Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151
SGG), jedoch unbegründet.
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 19. Juni 2012 hat das Gericht gemäß § 153
Abs. 5
SGG in der Besetzung mit dem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern entschieden. Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin
bzw. deren Vertreter entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Falle des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132
SGG).
Streitgegenständlich ist eine mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2011 gerügte Untätigkeit der Beklagten in Bezug auf Leistungen nach der Pflegestufe III und "entsprechende Leistungserbringungen". Letztere hat die Klägerin bereits im Klageverfahren konkretisiert auf die Versorgung mit einem geeigneten Pflegebett einschließlich Matratze, einem Rollstuhl mit Anschiebehilfe und einem Luftkissen für den Rollstuhl sowie einen Zuschuss für die Rampe. Im Berufungsverfahren wird ferner auch eine gewünschte Versorgung mit Wandhalterungen
bzw. Wohnraumhandläufen deutlich gemacht.
Das
SGG sieht in § 88
SGG die Möglichkeit der Erhebung einer Untätigkeitsklage vor, um den Fortgang eines Verwaltungs-
bzw. Widerspruchsverfahrens sicher zu stellen. Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage jedoch nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig, § 88
Abs. 1
S. 1
SGG. Vor Erhebung einer Untätigkeitsklage, die auf Erlass eines Widerspruchsbescheides gerichtet ist, ist gemäß § 88
Abs. 2
SGG eine Frist von drei Monaten abzuwarten. Ergeht allerdings nach Ablauf dieser Sperrfrist ein für den Kläger ungünstiger Widerspruchsbescheid, ist nach herrschender Auffassung die anhängige Hauptsache erledigt (s.a. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl., § 88
Rdnr. 12 a). Die Untätigkeit bezieht sich damit ausschließlich auf den Erlass eines Verwaltungsaktes
bzw. Widerspruchsbescheides.
Es liegt jedoch bereits keine vorwerfbare Untätigkeit der Beklagten vor. Dabei geht es inhaltlich zum einen um die Zur-Verfügung-Stellung von Pflegehilfsmittel im Sinne des § 40
Abs. 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB XI). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind unter Hilfsmitteln sowohl im Bereich der Krankenversicherung (
BSG SozR 3-2500 § 33
Nr. 30) als auch im Bereich der Pflegeversicherung (
BSG SozR 3-3300 § 40
Nr. 1) nicht solche Gegenstände zu zählen, die fest in ein Wohngebäude eingebaut werden und bei einem Umzug nicht ohne Weiteres mitgenommen werden können. Das Hilfsmittel soll die Körperfunktionen des Behinderten ersetzen, ergänzen oder verbessern, die für die möglichst selbstständige Durchführung der Alltagsverrichtungen notwendig sind (zum Hilfsmittelbegriff des
§ 33 SGB V:
BSG, Urteil vom 06.08.1998 -
B 3 KR 14/97 R -). Zum anderen begehrt die Klägerin finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes der Pflegebedürftigen nach § 40
Abs. 4
SGB XI. Diese können gewährt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wieder hergestellt wird (Satz 1). Die Höhe der Zuschüsse ist unter Berücksichtigung der Kosten der Maßnahme sowie eines angemessenen Eigenanteils in Abhängigkeit von dem Einkommen des Pflegebedürftigen zu bemessen (Satz 2). Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes in Betracht kommen, liegt nicht im Ermessen der Pflegekassen, vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Überprüfung durch die Gerichte unterliegt (
BSG, Urteil vom 13. Mai 2004, SozR 4-3300 §40
Nr. 1 zum Treppenlift;
BSG SozR 3-3300 § 40
Nr. 1). Die Zuschüsse dürfen einen Betrag in Höhe von 2.557.-
EUR je Maßnahme nicht übersteigen, § 40
Abs. 4
S. 3
SGB VI. Schließlich begehrt die Klägerin die Auszahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 1. Mai 2011 (§§ 14, 15
SGB XI).
In allen drei Bereichen war die Beklagte tätig, so dass keine Untätigkeit vorgeworfen werden kann.
Pflegegeld:
Über den Antrag auf Höherstufung von Pflegestufe II in die Pflegestufe III hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 11. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2011 entschieden. Mit Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2011 wurde sie verurteilt, der Klägerin ab 1. Mai 2011 entsprechende Leistungen nach der Pflegestufe III zu gewähren. Aus den vorliegenden Leistungsnachweisen ergibt sich, dass das Pflegegeld auch tatsächlich gezahlt wurde.
Rampe:
Über den Antrag vom 12. März 2010 über die Gewährung eines Zuschusses für eine Umbaumaßnahme entschied die Beklagte bereits mit Bescheiden vom 4. Mai 2010 und 25. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010, so dass eine Untätigkeit mit Erhebung der Untätigkeitsklage im Dezember 2011 nach § 88
SGG ausscheidet. Diese Umbaumaßnahme betraf auch eine Türschwellenrampe. Mit am 14. Juni 2012 eingegangenem Schreiben hat der Bevollmächtigte der Klägerin ferner angegeben, dass die Rampe gewährt und mit knapp 400.-
EUR bezahlt ist.
Pflegebett:
Mit Bescheid vom 7. November 2011 bewilligte die Beklagte die Übernahme der Kosten eines Pflegebettes als Pflegehilfsmittel in Höhe von 517,65
EUR zuzahlungsfrei im Rahmen einer Versorgungspauschale für einen Zeitraum vom 7. November 2011 bis 6. November 2013. Die Lieferung durch das Sanitätshaus ist erfolgt. Nach Angaben der Beklagten ist auch bereits ein zweimaliger Austausch
bzw. eine Anpassung erfolgt.
Elektro-Rollstuhl Permobil:
Eine Untätigkeit liegt auch nicht im Hinblick auf die Rollstuhl-Versorgung vor. Die Klägerin begehrte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl Permobil C 300 mit Sitzbreite 56
cm oder einen Rollstuhl mit e-fix-Antrieb und Sitzbreite 56
cm. Allerdings genehmigte die Beklagte bereits im Februar 2008 den Elektrorollstuhl Permobil C 300; dieser wurde auch von der Klägerin genutzt. Auf den klägerischen Antrag wurde auch der E-Rollstuhl Tracer ausprobiert. Aufgrund eines Rückholauftrages wurde dieser jedoch am 27. April 2012 von der
Fa. H. bei der Klägerin wieder abgeholt. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das Sozialgericht am 15. Mai 2012 abgelehnt. Soweit die Klägerin dann wieder einen Rollstuhl Permobil C 300 beantragt hat, liegt eine Untätigkeit im Sinne des § 88
SGG somit ebenfalls nicht vor. Unstreitig ist die grundsätzliche Bewilligung des Rollstuhls. Dabei ist die Beklagte auch bemüht, in Absprache mit dem Lieferanten durch eine Anpassung des Elektrorollstuhles diesen für die Klägerin nutzbar zu machen.
Zuletzt begehrte die Klägerin den Elektro-Rollstuhl Permobil Comfort
bzw. einen Umtausch mit dem Modell C 300, da eine Sitzbreite von 56
cm notwendig ist. Dieser sei lieferbar und habe zudem eine elektrische Verstellung für Sitz, Rücklehne, Fußstützen, Höhe. Einen entsprechenden Antrag beinhaltet der klägerische Schriftsatz vom 7. Oktober 2012. Die Sitzbreite 56
cm ist nach Herstellerangabe bei dem Modell Permobil C 300 nicht erhältlich. Da dieser neue Antrag jedoch erst im Oktober gestellt wurde, sind die zeitlichen Vorgaben von 6 Monaten gemäß § 88
Abs. 1
SGG noch nicht erfüllt. Eine Klage vor Ablauf der einzuhaltenden Sperrfirst ist unzulässig (
vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl., § 88
Rdnr. 5 c). Der Ablauf der Frist ist vom Gericht nicht abzuwarten, da prozessual insoweit eine Klageänderung nach § 99
SGG vorliegt, für die weder die Zustimmung der Beklagten erklärt wurde noch eine Sachdienlichkeit anzunehmen ist. Schließlich ist dieses Modell in der aktuellen Herstellerliste nicht mehr aufgeführt (www.permobil.com).
Luftkissen:
Mit Bescheid vom 13. März 2012 genehmigte die Beklagte im Rahmen einer Neuversorgung das Roho-Sitzkissen in Höhe von 605,89
EUR. Die grundsätzliche Notwendigkeit des Sitzkissens ist damit unstreitig.
Wohnraumhandläufe
bzw. Wandhalterungen:
Bereits mit Bescheid vom 20. Februar 2008 übernahm die Beklagte einen Betrag in Höhe von maximal 614,67
EUR für Wandhalterungen im Badewannenbereich und im Bereich des Waschbeckens. Es handelte sich hierbei um den Restbetrag aufgrund des bewilligten Terrassentür-Ausbaus im Rahmen einer wohnumfeldverbessernden Maßnahme. Die Klägerin hat nach Aktenlage 198,73
EUR in Anspruch genommen.
Es ist nicht ersichtlich, dass weitere Leistungsanträge offen sind. Im Übrigen würde es sich um eine Klageerweiterung handeln, für die die Zustimmung der Beklagten
bzw. eine Annahme der Sachdienlichkeit nach § 99
SGG erforderlich wäre. Dies ist insbesondere für die zuletzt gerügte Mangelhaftigkeit orthopädischer Schuhe, die Versorgung mit Langschaftwinterstiefeln oder die Gewährung von Lymphdränagen nicht der Fall - unabhängig von der Frage, ob hierfür statt der Beklagten die
AOK Bayern als gesetzlicher Krankenversicherungsträger zuständig wäre. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei der
AOK Bayern und der hier beklagten Pflegekasse der
AOK Bayern organisatorisch um zwei zu trennende Körperschaften des öffentlichen Rechts mit gesetzlich unterschiedlich zugewiesenen Aufgaben (Leistungen aus dem
SGB V einerseits, Pflegeleistungen aus dem
SGB XI andererseits) handelt.
Behauptungen, dass die Beklagte Unterlagen manipuliert oder verfälscht oder Leistungen veruntreut hat, entbehren jeglicher Grundlage.
Eine Untätigkeit der Beklagte scheidet damit aus. Zutreffend hat das Sozialgericht deshalb das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Untätigkeitsklage angenommen
bzw. das Vorliegen einer vorwerfbaren Untätigkeit als nicht nachgewiesen angenommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160
Abs. 2 Nrn. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.