Urteil
Kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Anbau eines Hubliftes und weiterer Umbaumaßnahmen im Rahmen der Wohnungshilfe durch die Rentenversicherung - kein beruflich bedingter Wohnungswechsel

Gericht:

LSG Thüringen


Aktenzeichen:

L 6 R 202/08


Urteil vom:

28.01.2013


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für den Anbau eines Hubliftes Modell Reha-Lift als Außenanlage mit zwei Haltestellen sowie weitere damit verbundene Umbaumaßnahmen in Höhe von insgesamt 7.960,00 Euro im Rahmen eines Wohnungswechsels der Klägerin streitig.

Die 1969 geborene Klägerin ist aufgrund einer Erkrankung im ersten Lebensjahr querschnittsgelähmt und auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen. Seit 1987 bezog sie Invalidenrente, die weiterhin als Rente wegen Berufsunfähigkeit fortgezahlt wird. Sie schloss ein Hochschulstudium mit der Magisterprüfung ab und ist seit 1995 berufstätig. Seit dem Jahr 2000 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität E. tätig. Nach Inanspruchnahme einer Kindererziehungszeit, nahm sie ab dem 1. Oktober 2004 wieder eine Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft aufgrund eines bis zum 30. September 2005 befristeten Arbeitsvertrages an der Universität E. auf. Laut Arbeitsvertrag betrug die Arbeitszeit monatlich 55 Stunden. Am 10. Februar 2005 wurde ihr von der Universität E. ein Lehrauftrag mit der Verpflichtung zur Realisierung von 28 Stunden anderer Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2005 erteilt. Vom 1. November bis 31. Dezember 2005 war sie als wissenschaftliche Hilfskraft mit monatlich 40 Stunden an der Universität E. beschäftigt.

Seit 1998 bewohnte sie mit ihrem Ehemann und seit 2001 auch mit ihrem Kind eine 83,44 große Mietwohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche und Bad in der H.-S.-St. 2-4 in E ... Im April 2005 beantragte sie bei der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 16 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. §§ 33 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der Form der Kostenübernahme für den Anbau eines Rollstuhlliftes an einem Mehrfamilienhaus, weil kein Zugang über das Treppenhaus möglich sei. Sie reichte Kostenvoranschläge der R.-L. GmbH vom 18. April 2005 für einen Rollstuhllift Modell REHA-LIFT "BLM" als Außenanlage mit zwei Haltestellen zur Überwindung einer Fördermenge bis 1 m bzw. 0,80 m über 7.000 EUR bzw. 7.300 EUR für die neue Wohnung in der Sch.-D.-Str ... in E. ein. Zusätzlich seien der Türeinbau in den Balkon sowie das Einrichten einer ebenen Fläche zum Auffahren auf den Lift erforderlich.

Am 6. Juni 2005 erwarb die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann eine 160 große Eigentumswohnung in der Sch.-D.-St ... in E ... Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 forderte sie die Beklagte auf, sich bis zum 15. August 2005 zur Übernahme der Kosten zu erklären, ansonsten werde sie sich die Leistungen selbst beschaffen. Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 lehnte diese die Kostenübernahme des Rollstuhllifts im Rahmen des Wohnungswechsels ab. Die jetzige Wohnung sei behindertengerecht ausgestattet und der Umzug werde nicht behinderungsbedingt notwendig. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, der geplante Umzug sei von der gesamten Lebenssituation her notwendig. Ihr Kind benötige ein Zimmer mehr als ihre jetzige Wohnung habe. Insgesamt seien die Tatsachen, dass sie verheiratet sei und ein Kind habe, als wissenschaftliche Mitarbeiterin berufstätig sei, schwerbehindert sei und in ihrer Wohnung ein Kinderzimmer und ein Arbeitszimmer für sich selbst benötige, nicht voneinander zu trennen. Letzteres benötige sie, weil sie ihre wissenschaftlichen Arbeiten ganz überwiegend in ihrer Wohnung erledige. Dies sei bei an Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen tätigen wissenschaftlichen Mitarbeitern üblich und notwendig. Ihre Wohnung sei zugleich ihr behindertengerecht ausgestatteter Arbeitsplatz.

Während des Widerspruchsverfahrens beantragte sie am 6. September 2005 beim Sozialgericht (SG), die Beklagte im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Übernahme der Kosten für einen Rollstuhllift zu ihrer künftigen Wohnung zuzusagen. Mit Beschluss vom 26. September 2005 lehnte das SG den Antrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Thüringer Landessozialgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 (Az.: L 2 R 786/05 ER) zurück.

Im Oktober 2005 erfolgten Lieferung und Montage eines gebrauchten Hubliftes durch die R.-L. GmbH zu einem Preis von 5.510 Euro, der Austausch der Balkontür zu einem Preis von 2.148,32 Euro und nach Angaben der Klägerin eine neue Pflasterung zu einem Preis von 350,00 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Errichtung eines Senkrechtaufzuges an der neuen Wohnung diene nicht unmittelbar der Erlangung oder Erhaltung des Arbeitsplatzes. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es sich um eine Maßnahme handele, die vorrangig dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sei und die auf einer privaten Lebensentscheidung basiere. Der Wohnungswechsel sei erfolgt, weil sie eine größere Wohnung mit einem Kinder- und Arbeitszimmer benötige. Der Umzug sei im Wesentlichen im Familienzuwachs begründet. Einen Arbeitsplatz dürfte sie sowohl im Rahmen des Studiums als auch im Rahmen der Erwerbstätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft bereits in der alten Wohnung gehabt haben, so dass für den Wohnungswechsel und die damit verbundene Errichtung eines Senkrechtaufzuges keine in der Berufsausübung begründete Bedarfslage bestehe. Darüber hinaus seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Bei einem Umzug seien Versicherte darauf zu verweisen, eine barrierefreie Wohnung zu wählen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin ihr Vorbringen vertieft. Entscheidend sei, dass ihr Arbeitsplatz in ihrer Wohnung liege und aus diesem Grund keine Trennung von beruflichem und privatem Aufenthalt möglich sei. Seit März 2005 sei sie mit ihrer Promotion beschäftigt, seit dem 1. Oktober 2006 habe sie eine bis 30. September 2007 befristete "Dreiviertelstelle" als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität E ... Zurzeit habe sie eine bis 2009 befristete Vollzeitstelle.

Mit Urteil vom 21. Januar 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe keine Gefährdung der Erwerbstätigkeit dadurch, dass die Klägerin ihre behindertengerecht ausgestattete ehemalige Wohnung nicht mehr nutzen konnte. Die erschwerte Nutzung der Wohnung durch Familienzuwachs schließe die Nutzung der alten Wohnung nicht aus, so dass sie ihren Arbeitsplatz auch in Zukunft hätte erreichen können. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Umzug in die jetzige Eigentumswohnung im Allgemeinen dem privaten Interesse zuzurechnen sei. Dieser Umzug und der Bezug der Wohnung seien nicht aus Gründen der Erhaltung der Arbeitskraft oder des Arbeitsplatzes erforderlich geworden. Die neue Wohnung und der Umzug dorthin dienten eben nicht allein oder überwiegend der Erhaltung der Arbeitskraft, sondern letztlich seien sie Ausfluss der Familienplanung der Klägerin. Aus diesem privaten Grunde erscheine hier eine Förderung durch die Beklagte nicht gerechtfertigt. Zudem sei der Umzug zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem nicht sicher gewesen sei, ob zum Einzug überhaupt noch ein Beschäftigungsverhältnis bestehe. Insoweit habe zum Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnung und auch noch bei Antragstellung die Erreichbarkeit der Arbeitsstelle mangels eines zum 1. Oktober 2005 bestehenden Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht im Vordergrund stehen können. Dies gelte auch noch heute.

Im Berufungsverfahren vertritt die Klägerin die Ansicht, die von ihr geltend gemachten Ansprüche hätten in jedem Fall auch zentral mit ihren Arbeitsbedingungen zu tun. Sie seien entsprechend dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) (SozR 4100 § 56 Nr. 14) "final auf das gesetzlich vorgegebene Ziel der positiven Entwicklung der Arbeitsfähigkeit ausgerichtet" und schwerpunktmäßig auch dem Lebensbereich "Arbeit" zuzuordnen. Dass sie in ihrer Wohnung nicht nur arbeite sondern auch wohne, könne ihr nicht entgegengehalten werden. Diese Situation sei bei jedem Hochschullehrer, wissenschaftlichen Mitarbeiter usw. gegeben. Inzwischen sei auch die Frage des Fortbestehens des Beschäftigungsverhältnisses geklärt. Die Tatsache, dass sie ihre Doktorarbeit zu Ende führe, sei auf jeden Fall als "Vorbereitung einer Hochschullehrertätigkeit" zu bewerten. Im Übrigen sei ihre berufliche Qualifikation unbestritten. Gerade diese würde leiden, wenn sie in Wohnverhältnissen zu leben hätte, die letztendlich nicht behindertengerecht seien, weil sie auch ihre häusliche Berufstätigkeit nicht oder nur unzureichend ausüben könnte. Im Ergebnis sei es auch darum gegangen, möglichst positive Bedingungen sowohl für ihre Arbeitssituation als auch für ihre familiäre Situation zu schaffen. Sie hat u.a. ein Schreiben des Prof. Dr. B. vom 27. Juni 2005 an das Finanzamt E. eingereicht, wonach sie in einem Drittmittelprojekt der Volkswagenstiftung beschäftigt ist und über keinen eigenen Arbeitsraum an der Universität verfügt. Die Tätigkeit finde zu 90 v.H. am häuslichen Arbeitsplatz statt. Des Weiteren sei sie als Lehrbeauftragte an der Universität E. tätig. Lediglich das Seminar finde in den Räumen der Universität statt, was aber nur etwa ein Drittel des Gesamtarbeitsvolumens ausmache. Zur Tätigkeit gehörten auch die Vor- bzw. Nachbereitung, die Korrektur von Hausaufgaben und Klausuren sowie gegebenenfalls das Erstellen diagnostischer Gutachten. Ihre frühere Wohnung in der H.-S.-Str. in E. habe sie nur über die Tiefgarage erreichen können. Der Zugang sei durch eine schwere Feuerschutztür erfolgt. Ansprüche nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch mache sie ausdrücklich nicht geltend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2006 zu verurteilen, ihr die Kosten für die Lieferung und Montage des gebrauchten Hubliftes Modell "Liftboy Typ 3" in Höhe von 5.510,00 Euro sowie die Kosten für den Austausch der Balkontür in Höhe von 2.148,32 Euro und für die Pflasterung in Höhe von 350,00 Euro zu erstatten,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten ihren Antrag vom 25. April 2005 auf Übernahme der Kosten für die Lieferung und Montage des gebrauchten Hubliftes Modell "Liftboy Typ 3" in Höhe von 5.510,00 Euro sowie der Kosten für den Austausch der Balkontür in Höhe von 2.148,32 Euro und der Pflasterung in Höhe von 350,00 Euro unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils. Es bleibe festzustellen, dass die Klägerin einen Wohnungswechsel vorrangig wegen der familiären Bedürfnisse und nicht aus Gründen der Erreichung des Arbeitsplatzes bzw. der Berufsausübung vorgenommen habe.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2012 hat der erkennende Senat die Stadtverwaltung E. - Amt für Soziales und Gesundheit - vertreten durch den Oberbürgermeister zum Rechtsstreit beigeladen. Am 20. Dezember 2012 hat er die Beiladung aufgehoben, nachdem die Klägerin keine Ansprüche geltend machen will, die auf dem SGB XII beruhen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Rechtsweg:

SG Gotha Urteil vom 21.01.2008 - S 19 R 1032/06
BSG Urteil vom 13.05.2013 - B 13 R 115/13 B

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 29. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Anbau des Rollstuhllifts und auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über ihren Antrag entscheidet.

Im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten gilt zunächst Folgendes:

Mit ihrem maßgebenden Antrag vom 25. April 2005 hat die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Form von Wohnungshilfe nach § 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX in Verbindung mit §§ 9, 10, 11, 16 SGB VI beantragt. Der Antrag war von vornherein auf Geldleistungen gerichtet, weil die Beklagte die begehrte Leistung nicht als Sachleistung zu erbringen hat, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen die hierfür anfallenden Kosten übernimmt. Ein Erstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX scheidet hingegen aus, weil sich Erstattungsansprüche nach § 15 SGB IX, die sich an das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung anlehnen, nur auf Sachleistungen beziehen. § 15 SGB IX stellt also eine gesetzliche Ausnahme zum eigentlich geltenden Sachleistungsprinzip dar, der es bei von vornherein auf Geldleistungen gerichteten Ansprüchen nicht bedarf (vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 - Az.: B 8 SO 32/07 R m.w.N., nach juris).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringt der Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Herstellung des behindertengerechten Zugangs der Wohnung setzt voraus, dass die allgemeinen persönlichen (§ 10 Abs. 1 SGB VI) und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 Abs. 1 SGB VI) für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger vorliegen, keiner der Ausschlussgründe nach § 12 SGB VI einschlägig ist und zudem die zwingenden Voraussetzungen nach § 16 SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6, Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX gegeben sind.

Nach § 16 SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach § 33 Abs. 1 SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Nach § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX gehören hierzu sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Nach § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 6 SGB IX umfassen die Leistungen nach Abs. 3 Nr. 6 auch die Übernahme der Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behindertengerechten Wohnung in angemessenem Umfang.

Die Frage, "ob" durch die Beklagte als Rehabilitationsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren sind, unterliegt der vollen Überprüfbarkeit durch die Gerichte, während hinsichtlich des "wie", hier insbesondere bei der Entscheidung, welche Leistungen im Einzelfall konkret zu erbringen sind, nur ein eingeschränkt gerichtlich überprüfbares Auswahlermessen des Rehabilitationsträgers (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 - Az.: B 5 RJ 15/05 R, nach juris) besteht.

Im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat die Wohnungshilfe zum Ziel, die Folgen behinderungsbedingter Erschwernisse auszugleichen, die sich im Leben des behinderten Menschen bei der Teilhabe am Arbeitsleben auswirken. Der Förderrahmen beschränkt sich auf die durch die Berufsausübung bzw. Erreichung des Arbeitsplatzes ausgelöste Bedarfslage. Maßnahmen, die ohne unmittelbaren Bezug zur Berufsausübung zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausübung auswirken, sind nicht durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderungsfähig und allenfalls im Wege der Förderung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX zu übernehmen. Die Leistungen müssen also final auf das gesetzlich vorgegebene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sein. Entscheidend ist, welchem Lebensbereich die begehrte Leistung schwerpunktmäßig zuzuordnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - Az.: B 7 AL 16/04 m.w.N., nach juris).

Hier steht eine solche finale Ausrichtung des Wohnungswechsels der Klägerin auf das Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit nicht fest. Diese bewohnte von 1998 bis September 2005 zusammen mit ihrem Ehemann und seit dem Jahr 2001 mit ihrem Kind eine 83,44 große Mietwohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche und Bad in der H.-S.-Str ... Neben Wohn- und Schlafzimmer von jeweils ca. 20 ist im Grundriss der Wohnung ein Arbeitszimmer von 11,2 ausgewiesen. Dass die Klägerin diesen Raum als Arbeitszimmer nutzte, ergibt sich aus dem Schreiben des Prof. Dr. B. vom 27. Juni 2005 an das Finanzamt E., in dem dieser Ausführungen dazu macht, warum die Klägerin ein Arbeitszimmer benötigt. An ihrer beruflichen Situation ergab sich im Jahr 2005 im Vergleich zum Jahr 2000 keine wesentliche Änderung. Sie war - wie bereits zuvor - seit dem 1. Oktober 2004 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität E. tätig. Zusätzlich bestand lediglich ein Lehrauftrag mit der Verpflichtung zur Realisierung von 28 Stunden anderer Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2005. Geändert hatte sich allerdings ihre private Situation im Vergleich zum Jahr 2000 durch die Geburt ihres Kindes im Jahr 2001. Insoweit ist nachvollziehbar, dass bei der Klägerin und ihrer Familie offensichtlich der Wunsch nach einer größeren eigenen Wohnung bestand, weil nach dem Zuschnitt der damaligen Wohnung entweder sie auf das separate Arbeitszimmer verzichten musste oder das Kind kein Kinderzimmer hatte. Allerdings lässt sich dies, wie bereits im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt und nach der Rechtsprechung des BSG vorausgesetzt, nicht schwerpunktmäßig auf die Berufstätigkeit der Klägerin zurückführen, unabhängig davon, dass auch nicht ersichtlich ist, dass ihre Berufstätigkeit zwingend ein separates Arbeitszimmer - wenngleich aus der Sicht der Klägerin wünschenswert - voraussetzte. Soweit sie vorträgt, bei ihr seien die berufliche und private Situation nicht zu trennen, verkennt sie, dass die Beklagte als Rehabilitationsträger für die private Verbesserung des Lebensumfelds keine Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen hat. Dass der Wohnungswechsel nicht schwerpunktmäßig wegen einer Bedarfslage aus beruflichen Gründen erfolgt ist, ergibt sich auch aus der Größe der danach bezogenen Wohnung in der Sch.-D.-Str ... Dass die Klägerin vor allem aus berufsbezogenen Gründen einer Wohnung beziehen musste, deren Wohnfläche nahezu doppelt so groß ist wie die der zuvor bewohnten Wohnung, ist nicht nachvollziehbar.

Da die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den gesetzlichen Regelungen nicht vorliegen, ist der Hilfsantrag der Klägerin ebenfalls unbegründet.

Ein Anspruch der Klägerin auf die begehrte Leistungen nach § 55 SGB IX i.V.m. §§ 53, 54 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), für den die Beklagte unter Berücksichtigung der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Regelung des § 14 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger, ebenfalls zuständig wäre, ist nicht zu prüfen, weil die Klägerin ihre Bedürftigkeit nicht dargelegt und ausdrücklich erklärt hat, keine Ansprüche nach dem SGB XII geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R6663


Informationsstand: 28.12.2015