Urteil
Kein Anspruch auf Kostenübernahme für den Einbau eines Treppenliftes aus der Kriegsopferversorgung

Gericht:

SG Freiburg (Breisgau) 16. Kammer


Aktenzeichen:

S 16 VK 4903/12


Urteil vom:

26.03.2013


Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für den Einbau eines Treppenliftes.

Der am xx.xx.1921 geborene Kläger erlitt als Soldat der Wehrmacht im Januar 1942 Erfrierungen an den Füßen, die eine Amputation sämtlicher Zehen und der Weichteile der Fersen zur Folge hatten. Mit Bescheid vom 24.11.1978 anerkannte das Versorgungsamt Freiburg i. Br. zuletzt als Schädigungsfolgen den Verlust sämtlicher Zehen und Deformierung der Mittelfußköpfchen, schwielige Narben an beiden Fersen nach Erfrierung, verbildende Erkrankung der Fußwurzelgelenke sowie statisch bedingte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und bewertete diese mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE, jetzt: Grad der Schädigungsfolgen - GdS) von 60. Der Kläger erhält nach diesem GdS eine Beschädigtengrundrente von derzeit 312 Euro monatlich. Vom Einkommen abhängige Versorgungsbezüge werden nicht geleistet. Der Kläger erhält daneben eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Kläger beantragte am 4.7.2012 bei dem nunmehr als Versorgungsamt zuständigen Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald die Kostenübernahme für einen Treppenlift, da er bedingt durch die zunehmenden Beschwerden im Zusammenhang mit seinen im Krieg erlittenen Erfrierungen gezwungen sei, die Treppen in seinen Wohnetagen mit zwei Treppenliften auszustatten. Der Dringlichkeit halber habe er den Auftrag für den Teilbereich Schlafzimmer/Bad und Wohnraum bereits in Auftrag gegeben. Er legte ein Angebot der Fa. E. über den Einbau eines Treppensitzliftes vom Erdgeschoss in das erste Obergeschoss über brutto 12.272,42 Euro vor.

Mit Bescheid vom 5.7.2012 lehnte das Landratsamt den Antrag ab, da der Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auch die Versorgung mit Hilfsmitteln umfasse. Nach der Orthopädieverordnung könnten jedoch insoweit nur bewegliche Gegenstände als Hilfsmittel geleistet werden. Unbewegliche Gegenstände gehörten nicht zu den Hilfsmitteln in diesem Sinne. Der beantragte Treppenlift sei ein solcher unbeweglicher Gegenstand, da er durch handwerkliche Arbeiten an baulichen Einrichtungen befestigt werde. Daher fehle leider eine Rechtsgrundlage für eine Bewilligung bzw. Kostenübernahme oder Bezuschussung im Rahmen der Orthopädieverordnung.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein, da er die Erfrierungen im Jahr 1942 erlitten habe und erwarte, dass die Bundesrepublik in der Lage sei, ihn für dieses dringend notwendige Hilfsmittel im Rahmen der Kriegsopferversorgung zu entschädigen. Er besitze durch den Lift eine wesentliche Hilfe bei der Bewältigung der Treppe. Er legte sodann die Rechnung in Höhe von 12.807,97 Euro über den am 25.7.2012 eingebauten Treppenlift vor und bat um Erstattung dieser Kosten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.9.2012 wies das Regierungspräsidium Stuttgart als Landesversorgungsamt den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Bescheid der Sach- und Rechtslage entspreche. Der Anspruch auf Heilbehandlung umfasse zwar auch die Versorgung mit Hilfsmitteln. Hierzu gehörten jedoch nicht unbewegliche Gegenstände. Dazu zähle auch der mittlerweile eingebaute Treppenlift.

Der Kläger hat am 5.10.2012 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass sich der Zustand seiner anerkannten Schädigungsfolgen, hier die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und in der linken Ferse und in den Füßen seit längerer Zeit ganz erheblich verschlechtert habe. Er könne das Haus nicht mehr verlassen. Das Treppensteigen an anderen Orten entfalle daher. Der Lift sei ein unverzichtbares Transportmittel vom Schlaf- in den Wohnbereich geworden. Die Ablehnung sei ihm unverständlich. Er würde eine Besichtigung durch das Gericht begrüßen. Es handele sich noch um eine Beschädigung des Zweiten Weltkrieges, wo die im Widerspruchsverfahren angegebenen Gesetze noch gar nicht hätten gelten können. Er hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. E. vom 13.2.1997 sowie einen KOV-Behandlungsschein für das 3. Quartal 2012 vorgelegt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 5.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom Widerspruchsbescheides vom 19.9.2012 zu verurteilen, ihm die Kosten für den Einbau des Treppenliftes in Höhe von 12.807,97 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des Widerspruchsbescheides, wonach es sich bei dem Treppenlift um einen fest montierten und damit unbeweglichen Gegenstand handele. Er zähle damit nicht zu den Hilfsgeräten und Gebrauchsgegenständen. Eine Kostenbeteiligung durch den Kommunalverband für Jugend und Soziales - Hauptfürsorgestelle - sei ebenfalls nicht möglich, da der Kläger nicht zu den Sonderfürsorgeberechtigten gehöre.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (drei Bände B-Akten, ein Band Orthopädische Akten) Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet vorliegend nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor gehört. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung haben sie nicht vorgetragen.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid vom 5.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.9.2012, mit dem der Beklagte die Gewährung von Leistungen für den von dem Kläger beschafften Treppenlift abgelehnt hat. Die Höhe des seit 1978 unverändert mit 60 festgestellten GdS oder die Gewährung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes - BVG) sind hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens, weil der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid hierüber nicht entschieden hat.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Übernahme der Kosten für den Treppenlift oder auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten hat.

Der Anspruch des Klägers auf Kriegsopferversorgung richtet sich nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG), das durch Bekanntmachung vom 22.1.1982 (BGBl. I S. 21) neu gefasst wurde. Nach § 1 Abs. 1 des BVG erhält derjenige, der durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung. Militärischer Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 ist nach § 2 Abs. 1 BVG unter anderem jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat. Der auf den Schädigungsfolgen beruhende Anspruch des Klägers gegen den Beklagten richtet sich damit nach dem BVG in der derzeit geltenden Fassung und den dazu erlassenen Verordnungen, nicht nach früheren Gesetzen oder Verordnungen.

Der Anspruch richtet sich hier gegen das Land Baden-Württemberg, in dem der Kläger wohnt (vgl. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung - KOVVfg). Die Kriegsopferversorgung nach dem BVG wird durch die Länder als eigene Angelegenheit i.S.d. Art. 83, 84 GG durchgeführt (vgl. BSG, Urteil vom 12.6.2001 - B 9 V 5/00 R - juris; BSG, Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - juris, dort Rn. 33). Die Ausgaben der Kriegsopferversorgung werden hingegen in vollem Umfang von dem Bund getragen. Dies ergibt sich nicht aus dem BVG, sondern unmittelbar aus Art 120 Abs. 1 GG und aus § 1 Abs. 1 Nr. 8 des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Erstes Überleitungsgesetz). Die Länder handeln insoweit auf Rechnung des Bundes (§ 21 des Ersten Überleitungsgesetzes). Das Land wird im Klageverfahren von dem Regierungspräsidium Stuttgart als Landesversorgungsamt (vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Versorgungsverwaltung Baden-Württemberg vom 1.7.2004 - Versorgungsverwaltungsgesetz) vertreten (§ 71 Abs. 5 SGG).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Heilbehandlung wegen der bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen (§§ 9 Nr. 1, 10 ff. BVG). Dieser umfasst auch die - hier alleine in Betracht kommende - Versorgung mit Hilfsmitteln (§§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 13 BVG), hier nur noch im Wege des Kostenersatzes (§ 18 BVG), sowie die Ergänzung der Hilfsmittelversorgung durch Zuschüsse nach § 11 Abs. 3 BVG.

Der fest in die Wohnung des Klägers eingebaute Treppenlift ist jedoch kein Hilfsmittel in diesem Sinne, so dass ein Anspruch auf Kostenersatz oder Zuschuss zu den Kosten nach dem Recht der Kriegsopferversorgung nicht besteht.

Dies ergibt sich aus §§ 11, 13 BVG i.V.m. der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz - Orthopädieverordnung (OrthV), die von der Bundesregierung auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 24a Buchst. a) und b) BVG erlassen wurde. Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 OrthV werden unbewegliche Gegenstände nicht als Hilfsmittel geliefert. Hilfsmittel können auch nach der Rechtsprechung des BSG nur bewegliche Gegenstände sein, die an die Stelle eines nicht oder nicht voll verwendungsfähigen Körperorgans treten und möglichst weitgehend dessen Aufgaben übernehmen sollen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22.02.1974 - 3 RK 27/73 - juris). Ein Treppenlift gehört daher nicht zu den Hilfsmitteln im Sinne des § 13 BVG (BSG, Urteil vom 25.4.1978 - 9 RV 96/76 - bei juris). Das BSG hat dies später für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bestätigt, wobei es ausdrücklich auf die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung über die Versorgung mit Hilfsmitteln und über Ersatzleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz - Orthopädieverordnung Bezug genommen hat, wonach unbewegliche Gegenstände nicht als Hilfsmittel geliefert werden (BSG, Urteil vom 6.8.1998 - B 3 KR 14/97 R - juris). Das BSG hat darauf hingewiesen, dass der fest eingebaute Treppenlift nur die Überwindung dieser Treppe ermögliche, nicht aber allgemein das Treppensteigen selbst (BSG, Urteil vom 6.8.1998 - a.a.O.). Nur Letzteres könnte Aufgabe eines Hilfsmittels sein. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Kläger das Haus aus anderen Gründen nicht mehr verlassen kann.

Der Treppenlift ist auch nicht von den in § 18a OrthV genannten behinderungsgerechten (unbeweglichen) Ausstattungen umfasst. Nach § 18a Abs. 1 OrthV werden fest installierte behinderungsgerechte Sanitärausstattungen für Ohnhänder, Querschnittgelähmte, Beinamputierte und gleich schwer behinderte Menschen gewährt, wenn sie dringend darauf angewiesen sind. Nach § 18a Abs. 2 OrthV erhält Haltegriffe und Handläufe, wer wegen wesentlicher Einschränkung seiner Gehfähigkeit dringend in seiner Wohnung auf sie angewiesen ist und für den Gehhilfen nicht ausreichen. Der Treppenlift gehört nicht zu diesen Ausstattungen.

Der Treppenlift unterfällt auch nicht dem Katalog der Ersatzleistungen nach § 11 Abs. 3 BVG und § 22 Absatz 1 OrthV, für die ein Zuschuss gewährt werden kann.

Die von dem Kläger geltend gemachte Verschlimmerung der Schädigungsfolgen ist damit für die Kostenerstattung nicht entscheidend, weil der fest eingebaute Treppenlift bereits kein Hilfsmittel im Sinne des BVG ist.

Der Kläger kann hier auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der Treppenlift nur durch die 1942 erlittene Schädigung erforderlich geworden ist und daher von dem Beklagten im Rahmen der Kriegsopferversorgung zu übernehmen ist. Denn neben den genannten Vorschriften der Kriegsopferversorgung nach dem BVG kommt auch ein Anspruch auf eine (teilweise) Kostenübernahme in Folge der kriegsbedingten Schädigung nach den Vorschriften der Kriegsopferfürsorge in Betracht (§§ 25 bis 27j BVG).

Insbesondere umfasst die Kriegsopferfürsorge auch die Wohnungshilfe (§ 27c BVG). Die Wohnungshilfe besteht nach § 27c Satz 2 BVG in der Beratung in Wohnungs- und Siedlungsangelegenheiten sowie in der Mitwirkung bei der Beschaffung und Erhaltung ausreichenden und gesunden Wohnraums. Geldleistungen werden nur erbracht, wenn u.a. die Wohnung eines Schwerbeschädigten mit Rücksicht auf Art und Schwere der Schädigung besonderer Ausgestaltung oder baulicher Veränderung bedarf (§ 27c Satz 3 BVG). Durch Rechtsverordnung der Bundesregierung gemäß § 27f BVG ist Näheres in der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV) bestimmt worden. Geldleistungen der Wohnungshilfe nach § 27c des Bundesversorgungsgesetzes erhalten nach § 27 KFürsV u.a. Schwerbeschädigte zur besonderen Ausgestaltung oder baulichen Veränderung vorhandenen Wohnraums, wenn dies nach Art und Schwere der Schädigung notwendig ist.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob im Falle des Klägers ein derartiger Anspruch besteht. Denn für die Kriegsopferfürsorge ist nicht der Beklagte zuständig, sondern nach § 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Durchführung der Kriegsopferfürsorge und des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Kriegsopfergesetz - KOpfG) die Stadtkreise und Landkreise als örtliche Träger der Kriegsopferfürsorge und der Kommunalverband für Jugend und Soziales als überörtlicher Träger. Zudem handelt es sich bei der Kriegsopferfürsorge um eine von Einkommen und Vermögen der betroffenen Person abhängige Leistung. Für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Kriegsopferfürsorge wäre das Sozialgericht auch nicht zuständig, sondern das Verwaltungsgericht (§ 51 Abs. 1 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Nach alledem war die Klage mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Referenznummer:

R/R7015


Informationsstand: 25.10.2016