I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der geänderte ESt-Bescheid für 2005 vom 16. Mai 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klin in ihren Rechten (§ 100
Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Gemäß § 33
Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), auf Antrag die ESt dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Gemäß § 33
Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (Satz 1). Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10
Abs. 1
Nr. 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können (Satz 2).
A. Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. In diesem Sinne werden auch Aufwendungen für medizinische Hilfsmittel typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt (
vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 54/90, BStBl II 1991, 920 mit weiteren Nachweisen -
m.w.N. -). Der nach § 33
Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf es dann nicht (
vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 150/86, BStBl II 1987, 596
m.w.N.).
a) In Abgrenzung zur bisherigen Rechtsprechung bezüglich des behinderungsbedingten Einbaus von Personenaufzügen sowie behinderungsbedingter sonstiger Umbaumaßnahmen, bei denen bislang im Wesentlichen wegen Verneinung einer Belastung aufgrund der Erlangung eines Gegenwerts
bzw. wegen Verneinung der Zwangsläufigkeit keine Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurde (
vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1996
III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491: zum Neubau eines Einfamilienhauses unter behinderungsbedingtem Einbau eines Fahrstuhls; vom 6. Februar 1997
III R 72/96, BFHE 182, 551, BStBl II 1997, 607: zum nachträglichen behinderungsbedingten Umbau eines Wohnhauses; vom 15. Dezember 2005
III R 10/04, BFH/NV 2006, 931; vom 25. Januar 2007 III R 7/06, BFH/NV 2007, 1081: zum nachträglichen behinderungsbedingten Anbau eines Außenaufzugs am Wohnhaus der Steuerpflichtigen; BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2006 III B 107/06, BFH/NV 2007, 70: zum behinderungsbedingten Einbau eines Aufzugs in eine Mietwohnung durch die Mieter;
vgl. jetzt aber BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009
VI R 7/09, BFHE 226, 536; BStBl II 2010, 280 und vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, Juris) sind Treppenschräglifte nicht als Bestandteil des jeweiligen Gebäudes, sondern als medizinische Hilfsmittel anzusehen (FG Berlin, Urteil vom 1. November 1994 VII 369/91,
EFG 1995, 264; FG Rheinland-Pfalz vom 22. September 1997 5 K 2881/96, Juris: medizinische Hilfsmittel im engeren Sinne; angedeutet auch in BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491); zurückhaltender: BFH-Beschluss vom 27. Dezember 2006 III B 107/06, BFH/NV 2007, 701, wonach sich der BFH zur Thematik des Treppenschräglifts noch nicht abschließend geäußert habe; bejaht in BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008
III R 97/06, BFH/NV 2009, 728: Einbau eines Treppenlifts in das Wohnhaus von Eltern, deren ebenfalls dort lebender Sohn unfallbedingt querschnittsgelähmt war; zustimmend: BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280).
Ob es sich dabei um medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne (so FG Nürnberg, Urteil vom 4. Dezember 2003
VI 361/2002,
EFG 2004, 735), die nicht nur von erkrankten oder behinderten Menschen genutzt werden, sondern auch anderen Personen Verrichtungen des Alltags erleichtern können (zur Unterscheidung
vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 54/90, BStBl II 1991, 920), oder um medizinische Hilfsmittel im engeren Sinne handelt, also um Hilfsmittel, die, wie Brillen, Hörgeräte, Rollstühle
usw., nach der Lebenserfahrung ausschließlich von Kranken angeschafft werden und bei denen häufig eine Anpassung an die individuelle gesundheitliche Situation des Steuerpflichtigen erforderlich ist (so FG Berlin, Urteil vom 1. November 1994 VII 369/91,
EFG 1995, 264) kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn im Streitfall ist die Nutzung eines Treppenlifts durch die Klin für das Treppensteigen angesichts ihrer außergewöhnlichen Gehbehinderung und ihres dadurch bedingten Behinderungsgrads von 90 v.H., verbunden mit den Einträgen der Merkzeichen G und aG, unzweifelhaft erforderlich.
bb) Der Annahme der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen der Klin für den Erwerb und die Montage des Treppenschräglifts steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Treppenschräglift nicht innerhalb des Wohnhauses installiert wurde, sondern im dazugehörigen Garten. Denn die Anerkennung der Notwendigkeit der Nutzung eines Treppenschräglifts durch die Klin ist nach Überzeugung des Senats nicht auf die unmittelbare Nutzung innerhalb ihres Wohnbereichs beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die im Streitfall gegebene Nutzung des Gartens. Der maßgebliche Grund hierfür besteht darin, dass der Zweck des Treppenschräglifts, die Behinderung der Klin erträglicher zu machen, unabhängig davon besteht, ob der Treppenlift innerhalb der Wohnräume der Steuerpflichtigen oder in dem zum Wohnhaus gehörenden Garten angebracht wird. Insbesondere handelt es sich bei der Nutzung des zur Wohnung der Klin gehörenden Gartens um eine sozialadäquate Nutzung ihres (Mit-)Eigentums, der nicht etwa mit der Begründung, es handle sich dabei um entbehrlichen "Luxus", die Anerkennung versagt werden kann (
vgl. zum Einbau eines Treppenschräglifts in einer Zweitwohnung: FG Berlin, Urteil vom 1. November 1994 VII 369/91,
EFG 1995, 264). Es ist vielmehr so, dass die Klin die Einschränkungen, die ihr durch ihre schwere Behinderung auferlegt werden, im Rahmen des Möglichen abzumildern versucht. Dieses Bemühen der Klin ist gerade vor dem Hintergrund der gebotenen Gleichstellung von behinderten mit nichtbehinderten Personen (
vgl. Art. 3
Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz -
GG -) anzuerkennen und bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Zwangsläufigkeit" gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen. Der Argumentation des Bekl, es sei eine Abgrenzung vorzunehmen zwischen Treppenschrägliften, die innerhalb eines Wohnhauses, und solchen, die außerhalb eines Wohnhauses angebracht würden, ist daher nicht zu folgen. Zum Einen kann von der Klin nicht verlangt werden, entweder von dem von ihr seit ihrer Kindheit bewohnten Hanggrundstück wegzuziehen oder aber ihren Garten nicht mehr zu nutzen. Denn das Bestehen der Entschließungsfreiheit des Steuerpflichtigen zur Beibehaltung oder zur Veränderung des bisherigen Wohnumfelds von Steuerpflichtigen, also - bezogen auf den Streitfall - die Option der Klin, wegzuziehen und künftig ein ebenerdig gelegenes Grundstück mit Garten zu bewohnen oder den bisher von ihr genutzten Garten künftig nicht mehr aufzusuchen, steht der Annahme der Zwangsläufigkeit behinderungsbedingter Mehraufwendungen nicht entgegen, da die Notwendigkeit einer behindertengerechten Ausgestaltung des Wohnumfelds und damit die Zwangsläufigkeit der darauf entfallenden Mehrkosten nicht auf der frei gewählten Wohnsituation der Steuerpflichtigen, sondern auf ihrer Krankheit oder Behinderung beruht. Die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in einem solchen Fall nicht (
vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, Juris). Zum Anderen stellt die Abgrenzung zwischen dem Einbau von Treppenschrägliften innerhalb eines Wohnhauses und im Außenbereich eines Wohnhauses schon deshalb kein taugliches Abgrenzungskriterium bezüglich der Zwangsläufigkeit der hierfür entstehenden Aufwendungen dar, weil durchaus auch innerhalb eines Wohnhauses Bereiche für nicht essentiell lebensnotwendige Beschäftigungen genutzt werden können (
z.B. Hobbyraum im Keller oder im Dachgeschoss), während dagegen im Bereich außerhalb des Hauses eine Nutzung denkbar ist, die der Befriedigung unmittelbarer Lebensbedürfnisse dienen kann (
z.B. die Bewirtschaftung eines Nutzgartens). Außerdem würde eine so verstandene Prüfung des Tatbestandsmerkmals der "Zwangsläufigkeit", die eine Beurteilung der Gestaltung des unmittelbaren Wohnumfelds und die Qualifizierung der Nutzung des von einem Steuerpflichtigen bewohnten Hauses in notwendige Nutzungen und nicht zwingend notwendige Nutzungen durch die Finanzverwaltung oder die Finanzgerichtsbarkeit mit sich bringen würde, ein zu starkes Eindringen in die Persönlichkeitssphäre des Steuerpflichtigen bedeuten.
B. Bei einem solchen - wie unter I. A. der Entscheidungsgründe dargestellt - zwangsläufig erworbenen medizinischen Hilfsmittel ist ein eventuell erlangter Gegenwert nicht zu berücksichtigen. Denn der behinderungsbedingte Mehraufwand der Klin steht so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund tritt. Behinderungsbedingte notwendige Maßnahmen begründen keinen über den individuellen Nutzungsvorteil hinausgehenden Gegenwert, sondern eine aus tatsächlichen Gründen zwangsläufige Mehrbelastung des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 und vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, Juris: zum behindertengerechten Umbau eines Hauses;
vgl. auch BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 54/90, BStBl II 1991, 920; FG Berlin, Urteil vom 1. November 1994 VII 369/91,
EFG 1995, 264; Sächsisches FG, Urteil vom 12. Oktober 2006 2 K 1859/04,
EFG 2007, 931).
C. Auch sind die Anschaffungs-
bzw. Herstellungskosten des Wirtschaftsguts "Treppenschräglift" sofort in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig und nicht auf die Dauer der voraussichtlichen Nutzung durch die Klin abzuschreiben, da die Regelung in § 33 EStG keine Verweisung auf die Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 EStG enthält und auch keine Regelungslücke vorhanden ist, die gegebenenfalls eine analoge Anwendung dieser Vorschrift gebieten würde (
vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 - zum behinderungsgerechten Umbau eines Hauses).
D. Die Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist auch nicht durch § 33b EStG ausgeschlossen. Denn der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b
Abs. 1 bis 3 EStG deckt nach der Rechtsprechung des BFH nur laufende und typische Mehraufwendungen des Behinderten ab, so dass "zusätzliche Krankheitskosten" nicht von der Abgeltungswirkung des Pauschbetrags erfasst werden (BFH-Urteile vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 und vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, Juris, jeweils
m.w.N.).
E. Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag war auch der Höhe nach vollständig zu entsprechen, da mit diesem Antrag nur noch die Aufwendungen für den Erwerb und die Montage des Treppenschräglifts und keine Aufwendungen für die Renovierung der Treppe mehr geltend gemacht wurden.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136
Abs. 1 FGO. Dabei war neben dem Umstand, dass die Klage im Umfang des zuletzt gestellten Antrags der Klin erfolgreich war, zu berücksichtigen, dass die Klin ihren ursprünglich gestellten Klageantrag um mehr als die Hälfte verringert und damit ihr Klagebegehren insoweit aufgegeben hat. Da die Reduzierung des Klagebegehrens bereits vor der mündlichen Verhandlung erfolgt ist und der Betrag, um den das Klagebegehren eingeschränkt wurde, damit nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung und des Urteils war, erscheint dem Senat eine hälftige Kostenteilung angemessen.
III. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151
Abs. 3; 155 FGO
i.V.m. §§ 708
Nr. 11; 711
bzw. 709 Zivilprozessordnung (
ZPO).
IV. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 115
Abs. 2
Nr. 1 FGO zuzulassen, da bislang keine Rechtsprechung des BFH zur streitgegenständlichen Thematik vorliegt.