicht noch über den verbliebenen Arbeitszeitraum von weiteren sechs Monaten zuzumuten wäre.

Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass für den Fall, dass entgegen der Kammerauffassung auf Grund der konkreten Arbeitsplatzsituation doch zumindest eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin und damit ein Anspruch auf Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 9 SGB VI dem Grunde nach vorliegen sollte, in diesem Fall trotzdem keine Einstandspflicht durch die Beklagte für die Versorgung mit dem von der Klägerin begehrten besonders ausgestatteten Bürostuhl gegeben wäre. Im Verhandlungstermin wurde insoweit vorgebracht, dass nur die Klägerin länger als eine halbe Stunde an dem konkreten Arbeitsplatz in der Gefahrenmanagementzentrale verbringen müsse, da man sie auf Grund ihrer körperlichen Einschränkungen mit keinen anderen Aufgaben des einfachen Justizdienstes mehr betrauen könne und dass sie nur mit Hilfe eine besonders einstellbaren Sessels alle Monitore, die Telefonanlage und den Computer in hinreichend entspannter Sitzhaltung im Auge behalten könne. Dieses als zutreffend zu Grunde gelegt, wären die gesundheitlichen Beschwerden durch die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsrhythmus der Klägerin insbesondere durch die Schwierigkeiten bei der Einsicht der zu überwachenden Geräte und der fehlenden Wechselmöglichkeit der Beschäftigung bedingt. In diesem Fall wäre vorrangig der Arbeitgeber für eine ausreichende, dass heißt nicht gesundheitsgefährdende Ausstattung dieses Arbeitsplatzes zuständig. Eine Einstandspflicht der Beklagten als Rentenversicherungsträger besteht nämlich nur dann, wenn die Ursache der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin direkt und nicht nur mittelbar in einer Behinderung oder Erkrankung der Klägerin besteht. Aufgabe der Rentenversicherung ist es hingegen nicht eine mangelnde Grundausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber auszugleichen (vgl. Sozialgericht Dresden, Urteil vom 29. März 2010, Aktenzeichen S 24 R 157/08 Rn 23). Eine Einstandspflicht der Rentenversicherung besteht auch nicht für die zusätzliche Ausgestaltung an sich eines bereits ohne Berücksichtigung der Schwerbehinderung aus sich heraus gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatzes, der einem schwerbehinderten Arbeitnehmer auf Grund fehlender anderer Einsatzmöglichkeiten durch den Arbeitgeber zugewiesen wird. Falls es zutrifft, dass die Monitore auch durch gesunde Mitarbeiter nur eingesehen werden können, wenn der Stuhl in der Gefahrenmanagementzentrale über eine extra weit zurückstellbare Rückenlehne verfügt und gesunde Mitarbeiter diesen Arbeitsplatz ebenfalls für maximal nur 30 Minuten besetzen und im Übrigen meiden würden, wäre die Ausstattung dieses Arbeitsplatzes mit einem entsprechend geeigneten Stuhl nicht Aufgabe der Beklagten sondern des Land- und Amtsgerichts Frankfurt (Oder) als Arbeitgeber der Klägerin, denn dann stellt ein solcher Stuhl gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz die notwendige Grundausstattung am Arbeitsplatz dar, ohne dass es im Übrigen auf die Frage in diesem Verfahren aufgeworfene Frage des Vorrangs der Einstandspflicht zwischen Arbeitgeber und Rentenversicherung bei der Schaffung behindertengerechter Arbeitsplätze ankommt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgte dem Ergebnis der Hauptsache.

Referenznummer:

R/R6840


Informationsstand: 16.06.2016