Auf die Berufung der Beigeladenen wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Der beigeladene Rentenversicherungsträger wendet sich mit seiner Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim (SG), mit dem die beklagte Krankenkasse zur Versorgung des Klägers mit dem Hörgerät Sivantos Pure 13 7Nx S, soweit die Kosten den Festbetrag übersteigen, verurteilt worden ist. Sie befürchtet, der Beklagten die Kosten erstatten zu müssen, weil das SG den Anspruch des Klägers auf einen spezifisch berufsbedingten Bedarf gestützt habe. Die Beigeladene ist der Auffassung, das Hörgerät sei von der Beklagten in eigener Zuständigkeit zu erbringen.
Der 1961 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist gelernter Schreinermeister und Betriebswirt und war als technischer Betriebswirt bei der K. Büroeinrichtungen
GmbH in Vollzeit tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Beratung und den Verkauf von Büromöbeln sowie die Betreuung von Bauobjekten ab Rohbau bis zur Schlüsselübergabe. Seit April 2020 ist der Kläger arbeitslos.
Am 15.03.2018 stellte der Kläger bei der Beigeladenen unter Vorlage einer von der Fachärztin für HNO-Heilkunde
Dr. K. am 29.01.2018 ausgestellten ohrenärztlichen Verordnung von Hörhilfen mit der Diagnose Innenohrschwerhörigkeit beidseits, eines Sprach- und Tonaudiogramms sowie eines Anpass- und Abschlussberichts des Hörakustikers K. Hörgeräte
GmbH vom 05.02.2018 (Datum der Messung 23.01.2018) und drei Kostenvoranschlägen für die Hörgeräte Sivantos Pure 13 7Nx (Gesamtpreis von 5.501,95
EUR), Sivantos Pure 13 3Nx (Gesamtpreis 3.533,95
EUR) und des Phonak Baseo Q15-M (Gesamtpreis 1.481,95
EUR) der K. Hörgeräte
GmbH vom 08.03.2018 sowie eines Schreibens seines Arbeitgebers vom 05.03.2018 über seinen Tätigkeitsbereich einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation). Ausweislich des Anpass- und Abschlussberichts erzielte der Kläger mit dem Gerät Sivantos sDEMO Pure 13 7Nx im Freiburger Sprachtest mit 65
dB Nutzschall ein Sprachverstehen von 100 %, mit zusätzlich 60
dB Störschall ein Sprachverstehen von 75 %. Das streitgegenständliche Gerät Sivantos Pure 13 7 Nx sowie das aufzahlungsfreie Phonak Baseo Q15-M brachten jeweils mit Nutzschall von 65
dB ein Sprachverstehen von 95 % und mit zusätzlich 60
dB Störschall ein Sprachverstehen von 70%.
Mit Schreiben vom 21.03.2018 leitete die Beigeladene den Antrag an die Beklagte weiter. Nach Auffassung der Beigeladenen handelt es sich bei den in Betracht kommenden Leistungen nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Höranforderungen für die Berufsausübung als Verkäufer/Objektbetreuung beinhalte keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch - auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen bzw störenden Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz - stelle eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die bei nahezu jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könne. Zugleich informierte die Beigeladene den Kläger über die Weiterleitung.
Mit Bescheid vom 17.04.2018 bewilligte die Beklagte den Festbetrag für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 1.514,00
EUR als Beteiligung an dem begehrten Gerät Pure 7px
S. Sie führte aus, die Beigeladene habe leider die erforderlichen Leistungsvoraussetzungen nicht bestätigen können, da die Anforderung in der Berufstätigkeit des Klägers keine spezifische berufsbedingte Notwendigkeit für die beantragte Hörgeräteversorgung erkennen lasse. Dagegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, dass aus beruflichen Gründen ein Hörgerät zur Grundversorgung nicht ausreiche. Er sei aufgrund seiner Tätigkeit immer wieder verschiedenen akustischen Situationen ausgesetzt, die es für ihn zwingend erforderlich machten, geeignete Hörgeräte zu tragen, die dieses breite Spektrum abdecken könnten. Durch seine Aufgabe in der Beratung und Betreuung von Kunden sowie der Lieferanten sei er immer wieder verschiedenen akustischen Situationen ausgesetzt. Dazu gehörten Baubesprechungen mit wechselnden akustischen Begleitgeräuschen, wie Hall auf Rohbauten oder Hintergrundgeräusche durch andere Gesprächsteilnehmer, Verkehrs- und Baulärm. Zusätzlich sei ein besonderer Schwerpunkt in seinem Aufgabengebiet die Beratung der Kunden zu wirksamen akustischen Maßnahmen vor Ort. Daher beantrage er gegenüber der Beklagten die Übernahme der Mehrkosten für das begehrte Hörgerät.
Die Beklagte nahm mehrfach Kontakt zum Hörakustiker auf, weil die im Anpass- und Abschlussbericht und auch anschließend genannten Hörgerätmodelle jeweils nicht zur dazu mitgeteilten Hilfsmittelnummer passten. Es wurde anschließend noch einmal ein Anpass- und Abschlussbericht des Hörgeräteakustikers vom 01.06.2018 (Datum der Messung: 23.01.2018) vorgelegt, wonach der Kläger mit dem zuzahlungsfreien Hörgerät Phonak Baseo Q 15-M sowie mit dem nicht aufzahlungsfreien Sivantos sDEMO Pure 13 3Nx ein 95 %iges Sprachverstehen im Freifeld und ein 70%iges Sprachverstehen im Störschall erreichen konnte, gegenüber einem 100%i-gem Sprachverstehen im Freifeld und einem 75%igem Sprachverstehen im Störschall bei dem begehrten Gerät Sivantos sDEMO Pure 13 7 Nx
S. Anschließend wertete ein Akustik-Spezialist der Beklagten die Unterlagen aus. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass mit den eigenanteilsfreien Hörsystem Phonak Baseo Q15-M objektiv ein bestmögliches Sprachverstehen erzielt werden könne. Aufgrund der Hörkurve sei eine vierkanalige Signalverarbeitung, mit adaptiver Rückkopplungs- und Störgeräuschunterdrückung und einer Verstärkerleistung inklusive 10
dB Reserve von 45
dB empfehlenswert. Das Versorgungsziel eines dBopt-nahen Ergebnisses sei mit allen Systemen erreicht worden. Aufgrund des verwendeten Freiburger Sprachtests habe ein Wort bei der Austestung eine Wertigkeit von 5%. Die Ergebnisse lägen innerhalb der Messtoleranz. In Bezug auf die im Schreiben angegebenen beruflichen Anforderungen sei aus den Messwerten des normierten Freiburger Sprachtest abzuleiten, dass die Signalverarbeitung grundsätzlich für den objektiven Ausgleich auch im Alltag bzw bei Störgeräuschen und bei Gesprächen in Gruppen geeignet sei. Wenn die Signalverarbeitung nicht passend sei, spiegele sich das in den Messwerten wieder. Des Weiteren sei es möglich, mit jedem Hörgerät auch ohne Zubehör zu telefonieren. Dafür sei der Hörer des Telefons nicht auf das Ohr sondern auf die Mikrofone der Geräte zu halten. Ein individuelles Hörprogramm könne hinterlegt werden. Mittels einer im Zubehörhandel erhältlichen Bluetooth-Schnittstelle könne mit jedem Hörsystem, das über eine Telefonspule verfüge, ein beidohriges Telefonieren und Nutzung der Schnittstelle als Freisprecheinrichtung ermöglicht werden. Eine direkte Ankopplung des Handys sei bei den begehrten Geräten nur mit einem Apple I-Phone möglich, für andere Smartphones werde herstellerspezifisches Zubehör benötigt. Aufgrund von anderen Regelungszeiten und Komfortmodi in der Störgeräuschunterdrückung, einer kosmetisch kleinen Bauform sowie einer Steuerung der Hörgeräte per Smartphone-App sei es nachvollziehbar, dass das begehrte Gerät subjektiv angenehmer erscheine. Jedoch seien diese Funktionen dem Komfort zuzuschreiben und nicht für einen objektiven Ausgleich grundlegend erforderlich.
Am 05.12.2018 kaufte der Kläger von der Firma K. Hörgeräte
GmbH zwei Hörgeräte der Marke Pure 13 3Nx zu einem Preis von insgesamt 3.594,02
EUR. Von dem Kaufpreis zog die Verkäuferin einen Kassenanteil iHv 1.534,02
EUR ab; den restlichen Kaufpreis von 2.060,00
EUR zahlte der Kläger bar. Diesen Sachverhalt teilte er allerdings erst im Berufungsverfahren (Schreiben vom 25.09.2020) mit.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2019 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Krankenkassen gemäß
§ 33 Abs 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht dazu verpflichtet seien, jede gewünschte, von den Versicherten für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen seien danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet sei. In diesem Fall hätten Versicherte die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. Hinsichtlich der beruflichen Komponente habe die Beigeladene, die für die Sicherstellung der beruflichen Rehabilitation zuständig sei, geprüft und entschieden, dass die Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien. Vor diesem Hintergrund sei die Weiterleitung an die Beklagte erfolgt. Aus den maßgeblichen Messwerten ergebe sich, dass mit der eigenanteilsfreien Technik ein bestmögliches Sprachverstehen im Alltag bzw im Störgeräusch und bei Gesprächen in Gruppen habe erreicht werden können. Es werde auf die mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker und weiteren Hörgeräteakustikern geschlossenen Verträge über die Versorgung mit Hörhilfen und die darin festgelegten Versorgungspauschalen verwiesen. Bei dem eigenanteilsfreien Hörgerät, welches der Kläger getestet habe, handele es sich um ein hochwertiges Versorgungsangebot, was von den Funktionen her technisch geeignet sei, den Hörverlust objektiv auszugleichen. Dies werde auch durch die Messung des Akustikers belegt.
Hiergegen hat der Kläger am 07.03.2019 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Zur Begründung hat er die Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Mit Beschluss vom 02.05.2019 hat das SG die Deutsche Rentenversicherung Bund beigeladen. Im Erörterungstermin am 13.06.2019 hat der Kläger weitere Ausführungen zu seiner beruflichen Tätigkeit gemacht. Außerdem hat das SG den Geschäftsführer der damaligen Arbeitgeberin des Klägers (Herrn M. K.) zu dessen beruflicher Tätigkeit sowie den Hörakustiker Herrn A. D. als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über den Erörterungstermin Bezug genommen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.06.2019 hat das SG die Beklagte zur Versorgung des Klägers mit den streitgegenständlichen Hörgeräten verurteilt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Beklagte nicht als Krankenkasse zur Leistung verpflichtet gewesen sei, wohl aber als zweitangegangener Leistungsträger nach den für die Beigeladene geltenden Vorschriften. Mit den Hörgeräten sei für den Kläger ausschließlich ein arbeitsplatzspezifischer Gebrauchsvorteil verbunden, dieser Vorteil sei für die weitere Berufsausübung notwendig. Er sei als Projektleiter für einzelne Projekte von der Baubetreuung bis zur Fertigstellung der entsprechenden Bürogebäude zuständig. Bei dieser Tätigkeit müsse er im Büro sowie bei Außenterminen auf einer Baustelle mit mehreren Menschen im Rahmen von Baubesprechungen und Bausitzungen kommunizieren. Die Besprechungen auf den Baustellen fänden selten in Baucontainern oder Besprechungszimmern, oft hingegen in anderen Situationen wie zB direkt auf der Baustelle statt, je nach Bereitstellung durch den jeweiligen Bauträger. Die Anzahl der Teilnehmer an den Besprechungen schwanke in der Personenzahl. Bei diesen Besprechungen komme es in besonderem Maße auf ein uneingeschränkt exaktes Hörverständnis von Zahlen und Gesprächsinhalten seitens des Klägers an. Er müsse - wie sich aus dem Schreiben des Geschäftsführers und seiner Zeugenaussage ergebe - den Gesprächen problemlos folgen können, damit er die dabei gefällten Anweisungen und Entscheidungen an die ausführenden Architekten lückenlos und fehlerfrei weitergeben könne. Zudem müsse der Kläger auch Messungen vor Ort im Team vornehmen. Fehlverhalten und Fehlinterpretationen aufgrund einer verminderten Hörfähigkeit des Klägers hätten Gefahren für die korrekte Fertigstellung der Projekte bedeutet und damit einen erheblichen finanziellen Verlust der Firma. Insbesondere bei diesen Besprechungen auf den Baustellen sei der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt. Selbst wenn bestimmte geräuschintensive Geräte auf entsprechende Anfrage zeitweise ausgeschaltet würden, herrsche auf (Groß-)Baustellen stets ein gewisser Grundpegel an Lärm, wie der Zeuge K. und der Kläger im Termin zur Beweisaufnahme anschaulich dargelegt hätten. Darüber hinaus fänden die Besprechungen insbesondere bei Bauabnahmen in verschiedenen Räumen mit unterschiedlichen Geräuschkulissen statt. Der Arbeitsplatz des Klägers stelle daher aufgrund der inhomogenen und durch technische Maßnahmen kaum zu beeinflussenden Geräuschkulissen hohe Anforderungen an sein Hörvermögen. Der Kläger sei bei seiner Tätigkeit deshalb im Hinblick auf den Erhalt seiner Erwerbsfähigkeit auf eine entsprechend hochwertige Hörgeräteversorgung dringend angewiesen. Die vom Kläger getesteten eigenanteilsfreien Hörgeräte seien hierfür nicht geeignet. Mit dem eigenanteilsfreien Hörgerät wäre wohl eine ausreichende Versorgung des Klägers möglich gewesen, solange die Besprechungen in Büroräumen erfolgten, die Gesprächspartner ihre räumliche Position zum Kläger nicht wechselten und Störschall stets von der gleichen Richtung komme. Hierfür sprächen die von der Beklagten veranlasste audiologische Auswertung durch den Hörgeräteakustiker D. sowie der Anpassungsbericht desselben. Danach habe der Nachweis mittels Freiburger Sprachtest zum Hörgewinn bei der Hörgeräteversorgung fast das gleiche Sprachverstehen mit und ohne Störschall (100 % bzw 75 %) bei dem getesteten Hörgerätesystem Sivantos (streitiges Hörgerätesystem) und 95 % bzw 70% bei dem aufzahlungsfreien Phonak Baseo ergeben. Allerdings spreche einiges dafür, dass der prozentuale Grad der Verbesserung des Sprachverständnisses in schwierigen Hörsituationen mit dem streitigen Hörgerätesystem tatsächlich erheblich höher sein könne als im Freiburger Sprachtest, da dieser weder lebendige Sprache noch realistische Störgeräusche beinhalte. So komme nach den Angaben des Zeugen D. bei der Hörgeräteanpassung unter Störschall dieser zB immer aus derselben Richtung und werde als gleichmäßiges Rauschen zugeführt. Der Kläger sei nach seinen Angaben bei seiner beruflichen Tätigkeit aber vielfachen Störgeräuschen auch unterschiedlicher Ausprägung ausgesetzt. Auf Baustellen gebe es diverse Geräusche, die in verschiedener Lautstärke und von unterschiedlichen und auch aus schnell wechselnden Richtungen kämen, auch sogenannte Spontanimpulse (plötzlicher kurz auftretender Lärm- wie bspw Türknallen). Auch die räumliche Position der Gesprächsteilnehmer zueinander ändere sich insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen häufig. Insoweit sei der Kläger Geräuschkulissen ausgesetzt, die mit einem Tischgespräch in einem Büroraum nicht zu vergleichen seien. Auch sei es dem Kläger in den meisten Besprechungssituationen nicht möglich, zunächst seine Hörgeräte einzeln manuell einzustellen, um dem Gespräch mit der für seine berufliche Tätigkeit erforderlichen Exaktheit folgen und sich adäquat auf die jeweilige Geräuschkulisse einstellen zu können. Das streitige Hörgerätesystem hingegen passe sich - wie der Hörgeräteakustiker D. ausgeführt hat - bei veränderter Geräuschkulisse automatisch an, ohne dass der Kläger manuell Einstellungen an den Hörgeräten vornehmen müsse. Das Hörgerätesystem könne sich in Besprechungen in großen Gruppen wie auch bei Hintergrundstörgeräuschen automatisch anpassen. Zudem habe es eine stärkere Störgeräuschunterdrückung sowie einen Impulsstopp. Die besonderen Anforderungen an das Hörvermögen gingen auch deutlich über die elementaren Grundbedürfnisse hinaus. Der Einwand der Beigeladenen, dass entsprechende Anforderungen an das Hörverständnis auch im Alltagsleben aufträten und daher keinen berufsbedingten Mehrbedarf auslösten, sei nicht überzeugend. Anders als im beruflichen Alltag könnten die Betroffenen im Privatleben die Situationen, in denen es auf ein gutes Hörverstehen ankomme, in der Regel beeinflussen und damit behinderungsentsprechend gestalten. Bei der Tätigkeit des Klägers, häufig auf Baustellen, mit der Regelung gerade auch akustischer Problemfelder bei der Einrichtung von Büroräumen, sei dies hingegen regelmäßig nicht möglich. Diese Situationen seien für den Kläger zumeist vorgegeben und die entsprechenden Geräuschkulissen sind durch ihn kaum zu beeinflussen.
Hiergegen richtet sich die am 05.07.2019 eingelegte Berufung der Beigeladenen. Sie führt aus, die Berufung richte sich gegen die Zuordnung einer allgemein üblichen Höranforderung zum Leistungsauftrag des Rentenversicherungsträgers statt zum Träger der allgemeinen Krankenversorgung. Die Prüfung des SG zu der unzureichenden Versorgungssituation des Klägers im Festbetragshörgerätebereich erfolge ausschließlich bei der Prüfung der Leistungsverpflichtung der Beigeladenen, also des Rehabilitationsträgers, weil das SG bei der Tätigkeit des Klägers eine schwierige Hörsituation annehme, ohne zu definieren, welche Hörsituationen nicht schwierig sein sollen, wenn es generell um Störlärm gehe, und ob nicht jeder Mensch regelmäßig in schwierige Hörsituationen geraten könne. Für jeden hörgeschädigten Arbeitnehmer sei es wichtig, Gesprächsinhalte vollständig und richtig zu hören, und zwar ohne eine erhebliche Konzentrationsleistung, weil er sonst nicht mit einem gesunden Hörenden gleichziehen könne. Die Beweisaufnahme des SG habe erhebliche Defizite der Festbetragsversorgung aufgezeigt. Überraschenderweise habe das SG dennoch festgestellt, dass die Krankenversorgung das Niveau des unmittelbaren Behinderungsausgleichs erfülle. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) zur Krankenversorgung von hörgeschädigten Menschen habe festgestellt, dass Hörgeräte dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienten. Die Krankenkasse müsse allen ihren hörgeschädigten Versicherten ein Hörgerät zur Verfügung stellen, das das Gleichziehen mit einem gesunden Hörenden unter Beachtung des technischen und medizinischen Fortschritts sicherstelle. Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Maßstab für den Kläger durch die Festbetragsversorgung erreicht worden sei. Das
BSG habe ausdrücklich festgestellt, dass die Krankenversorgung nicht nur die Gewährleistung des Sprachverständnisses in Einzelgesprächen schulde, sondern "auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen". Die Beklagte sehe anscheinend ihren Versorgungsauftrag auf einen rein privaten Versorgungsbereich begrenzt an. Die Annahme einer Beschränkung des Krankenversorgungsauftrags auf das Sprachverstehen im außerberuflichen Bereich verkenne die
BSG-Rechtsprechung zum Krankenversorgungsumfang, da die Möglichkeit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ohne Sprachverständnis im Störlärm kaum möglich sein dürfte, also stets eine Nachversorgung notwendig wäre, wenn die Kläger - so wie hier - mit der bewilligten Krankenversorgungsqualität bei einer geräuschvollen Kommunikationssituation noch nicht zufrieden seien. Die Beklagte lege als ausschließlichen Maßstab zur Feststellung ihrer Leistungsverpflichtung die Messwerte des Freiburger Sprachtests zugrunde. Wenn das von der Beklagten angewandte Testverfahren beweise, dass dem Kläger durch ein Festbetragshörgerät das Gleichziehen mit einem gesunden Hörvermögen gelungen sei, stelle sich die Frage, weshalb der Kläger dann noch Probleme bei einer Beratung mit Kunden oder bei einem Gespräch in Gruppensituationen haben sollte.
Die Beigeladene beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18.06.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und die Beklagte beantragen,
die Berufung der Beigeladenen zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der berufliche Alltag bilde einen konkret eingrenzbaren Ausschnitt mit den dort vorgefundenen Besonderheiten ab. Würde man dem Verständnis der Beigeladenen folgen, müsste man einen berufsbedingten Mehrbedarf generell - also in jedwedem Beruf - verneinen. Ein Mangel der Festbetragsversorgung läge nicht vor. Zwischen der Beklagten und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (BIHA) bestünden Verträge über die Versorgung mit Hörgeräten. Darin seien technische Mindestvoraussetzungen für aufzahlungsfrei angebotene Geräte enthalten. Es stünde dem Akustiker frei, über diese Mindeststandards hinauszugehen, wenn er eine technisch weitergehende Ausstattung für erforderlich halte, um die Schwerhörigkeit objektiv ausgleichen zu können. Die Erzeugung tauglicher Messwerte erfolge mittels Freiburger Sprachtest. Dabei handele es sich um ein in den Hilfsmittelrichtlinien normiertes und nach
DIN zertifiziertes Prüfverfahren. Im Freiburger Sprachtest würden einsilbige oder ähnlich klingende Worte in Gruppen zu je 20 Silben geprüft, jeder Silbe komme dabei eine Wertigkeit von 5% zu. Darüber hinaus bestehe die Schwierigkeit darin, ähnlich klingende Silben/Worte wie "Maus", "Laus" oder "raus" richtig zu verstehen, die sich nur um einen Konsonanten am Wortanfang unterschieden. Das Verstehen erfordere starke Konzentration und Mitarbeit des Schwerhörigen. Das Verstehen einsilbiger Worte stelle einen sehr hohen Schwierigkeitsgrad dar und kommt im täglichen Leben so kaum vor. Allgemein würden im täglichen Leben Sätze gesprochen, deren Sinn man auch verstehe, wenn einzelne Worte nicht eindeutig verstanden würden, also aus dem Satzzusammenhang. In den Vorgaben an die Hörgeräteerprobung und -versorgung sei eine maximale Messtoleranz von 5% des eigenanteilsfreien Gerätes im Vergleich zum Mehrkostengerät festgelegt. Werde diese überschritten, fordere die Krankenkasse den Akustiker zur Nachbesserung durch erneute Testung auf. Bei dieser würden idR Einstellungen am Gerät verändert, um ein besseres Sprachverstehen zu erzielen. Ein Fehlverhalten des Akustikers bzw ein Versorgungsdefizit sei nicht erkennbar. Die Berufungsklägerin möge technisch-audiologisch darlegen, warum der definierte Mindeststandard eine mangelhafte Festbetragsversorgung begründen soll.
Der Kläger hat unter Vorlage einer nicht unterzeichneten Auftrags-/Empfangsbestätigung vom 05.10.2020 mitgeteilt, dass ein Austausch der Hörgeräte stattgefunden habe. Die Firma K. Hörgeräte
GmbH habe ihm die Hörgeräte Sivantos Pure 13 7Nx unbezahlt zur Verfügung gestellt. Wenn im Gerichtstermin keine endgültige Entscheidung gefallen sei sollte, werde er die Hörgeräte unter Anrechnung der für die Geräte Sivantos Pure 13 3Nx gezahlten 2.060
EUR also die restlichen 1.988
EUR bezahlen. Der Kaufpreis der bislang angeschafften Hörgeräte werde dann angerechnet.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist die Beigeladene auch rechtsmittelbefugt. Auch wenn die Beigeladene nicht verurteilt worden ist, ist sie dennoch durch die Entscheidung beschwert. Erforderlich für die Rechtsmittelbefugnis ist eine materielle Beschwer der Beigeladenen (vgl
BSG 11.09.2019, B 6 KA 2/18 R, SozR 4-2500 § 95 Nr 38, Rn 17;
BSG 13.05.2015, B 6 KA 18/14 R, SozR 4-2500 § 106 Nr 51, Rn 19). Sie muss in ihrer eigenen (subjektiven) Rechtsposition verletzt sein. Allein die Stellung als Beigeladene genügt nicht für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, denn hieraus ergibt sich noch nichts darüber, ob die Entscheidung die Beigeladene belasten kann und sie deshalb zur Anfechtung berechtigt (
BSG 24.03.2016, B 12 KR 5/14 R, juris Rn 18). Liegt - wie vorliegend - keine Verurteilung der Beigeladenen vor, ist eine materielle Beschwer nur gegeben, wenn auch sie durch die Entscheidung unmittelbar in der Erfüllung des nur ihr gesondert übertragenen eigenständigen Aufgabenbereichs beeinträchtigt sein kann, die Beigeladene also etwa zum Ausgleich gegenüber dem verurteilten Beklagten verpflichtet wäre (
BSG 14.09.2020, B 4 AS 212/20 B). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Nach § 141 Abs 1 Nr 1
SGG binden rechtskräftige Entscheidungen die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Beteiligter in diesem Sinn ist auch die Beigeladene (§ 69 Nr 3
SGG). Allein aus dieser Bindungswirkung eines Urteils als solche ergibt sich noch keine Beschwer. Die Bindung erstreckt sich nur auf den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Streitgegenstand, dh auf das Ergebnis, welche Rechtsfolge sich aus einem bestimmten, festgestellten Teil der Entscheidung ergibt. Eine Belastung der Beigeladenen ergibt sich im hiesigen Verfahren nicht bereits aus der Urteilsformel der angefochtenen Entscheidung. Sie kann lediglich aus den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen resultieren, dass sich der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt, für das diese originär zuständig ist, sondern vielmehr aufgrund der Zuständigkeitsregelung des
§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, für das originär die Beigeladene zuständig wäre. Die Entscheidungsgründe nehmen jedoch an der aus der Rechtskraft eines Urteils folgenden Bindungswirkung grundsätzlich nicht teil (MKLS/Keller, 13. Aufl 2020,
SGG § 141 Rn 7 ff; BeckOGK/Hübschmann, 01.09.2019,
SGG § 141 Rn 35). Eine Ausnahme gilt indes im Falle der Präjudizialität für einen Folgeprozess (vgl Schütz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 1. Aufl, § 141
SGG (Stand: 05.04.2018), Rn 41), die hier gegeben ist. Eine Präjudizialität liegt vor im Falle der direkten Abhängigkeit der im Zweitprozess geltend gemachten Rechtsfolge von der Rechtsfolge, über die im Erstprozess entschieden worden ist. Voraussetzung ist eine Identität der Streitgegenstände, dh eine Deckungsgleichheit des in dem früheren und in dem erneut anhängig gemachten Rechtsstreit erhobenen Anspruchs (
BSG 06.02.1992, 7 RAr 78/90, SozR 3-1500 § 54 Nr 9, Rn 47 - 48). Das Urteil des SG ist präjudiziell in einem Prozess über die Erstattung der Aufwendungen der Beklagten durch die Beigeladene. In einem Prozess über die Erstattung kommt es entscheidend darauf an, dass bzw ob die Beklagte die Leistungen nach den für die Beigeladene geltenden materiellen Vorschriften und nicht aufgrund eigener originärer Zuständigkeit zu erbringen hatte. Eine Erstattungspflicht der Beigeladenen kann sich aus
§ 16 Abs 1 SGB IX ergeben. Nach dieser Vorschrift gilt Folgendes: Hat ein leistender Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 Satz 4
SGB IX Leistungen erbracht, für die ein anderer Rehabilitationsträger insgesamt zuständig ist, erstattet der zuständige Rehabilitationsträger die Aufwendungen des leistenden Rehabilitationsträgers nach den für den leistenden Rehabilitationsträger geltenden Rechtsvorschriften. Für die Frage der Erstattung ist daher die Feststellung ausschlaggebend, ob die Beigeladene für die Leistung zuständig ist (vgl zur Präjudizialität im Rahmen des
§ 14 Abs 4 SGB IX aF ausführlich
BSG 25.04.2013, B 8 SO 12/12 R, SozR 4-1500 § 141 Nr 2, Rn 11 f). Ob tatsächlich ein Erstattungsanspruch nach § 16 Abs 1
SGB IX besteht, weil die Beklagte ggf erstangegebene Trägerin ist, bedarf hiernach keiner Entscheidung, denn für Rechtsmittelbefugnis genügt die Möglichkeit der Rechtsverletzung.
Die Berufung der Beigeladenen ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgung mit den Hörgeräten Sivantos Pure 13 7 Nx
S. Streitgegenstand ist die Versorgung des Klägers als Sachleistung mit den Hörgeräten Sivantos Pure 13 7 Nx S entweder durch die beklagte Krankenkasse oder durch den beigeladenen Rentenversicherungsträger. Der Kläger hat die Hörgeräte derzeit lediglich zur Ausprobung erhalten, wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Auftrags-/Empfangsbestätigung vom 05.10.2020 ergibt. Die Kosten sind noch nicht beglichen. Der Kläger macht den Anspruch auf Versorgung mit diesen Hörgeräten zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4
SGG geltend. Dass der Kläger zwischenzeitlich - vorübergehend - mit anderen Geräten versorgt worden war, ist unerheblich. Der Rechtsstreit hat sich hierdurch nicht erledigt. Sofern der Kläger von einer Anrechnung des Kaufpreises auf die begehrten Hörgeräte spricht, ist davon auszugehen, dass dies den Fall betrifft, dass er die hier streitgegenständlichen Hörgeräte selbst bezahlen müsste.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die begehrten Hörgeräte nach den Vorschriften des
SGB V gegen die Beklagte noch einen Anspruch nach den für die Beigeladene geltenden Rechtsvorschriften.
Der Kläger hat keinen sich aus
§ 33 SGB V ergebenden Sachleistungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse. Die begehrten Hörgeräte sind zwar Hilfsmittel, die dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienen. Ein Sachleistungsanspruch auf diese Hörgeräte besteht jedoch nicht, weil der Kläger mit diesen Hörgeräten eine Hilfsmittelversorgung gewählt hat, die über das Maß des Notwendigen hinausgeht. Die Beklagte hat ihre (originäre, dh krankenversicherungsrechtliche) Leistungspflicht mit der Erstattung des Festbetrages erfüllt (
§ 12 Abs 2 SGB V). Beim Einsatz von Hilfsmitteln des § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V ist nach deren Funktionalität und schwerpunktmäßiger Zielrichtung bzw Zwecksetzung zu differenzieren (vgl nur
BSG 15.03.2018,
B 3 KR 18/17 R, BSGE 125, 189 = SozR 4-2500 § 13 Nr 41, Rn 23 ff). Ein Hilfsmittel dient als Leistung zur medizinischen Rehabilitation dem "Ausgleich einer Behinderung", wenn es seinem Zweck entsprechend die Auswirkungen der Behinderung beseitigt oder mindert und damit der Befriedigung eines Grundbedürfnisses dient. Für den Versorgungsumfang, insbesondere Qualität, Quantität und Diversität, kommt es entscheidend auf den Umfang der mit dem begehrten Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile im Hinblick auf das zu befriedigende Grundbedürfnis an. Es besteht Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Im Ergebnis kommt es daher auf den Umfang der mit dem Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an, ohne dass hierfür maßgeblich die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich heranzuziehen wäre (
BSG 07.05.2020,
B 3 KR 7/19 R, juris Rn 27 mwN). Hörbehinderten Menschen ist im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (
§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (
BSG 17.12.2009,
B 3 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 36 Nr 2, SozR 4-2500 § 33 Nr 28, Rn 19 ff und 24.01.2013,
B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn 31).
Der Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33
SGB V wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1
SGB V begrenzt. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 Satz 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 Satz 5
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (
BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, SozR 4-2500 § 36 Nr 2, SozR 4-2500 § 33 Nr 28, Rn 19 ff und 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn 31).
Der Kläger leidet unter einer mittelgradigen Schwerhörigkeit (
WHO 2) beidseits. Der Akustik-Spezialist der Beklagten hat dargelegt, dass aufgrund der Hörkurve des Klägers eine vierkanalige Signalverarbeitung mit Richtmikrofontechnik, Rückkoppelungs- und Störgeräuschunterdrückung und einer Verstärkungsleistung inklusive 10
dB Reserve von 40
dB empfehlenswert ist. Dies wird von der Beklagten und der Beigeladenen auch nicht bestritten. Das dem Kläger zum Festbetrag angebotene Hörgerät Phonak Baseo Q15-M verfügt über eine vierkanalige Signalverarbeitung mit einer adaptiven Rückkopplungs- und Störgeräuschunterdrückung und einer dualen Richtmikrofontechnik. Dies entnimmt der Senat den Ausführungen des Akustik-Spezialisten der Beklagten vom 07.06.2018. Hiermit werden eine Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache, Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen durch die Rückkopplungsunterdrückung, Störgeräuschunterdrückung und das direktionale Richtmikrofon sowie das Telefonieren ermöglicht. Der Kläger erreichte mit den zuzahlungsfreien Hörgeräten Phonak Baseo Q15-M nur unwesentlich schlechtere Ergebnisse (Sprachverstehen in Ruhe bei 65
dB 95%, mit 60
dB Störschall 70%) als mit den geltend gemachten Geräten (Sprachverstehen in Ruhe bei 65
dB 100%, mit 60
dB Störschall 75%). Dieser Unterschied von 5%-Punkten ist nicht als wesentlich einzustufen, denn wie der Senat den Ausführungen des Akustik-Spezialisten entnimmt, die sich mit Erkenntnissen aus anderen Verfahren decken, hat im Freiburger Sprachtest ein Wort bei der Austestung eine Wertigkeit von 5%. Ein Unterschied von 5% bzw einem Wort kann jedoch auch von Zufälligkeiten und der jeweiligen Tagesform abhängen. Aus objektiver Sicht besteht daher kein Anspruch auf die Versorgung mit den gewählten Geräten, da sich insoweit kein Vorteil ergibt.
Auch die Voraussetzungen des §§ 9, 16
SGB VI,
§ 49 Abs 1, 3 Nr 7 SGB IX sind nicht erfüllt. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung des Klägers mit den streitgegenständlichen Hörgeräten würde nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger beruhen, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 1 Satz 1 Satz 1, 2, Abs 2 Satz 1
SGB IX umfassend zuständig gewordener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger (Beigeladene) obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (
§ 5 Nr 2,
§ 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Ob die Beklagte als erstangegangener oder als zweitangegangener Träger zuständig geworden ist, kann der Senat offenlassen.
Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen für die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hörgeräten liegen nicht vor. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe ua Leistungen zur am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1
SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10
SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11
SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12
SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10
SGB VI), weil er hörbehindert ist und deshalb typische Anforderungen einer Berufstätigkeit ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen kann. Dabei ist zwar in Bezug auf die Gefährdung bzw Minderung der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich auf die derzeit oder zuletzt konkret ausgeübte Beschäftigung und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 Satz 2
SGB VI abzustellen. Bei der Frage, ob die Versorgung mit Hörgeräten notwendig ist, um eine bereits eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder zu beseitigen, kommt es jedoch nur auf die spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes an, den der Versicherte innehat. Wird eine berufliche Tätigkeit im für die Versorgung maßgeblichen Zeitpunkt nicht (mehr) ausgeübt, besteht kein über den bereits von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich hinausgehender Anspruch auf Versorgung mit höherwertigen Hörgeräten.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einem geltend gemachten Anspruch auf Versorgung mit einem den Festbetrag übersteigenden Hörgerät ist bei einer Kostenerstattung entweder der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder der Zeitpunkt, zu dem sich der Versicherte das Hörgerät selbst verschafft hat. "Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet. Eine Hilfsmittelbeschaffung setzt ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer voraus. Auswahlentscheidungen, die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte, binden den Versicherten noch nicht. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann (vgl
BSG 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, BSGE 113, 40-60, SozR 4-3250 § 14 Nr 19, Rn. 44).
Ausgehend hiervon hat sich der Kläger am 05.12.2018 zwar die Hörgeräte Pure 13 3Nx selbst verschafft. Diese Hörgeräte sind aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Außerdem wären sie nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht für die beruflichen Anforderungen seiner damals noch ausgeübten Tätigkeit ausreichend. Deshalb macht er ja einen Anspruch auf die Versorgung mit Hörgeräten der Marke Pure 13 7Nx geltend. Am 05.10.2020 hat der Kläger zwar Hörgeräte der Marke Pure 13 7Nx vom Hörakustiker erhalten, diese wurden ihm aber nur zur Ausprobung überlassen, wie sich ausdrücklich aus der Auftrags-/Empfangsbestätigung der Firma K. Hörgeräte
GmbH vom 05.10.2020 ergibt. Eine endgültige rechtliche Verpflichtung ergibt sich daraus nicht. Überdies war der Kläger im Oktober 2020 bereits ohne Beschäftigung, so dass es auch zu diesem Zeitpunkt nur auf den der Beklagten geschuldeten Behinderungsausgleich ankommt. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei dem hier geltend gemachten Anspruch auf Versorgung als Sachleistung ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat maßgebend. Am 02.02.2021 (Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) hatte der Kläger weder einen Arbeitsplatz inne noch eine konkrete Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Die Versorgung mit den vom Kläger begehrten höherwertigen Hörgeräten kann deshalb nicht mit den beruflichen Anforderungen seiner Tätigkeit begründet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Grund hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2
SGG) nicht vorliegt.