Streitig ist, ob die Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können.
Die Klägerin wurde im Streitjahr mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für 1997 machten die Eheleute (beide
geb. 1918) Aufwendungen i.H.v. 22.954 DM für den Einbau eines Treppenlifts in das von ihnen genutzte Einfamilienhaus geltend. Zur Begründung wurde auf die Erkrankungen der Eheleute: "Ehemann: Hüftoperation; Ehefrau: Poli-Arthrose am Knie und Fußgelenken" verwiesen.
Mit Bescheid vom 08.07.1998 setze das Finanzamt die Einkommensteuer 1997 auf 45.352 DM fest. Der Bescheid erging nach § 165
Abs. 1 Satz 2
AO teilweise vorläufig. Die Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts blieben dabei unberücksichtigt. In den Erläuterungen ist dazu ausgeführt: "Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen konnten i.H.v. 22.954 DM nicht berücksichtigt werden, weil sie dem Grunde nach nicht zwangsläufig
i.S.d. § 33 EStG waren."
Der Einspruch, der im Wesentlichen damit begründet wurde, dass ein Treppenlift ein medizinisches Hilfsmittel im engern Sinne darstelle, dessen Notwendigkeit nicht durch Vorlage eines vor dem Kauf erstellten amtsärztlichen Attestes nachgewiesen werden müsse, hatte keinen Erfolg. Aus dem während des Einspruchsverfahrens vorgelegten Bescheid des Versorgungsamts vom 17.09.1998 in welchem der Grad der Behinderung der Klägerin mit 50 v.H. festgestellt wurde, ergibt sich, dass die Klägerin unter folgenden Behinderungen leidet:
1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Hand- und Kniegelenkverschleiß beiderseits
2. Verdauungsstörungen bei Divertikulose
3. Psychovegetative Störungen
Unter der Rubrik Merkzeichen war weiter ausgeführt:
"Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen - B, G, aG, Bl, H, RF, 1. Kl. - (siehe Merkblatt) liegen nach Art und Ausmaß ihrer Behinderungen nicht vor."
Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin, den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 08.07.1998 und die Einspruchsentscheidung vom 29.11.2002 dahin zu ändern, dass die in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts i.H.v. 22.954 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt es dabei auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2002 Bezug. Darin ist ausgeführt, ein Treppenlift stelle nicht generell ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne dar, das ausschließlich von Kranken angeschafft werde, so dass es der nach § 33
Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Grunde und der Höhe nach nicht mehr bedürfe.
Ein Treppenlift diene nicht immer dem unmittelbaren Ausgleich einer vorhandenen Gehbehinderung, sondern soll, soweit wie möglich, auch die Mobilität im Haus von an sich gesunden, aber aufgrund ihres Alters körperlich geschwächten Personen vereinfachen und erleichtern. Treppenlifte würden daher eben nicht - wie beispielsweise Rollstühle oder Hörgeräte - ausschließlich von Kranken angeschafft, die zwingend auf dieses Hilfsmittel angewiesen seien. Sie würden vielmehr auch von älteren Menschen ohne gravierende Behinderung zur Steigerung der Lebensqualität genutzt.
Bei einem Treppenlift könne nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass er ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne sei. Er gehöre vielmehr zu den Gegenständen, die nicht nur von Kranken zur Heilung ihrer Krankheit oder zur Linderung der durch ihre Krankheit verursachten Beschwerden, sondern mitunter auch von gesunden Menschen angeschafft werden, um ihre Gesundheit zu erhalten oder ihren Lebenskomfort zu steigern, also zu den medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne. Nur in den Fällen, in denen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit des Steuerpflichtigen vorliege, könne der Treppenlift als medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei aber im Bescheid des Versorgungsamts ausdrücklich festgestellt worden, dass die Voraussetzungen für die Merkzeichen (B, G, aG, Bl, H, Rf) nicht vorgelegen hätten. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit habe danach nicht vorgelegen.
Bei dieser Sachlage wäre für die Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastung erforderlich gewesen, die medizinische Notwendigkeit der Anschaffung des Treppenlifts durch ein vor der Anschaffung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nachzuweisen. Ein solcher Nachweis sei aber nicht vorgelegt worden.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch den zum Berichterstatter bestellten Richter anstelle des Senats und mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, §§ 79a
Abs. 3 und 4, 90
Abs. 2 FGO.
Die Klage ist unbegründet.
Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts in ein Einfamilienhaus sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn bei keinem der Hausbewohner eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit oder der Gehfähigkeit
z.B. durch die entsprechende Merkmale im Schwerbehindertenausweis nachgewiesen ist und auch vor dem Kauf kein ärztliches Gutachten die Notwendigkeit der Anschaffung bestätigt. Der Einbau eines Treppenlifts dient bei älteren Menschen ohne gravierende Behinderungen in erster Linie der Steigerung der Lebensqualität.
1. Nach § 33
Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33
Abs. 2 Satz 1 EStG).
Krankheitskosten erwachsen dem Steuerpflichtigen regelmäßig zwangsläufig, weil er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie gehören aber nur dann zu den nach § 33 EStG berücksichtigungsfähigen Aufwendungen, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen.
2. In diesem Sinne werden auch Aufwendungen für medizinische Hilfsmittel typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt (
vgl. BFH-Urteil vom 09.08.1991 III R 54/90, BStBl. II 1991, 920
m.w.N.).
Der nach § 33
Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf es dann nicht (
vgl. BFH-Urteil vom 20.03.1987 III R 150/86, BStBl. II 1987, 596).
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (
vgl. BFH-Urteil vom 17.12.1997 III R 35/97, BStBl. II 1998, 298 mit einer umfassenden Zusammenstellung der BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung privater Aufwendungen) sind bei privaten Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mitunter auch von Gesunden getätigt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten, ihr Wohlbefinden zu steigern oder ihre Freizeit sinnvoll und erfüllt zu gestalten, strenge Anforderungen an die Beurteilung der medizinischen Indikation zu stellen. Die Rechtsprechung des BFH hat hierfür allgemeingültige Kriterien zur Konkretisierung der Nachweispflicht aufgestellt (
vgl. dazu grundsätzlich BFH-Urteile vom 03.06.1987 III R 205/81, BStBl. II 1987, 675 und vom 08.07.1994 III R 48/93, BFH-NV 1995, 24).
4. Ausgehend von dieser Rechtsprechung ist das Gericht der Auffassung, dass die Notwendigkeit der Anschaffung solcher Hilfsmittel, die nicht ausschließlich von Kranken angeschafft werden, durch die Vorlage eines vor dem Kauf erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attests nachgewiesen werden muss. Diese Beurteilung beruht entscheidend auf der Überlegung, dass es - ähnlich wie bei Aufwendungen für einen Kuraufenthalt - für Außenstehende nicht möglich ist, ohne sachkundige und vertrauenswürdige Unterstützung anhand objektiver Kriterien über die Notwendigkeit und damit die Zwangsläufigkeit einer solchen Anschaffung zu entscheiden. Nur bei der Anschaffung von Hilfsmitteln, die, wie Brillen, Hörapparate, Rollstühle
usw. nach der Lebenserfahrung ausschließlich von Kranken angeschafft werden und bei denen häufig eine Anpassung an die individuellen Gebrechen eines Steuerpflichtigen erforderlich ist, kann typisierend davon ausgegangen werden, dass ihr Kauf medizinisch indiziert ist. Auf eine Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bei solchen Hilfsmitteln im engeren Sinne daher verzichtet werden.
Bei Hilfsmitteln im weiteren Sinne aber, die, wie beispielsweise Gesundheitsschuhe und -sandalen, orthopädische Stühle
etc. teilweise auch von gesunden Steuerpflichtigen aus Gründen der Vorsorge oder zur Steigerung des Lebensstandards gekauft werden, kann auf einen Nachweis der Zwangsläufigkeit der Anschaffung durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes nicht verzichtet werden (
vgl. BFH-Urteil vom 09.08.1991 III R 54/ 90, BStBl. II 1991, 920).
5. Nach Auffassung des Gerichts fällt der streitige Treppenlift unter die Hilfsmittel im weiteren Sinne, weil er auch von gesunden Steuerpflichtigen aus Gründen der Steigerung des Lebensstandards insbesondere im hohen Alter gekauft wird. Insbesondere die Werbung, die von den verschiedenen Firmen für diese Produkte betrieben wird, zielt aus Zwecken der Absatzsteigerung immer mehr auf den Komfortgedanken. Die bisherige BFH- Rechtsprechung (
vgl. BFH-Urteil vom 10.10.1996 III R 209/94, BStBl. II 1997, 491 sieht den sog. Treppenschräglift lediglich als ein steuerlich gesondert zu bewertendes medizinisches Hilfsmittel. Anhaltspunkte dafür, dass der BFH typisierend davon ausgeht, dass der Kauf von Treppenliften medizinisch indiziert ist, und er diesen somit als Hilfsmittel im engeren Sinne ansieht, liegen nicht vor.
Da es sich vorwiegend bei dem von der Klägerin eingebauten Treppenlift nur um ein Hilfsmittel im weiteren Sinn handelt, verlangt die durch das BFH-Urteil in BStBl. II 1980, 295 eingeleitete neuere Rechtsprechung des BFH wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit solcher privaten Aufwendungen grundsätzlich ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, wenn nicht ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer Krankheit/Behinderung besteht, die entsprechend
z.B. durch einen Schwerbehindertenausweis nachgewiesen ist.
Im Streitfall liegt ein derartig gefordertes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, das den Einbau eines Treppenliftes erforderlich gemacht hätte, nicht vor. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Auch aus dem im Einspruchsverfahren vorgelegten Bescheid des Versorgungsamtes vom 17.09.1998 - also zwei Jahre nach Einbau des Treppenlifts - ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Gehbehinderung. Dort ist vielmehr unter der Rubrik Markenzeichen ausgeführt: "Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen - B, G, aG, Bl, H, RF, 1. Klasse - (siehe Merkblatt) liegen nach Art und Ausmaß ihrer Behinderung nicht vor." Demnach ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Einbau des Treppenlifts zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt wurde, eine Krankheit erträglicher zu machen.
Die Notwendigkeit der Anschaffung eines Treppenlifts kann
ggf. auch durch die Bezuschussung anderer Kostenträger nachgewiesen werden. Wird ein Treppenlift aufgrund eines Arbeitsunfalls benötigt, können die Kosten
z.B. von der Berufsgenossenschaft mitfinanziert werden. Wenn eine Einstufung in der Pflegeversicherung vorliegt, kann die Krankenkasse aufgrund ärztlicher Verordnung die Anschaffung mit 2.500 Euro bezuschussen. Im Streitfall ist aber eine Bezuschussung durch andere Kostenträger weder nachgewiesen worden, noch drängen sich Umstände auf, die eine solche Bezuschussung möglich gemacht hätten. So lag im Streitfall weder eine Behinderung aufgrund eines Arbeitsunfalls
bzw. Einstufung in die Pflegeversicherung vor. Folglich verbleibt es bei den von der Rechtsprechung für Hilfsmittel im weiteren Sinn vorgesehenen Nachweispflichten. Denn nicht das Finanzamt, sondern nur der rechtzeitig eingeschaltete Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung besitzt zugleich Sachkunde und die notwendige Neutralität, um die medizinische Indikation solcher nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen ohne die für den behandelnden Arzt bestehende Gefahr einer Störung des Vertrauensverhältnisses zu seinem Patienten objektiv beurteilen zu können (
vgl. auch BFH-Urteil in BStBl. II 1997, 732).
Letztlich verbleibt nur, dass der Einbau erfolgt ist, um die allgemeinen Beschwerlichkeiten des Alters zu mildern.
6. Das Gericht setzt sich mit seiner Entscheidung auch nicht in Widerspruch zu den vom Klägervertreter zitierten Entscheidungen des Finanzgerichts Berlin, Urteil vom 01.11.1994 VII 369/91,
EFG 1995, 264 und Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22.09.1997 5 K 2881/96, Juris, in denen der Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurde.
In den dort entschiedenen Fällen handelte es sich um Kläger mit schwersten Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit und außergewöhnlicher Gehbehinderung. Im Schwerbehindertenausweis waren die Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit im Straßenverkehr)
bzw. "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) eingetragen. Darüber hinaus durften die dort eingebauten Treppenlifte aufgrund der Erlaubnis zum Betrieb des Behindertenaufzugs des staatlichen Gewerbeaufsichtsamts nur zur Beförderung einer gehbehinderten Person genutzt werden. Beide zuvor zitierten Entscheidungen gingen im Wesentlichen davon aus, dass mit dem Einbau des Treppenschräglifts die Krankheit (außergewöhnliche Gehbehinderung) erträglich gemacht werden sollte. Eine vergleichbare Situation liegt im Streitfall allerdings nicht vor.
In seiner Entscheidung vom 22.09.1997 5 K 2881/96 ging das Finanzgericht Rheinland-Pfalz davon aus, dass es sich bei dem im konkreten Streitfall eingebauten Treppenlift nicht nur um ein steuerlich gesondert zu bewertendes medizinisches Hilfsmittel im weiteren Sinn (
vgl. BFH-Urteil vom 10.10.1996 III R 209/94, BStBl. II 1997, 491 unter 4a) sondern um ein sog. Hilfsmittel im engeren Sinne handelt. Ob diese Wertung letztlich zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben, denn im dort entschiedenen Fall erfolgte diese Wertung aufgrund des Umstandes, dass der dort eingebaute Treppenlift ausschließlich für die Benutzung durch behinderten Personen zugelassen war, wobei nicht ersichtlich ist, wie der Begriff "behinderte Person" durch den abnehmenden
TÜV definiert war. Im vorliegenden Fall wäre diese Nutzungseinschränkung
ggf. problematisch, da eine derartige Behinderung bei den Eheleuten nicht konkret dargelegt oder nachgewiesen wurde.
7. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend auf die ausführlichen Ausführungen des Finanzamts in Ziffer II der Einspruchsentscheidung vom 29.11.2002 Bezug genommen, die das Gericht für zutreffend hält, § 105
Abs. 5 FGO.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 135
Abs. 1 FGO.