Urteil
Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zum Umbau eines Badezimmers und Einbau eines Treppenlifters als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 10. Senat


Aktenzeichen:

L 10 (6) P 49/07


Urteil vom:

28.05.2008


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.03.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zum Umbau eines Badezimmers und Einbau eines Treppenlifters als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes hat (§ 40 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)).

Der am 00.00.1913 geborene Kläger leidet an Polyarthrose der Hüfte, der Schultergelenke und des linken Sprunggelenks sowie an Herzinsuffizienz, Belastungsdyspnoe und Nykterie. Bei ihm wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "B" und "RF" festgestellt. Von der Beklagten bezieht er Pflegegeld nach der Pflegestufe I.

Bei der Ehefrau des Klägers wurden mit Bescheid vom 09.07.1999 ebenfalls ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "aG", "H", "B" und "RF" festgestellt. Sie bezieht gleichfalls Pflegegeld nach der Pflegestufe I, jedoch nicht von der Beklagten, sondern von ihrer Pflegekasse, der Barmer Ersatzkasse (BEK).

Der Kläger und seine Ehefrau wohnen in einem der Ehefrau gehörenden Einfamilienhaus. Im Erdgeschoss befinden sich das Wohnzimmer, die Küche, eine Diele sowie ein Bad mit Toilette und Dusche. Im Obergeschoss liegen das Schlafzimmer des Ehepaares, ein Kinderzimmer sowie ein Bad mit Wanne.

In einem auf Veranlassung der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI aus Dezember 2000 wurde nicht nur ein Pflegebedarf festgestellt, der die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfüllt. Vielmehr heißt es unter Ziffer 7.3 des Formulargutachtens auch: "Technische Hilfen und bauliche Maßnahmen (Wohnumfeld). Die Dusche hat einen Einstieg von 45 cm. Der Versicherte kann nicht mehr einsteigen. Er benötigt eine ebenerdige Dusche, eine erhöhte Toilette sowie einen unterfahrbaren Waschtisch und einen Klosomat, da er selbst keine selbstständige Intimhygiene durchführen kann". Weiter heißt es unter Ziffer 8 des Gutachtens: "Zusätzliche Empfehlungen/Erläuterungen für die Pflegekasse: Ebenso wird ein Treppenlifter benötigt". Entsprechende Maßnahmen wurden von der Beklagten allerdings nicht ergriffen und vom Kläger zunächst nicht beantragt.

Im Rahmen eines Änderungsantragsverfahrens betreffend die Höhe der dem Kläger gewährten Pflegeleistungen wurde dieser am 29.09.2005 erneut vom MDK begutachtet. In seiner Stellungnahme zum Gutachten beantragte der Kläger mit Schreiben vom 28.10.2005, einen Treppenlifter sowie einen behindertengerechten Umbau des Badezimmers inklusive erhöhter Toilette, ebenerdiger Dusche sowie ein Bidet mit Stützen zur Reinigung des Unterkörpers bei Notdurft zu bewilligen. Er leide aufgrund einer vom Versorgungsamt mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. anerkannten Kriegsverletzung mit einer unter Dauerschmerzen sowie einer Kraftminderung der Schultern und der Arme.

Mit Schreiben vom 31.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie grundsätzlich Zuschüsse zu Maßnahmen der Verbesserung des Wohnumfeldes leisten könne, wenn dadurch im Einzelfall die Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen ermöglicht werde. Die Zuschüsse dürften 2.557,00 EUR nicht überschreiten. Zur weiteren Bearbeitung benötige man Kostenvoranschläge bezüglich der geplanten Maßnahmen und Einkommensnachweise.

Der Kläger reichte daraufhin Kostenvoranschläge der Fa. Kotalla vom 02.08.2005 für einen Umbau des Bades im Erdgeschoss, endend auf einen Betrag i.H.v. 6.792,96 EUR sowie Angebote der Fa. Mobi-GmbH bezüglich eines Treppenlifters für den Weg vom Erdgeschoss ins Obergeschoss über 28.420,00 DM und eines weiteren für den Weg vom Erdgeschoss in den Keller über 22.562,00 DM bei der Beklagten ein.

Mit Schreiben vom 18.11.2005 erklärte die Beklagte daraufhin: "Für den von Ihnen geplanten Einbau einer ebenerdigen Dusche und eines Treppenlifters bestätigen wir Ihnen die Kostenübernahme im Rahmen der Wohnumfeldverbesserung im Sinne der Pflegeversicherung (§ 40 Abs. 4 SGB Xl). Die Pflegekasse kann einen Zuschuss in Höhe von insgesamt maximal 2.557,00 EUR gewähren. Reichen Sie bitte eine Rechnung über den Einbau der ebenerdigen Dusche und des Treppenliftes zur Erstattung bei uns ein. Achten Sie bitte darauf, dass der Sanitärbetrieb eine Einzelrechnung zum Einbau der ebenerdigen Dusche erstellt. Ergänzend möchten wir Sie darauf hinweisen, dass im Kostenvoranschlag Hilfsmittel der Kranken-, bzw. Pflegeversicherung enthalten sind (Stützklappgriff, Duschklappsitz). Die Kostenübernahme der benötigten Hilfsmittel können bei Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über ein Sanitätshaus (z.B. Reha Team) Ihrer Wahl beantragt werden. Sofern Sie die Versorgung durch den Sanitärbetrieb Kotalla wünschen, ist eine Kostenübernahme leider nicht möglich."

Mit Schreiben vom 23.11.2005 informierte die BEK Pflegekasse Krefeld die Beklagte darüber, dass die Ehefrau des Klägers bei ihr am 16.01.2005 die Kostenübernahme für einen Treppenlifter und am 25.08.2005 für den Umbau des Badezimmers beantragt habe. Die Ehefrau sei durch den MDK begutachtet worden. Anschließend habe man entsprechend der Empfehlung des MDK Zuschüsse von insgesamt 2.557,00 EUR mit Bescheiden vom 15.03.2005 bzw. 03.11.2005 bewilligt. Man weise darauf hin, dass bei mehreren Pflegebedürftigen in einer Wohnung jeweils nur eine Zuschussgewährung nach § 40 Abs. 4 SGB XI in Betracht komme. Aufgrund der Vereinbarungen der Pflegekasse sei diejenige Pflegekasse für die Erstattung zuständig, die zuerst angegangen worden sei.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 05.12.2005 mit, dass seiner Ehefrau der maximal mögliche Zuschuss für die wohnumfeldverbessernde Maßnahme bereits gewährt worden sei. Die BEK sei als zuerst angegangene Behörde allein für die Leistungsgewährung zuständig. Wegen der Abrechnung der Um- bzw. Einbaumaßnahmen solle er sich daher an die BEK wenden.

Auf Nachfrage des Klägers stützte die Beklagte ihre Rechtsauffassung auf § 40 Abs. 4 SGB XI sowie auf Punkt 5.6 des gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Pflegekassen "betr. PflegeVG" (Rundschreiben 02j, Stand 16.11.2004) und überließ ihm die Rechtsgrundlagen in Kopie. In dem Rundschreiben heißt es:

"Zu § 40 SGB XI Tit. 5.6 Umbaumaßnahmen in Wohnungen, in denen mehrere Pflegebedürftige wohnen:

(1) Werden in einer Wohnung, in der mehrere Pflegebedürftige wohnen, bauliche Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung durchgeführt, die mehreren Pflegebedürftigen dienen (z. B. Türverbreiterungen für 2 Rollstuhlfahrer), bleibt der Zuschuss nach § 40 Abs. 4 SGB Xl auf 2.557 EUR begrenzt. Die Kosten trägt in diesen Fällen die zuerst angegangene Pflegekasse. Bei der Bemessung der Höchstgrenze des Eigenanteils sind die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der Pflegebedürftigen nicht zu addieren. Maßgebend sind jeweils die niedrigsten Bruttoeinnahmen, unabhängig davon, bei welcher Pflegekasse der Pflegebedürftige versichert ist. Die Pflegekasse, die die Kosten für die Maßnahme übernommen hat, informiert die andere Pflegekasse über die durchgeführte Maßnahme und die Höhe des Zuschusses.

(2) Sind zeitgleich durchgeführte Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes mehreren Pflegebedürftigen jeweils individuell zuzuordnen, kann der Zuschuss nach § 40 Abs. 4 SGB Xl mehrmals gezahlt werden (z. B. Türverbreiterungen für einen Rollstuhlfahrer und Handläufe für einen Gehbehinderten). Entsprechend der Zuschussfestsetzung ist auch die Bemessung des Eigenanteils dann für jeden Pflegebedürftigen individuell vorzunehmen."

Der Kläger hielt dem entgegen, dass die ihm übersandten Unterlagen den Leistungsausschluss nicht rechtfertigen würden. Der zugesicherte Zuschuss reiche im Übrigen nicht einmal aus, um die Kosten einer Maßnahme, bspw. die für den Umbau des Bades, zu decken. Dieser Umbau koste bereits 9.000,00 EUR. Durch die Ablehnung der Leistung werde Art. 3 Grundgesetz (GG) verletzt, weil ihm, im Gegensatz zu seiner Ehefrau, kein Zuschuss mehr gewährt werde. Ohne den Zuschuss könne die Maßnahme nicht durchgeführt werden. Ihm sei eine aktive Gestaltung seines Lebens dann nicht mehr möglich. Das verstoße gegen Art. 2 GG. Er verlange daher, die Übernahme der vollen Kosten für den Einbau des Treppenlifters und den Umbau des Bades im Erdgeschoss. Dabei stütze er sich auch auf §§ 26e, 27c Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie § 22 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV).

Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers als Widerspruch gegen den weitere Leistungen ablehnenden Bescheid vom 05.12.2005 und wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2006 als unbegründet zurück. Man habe keine Möglichkeit, weitere Kosten der Wohnumfeldverbesserung zu übernehmen. Die Zuschüsse dürften einen Betrag in Höhe von 2.557,00 EUR je Maßnahme nicht übersteigen. Nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen mit Stand vom 16.11.2004 seien dabei alle Maßnahmen, die zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung zur Wohnumfeldverbesserung erforderlich seien, als "eine" Verbesserungsmaßnahme zu werten. Der Umbau des Badezimmers und der Einbau eines Treppenlifters seien notwendig in diesem Sinne, weil aufgrund der beim Kläger und seiner Ehefrau vorliegenden Behinderungen beide weder das vorhandene Bad benutzen noch die Treppen steigen könnten. Somit handele es sich um "eine" Verbesserungsmaßnahme des Wohnumfeldes, die mit maximal 2.557,00 EUR bezuschusst werden könne. Würden nämlich - wie hier - in einer Wohnung, in der mehrere Pflegebedürftige wohnen, bauliche Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung durchgeführt, die mehreren Pflegebedürftigen dienten, bleibe der Zuschuss auf 2.557,00 EUR begrenzt. Die Kosten trage in diesen Fällen die zuerst angegangene Pflegekasse, hier also die BEK.

Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2006 Klage erhoben. Ein Anspruch ergebe sich zum einen aus der festgestellten MdE von 30 v.H. und §§ 26e, 27c BVG. Zudem betrage sein GdB 100. Auch verweise er auf das Pflegegutachten der Beklagten vom 15.12.2000. Daraus folge, dass beide Maßnahmen notwendig seien. Die Auffassung der Beklagten, es handele sich beim Einbau des Treppenlifters und beim Umbau des Bades um eine Maßnahme, gehe fehl, ebenso die Begrenzung der Leistungen auf einen Zuschuss i.H.v. insgesamt 2.577,00 EUR für ihn und seine Ehefrau. Diese verfüge über einen eigenen Anspruch gegen ihre Pflegekasse, der bei ihm nicht berücksichtigt werden dürfe. Man lebe im Güterstand der Gütertrennung. Zusammen verfüge man unter Berücksichtigung des bezogenen Wohngeldes gerade einmal über Einkünfte i.H.v. 1.054,60 EUR im Monat und könne daher die baulichen Maßnahmen nicht selbst finanzieren. Die Beklagte habe die Leistung zudem zunächst bewilligt. Insoweit bestehe Vertrauensschutz. Die BEK habe der Ehefrau die Leistungen für den Umbau des Bades am 15.03.2005 und für den Einbau des Treppenlifters am 03.11.2005 bewilligt. Allein wegen des dazwischen liegenden Zeitraums müsse von zwei Maßnahmen ausgegangen werden. Die Maßnahmen ständen auch in keinem funktionalen Zusammenhang. Die Behinderungen der Ehegatten bedingten individuelle Hilfestellungen. Lediglich mit Hilfe des Sohnes gelange man derzeit in das Schlafzimmer im Obergeschoss und wieder herunter. Genutzt werde das Bad im Erdgeschoss. Dieses müsse aber noch umgebaut werden, um es vernünftig nutzen zu können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2006 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Zuschuss zum Umbau des Bades und der Installation des Treppenlifters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen sowie die darin vertretene Rechtsauffassung wiederholt und vertieft.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage mit Urteil vom 07.03.2007 als unbegründet abgewiesen. Hierzu hat es u.a. ausgeführt: Sowohl hinsichtlich des geplanten Umbaus des Badezimmers als auch hinsichtlich des Einbaus eines Treppenlifters lägen zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für die Gewährung eines wohnumfeldverbessernden Zuschusses nach § 40 Abs. 4 SGB Xl vor. Die Leistungsverpflichtung der Beklagten entfalle jedoch deswegen, weil der Ehefrau des Klägers zu denselben wohnumfeldverbessernden Maßnahmen bereits durch die BEK mit Bescheiden vom 15.03.2005 bzw. 03.11.2005 eine Kostenübernahme nach § 40 Abs. 4 SGB XI in Höhe von insgesamt 2.557,00 EUR bewilligt worden sei. Damit entfalle eine (weitere) Leistungsverpflichtung der Beklagten. Dies ergebe sich aus dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen mit Stand vom 16.11.2004. Danach sei eine Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB Xl auch dann gegeben, wenn mehrere Pflegebedürftige in einer Wohnung lebten und diese Wohnung durch wohnumfeldverbessernde Maßnahmen im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB Xl zur Erleichterung der Pflege bzw. deren Ermöglichung umgebaut werden müsste. In diesen Fällen sei der Anspruch der Höhe nach auf den einmaligen Betrag von 2.557,00 EUR je Maßnahme beschränkt. Dieser Höchstbetrag sei auch dann maßgeblich, wenn mehrere Pflegebedürftige in einer Wohnung lebten und die Umbaumaßnahme allen Pflegebedürftigen zur Gute komme. In diesen Fällen sei eine erneute Zuschussgewährung nur dann möglich, wenn mehreren Pflegebedürftigen die zeitgleich durchgeführten Maßnahmen individuell zugeordnet werden könnten. Daran fehle es jedoch im Falle des Klägers. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2007 könnten die geplanten Umbaumaßnahmen weder ihm noch der Ehefrau allein zugeordnet werden. Beide benötigten die geplanten Umbaumaßnahmen. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau benutzten das Badezimmer im Erdgeschoss und benötigten einen Lifter, um das Schlafzimmer und die übrigen Räume im Obergeschoss erreichen zu können.

Diese Entscheidung greift der Kläger fristgerecht mit der Berufung an. Er trägt vor: Der Anspruch seiner Ehefrau ergebe sich aus dem ihr zustehenden Merkzeichen "H" während sein Anspruch auf §§ 26e, 27c BVG sowie § 22 SchwbAV beruhe. Beide Ansprüche seien unabhängig voneinander. Die Folgen seiner Kriegsverletzung seien andere als jene der gesundheitlichen Beeinträchtigungen seiner Ehefrau. Dies bedingte individuell unterschiedliche Veränderungen im Badezimmer und Treppenlift. Damit ließen sich die beabsichtigten Umbaumaßnahme individuell zuordnen. Zwei Pflegekassen dürften die gegen sie gerichteten Ansprüche nicht durch privatrechtlichen Vertrag miteinander koppeln. Dies sei aber durch das Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen geschehen. Durch die Ablehnung der Leistungen werde er menschlich entwürdigt, da die dringend benötigten Maßnahmen unmöglich gemacht würden.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.03.2007 abzuändern und die Beklagte untere Aufhebung des Bescheides vom 05.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 zu verurteilen, seinen Antrag auf Zuschuss zum Umbau des Bades und der Installation des Treppenlifters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Düsseldorf zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Rechtsweg:

SG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2007 - S 39 P 32/06

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens des Klägers im Termin aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden können, weil der Kläger von diesem Termin mit dem Hinweis benachrichtigt worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 05.12.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Zuschuss zu dem vom Kläger beabsichtigten wohnumfeldverbessernden Umbau im Bad und den Einbau eines Treppenlifters der Höhe nach (konkludent) auf 0,00 EUR festgesetzt, nachdem sie sich zuvor mit Bescheid vom 18.11.2005 dem Grunde nach bereit erklärt hatte, einen Zuschuss im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI zu gewähren. Die Festsetzung der Leistungshöhe auf 0,00 EUR ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger einen Zuschuss zu leisten, denn seiner Ehefrau ist für dieselbe Maßnahme bereits von der BEK der Höchstzuschuss von 2.557,00 EUR bewilligt worden.

Für Maßnahmen, die der Verbesserung des Wohnumfeldes eines Pflegebedürftigen dienen, enthält § 40 Abs. 4 SGB XI eine eigenständige und spezielle Regelung, die einen Rückgriff auf § 40 Abs. 1 SGB XI (Versorgung des Pflegebedürftigen mit Pflegehilfsmitteln) ausschließt (BSG, Urteil vom 03.11.1999 - B 3 P 3/99 R -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.05.2007 - L 6 P 2/06 -). Der behindertengerechte Umbau der Wohnung und der dauerhafte Einbau von Geräten, die ein weitgehend selbstständiges Wohnen des Pflegebedürftigen ermöglichen sollen, sind keine Pflegehilfsmittel. Der vom Kläger beabsichtigte behindertengerechte Umbau des Duscheinstiegs und der dauerhafte Einbau des Treppenlifters stellen wohnraumverbessernden Maßnahmen i.S.d. § 40 Abs. 4 SGB XI dar (vgl. auch Urteil des BSG vom 19.04.2007 - B 3 P 8/06 R - zur Einordnung eines Treppenlifters als wohnumfeldverbessernde Maßnahme; ebenso LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.05.2007 - L 6 P 2/06 -).

Nach § 40 Abs. 4 SGB XI kann die Beklagte subsidär finanzielle Zuschüsse für die streitigen Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird (Satz 1). Dabei ist der Pflegekasse sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch hinsichtlich der Höhe der Leistung ein Ermessen eingeräumt (vgl. BSG, Urteile vom 19.04.2007 - B 3 P 8/06 R - und 14.12.2000 - B 3 P 1/00 R - in BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 3). Der Zuschuss ist subsidiär und kommt nur in Betracht, wenn die beabsichtigte Maßnahme dem Pflegebedürftigen eine größere Selbstständigkeit in der Wohnung verschafft oder seine Pflege erleichtert oder erst ermöglicht wird. Letzteres ist ausweislich der Pflegegutachten des MDK unstreitig der Fall.

Vorrangige Ansprüche gegenüber anderen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern sind nicht ersichtlich. Die gegen das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) mit dem Ziel erhobenen Klagen, finanzielle Leistungen für die beabsichtigte Maßnahme gestützt auf §§ 30 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 33 Abs. 1 Nr. 2 Beamtenversorgungsgesetz zu erhalten, hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf mit Urteilen vom 18.06.2007 (23 K 5940/06 und 23 K 693/07) abgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerden waren erfolglos; ein wesentlicher und ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Dienstunfall von 1945 und der eingeschränkten Bewegungsfähigkeit des Klägers habe nicht glaubhaft gemacht oder gar bewiesen werden können. Auch soweit der Kläger Ansprüche aus Vorschriften der Kriegsopferfürsorge geltend gemacht hat, war dies erfolglos. Ihm wurde entgegengehalten, er sie nicht schwerpflegebedürftig (§§ 25 ff, 31 Abs. 2 BVG). Im Übrigen sind diese Leistungen gegenüber Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nachrangig (Udsching, SGB XI, 2. Auflage 2000, § 13 Rdn. 5; Pfitzner in: Beck scher Online-Kommentar, Stand: 01.03.2008, Edition: 9, § 13 SGB XI Rdn. 6)

Ungeachtet dessen kommt ein Zuschuss aus Rechtsgründen nur dann in Betracht, wenn der Pflegebedürftige willens und in der Lage ist, eigene Investitionen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Maßnahme zu tätigen. Dies folgt daraus, dass auf der Grundlage von § 40 Abs. 4 SGB XI lediglich Zuschüsse gewährt werden können, mithin vorausgesetzt wird, dass auch eigene finanzielle Mittel eingesetzt werden. Daran fehlt es. Der Kläger hat wiederholt darauf hingewiesen, weder bereit noch finanziell in der Lage zu sein, den Umbau des Bades und den Einbau des Treppenlifters aus eigenen Mitteln zumindest teilweise zu finanzieren.

Hinzu kommt, dass Zuschüsse nach § 40 Abs. 4 S. 3 SGB XI für "eine" Maßnahme im Rechtssinne maximal 2.557,00 EUR betragen dürfen. Daher stehen die der Ehefrau des Klägers von ihrer Pflegekasse für den Einbau des Treppenlifters und den Umbau des Bades bewilligten Zuschüsse weiteren Zuschüssen durch die Beklagte für dieselbe Maßnahme im Rechtssinne entgegen.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei diesen beiden baulichen Maßnahmen (Badumbau und Treppenliftereinbau) um eine Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes i.S.d. § 40 Abs 4 SGB XI. Denn "eine" Maßnahme in diesem Sinne umfasst sämtliche Umbauten und technischen Hilfen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen objektiv erforderlich sind bzw. waren (BSG, Urteil vom 19.04.2007 - B 3 P 8/06 - juris-Rdn. 19; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 2 und 3). Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn - wie vorliegend - die Umbauarbeiten erst anschließend durchgeführt werden sollen. Der Antrag des Klägers für die später beabsichtigten Um- bzw. Einbauten stammt vom 31.10.2005. Damals bedurfte er wegen seiner körperlichen Gebrechen (Polyarthrose der Hüfte, der Schultergelenke, und des linken Sprunggelenks sowie Herzinsuffizienz, Belastungsdyspnoe und Nykterie) sowohl des Treppenliftereinbaus als auch des niedrigeren Duscheinstiegs. Das ergibt sich aus dem Gutachten des MDK vom Dezember 2000, das bereits damals beide Maßnahmen empfahl.

Dass der Kläger für den Treppenlifterein- und den Badumbau von verschiedenen Firmen Kostenvoranschläge eingeholt hat und die Aufträge ggf. auch an einen Betrieb vergeben will, ist für die rechtliche Einordnung als Einzelmaßnahme i.S.d. § 40 Abs. 4 SGB XI unerheblich. Denn die Zusammenfassung mehrerer (baulicher) Einzelmaßnahmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Umfeldes eines Pflegebedürftigen notwendig sind, zu einer Gesamtmaßnahme im Rechtssinne gilt auch dann, wenn die Einzelmaßnahmen nicht in einem Auftrag gemeinsam vergeben oder zeitlich nacheinander durchgeführt werden (sollen) (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr. 2).

Einem dem Kläger zu gewährenden Zuschuss steht entgegen, dass seiner Ehefrau für dieselbe Maßnahme von ihrer Pflegekasse im Jahre 2005 bereits ein Zuschuss i.H.v insgesamt 2.557,00 EUR gewährt worden ist. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau benötigen den Treppenlifter und den Umbau des Bades, da sie sonst wegen des hohen Einstiegs weder ihre Dusche im Erdgeschossbad nutzen noch ihr Schlafzimmer im Obergeschoss ohne Hilfe des Sohnes erreichen können. Für beide hat der MDK dieselben wohnumfeldverbessernden Maßnahmen empfohlen. Ein Blick auf die beim Kläger ("G", "B" und "RF") und seiner Ehefrau ("G", "aG", "H", "B" und "RF") anerkannten Merkzeichen, jeweils bei einem Gesamt-GdB von 100, spricht für die Richtigkeit diese Einschätzung.

Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass es sich jeweils um Individualansprüche handelt. Das führt entgegen seiner Auffassung jedoch nicht dazu, die der Ehefrau von der BEK bereits bewilligten Zuschüsse für dieselben Maßnahme bei der Bemessung seines Anspruchs nach § 40 Abs. 4 SGB XI unberücksichtigt zu lassen. Auch äußere Umstände können grundsätzlich Einfluss auf Individualansprüche haben. So hat der Gesetzgeber den dem Kläger dem Grunde nach zustehenden Individualanspruch nach § 40 Abs. 4 S. 1 SGB XI durch Satz 3 dahingehend eingeschränkt, dass Zuschüsse einen Betrag in Höhe von 2.557,00 EUR je Maßnahme nicht übersteigen dürfen. Damit wird zur höhenmäßigen Begrenzung des Anspruchs nicht auf die Person des Anspruchsberechtigten oder auf die zur Zahlung verpflichtete Pflegekasse abgestellt, sondern ausschließlich auf den Begriff der Maßnahme. Kommt daher - wie vorliegend - eine Maßnahme mehreren Pflegebedürftigen zugute, so ist der Zuschuss insgesamt auf den Höchstbetrag begrenzt (Leitherer in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, 56. Ergänzungslieferung, 2007, § 40 SGB XII, Rdn. 42; ebenso Besprechung der Spitzenverbände der Pflegekassen vom 11.06.1997, ErsK 1997, 342 sowie Vogel in: LPK, SGB XI, 2. Aufl. 2003, § 40 Rdn. 20).

Dieses Normverständnis wird durch die Rechtsprechung des BSG bestätigt. Danach stellen mehrere unterschiedliche bauliche Maßnahmen, die zum selben (Antrags-) Zeitpunkt vorliegen, eine Maßnahme i.S.d. Gesetzes mit der Folge dar, dass sie insgesamt nur mit bis zu 2.557,00 EUR bezuschusst werden können. Sind aber bereits verschiedene bauliche Maßnahmen, die eine Maßnahme im Rechtssinne darstellen, nur bis zu 2.557,00 EUR förderungsfähig, dann muss das erst recht für baulich und rechtlich identische Maßnahmen gelten. Anderenfalls hätten es Haushalte mit mehreren Pflegebedürftigen mittels Antragstellung durch verschiedene pflegebedürftige Mitglieder in der Hand, mehr Leistungen zu erhalten, als wenn nur ein Pflegebedürftiger die Maßnahme beantragt hätte, obwohl er alle Maßnahmen nutzen kann.

Schließlich sieht § 40 Abs. 4 S. 2 SGB XI vor, dass die Höhe der Zuschüsse unter Berücksichtigung eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit vom Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen sind. Zum Einkommen des Klägers gehört grundsätzlich auch ein Unterhalts- oder Taschengeldanspruch gegenüber seinem Ehegatten. Selbst wenn dieser wegen der relativ geringen Einkünfte des Ehegatten nicht besteht, so ist zur Überzeugung des Senats zumindest der von der BEK der Ehefrau bereits bewilligte Zuschuss i.H.v. 2.557,00 EUR zu berücksichtigen, da durch diesen zweckgebunden finanzielle Mittel für dieselben baulichen Maßnahmen vorhanden sind, für die auch der Kläger Zuschüsse begehrt.

Ob das anders zu sehen ist, wenn zeitgleich durchgeführte Maßnahmen mehreren Pflegebedürftigen jeweils individuell zugeordnet werden können (vgl. hierzu die Auslegungsempfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen vom 10.10.2002, Nr. 5.6 zu § 40 SGB XI; Leitherer a.a.O., § 40 SGB XII Rdn. 42; offenbar ebenso: Vogel a.a.O., § 40 Rdn. 20), kann dahinstehen. Die einzelnen Maßnahmen (Badumbau und Treppenliftereinbau) können entgegen der Auffassung des Klägers keinem der beiden Ehegatten individuell zugeordnet werden. Der Kläger substantiiert sein Vorbringen nicht weiter; zudem hat er in erster Instanz gegenüber dem SG ausdrücklich verneint, dass einzelne Baumaßnahmen individuell zugeordnet werden können. Dafür spricht ebenfalls, dass der Kläger die begehrten Zuschüsse offenbar gestützt auf dieselben Kostenvoranschlägen begehrt, auf deren Grundlage die BEK bereits der Ehefrau einen Zuschuss bewilligt hat.

Da somit in der vorliegenden Fallgestaltung die Höchstgrenze von 2.557,00 EUR gilt und dieser Betrag bereits durch die BEK Pflegekasse der Ehefrau bewilligt worden ist, steht dem Kläger kein höherer als dieser bereits für die Maßnahme bewilligte Zuschuss zu. Der Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau im Güterstand der Gütertrennung leben, ist unerheblich. Auf die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung bzw. dem Haus, das umgebaut werden soll, stellt § 40 Abs. 4 SGB XI nicht ab.

Die vom Kläger daneben zitierte Anspruchsnorm § 21 BSHG existiert nicht mehr. Sie hätte ihm im Übrigen keinen Anspruch gegen die Beklagte gewährt. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf das Vorhandensein des Merkzeichens "H" oder auf eine schädigungsbedingte MdE von 30 v.H. stützt, ergibt sich hieraus kein Anspruch gegen die Beklagte oder einen anderen Leistungsträger. Ein etwaiger Anspruch aus § 22 Schwerbehindertenausgleichsabgabe-Verordnung (SchwbAV) würde sich gegen das zuständige Integrationsamt richten und einem Anspruch gegenüber der Beklagten entgegen stehen. Ob das der Fall ist, kann dahinstehen, da dem Anspruch des Klägers bereits die Zuschussbewilligung durch die BEK Pflegeversicherung an seine Ehefrau für dieselbe Maßnahme entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zuzulassen. Die Frage nach der Berücksichtigung von Zuschüssen an Dritte im Rahmen des § 40 Abs. 4 SGB XI, wenn es sich um dieselbe zu bezuschussende Maßnahme handelt, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist bisher höchstgerichtlich noch nicht entschieden. Ihre Beantwortung lässt sich aus höchstgerichtlichen Rechtssätzen nicht herleiten. Die Frage stellt sich in einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen.

Referenznummer:

R/R3290


Informationsstand: 12.05.2010