1. Der Bescheid vom 31.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag der Klägerin vom 06.06.2011 auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ... ... B... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagte hat der Klägerin 3/4 deren Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Streitig ist ein Kostenzuschuss aus der Pflegeversicherung für die Anschaffung und Installation eines Treppenlifters.
Die 1947 geborene Klägerin ist bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Sie leidet bei bestehendem Alkoholabusus unter den Folgen eines Hirninfarkts mit verbliebener kompletter Hemiparese links. Laut Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 11.04.2011 ist die Klägerin gehunfähig. Für alle Transfers ist sie auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen. Bei einer weiteren Begutachtung im Oktober 2011 stellte sich die Situation unverändert dar. Außerdem bestehen eine komplette Harninkontinenz und eine inkomplette Stuhlinkontinenz. Von der Beklagten erhält die Klägerin seit Februar 2011 Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II.
Nach dem Hirninfarkt im Dezember 2010 und einem anschließenden stationären Aufenthalt bezog die Klägerin am 24.02.2011 ein 16 qm großes Zimmer in einer betreuten Wohngemeinschaft in einem Mehrfamilienhaus in der L...allee ... Hierzu schloss sie unter dem 01.03./03.03.2011 rückwirkend zum 24.02.2011 einen "Nutzungsvertrag für Wohnräume in Wohngemeinschaften" über ein Zimmer einschließlich Nutzung von Gemeinschaftsräumen mit der "Gesellschaft ... für
mbH" (...straße ..., ... B...). Mittlerweile ist der G... Berlin e.V., M...straße ..., ... B... Vermieter.
Die Wohngemeinschaft hat 8 Bewohner. Die Klägerin bewohnt ein eigenes Zimmer im Hochparterre. Es gibt ein Gemeinschaftsbad mit Badewanne und erhöhtem WC mit Haltegriffen; außerdem eine Gemeinschaftsküche und einen weiteren Gemeinschaftsraum. In der Wohnung gibt es keine Schwellen. Um in sie zu kommen, müssen jedoch 6 Stufen vom Hauseingang überwunden werden. Einen Fahrstuhl, Lift oder Aufzug zu diesen Stufen gibt es nicht.
Die pflegerischen Leistungen und Betreuung der Bewohner erfolgt durch den Pflegedienst H... (... Chaussee ..., ... B...) unter Gewährleistung einer 24-Stunden-Betreuung im 3-Schicht-System. Hierzu hat der Pflegedienst mit jedem Bewohner einen gesonderten Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen abgeschlossen. Der Vertrag mit der Klägerin wurde über deren Betreuer am 22.02.2011 für die Zeit ab dem 24.02.2011 abgeschlossen.
Eine Bezugnahme zwischen dem Mietvertrag und dem Pflegevertrag gibt es in den Verträgen nicht. Nach einer Auflistung ambulant betreuter Wohngemeinschaften für Demenzkranke oder andere Pflegebedürftige des Pflegestützpunktes Steglitz-Zehlendorf vom Oktober 2012 (http://www.dstz.de/pdf_infoblaetter/Wohngemeinschaften.
pdf) ist der G... e.V. dort Vermieter einer Vielzahl betreuter Wohngemeinschaften. Die W... D...
GmbH ist in mehreren vom G... e.V. vermieteten Wohnungen für betreute Wohngemeinschaften als Pflegedienst tätig, daneben aber auch noch andere Pflegedienste.
Am 26.05.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten einen Zuschuss für den Einbau eines Treppenlifts für die 6 Treppenstufen, die sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung zurücklegen muss. Sie könne derzeit das Haus nicht ohne Hilfe verlassen. Mit einem solchen Lift würde sie in die Lage versetzt, das Haus wieder selbständig zu verlassen und Besorgungen zu erledigen. Beigefügt waren die Zustimmung des Vermieters vom 05.05.2011 und ein Kostenangebot für einen Treppenlift bis zu 12 Stufen zu einem Gesamtpreis von 2.920,00
EUR incl. Aufmaß, Montage und MWSt. Ein Formular der Beklagten, in dem diese u.a. nach den Namen, Geburtsdaten und zuständigen Krankenkassen anderer pflegebedürftiger Bewohner der Wohnung fragte, ließ die Klägerin in diesem Punkt unter Hinweis auf den Schutz der Daten ihrer Mitbewohner unbeantwortet. Sie bilde im sozial- und steuerrechtlichen Sinne keine Wirtschaftsgemeinschaft mit ihren Mitbewohnern. Ansonsten verneinte sie die Frage nach dem Bezug vergleichbarer Pflegeleistungen von anderer Seite und reichte zu ihrem Einkommen einen Bescheid zum Bezug von Arbeitslosengeld II bei. Mittlerweile bestreitet die Klägerin ihren Lebensunterhalt mit einer Altersrente und ergänzenden Grundsicherungsleistungen nach dem
SGB XII.
Mit Bescheid vom 31.10.2011 lehnte die Beklagte den beantragten Zuschuss ab und führte in den Gründen aus, dass Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in der Wohnung eines Pflegebedürftigen oder im Haushalt, in den er aufgenommen wurde, zwar möglich seien. Maßgeblich sei, dass es sich um den auf Dauer angelegten unmittelbaren Lebensmittelpunkt handele. Bei Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden, liege eine Wohnung
bzw. ein Haushalt in diesem Sinne jedoch nicht vor.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, dass es sich bei der Wohngemeinschaft, in der sie lebe, eindeutig um ihren einzigen Lebensmittelpunkt handele, und mit dem sie die Gleichbehandlung mit ähnlichen Fällen geltend machte, in denen Treppenlifter von der Beklagten bezuschusst worden seien, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.03. 2012 zurück. Die Gründe entsprechen unter Bezugnahme auf ein Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen zu § 40
SGB XI vom 15.07.2008 im wesentlichen denjenigen des Ausgangsbescheides.
Mit ihrer am 28.03.2012 erhobenen Klage begehrt die Klägerin eine Verpflichtung der Beklagten, die Kosten eines Treppenlifters wie beantragt zu übernehmen
bzw. zu bezuschussen, hilfsweise eine erneute ermessensgerechte Entscheidung der Beklagten. Sie begründet dies im wesentlichen wie im Widerspruchsverfahren. Ergänzend führt sie aus, dass das Rundschreiben, auf das sich die Beklagte berufe, mit den gesetzlichen Bestimmungen in § 40
SGB XI nicht übereinstimme. Es sei auch in der Sache unzutreffend, das Wohnen in einer betreuten Wohngemeinschaft mit einem Aufenthalt in einem Heim oder anderen stationären Einrichtung zu vergleichen, insbesondere auch nicht mit dem sogenannten betreuten Wohnen. All diese Einrichtungen müssten selbst einen barrierefreien Zugang gewähren, was bei betreuten Wohngemeinschaften aber nicht der Fall sei.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid vom 31.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03. 2012 aufzuheben
2. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ..., ... B... in Höhe von 2.557,00
EUR zu übernehmen,
hilfsweise, über den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ..., ... B... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die angefochtenen Bescheide. Ergänzend macht sie geltend, dass Leistungen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Absatz 4
SGB XI nur subsidiär zu gewähren seien. Vorrangig seien Leistungen anderer Sozialleistungsträger, im Fall der Klägerin insbesondere Leistungen nach dem
SGB XII. Außerdem müssten Leistungen nach § 40 Absatz 4
SGB XI auf Fälle beschränkt werden, bei denen die fraglichen Maßnahmen der Befriedigung elementarer Bedürfnisse dienen. In einem mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fall habe das Bundessozialgericht deshalb einen Leistungsanspruch nach § 40 Absatz 4
SGB XI abgelehnt.
Wegen des weiteren Sachverhalts und Beteiligtenvorbringens wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
1) Die beim zuständigen Sozialgericht form- und fristgemäß erhobene Klage ist statthaft und zulässig und insoweit begründet, als der angefochtene und streitgegenständliche Bescheid vom 31.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012 mit der Entscheidung, die von der Klägerin beantragte Übernahme von Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ..., ... B... abzulehnen, aufzuheben war (s.u. a]). Das weitere Begehren der Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, diese Kosten in Höhe von 2.557,00
EUR zu übernehmen, muss hingegen als unbegründet abgewiesen werden, weil zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen eines entsprechenden Anspruchs der Klägerin nach § 44 Absatz 4
SGB XI erfüllt sind, die Gewährung wohnumfeldverbessernder Leistungen nach § 44 Absatz 4
SGB XI jedoch im Ermessen der Beklagten liegt und die Frage des Bestehen eines solchen Anspruchs mangels Ermessensreduzierung auf Null deshalb noch nicht spruchreif im Sinne von § 131 Absatz 2 Satz 1
SGG ist (s.u. b]). Verurteilt werden konnte die Beklagte gemäß § 131 Absatz 2 Satz 3, Absatz 3
SGG mit dem zum Leistungsbegehren hilfsweise gestellten Antrag lediglich dazu, über den Antrag der Klägerin vom 06.06.2011 auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Anschaffung und Installation des Treppenlifters unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (s.u. b]).
a) Die Entscheidung der Beklagten im angefochtenen und streitgegenständlichen Bescheid vom 31.10.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2012, die von der Klägerin beantragte Übernahme der Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ..., ... B... in Höhe von 2.557,00
EUR abzulehnen, weil hierfür die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Absatz 4
SGB XI nicht erfüllt seien, ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs der Klägerin nach § 44 Absatz 4 Satz 1
SGB XI erfüllt. Insbesondere gehört die Klägerin als Bewohnerin einer betreuten Wohngemeinschaft entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides und Widerspruchsbescheides zum berechtigten Personenkreis des § 44 Absatz 4
SGB XI (s.u. aa]). Auch handelt es sich bei der begehrten Maßnahme um eine das individuelle Wohnumfeld im Sinne von § 44 Absatz 4
SGB XI verbessernde Maßnahme (s.u. bb]), die nicht vorrangig durch andere Leistungsträger zu gewähren ist (s.u. cc]).
aa) Zu folgen ist der Beklagten, wenn sie im Bescheid vom 31.10.2011 und Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 ausführt, dass Leistungen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes im Sinne von § 40 Absatz 4
SGB XI die eigene Wohnung eines Hilfebedürftigen
bzw. den Haushalt, in den er aufgenommen wurde, betreffen müssen und Bewohner von Pflegeheimen oder anderen stationären Pflegeeinrichtungen keine eigene Wohnung
bzw. keinen eigenen Haushalt in diesem Sinne haben und somit nicht zum Kreis der potentiell nach § 40 Absatz 4
SGB XI anspruchsberechtigten Personen fallen. Dies folgt aus der Stellung des § 44 Absatz 4
SGB XI bei den Ansprüchen auf Leistungen der häuslichen Pflege (s.u.) sowie der Begrenzung des § 40 Absatz 4
SGB XI auf Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Versicherten, was die Verbesserung des kollektiven Wohnumfeldes für Bewohner eines Pflegeheimes in diesem Pflegeheim ausschließt.
Zuzugeben ist, dass sich das Wohnen in betreuten Wohngemeinschaften in einem Grenzbereich zwischen individualisiertem Wohnumfeld in der eigenen Wohnung und der bloßen Teilhabe an einem kollektiven Wohnumfeld eines Pflegeheimes bewegt. Sie weist sowohl kollektive Merkmale wie die gemeinschaftliche Nutzung bestimmter Räume mit anderen Mitbewohnern auf als auch Merkmale weitgehend selbstbestimmten individuellen Wohnens, wie das eigenverantwortlich zu organisierende Kochen, Reinigen und die eigenverantwortliche Gestaltung des eigenen Tagesablaufs.
Wo die Grenze zwischen individuellem Wohnumfeld im Sinne von § 40 Absatz 4 Satz 1
SGB XI und kollektivem Wohnumfeld zu ziehen ist, zeigt die Einbettung dieser Regelung in die Bestimmungen zu den Leistungen häuslicher Pflege im Ersten Titel des Dritten Abschnitts des Vierten Kapitels des
SGB XI. Maßgeblich muss sein, ob sich eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme als Leistung der häuslichen Pflege darstellt oder ob das Umfeld, das verbessert werden soll, Teil einer teilstationären Hilfe im Sinne des Zweiten Titels des Dritten Abschnitts oder der vollstationären Pflege im Sinne des Dritten und Viertel Titels des Dritten Abschnitts wäre. Bestätigt wird die Maßgeblichkeit dieser Abgrenzungslinie durch die weiteren Regelungen des § 40 Absatz 4 Satz 1
SGB XI, wenn dort als Beispiel auf den Haushalt des Hilfebedürftigen abgestellt wird, also ein eigener Haushalt vorausgesetzt wird, und wenn weiter vorausgesetzt wird, dass durch die fragliche wohnumfeldverbessernde Maßnahme die häusliche Pflege ermöglicht oder erleichtert oder eine möglichst selbständige Lebensführung des Hilfebedürftigen wiederhergestellt wird, was wiederum gerade das typische Merkmal und Ziel der häuslichen Pflege ist.
Der vorgenannten Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 40 Absatz 4 Satz 1
SGB XI, nach der es darauf ankommt, ob es um die Verbesserung des für die häusliche ambulante Pflege maßgeblichen Wohnumfeldes des Hilfebedürftigen geht, wird das von der Beklagten als Grundlage ihrer Entscheidung auch im vorliegenden Fall herangezogene Rundschreiben der Spitzenverbände der Pflegekassen vom 15.07.2008 nicht gerecht, wenn dort zu § 40
SGB XI unter Ziff. 3 (Wohnung/Haushalt) in Absatz 1 Satz 3 nicht nur Alten- und Pflegeheime ausgeschlossen werden, sondern jegliche Form von Wohneinrichtungen, die vom Vermieter gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden. Denn anders als das sogenannte "betreute Wohnen" als einer besonderen Form der stationären Betreuung von Hilfebedürftigen werden hierdurch auch Wohnformen wie betreute Wohngemeinschaft aus dem Anwendungsbereich des § 40 Absatz 4
SGB XI ausgeschlossen. Dort erhalten Hilfebedürftigen allerdings keine stationäre oder teilstationäre Hilfe, sondern Leistungen der häuslichen Pflege.
Dies bestätigt nicht zuletzt das Berliner Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen (Wohnteilhabegesetz - WTG) vom 03.06.2010 (GVBl. 2010,
S. 285), welches die Eigenschaft einer Einrichtung als stationäre oder teilstationäre Einrichtung nicht daran knüpft, ob Wohnräume gewerbsmäßig nur an Pflegebedürftige vermietet werden, sondern gemäß § 3 Absatz 1 WTG danach unterscheidet, ob der Vermieter des Wohnraums gleichzeitig auch die Pflege- und Betreuungsleistungen zu erbringen hat. Nur dann ist die Zurverfügungstellung des Wohnraums einschließlich der behindertengerechten Ausgestaltung des Wohnraums Bestandteil der sozialrechtlichen Leistungserbringung an die Hilfebedürftigen mit der damit verbundenen Einbindung des Vermieters als Leistungserbringer in die sozialrechtlichen Vorgaben und Kontrollen des
SGB XI wie auch der Heimaufsicht. Eine solche Verknüpfung zwischen der Vermietung des Wohnraums und der Erbringung der eigentlichen Pflege-/Betreuungsleistung gibt es im vorliegenden Fall nicht. Vermieter der Wohnung und Anbieter der Pflegeleistungen sind verschiedene Personen und es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es eine tatsächliche oder rechtliche Abhängigkeit zwischen dem Bestand des Mietvertrages auf der einen Seite und demjenigen des Vertrages über die Erbringung von Pflege- und Betreuungsleistungen gibt. Zwar ist der G... e.V. nicht nur Vermieter der Wohnung der Klägerin, sondern nach einer Auflistung ambulant betreuter Wohngemeinschaften für Demenzkranke oder andere Pflegebedürftige des Pflegestützpunktes Steglitz-Zehlendorf vom Oktober 2012 (http://www.dstz.de/pdf_infoblaetter/Wohngemeinschaften.
pdf) auch einer Vielzahl anderer betreuter Wohngemeinschaften und die W... D...
GmbH ist nicht nur der für die Klägerin und ihre Mitbewohner tätige Pflegedienst, sondern übernimmt diese Aufgabe auch in anderen betreuten Wohngemeinschaften, für die der G... e.V. Vermieter der Wohnung ist. Allerdings werden auch andere Pflegedienste in betreuten Wohngemeinschaften tätig, für die der G... e.V. Vermieter der Wohnung ist. Es besteht nach den Erkenntnissen des Gerichts somit weder eine personelle noch eine so außergewöhnlich enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Vermieter und dem Pflegedienst, dass nach § 3 Absatz 1 Sätze 2 und 3 WTG an eine zu vermutende Abhängigkeit zwischen Mietvertrag und Betreuungs-/Pflegevertrag gedacht werden könnte, bei der nur scheinbar eine betreute Wohngemeinschaft vorläge, die sich tatsächlich als betreutes Wohnen in einer stationären Einrichtung darstellt.
Die betreute Wohngemeinschaft, in der die Klägerin wohnt, ist nach den vorstehenden Ausführungen keine stationäre oder teilstationäre Einrichtung, sondern bleibt als betreute Wohngemeinschaft im Sinne von 4 WTG ein Ort, an dem die Zuverfügungstellung der Wohnung nicht zur sozialrechtlichen Leistungserbringung gehört, sondern die Bewohner hierfür selbst verantwortlich sind. Entscheidend auch für die Anwendbarkeit des § 40 Absatz
SGB XI ist, dass der Vermieter der Wohnung keinen Bindungen als Leistungserbringer von Pflegeleistungen des
SGB XI unterliegt und er deshalb anders als der Träger einer stationären Einrichtung nicht dafür verantwortlich ist, den Wohnraum behindertengerecht im Sinne der Zwecke des
SGB XI zu gestalten. Die Bewohner einer betreuten Wohngemeinschaft wie der vorliegenden können also weder von ihrem Vermieter noch von ihrem Pflegedienst, dessen Aufgaben sich auf die Erbringung der eigentlichen Pflegeleistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Verrichtungen beschränkt, verlangen, dass ihr Wohnumfeld so ausgestaltet wird, dass die Pflegeleistungen möglichst effektiv erbracht werden können und dass den Bewohnern ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird. Die Situation der Bewohner betreuter Wohngemeinschaften ist in dieser Hinsicht nicht anders als diejenige von Personen, die alleine oder gemeinsam mit ihrer Familie in ihrer Wohnung wohnen. Ebenso wie diese können die Bewohner betreuter Wohngemeinschaften nicht an der kompletten Infrastruktur stationärer Einrichtungen einschließlich der Schaffung eines den genannten Anforderungen (effektive Pflegeleistungen, selbstbestimmtes Leben trotz gesundheitlicher Einschränkungen) gerecht werdenden Wohnraums partizipieren, sondern müssen diesen selbst für sich schaffen. Mit der Regelung des § 40 Absatz 4
SGB XI enthält die Pflegekasse die Möglichkeit, dies im Einzelfall und finanziell begrenzt dadurch zu unterstützen, dass sie die Kosten oder einen Teil der Kosten übernehmen, die den Pflegebedürftigen durch die Schaffung eines den oben genannten Anforderungen besser gerecht werdenden Wohnumfeldes entstehen. Einen sachlichen Grund, die Bewohner betreuter Wohngemeinschaften insoweit anders zu behandeln als sonstige Personen, die Leistungen der häuslichen Pflege in ihrer Wohnung in Anspruch nehmen, gibt es nicht. Dies gleichwohl zu tun und die Klägerin als Bewohnerin einer betreuten Wohngemeinschaft wie die Bewohner eines Pflegeheimes oder anderer stationärer Einrichtungen von Leistungen nach § 40 Absatz 4
SGB XI auszuschließen, widerspräche nicht nur der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Regelungen des § 40 Absatz 4
SGB XI, sondern wäre auch gleich in doppelter Hinsicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des
Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz unvereinbar. Zum einen würde die Klägerin im Verhältnis zu Bewohnern einer eigenen Wohnung, die Leistungen häuslicher Pflege erhalten, ohne sachlichen rechtfertigenden Grund ungleich behandelt, zum anderen aber ebenfalls ohne sachlichen rechtfertigenden Grund mit den Bewohnern von Pflegeheimen oder anderen stationären Einrichtungen gleich behandelt.
Auch die Beklagte selbst behandelt im übrigen betreute Wohngemeinschaften wie die vorliegende weder im Verhältnis zur Seite der "Leistungserbringer" noch im Verhältnis zu den Hilfebedürftigen (Leistungsempfängern) wie stationäre oder teilstationäre Einrichtungen. Insbesondere wird nicht nur der Vermieter des Wohnraums betreuter Wohngemeinschaften nicht als Leistungserbringer im Sinne des
SGB XI gesehen und der Pflegedienst nicht nach Maßgabe der Bestimmungen für stationäre Einrichtungen (
vgl. §§ 84 ff
SGB XI), sondern nach denjenigen für ambulante Pflegedienste (
vgl. §§ 89, 90
SGB XI) vergütet, sondern auch die Klägerin erhält von der Beklagten als Hilfebedürftige der Pflegestufe II monatlich lediglich bis zu maximal 1.100,00
EUR als Leistung der häuslichen Pflege (§ 36 Absatz 3
Nr. 2c
SGB XI) und nicht bis zu 1.279,00
EUR, wie dies bei einer Bewertung ihrer Wohngemeinschaft als eine stationäre Einrichtung nach § 43 Absatz 2 Satz 2
Nr. 2
SGB XI der Fall wäre. Es wäre ein in sich widersprüchliches Verwaltungshandeln der Beklagten, für die Klägerin einerseits nur Leistungen der häuslichen Pflege zu erbringen, diese andererseits aber bei der Frage, ob sich die Beklagte an der Finanzierung wohnumfeldverbessernder Maßnahmen nach § 40 Absatz 4
SGB XI beteiligt, wie eine Bewohnerin einer stationären Einrichtung von vornherein auszuschließen.
bb) Entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung handelt es sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme, der Installation eines Treppenlifters für die zum Hochparterre führende Treppe im Gebäude L...allee ..., ... B..., wo sich die Wohnung der Klägerin befindet, um eine das individuelle Wohnumfeld gemäß § 40 Absatz 4
SGB XI verbessernde und grundsätzlich förderungsfähige Maßnahme. Mit einem solchen Treppenlifter würde es der Klägerin nämlich ermöglicht, ihre im Hochparterre gelegene Wohnung alleine im Rollstuhl zu verlassen und nach draußen zu kommen. Gehörte zu den der Klägerin vom Pflegedienst zu erbringenden Pflegeleistungen auch die Hilfe beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (
z.B. für regelmäßige Arzt- oder Therapeutenbesuche), würde die Pflege durch den Einbau des Treppenlifters erheblich im Sinne von § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI erleichtert und es läge schon deshalb eine förderungsfähige Maßnahme vor. Jedenfalls aber würde der Klägerin mit dem Treppenlifter und der damit verbundenen Möglichkeit, die Wohnung mit ihrem Rollstuhl ohne Begleitung einer Betreuungsperson zu verlassen und ins Freie zu gelangen und sich dort zu bewegen, eine erhebliches Stück selbständiger Lebensführung wieder ermöglicht
bzw. die Möglichkeit zur selbständigen Lebensführung im Sinne von 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI wiederhergestellt.
Soweit die Beklagte dem entgegen hält, dass eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme im Sinne von § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI nur dann angenommen werden könne, wenn sie der Befriedigung elementarer Bedürfnisse dient, so ist dem zwar mit der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
vgl. Urteil v. 17.07.2008 - B 3 P 12/07 R -) zuzustimmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört aber das Interesse, sich im Freien aufhalten und fortbewegen zu können und
z.B. auch Einkäufe tätigen zu können, was wiederum den Hilfebedarf des
SGB XI senken kann, anerkanntermaßen zu den elementaren Bedürfnissen auch behinderter Menschen (ebenso:
BSG, a.a.O.
m.w.N.). Da außerdem das Wohnumfeld im Sinne von § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI nicht an der eigenen Wohnungstür endet, sondern insbesondere auch den Weg von der Wohnungstür zur Haustür umfasst (
BSG, a.a.O.), ist es aus Sicht der Kammer zwingend, die Anschaffung und Installation eines Treppenlifters als wohnumfeldverbessernde Maßnahme im Sinne von § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI zu bewerten.
cc) Der vollen oder teilweisen Übernahme der Kosten der Anschaffung und Installation des Treppenlifters kann schließlich auch nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass die Kostenübernahme für das individuelle Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen nach § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI nur subsidiär zu erbringen ist.
Die Auffassung der Beklagten, vorrangig seien für den fraglichen Treppenlifter Leistungen des Sozialhilfeträgers nach dem
SGB XII vom Sozialamt zu gewähren, ist unabhängig von der Frage, welche Anspruchsnorm des
SGB XII die streitgegenständliche Anschaffung und Installation eines Treppenlifters decken könnte, unzutreffend. Sie widerspricht der grundsätzlich für alle sozialrechtlichen Ansprüche zu beachtenden Nachrangigkeit sozialhilferechtlicher Ansprüche nach dem
SGB XII, dort normiert in § 2
SGB XII. Kann eine fragliche soziale Leistung durch einen anderen Sozialleistungsträger erbracht werden, besteht nach § 2 Absatz 1
SGB XII kein Anspruch des Hilfebedürftigen auf diese Leistung nach dem
SGB XII und der andere Sozialleistungsträger darf nach § 2 Absatz 2 Satz 2
SGB XII die Leistung nicht deshalb versagen, weil nach dem Recht der Sozialhilfe auch entsprechende Leistungen vorgesehen wären. Die Subsidiaritätsklausel des § 40 Absatz 1 Satz 1
SGB XI muss vor diesem Hintergrund so ausgelegt werden, dass sie nicht im Verhältnis zu den ihrerseits immer nur nachrangigen Leistungsansprüchen des
SGB XII gilt.
Ob im Zusammenhang mit der Anschaffung des Treppenlifters auch ein Anspruch der Klägerin gegen die Krankenkasse auf Versorgung mit Hilfsmitteln zur Ermöglichung der Bewegung und des Aufenthaltes im Freien bestehen könnte (
vgl. BSG, Urt. v. 17.07.2008, a.a.O.), kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen. Da die Beklagte sowohl die Krankenkasse als auch die Pflegekasse der Klägerin ist, kann sie sich auf diesen Einwand nicht berufen, zudem sie verpflichtet gewesen wäre, die Klägerin über einen dahingehenden Anspruch gegen die Krankenkasse nach § 7 Absatz 2 Satz 1
SGB XI aufzuklären, dies aber offensichtlich nicht getan hat.
b) Mit den vorstehenden Ausführungen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung des von der Klägerin gewährten finanziellen Zuschusses der Beklagten für die Kosten der Anschaffung und Installation eines Treppenlifters nach § 40 Absatz 4
SGB XI erfüllt. Allerdings räumt § 40 Absatz 4 Satz 1
SGB XI der Beklagten einen Ermessensspielraum ein bei der Entscheidung, ob bei erfüllten Anspruchsvoraussetzungen überhaupt Kosten übernommen werden, nach § 40 Absatz 4 Satz 2
SGB XI außerdem für den Fall, dass Kosten übernommen werden, ein Ermessen auch bei der Frage, wie hoch ein solcher Zuschuss bei einem Maximalbetrag von 2.557,00
EUR im Einzelfall ist.
Die Ermessensausübung ist eine originär der Beklagten obliegende Aufgabe der Abwägung aller für die Entscheidung vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Norm des § 40 Absatz 4
SGB XI sachdienlichen Aspekte, die durch das Gericht grundsätzlich nicht durch eine eigene Abwägungsentscheidung ersetzt werden kann. Gesichtspunkte, aufgrund derer das der Beklagten eingeräumte Ermessen in dem Sinne auf Null reduziert wäre, dass nur eine einzige Entscheidung, insbesondere eine dem Antrag der Klägerin in vollem Umfang entsprechende Entscheidung, ermessensfehlerfrei sein kann, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Dem Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Übernahme der Kosten des Treppenlifters in Höhe von 2.557,00
EUR zu verurteilen, konnte deshalb nicht entsprochen werden, sondern gemäß § 131 Absatz 2 Satz 3, Absatz 3
SGG nur dem insoweit hilfsweise gestellten Klageantrag, die Beklagte neben der Aufhebung des rechtswidrigen Ablehnungsbescheides zur Neubescheidung des Antrags auf Übernahme der Kosten zu verurteilen.
Dabei wird die Beklagte bei der Ermessensabwägung neben den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin den oben dargestellten Sinn und Zweck der Norm des § 40 Absatz 4
SGB XI zu berücksichtigen haben sowie das Ausmaß der Vorteile eines Treppenlifters für die Wiedererlangung der Fähigkeit der Klägerin, elementare Lebensbedürfnis selbständig
bzw. selbständiger befriedigen zu können, im Verhältnis zu den anfallenden Kosten. Daneben ist es aus Sicht der Kammer durchaus auch angezeigt, die Besonderheit der Wohnsituation der Klägerin bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen, insbesondere die Frage, ob und wenn ja in welchem Ausmaß andere Mitbewohner ebenfalls von der Anschaffung und Installation des fraglichen Treppenlifters profitieren würden und inwieweit eine finanzielle Beteiligung dieser Mitbewohner oder ihrer Pflegekassen an den Kosten der Anschaffung und Installation des Treppenlifters erwartet werden kann. Insoweit wird die Klägerin auch gehalten sein, der Beklagten entsprechende Auskünfte zu erteilen, zumindest die Namen ihrer Mitbewohner/innen zu nennen, damit die Beklagte in die Lage versetzt wird, bei diesen Personen, den für sie zuständigen Krankenkassen oder auch dem Pflegedienst weiter zu ermitteln.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Sie folgt dem Ergebnis der Hauptsacheentscheidung, weil keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden.