I. Auf die Berufung des Klägers hin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 aufgehoben.
II. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der über den von der Beigeladenen gewährten Festbetrag hinaus entstehenden Kosten für eine Hörgeräteversorgung hat.
Der 1964 geborene Kläger ist bei der C. als Vorstandsfahrer/Direktionsfahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde bereits zum 30.06.2017 gekündigt, seit 25.05.2016 ist der Kläger von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
Im Jahr 2007 wurde der Kläger mit Hörgeräten versorgt. In einem sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg (Az: S 4 R 310/08) wurde die Beklagte nach Einholung eines HNO-ärztlichen Gutachtens von
Dr. N. dazu verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Übernahme der vollen Kosten für die Hörgeräteversorgung erneut rechtsbehelfsfähig zu entscheiden. Es liege eine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Beklagten vor. Laut Gutachten sei eine höherwertige Versorgung des Klägers notwendig, die nicht im Rahmen der Festbetragsregelung erreichbar sei. Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte die Beklagte von sich aus wegen der Besonderheiten des Falles 1.500,00
EUR als weiteren Kostenzuschuss an den Kläger gewährt. Eine volle Kostenübernahme war damit nicht erfolgt. Der Kläger begehrte im Rahmen der sozialgerichtlichen Klage jedoch die volle Kostenübernahme über die Festbeträge der Krankenkasse hinaus von der Beklagten.
Am 20.06.2013 beantragte der Kläger bei der Beigeladenen eine Folgeversorgung mit Hörgeräten, die die Beigeladene mit Bescheid vom 20.06.2013 in Höhe des gesetzlichen Festbetrages bewilligte. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung, ein Widerspruch hiergegen wurde nicht eingelegt.
Am 08.10.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für die Hörgeräteversorgung im Rahmen einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, die die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 ablehnte. Der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf die volle Kostenübernahme auf der Grundlage des
§ 33 Abs 8 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IX -. Er benötige die Hörgeräte zum unmittelbaren Behinderungsausgleich. Insoweit handele es sich um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Rahmen seines Antrags habe der Kläger angegeben, das Hörgerät Siemens Aquaris 7 zu benötigen, um unfallfrei den Anforderungen des modernen Straßenverkehrs gerecht zu werden. Diese Anforderungen seien jedoch nicht berufsbedingt, da auch bei Privatfahrten im Alltag mit gleichen Bedingungen zu rechnen sei. Spezielle tätigkeits-
bzw. arbeitsplatzspezifische Erfordernisse könnten somit nicht festgestellt werden. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 21.08.2008 (Az.
B 13 R 33/07 R) werde der Antrag an die zuständige Krankenkasse weitergeleitet, damit diese prüfen könne, ob im vorliegenden Fall eine über den Festbetrag hinausgehende Leistung der Krankenversicherung zustehe.
Soweit aus den Akten der Beigeladenen ersichtlich, hat diese über diesen weitergeleiteten Antrag des Klägers nicht entschieden.
Am 06.04.2014 beantragte der Kläger selbst erneut bei der Beigeladenen die Übernahme der noch offenen Restkosten für die Hörgeräteversorgung mit den Hörgeräten Siemens Aquaris 7. Die Beigeladene veranlasste ein HNO-ärztliches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK -, der am 01.07.2014 feststellte, dass ein ausreichender Ausgleich des Hörverlustes mit Festbetragsgeräten erreichbar sei. Das dem Kläger angepasste Hilfsmittel sei im Hilfsmittelverzeichnis
Nr. 13.20.12.1781 gelistet.
Die Beigeladene lehnte daraufhin mit Bescheid vom 03.07.2014 die Übernahme weiterer Kosten ab. Die Festbetragsgeräte würden heutzutage folgende Eigenschaften aufweisen: Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens vier Kanäle), Rückkopplungs- und Störschallunterdrückung, mindestens drei Hörprogramme sowie eine Verstärkungsleistung weniger als 75
dB. Eine Versorgung sei also im Rahmen der Festbetragsregelung möglich und auch ausreichend und zweckmäßig. Obwohl der Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, hat der Kläger hiergegen keinen Widerspruch eingelegt.
Bereits mit Schriftsatz vom 01.04.2014 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage zum SG Würzburg erhoben und mit Schriftsatz vom 02.06.2014 vorgetragen, dass er auf die beantragten Hörgeräte angewiesen sei, weil sie ihm erst erlaubten, seinen Beruf weiterhin auszuüben. Er sei Kraftfahrer im Personentransport und trage hiermit eine erhebliche Verantwortung. Er müsse sämtliche Umwelteinflüsse wahrnehmen. Als Chauffeur für die C.
AG führe er Fahrzeuge im unmittelbar dichten Stadtverkehr mit erheblichen Geräuscheinflüssen und unterschiedlichsten Geräuschen, die unmittelbar den Betrieb des Fahrzeugs beeinflussten. Es komme also auch darauf an, dass er in hohem Maße die unterschiedlichsten Geräusche differenziert erfassen könne. Er habe bei Antragstellung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieses Gerät, was ihm angepasst worden sei, schweißgeschützt sei, so dass die erheblichen, von ihm getragenen Zusatzkosten der alten Geräte von
ca. 300,00
EUR im Vierteljahr für geschädigte Mikrophone entfallen würden. Er habe auch die alten Geräte über mehr als sechs Jahre benutzt, die nunmehr vollständig verschlissen seien.
Mit Beschluss des SG vom 18.06.2014 wurde die Krankenkasse des Klägers nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) notwendig zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 29.01.2015 hat die Beigeladene darauf hingewiesen, dass der Kläger zuzahlungsfreie Hörgeräte getestet habe, mit der im Freifeldtest 80 % Verstehensquote erreicht worden seien, und er habe zwei zuzahlungspflichtige Hörgeräte getestet - Phonak Audio Q 90 und Phonak Aquaris 7 -, mit denen er 85 % bis 90 % Verstehensquote erreicht habe. Eine Kostenteilung zwischen Krankenkasse und Rentenversicherung komme nur in Betracht, wenn ein technisch aufwendiges Hörgerät nur wegen der besonderen Anforderungen der ausgeübten Erwerbstätigkeit benötigt werde. Der Kläger benötige die beidseitige Hörgeräteversorgung für den Alltag, sowohl für das private Autofahren als auch für das berufliche Autofahren. Als Chauffeur komme es insbesondere auf die Wahrnehmung der Geräusche im Straßenverkehr an.
Das SG hat sodann durch Urteil vom 11.02.2015 die Klage als unbegründet abgewiesen. Eine Kostenübernahme der Beklagten als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 9 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB VI -
iVm § 33 Abs 8 Nr. 4 SGB IX komme vorliegend nicht in Betracht, da der Kläger die Hörgeräte nicht ausschließlich und nur zu beruflichen Zwecken, sondern aufgrund seiner Hörstörung auch außerhalb des Berufes benötige. Mit den von ihm getesteten zuzahlungsfreien Hörgeräten sei eine ausreichende Versorgung möglich. Soweit der Kläger vortrage, seine erhöhte Schweißsekretion verursache im Sommer Probleme, frage sich das Gericht, ob die Dienstwagen der C.
AG über keine
bzw. nur über aus Sparsamkeitsgründen deaktivierte Klimaanlagen verfügen würden. Angesichts der heute üblichen Ausstattung mit Klimaanlagen bereits von Kleinwagen könne das Gericht die Verbindung zwischen der Ausübung des Berufs als Chauffeur und einer im Sommer erhöhten Schweißsekretion nicht nachvollziehen.
Zur Begründung der hiergegen am 04.03.2015 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.05.2015 vor, dass der gleiche Sachverhalt bereits durch das SG Würzburg mit Urteil vom 04.08.2009 zu Gunsten des Klägers entschieden worden sei (Az. S 4 R 310/08). Der Kläger sei Berufskraftfahrer, der auf Abruf ihm zugeteilte Vorstandsmitglieder zu chauffieren habe. Er sei seit dem Jahr 2008 mit einem Hörgerät versorgt. Neben der Zuweisung zu einem bestimmten Vorstand, den der Kläger regelmäßig fahre, werde er auch durch die Fahrbereitschaft zum Abholen von Gästen vom Flughafen oder Ähnlichem eingesetzt. Es handele sich um einen anstrengenden Beruf ohne feste Arbeitszeiten und einem vielfältigen Anforderungsprofil. Hierzu gehörten neben Auftreten entsprechende Umgangsformen, Fahrsicherheit, Personenschutz und erste Hilfe. Der Chauffeur als Dienstleister für Entscheidungsträger müsse sich durch hohe Flexibilität, Loyalität und Professionalität auszeichnen. Das Unternehmen C. trainiere seine Fahrer jährlich in einem 3-Tage-Kurs mit ehemaligen Polizeipsychologen. Hinzu komme noch ein eintägiger Erste-Hilfe-Lehrgang, der ebenfalls jährlich absolviert werde und der Kläger müsse sich einer jährlichen Tauglichkeitsprüfung nach G25 unterziehen. Neben Fahrtüchtigkeit und einem hohem Maß an allgemeinem Verkehrswesen, Fahrsicherheit, Aufmerksamkeit und sozialer Kompetenz, die Basis des Berufs seien, werde ein hohes Maß an Disziplin, Organisationstalent sowie Fremdsprachenkenntnisse verlangt. Der Kläger habe nach den Vorstellungen seines Arbeitgeber reserviert und nicht wahrnehmbar aufzutreten, habe immer prompt und pünktlich zur Stelle zu sein und das immer in einem gepflegten Äußeren. Im Arbeitsalltag dürfe sich keine Routine einschleichen, dies führe zu Leichtsinn und verdränge den Sicherheitsaspekt, der den Kläger auch sehr hoch psychisch und physisch belaste. Der Kläger sei für seinen Kunden letztlich allumfassender Dienstleister, der sich um die Abholung der Gäste: welches Hotel/Sightseeing-Tour/Bestellung, Konzertkarten, dies teilweise in Fremdsprachen (Englisch sei Pflicht) zu kümmern habe. Zu den Aufgaben gehörten die Pflege des Wagens, Termine mit der Vertragswerkstatt und Erläutern der Fahrzeugprobleme/Fehlgeräusche des Fahrzeugs erkennen, Manipulationen
z. B. gelockerte Radschrauben feststellen/manipulierte Reifen
usw. Der Kläger müsse lückenlose Streckenkenntnisse besitzen und sich regelmäßig über die allgemeine Verkehrssituation informieren. Er sei auch aufgrund der gehobenen Position der gefahrenen Personen persönlicher Assistent, um für die Organisation des Privatlebens - Arzt - Termine zu vereinbaren, Gäste und Gästefahrer und Sicherheitspersonal versorgen und betreuen, Buchung von Hotels und Restaurants auch bei kurzfristigen Änderungen auf mehrtägigen Fahrten, erste Hilfe bei Unfällen oder Anschlägen. Er könne sich entgegen der Ansicht des SG eben nicht heraussuchen, wann er fahre. Er habe auch nicht die Möglichkeit, bei einer entsprechenden zusätzlichen Belastung Pausen einzulegen, wie es ihm beliebe. Deshalb seien neben der besonderen Qualität des Hörens eben auch besondere Trageeigenschaften des Gerätes und bestimmte qualitative Anforderungen zu erfüllen. Wenn man in einem klimatisierten Fahrzeug fahre und im Sommer in der Wartezeit, bis die gefahrene Person ihren Termin erledigt habe, aussteige, dürfe die Schweißbildung
ggf. eben nicht die Hörfähigkeit über dieses Gerät einschränken. Wasser dürfe nicht in das Gerät eindringen. Das Gerät dürfe auch nicht ständig in Sitz- und Hörleistung korrigiert werden. In der ersten Instanz sei bereits darauf hingewiesen worden, dass das gegenwärtige Gerät erhebliche zusätzliche Kosten verursache. Um die Trageeigenschaften zu verbessern sei es erforderlich gewesen, für das Innenohr eine entsprechende Plastikprothese anzufertigen, um das Gerät überhaupt tragen zu können. Anfangs sei dieses Gerät sehr unangenehm gewesen und habe beim Kläger zu einer Entzündung im linken Gehörgang geführt. Es müsse sich auch um ein Gerät handeln, das Umweltgeräusche und Umgebungsgeräusche zur Verbesserung der Hörfähigkeit nicht unterdrücke, weil genau diese auch aus Sicherheitsgründen wahrgenommen werden müssten. Der Kläger könne das Gerät auch nicht einfach für mehrere Stunden ablegen. Es wäre äußerst peinlich, wenn der Kläger Gäste oder seinen Dienstvorgesetzten ständig anfragen müsste, dass er Bestimmtes nicht gehört habe. In der Entscheidung des SG aus dem Jahr 2008 sei klargestellt worden, dass ein Hörgerät die Voraussetzungen für die Teilhabeleistungen
gem. § 33
SGB IX erfülle und dass die besonderen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen hinzukommen müssten und somit Geräte erforderlich seien, die über den von der Krankenversicherung garantierten Mindeststandard hinausgehen würden. Das SG habe seinerzeit auf der Grundlage eines Gutachtens entschieden, das zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Kläger ein höherwertiges Gerät mit einer Ausstattung benötige, um dem geforderten Hörvermögen gerecht zu werden, zum Beispiel Verbesserung des Hörvermögens im Störgeräusch. In dieser Entscheidung seien Hörgeräte unterschiedlicher Preislage aber gleicher Leistung miteinander verglichen worden. Der heutige Standard werde durch ein Siemens-Gerät Aquaris micon mit den besonderen Eigenschaften wie Wasser- und Staubdichte, sehr robust und einer hohen Hörleistung, erreicht. Dieses Gerät koste in der Ausführung, die der Kläger benötige, 2.975,00
EUR an Zuzahlung (pro Ohr). Ein weiteres vergleichbares Gerät wäre das Gerät Phonak Bolero Q. In der Ausführung, wie sie der Kläger benötige, würden Zusatzkosten in Höhe von ebenfalls 2.975,00
EUR (Online-Handel) anfallen. Der Kläger habe immer vorgetragen, dass ihm die höhere Qualität des von ihm geforderten Geräts natürlich auch in seinem privaten Bereich zugute komme und er deshalb diesen Gebrauchsvorteil durch einen entsprechenden Eigenbeitrag bei der Anschaffung auszugleichen habe. Von dem Aufpreis, der die Pauschale der Krankenversicherung übersteige, habe der Kläger immer erklärt, dass er 1/3 hiervon selbst trage. Beigefügt waren dem Schriftsatz die Produktinformationen über die Hörgeräte "Phonak Bolero Q" und "Siemens Aquaris micon TM".
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.06.2015 unter Bezugnahme auf ein Urteil des
BSG vom 17.12.2009, Az.
B 3 KR 20/08 R, darauf hingewiesen, dass nach § 33 Abs 8
Nr. 4
SGB IX eine Kostenübernahme nur dann in Betracht komme, wenn die Hörhilfe erforderlich sei, um den speziellen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Es müssten spezifische tätigkeits-
bzw. arbeitsplatzbezogene Erfordernisse vorliegen, die über die Leistungsverpflichtung der Krankenkasse hinausgingen. Der Hilfsmittelbedarf bestehe vorliegend jedoch sowohl für den Alltagsbereich als auch für jede Art der Berufsausübung, so dass eine Leistungszuständigkeit nur der Beigeladenen gegeben sei.
Im Rahmen eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 20.07.2016 hat der Kläger angegeben, dass die im Jahre 2007 angepassten Hörgeräte defekt und nicht mehr reparabel seien. Die Folgeversorgung sei im Jahr 2013 beantragt worden. Es seien verschiedene Geräte probegetragen worden, so dass ein gewisser Zeitraum habe überbrückt werden können. Eine Anpassung der Hörgeräte sei aber nicht erfolgt. Er trage zurzeit keine Hörgeräte und dies schon seit knapp 1 1/2 Jahren. Er habe sich billige Geräte im Internet bestellt, diese würden aber nichts taugen. Sobald Störgeräusche oder Umweltlärm dazukämen, seien diese Geräte völlig ungeeignet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2015 zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und der Beigeladenen sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2
SGG erklärt.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151
SGG).
Sie ist im Ergebnis auch begründet. Das Urteil des SG Würzburg vom 11.02.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 sind aufzuheben. Die Beklagte war für eine Entscheidung über die weitere Kostenerstattung für die Hörgeräteversorgung des Klägers nicht entscheidungsbefugt. Dies hat das SG verkannt. Gleichwohl kann eine Verurteilung der Beigeladenen im Wege des § 75 Abs 5
SGG nicht erfolgen.
Der Kläger ist bei der C. abhängig beschäftigt und deshalb nach
§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) versicherungspflichtig. Als Mitglied der Beigeladenen hat er nach
§ 11 Abs 1 Nr 4 iVm §§ 27 ff. SGB V im Falle des Eintritts einer Krankheit Anspruch auf Gewährung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen. Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens stellt unzweifelhaft eine Krankheit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Werden zum Ausgleich dieser Hörminderung Hörgeräte benötigt, sind diese nach Maßgabe des
§ 33 SGB V als Hilfsmittel Teil des Leistungsanspruchs des Klägers gegen die Beigeladene. Gemäß
§ 36 SGB V setzt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen einheitliche Festbeträge (ua) für Hörhilfen fest, wobei die Regelungen der Hilfsmittelverordnung bei der Versorgung zu beachten sind. Gemäß
§ 12 Abs 2 SGB V erfüllt die Krankenkasse mit der Gewährung des festgesetzten Festbetrages grundsätzlich ihre Leistungspflicht, es sei denn, die besonderen Erfordernisse des Einzelfalles verlangen eine darüber hinausgehende besondere Leistung.
Gleichzeitig kann aber die Versorgung mit Hörgeräten auch eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des
§ 33 Abs 8 Nr 4 SGB IX darstellen, für die eine Zuständigkeit eines Reha-Trägers im Sinne des
§ 6 SGB IX gegeben sein kann. Die Beklagte ist grundsätzlich denkbarer Reha-Träger nach § 6 Abs 1 Nr 4
SGB IX für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die Beigeladene hat dem Kläger mit Bescheid vom 20.06.2013 die Hörgerätefolgeversorgung in Höhe des Festbetrages grundsätzlich genehmigt. Ein Rechtsbehelf hiergegen wurde vom Kläger nicht ergriffen. Der Kläger hat vielmehr am 08.10.2013 bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der den Festbetrag übersteigenden Kosten gestellt, den die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 abgelehnt hat.
Das
BSG hat aber mittlerweile wiederholt entschieden, dass der Leistungsantrag des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse im Zweifel umfassend auszulegen ist. Ist ersichtlich, dass der Versicherte eine Leistung über den Festbetrag hinaus begehrt,
d. h. erkennbar eine besondere Hörgeräteversorgung oder eine volle Kostenübernahme wünscht, ist der Leistungsantrag bei der Krankenkasse auch zugleich als Antrag auf Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, also im Rahmen einer Reha-Maßnahme, auszulegen, für die die besonderen Regelungen des
§ 14 SGB IX Anwendung finden. Die Krankenkasse, hier also die Beigeladene, ist als sog. erstangegangener Leistungsträger gemäß § 14 Abs 1
SGB IX verpflichtet, den Leistungsanspruch des Versicherten, so wie er sich aus seinem Antrag ergibt, unter jedem denkbaren rechtlichen Aspekt zu prüfen, also nicht nur unter den Voraussetzungen der Regelungen des
SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung, sofern der Antrag nicht innerhalb der Fristen des § 14 Abs 1
SGB IX an den ihrer Meinung nach eigentlich zuständigen Leistungsträger abgegeben wird. Die Krankenkasse hätte dann gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch gegen den eigentlich zuständigen Leistungsträger (
vgl. hierzu grundlegend
BSG Urteil vom 24.01.2013, Az
B 3 KR 5/12 R, veröffentlicht bei juris).
Die Beigeladene hat vorliegend den Antrag des Klägers am 20.06.2013 erhalten und hat noch am selben Tag mit Bescheid vom 20.06.2013 die Festbeträge auf der Grundlage des § 33
SGB V bewilligt. Eine Abgabe des Antrags an die Beklagte ist innerhalb der Frist nach § 14 Abs 1
SGB IX nicht erfolgt. Die Beigeladene hielt sich (zu Recht) für leistungszuständig und hat auch entschieden.
Das
BSG hat des Weiteren aufgrund der besonderen rechtlichen Konstellation des § 14
SGB IX und der daraus folgenden umfassenden Leistungszuständigkeit des erstangegangenen Sozialleistungsträgers festgehalten, dass die Bewilligung von Festbeträgen durch den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zugleich die Ablehnung der Übernahme von über den Festbetrag hinausgehenden Mehrkosten beinhaltet, unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage ein Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten resultieren könnte. Dem Bescheid der Beigeladenen vom 20.06.2013 kommt deshalb eine zweifache Regelung zu, nämlich die Bewilligung von Hörgeräten im Rahmen der Festbetragsregelung nach § 33
SGB V und zugleich aber auch die Ablehnung der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten für eine Hörgeräteversorgung. Der Kläger ist durch die (konkludente) Ablehnung der Beigeladenen auf Übernahme der Mehrkosten auch belastet.
Bereits aufgrund der Hörgeräteversorgung im Jahr 2007 hätte die Beigeladene sich veranlasst sehen müssen, zu klären, ob der Kläger wiederum eine besondere Hörgeräteversorgung benötigte oder für erforderlich hielt, nachdem bereits dort der besondere berufliche Bezug vom Kläger geltend gemacht worden war und auch Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens gewesen war. Dies hat die Beigeladene jedoch nicht getan. Der Antrag des Klägers bei der Beklagten vom 08.10.2013 macht ebenfalls deutlich, dass der Kläger eine umfassende Prüfung seines Anspruchs auf Hörgeräteversorgung wollte, also auch eine Kostenübernahme im Wege einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Wegen des Entscheidungsinhalts des Bescheids der Beigeladenen vom 20.06.2013 ist - so auch die Ansicht des
BSG - der Antrag des Klägers vom 08.10.2013 bei der Beklagten als Widerspruch gegen den ablehnenden Teil des Bescheids der Beigeladenen vom 20.06.2013 zu werten. Da die Beigeladene dem Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat, beginnt mit Bekanntgabe des Bescheids nach § 66 Abs 2
SGG eine Jahresfrist zu laufen. Der Antrag des Klägers vom 08.10.2013 ist innerhalb der Jahresfrist gestellt worden, so dass bei der Beigeladenen immer noch der Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.06.2013 anhängig ist, mit dem (konkludent) die Übernahme der Mehrkosten von der Beigeladenen abgelehnt worden war. Über diesen Widerspruch wurde bislang von der Beigeladenen noch nicht entschieden.
Eine Entscheidung über den Widerspruch des Klägers vom 08.10.2013 kann auch nicht in dem (bestandskräftigen) Bescheid der Beigeladenen vom 03.07.2014 gesehen werden, den die Beigeladene wegen eines weiteren Antrags des Klägers vom 06.04.2013 erlassen hatte. Die Ablehnung eines Antrags ist keine Entscheidung über einen Widerspruch, zudem hat auch das zuständige Gremium nicht über einen Widerspruch entschieden. Aufgrund dieses noch bei der Beigeladenen anhängigen Widerspruchsverfahrens ist eine Entscheidung des Senats auf der Grundlage des § 75 Abs 5
SGG nicht möglich.
Die Beklagte wiederum war nicht befugt, über den Antrag des Klägers vom 08.10.2013 zu entscheiden, weil das Verfahren nach wie vor beim sog. erstangegangenen Leistungsträger, der Beigeladenen, anhängig war. Sie hätte deshalb den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 nicht erlassen dürfen, sondern hätte das Verfahren - wie sie dies ja auch nach Erlass der Bescheide getan hat - an die Beigeladene zur weiteren Entscheidung abgeben müssen. Mangels Entscheidungskompetenz ist der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.03.2014 aufzuheben und infolge dessen auch das Urteil des SG vom 11.02.2015.
Im Übrigen hat der Kläger aber auch keinen Anspruch auf Übernahme der über den von der Beigeladenen bewilligten Festbetrag hinausgehenden Kosten. Ein weitergehender Anspruch auf der Grundlage der §§ 33, 36
SGB V gegen die Beigeladene selbst besteht nicht, weil das vom Kläger gewünschte Hörgerät im Hilfsmittelverzeichnis unter der
Nr. 13.20.12.1781 gelistet ist und dieses Hörgerät also zu Lasten der Beigeladenen zum Festbetrag abgegeben werden kann. Insoweit besteht rechtlich keine Verpflichtung der Beigeladenen, die vom Hörgeräteakustiker angesetzten Mehrkosten zu übernehmen. Gegebenenfalls ist aber ein Akustiker zu benennen, der das gewünschte Gerät zum Festbetrag abgeben würde.
Soweit der Kläger eine besondere berufliche Betroffenheit geltend gemacht hat, hat das SG in seinem Urteil zu Recht darauf hingewiesen, dass eine besondere berufliche Betroffenheit, die einen entsprechenden Anspruch gegen die Beklagte auf der Grundlage des § 33 Abs 8 Nr 4
SGB IX begründen könnte, vorliegend nicht gesehen werden kann. Der Behinderungsausgleich durch die gewünschte Hörgeräteversorgung umfasst den sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich, der von der gesetzlichen Krankenkasse mit dem Ziel des vollständigen funktionellen Ausgleichs geleistet werden muss. Die Beigeladene wäre deshalb verpflichtet, dem Kläger die erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen, die ihm ein Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen ermöglichen und hierzu die nach dem Stand der Hörgerätetechnik jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Dies schließt auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (
BSG, Urteil vom 30.10.2014, Az.
B 5 R 8/14 R, veröffentlicht bei juris). Wie oben bereits ausgeführt, sind die vom Kläger gewünschten und getesteten Hörgeräte Siemens Aquaris 7mi im Hilfsmittelverzeichnis gelistet und können zum Festbetrag abgegeben werden. Der benötigte Ausgleich der Hörminderung betrifft aber beim Kläger nicht ausschließlich seine besondere berufliche Situation, sondern ist auch für alltägliche Lebenssituationen erforderlich. Darüber hinaus ist aber auch die berufliche Betroffenheit des Klägers dadurch aktuell nicht mehr gegeben, weil er seit 25.05.2016 von der Arbeitsleistung freigestellt ist und das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2017 beendet worden ist. Ein neues Arbeitsverhältnis, bei dem sich gegebenenfalls die Frage der besonderen beruflichen Betroffenheit erneut stellen könnte, ist der Kläger noch nicht eingegangen.
Nach Änderung des Klageantrages im Rahmen des Erörterungstermins vom 20.07.2016 ist unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung des
BSG die Berufung insoweit erfolgreich, als der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 mangels Entscheidungskompetenz der Beklagten aufzuheben war, und in Folge dessen auch das Urteil des SG Würzburg vom 11.02.2015.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe, die Revision
gem. § 160 Abs 2
Nr. 1 und 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.