1. Die Beigeladene wird verurteilt, die Klägerin beidseitig mit Hörgeräten des Modells Widex Dream 220 D2-FS-P einschließlich des im Kostenvoranschlag vom 17.02.2014 genannten Zubehörs zu versorgen.
2. Die Beigeladene hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine Hörgeräteversorgung.
Die 1964 geborene Klägerin leidet seit dem 15. Lebensjahr an Schwerhörigkeit. Die erstmalige Versorgung mit Hörgeräten erfolgte etwa im 23. Lebensjahr. Die letzte Versorgung erfolgte im Jahr 2006. Ein im Auftrag der Beklagten eingeholtes Sachverständigengutachten des HNO-Arztes und Audiologen
Dr. St... kommt nach Untersuchung am 20.01.2016 zu dem Ergebnis, dass inzwischen eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts und Taubheit links vorliegt. Die Klägerin arbeitet in einer internistischen Arztpraxis als Diabetesberaterin.
Über den Hörgeräteakustiker Sch... & M...
GmbH beantragte die Klägerin im Februar 2014 bei der mit Beschluss vom 18.05.2015 zum vorliegenden Verfahren beigeladenen SBK-Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit Hörgeräten des Modells Dream 220-FS der Firma Widex unter Vorlage eines Kostenvoranschlags über den Betrag von insgesamt 4.299 Euro. Der Akustiker führte im Begleitschreiben hierzu aus, dass der Klägerin verschiedene Hörgeräte leihweise zur Probe überlassen worden seien. Zwischen dem 17.12.2013 und dem 22.01.2014 seien dies Geräte des Modells Naida S I UP (Phonak) "zum Festbetrag" sowie des Modells Dream 220 - FS (Widex) gewesen. Im Freiburger Sprachtest hätten beide Hörgeräte-Paare das gleiche Ergebnis erzielt. Mit den Naida S I UP Hörgeräten sei dabei in Ruhe eine Sprachverständlichkeit von 50 % und mit Störschall (60
dB) 45 % erzielt worden, mit den Dream-Geräten 65 % und im Störschall 50 %. Bisher habe sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit allerdings nicht im Telefondienst und damit nicht zu allen Schichten eingesetzt werden können. Hierbei hätten weder Hörverstärker noch andere Zusatzgeräte geholfen. Bei den Dream-Hörgeräten sei es jedoch über eine spezielle Schnittstellentechnologie möglich, mit einem eigens dafür konzipierten Widex-Telefon eine Verbindung mit beiden Hörgeräten herzustellen. Hierdurch könne man sich direkt auf das Gespräch konzentrieren und müsse keine störenden Geräusche trennen. Dies führe zu einer deutlichen Erleichterung und Sicherheit beim Telefonieren am Arbeitsplatz. Außerdem sei es nun auch möglich, das Telefon in den allgemeinen Arbeitsalltag zu integrieren oder zu übergeben, ohne dass hierbei etwas umgestellt oder verändert werden müsse.
Die Beigeladene leitete den Antrag mit Schreiben vom 18.02.2014 an die Beklagte weiter. Aus den beigefügten Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass diese Hörhilfen auf Grund arbeitsplatzabhängigem Sprachverstehens benötigt würden. Die Klägerin erhielt hierüber zunächst keine Mitteilung.
Mit Schreiben vom 28.02.2014 gab die Beklagte den Antrag mit der Bitte um abschließende Prüfung und
ggf. Leistungserbringung an die Beigeladene zurück. Die Weitergabe an die Beigeladene erfülle nicht die Kriterien für eine qualifizierte Weiterleitung. Die Weiterleitung sei nicht begründet worden
bzw. lasse eine Zuständigkeitsprüfung nicht erkennen. Eine Weiterleitung sei nicht möglich, wenn die in die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung fallenden Bedarfslagen der Grundversorgung im Alltag und für jegliche berufliche Belange nicht geprüft worden seien.
Die Beigeladene wandte sich daraufhin erneut an die Beklagte und teilte mit, dass die Klägerin über "Kassengeräte" verfüge, welche für ihre tägliche Arbeit nicht ausreichend seien. An die Klägerin erfolgte keine Mitteilung.
Mit Bescheid vom 31.03.2014 lehnte die Beklagte die Übernahme der Hörgeräteversorgung gegenüber der Klägerin ab. Sie könne dem Antrag nicht entsprechen, da die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfüllt seien. Die Höranforderungen im Beruf der Klägerin als Diabetes-Beraterin beinhalteten keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit für höherwertige Hörgeräte. Persönliche oder telefonische Kommunikation im Zweier- oder Gruppengespräch auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen
bzw. störenden Umgebungsgeräuschen am Arbeitsplatz stelle eine Anforderung an das Hörvermögen dar, die bei nahezu jeder Berufsausübung bestehe und daher keine spezifisch berufsbedingte Bedarfslage begründen könne. Die beantragten Hörhilfen sollten dem unmittelbaren Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen dienen. Die Prüfung der Beklagten habe jedoch ergeben, dass die Klägerin im Hinblick auf die von ihr geschilderte Bedarfslage bereits Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (Zuschuss zu Hörhilfen) erhalten habe. Möglicherweise benötige die Klägerin zur Grundsicherung im Alltag
bzw. in jeglicher beruflicher Tätigkeit höhere als die von der Krankenkasse gezahlten Beträge. Der Klägerin werde deshalb empfohlen, sich zur Feststellung ihres individuellen Leistungsanspruchs noch einmal mit ihrer gesetzlichen Krankenkasse in Verbindung zu setzen.
Gegen den Bescheid der Beklagten erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25.04.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sie die höherwertigen Geräte aus rein beruflichen Gründen benötige. An ihrer Arbeitsstätte stünden Umstrukturierungen an, die es erforderlich machten, dass sie künftig auch Telefondienste übernehme. Da bislang mit keinem System eine befriedigende Lösung möglich gewesen sei, seien die jetzt in Rechnung gestellten Hörgeräte Widex Dream 200 ausprobiert worden, mit deren Technik es möglich sei, sich mit dem Telefon Widex Phone Dex zu verbinden. Damit könne sie ganz normal über die Hörgeräte telefonieren und ihren Gesprächspartner gut verstehen. Durch die Umstrukturierungen in der Praxis und ihren derzeit eingeschränkten Möglichkeiten sei ihr Arbeitsplatz akut gefährdet.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme ihres beratungsärztlichen Dienstes ein. Dieser stellte nach Aktenlage unter dem 23.07.2014 fest, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte Hörminderung beidseits bestehe. Die Klägerin sei für jede Tätigkeit im Berufsleben, zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und zur Alltagsbewältigung auf die bestmögliche Hörgeräteversorgung angewiesen. An Diabetesberater würden keine Höranforderungen mit Gefährdungsaspekten gestellt. Zum Telefonieren, auch wenn es durch Umstrukturierungen im Betrieb häufiger gefordert werde, sei die Klägerin in der Lage. Das verordnete Hörgerät müsse dazu nur manuell umgestaltet werden. Dies sei zumutbar. Eine Versorgung mit einem drahtlosen Hörgeräteinterface sei nicht erforderlich.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 10
SGB VI könnten Versicherte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit erheblich gefährdet oder gemindert sei und durch die begehrten Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert werden könne. Nach
§ 33 Abs. 8 Nr. 4 SGB IX umfassten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch sonstige Hilfen der Arbeits- und Berufsförderung, um dem Betreuten eine angemessene und geeignete Erwerbs- oder Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein Hilfsmittel sei folglich nur dann als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33
Abs. 8
Nr. 4
SGB IX anzusehen, wenn es ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Eine Leistungsgewährung seitens der Beklagten könne nur in Betracht kommen, wenn eine auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesene berufliche Tätigkeit ausgeübt werde oder wegen der besonderen berufsspezifischen Verhältnisse am Arbeitsplatz notwendig sei. Im Beruf der Klägerin als Diabetesberaterin bestünden keine gegenüber anderen Berufen erhöhten Anforderungen an das Hörvermögen (wie zum Beispiel beim Beruf des Konzertmusikers oder des Dirigenten). Es werde nicht bestritten, dass das Hörvermögen durch spezielle Hörgeräte, die über der Festbetragsregelung der Krankenkasse lägen, verbessert werden könne. Dieser Umstand allein könne den Rentenversicherungsträger allerdings nicht zur Leistung verpflichten. Diese Leistungspflicht ergebe sich nur, wenn am Arbeitsplatz Anforderungen bestünden, die über die Anforderungen für jeden Arbeitsplatz hinausgingen. Die von der Klägerin beschrieben berufliche Tätigkeit als Diabetesberaterin könne nach Auffassung der Beklagten uneingeschränkt mit einer Hörgeräteversorgung ausgeübt werden, die auch für die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erforderlich sei. Die Förderung einer solchen Hörgeräteversorgung sei eine Leistung der Krankenversicherung, so dass die Voraussetzungen des § 33
Abs. 8
Nr. 4
SGB IX nicht erfüllt seien. Sofern die Krankenversicherung die Kosten für eine erforderliche Grundversorgung aus Kostendämpfungsgründen nicht in vollem Umfang übernehme, könne das nicht die Beklagte zur Übernahme des Eigenanteils verpflichten. Insofern wäre möglicherweise durch die Krankenkasse der Klägerin zu prüfen, ob auch über die von dort zu erbringenden Festbetragszuschüsse hinaus ein Grundanspruch auf höherwertige Hörhilfen im Rahmen der Krankenversorgung bestehe. Dies könne der Fall sein, wenn für den Ausgleich der vorliegenden Behinderung die Festbeträge nicht ausreichten, um die natürliche Körperfunktion eines gesunden Menschen in jeglichen Lebensbereichen zu ersetzen. Die Fähigkeit, mittels Sprache zu kommunizieren, stelle hierbei ein elementares Grundbedürfnis eines jeden Menschen dar, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Kommunikation unter ungünstigen Bedingungen und mit störenden Umgebungsgeräuschen gehöre zum erforderlichen unmittelbaren Behinderungsausgleich durch die Krankenkasse. Das Telefonieren und das Führen von Gesprächen seien alltägliche Verrichtungen. Diese fielen sowohl im Privaten als auch am Arbeitsplatz an. Aufgabe des Rentenversicherungsträgers sei der Erhalt der Erwerbsfähigkeit, nicht von Arbeitsfähigkeit. Es komme daher bei der Prüfung von § 9 und 10
SGB VI auf die Höranforderungen des gesamten typischen Berufsbildes an, nicht auf die des konkreten Arbeitsplatzes. Bei einer ausreichenden Hörgeräteversorgung im Sinne der durch das
Bundessozialgerichts-Urteil vom 17.12.2009 aufgestellten Grundsätze durch die Krankenkasse beziehungsweise bei Einhaltung der Verträge durch den Akustiker liege auch kein berufsbedingter Mehrbedarf vor. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass die Klägerin bereits Kontakt zum Hörgeräteakustiker aufgenommen habe. Die beim Hörgeräteakustiker abgegebene Willenserklärung, mit Hörgeräten versorgt zu werden, stelle eine rechtswirksame Antragstellung gegenüber der Krankenkasse dar und setze ein Antragsverfahren bei der Krankenversicherung in Gang. Somit sei die Krankenkasse der Klägerin erstangegangener Träger. Es werde der Klägerin anheimgestellt, sich zur Überprüfung nach § 44
SGB X an ihre zuständige Krankenkasse zu wenden.
Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 29.10.2014 zugestellt.
Die Klägerin hat am 25.11.2014 Klage erhoben. Zur Begründung führte sie zunächst aus, dass die Beklagte als nach Weiterleitung zuständiger Rehabilitationsträger übersehen habe, dass die Klägerin auf die Umstrukturierung ihres Arbeitsplatzes habe reagieren müssen. Sie werde nun zunehmend im Telefondienst zur Beratung eingesetzt. Da gerade bei der telefonischen Beratung über das Hören hinaus kein direkter Kontakt mit den Patienten bestehe, bestehe bei der Klägerin die Gefahr, den Patienten falsch zu verstehen. Die Klägerin habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass die gewählten Hörgeräte speziell im Hinblick auf die berufliche Problematik notwendig seien. Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung sei eine kostenaufwendige Versorgung dann, wenn sie durch eine Verbesserung bedingt sei, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative biete. Ausweislich des Schreibens des Akustikers der Klägerin vom 13.02.2013 seien verschiedene Hörgeräte zur Versorgung ausprobiert worden. Erst mit den ausgewählten Dream-Hörgeräten, die über eine spezielle Schnittstellentechnologie für die Telefonbenutzung verfügten, sei es gelungen, eine Verbindung mit beiden Hörgeräten herzustellen. Dies führe zu einer deutlichen Erleichterung und Sicherheit beim Telefonieren am Arbeitsplatz. Die Klägerin sehe bei einer fehlenden Versorgung mit solchen Hörgeräten ihren Arbeitsplatz akut gefährdet.
Die Klägerin teilte mit, dass ihr die begehrten Hörgeräte bislang probeweise vom Hörgeräteakustiker überlassen worden seien. Die Beigeladene habe noch keine Leistungen übernommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beigeladene zu verurteilen, die Klägerin beidseitig mit Hörgeräten des Modells Widex Dream 220 D2-FS-P einschließlich des im Kostenvoranschlag vom 17.02.2014 genannten Zubehörs zu versorgen,
hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 zu verurteilen, die Klägerin mit Hörgeräten des Modells Widex Dream 220 D2-FS-P einschließlich des im Kostenvoranschlag vom 17.02.2014 genannten Zubehörs zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid und weist ergänzend darauf hin, dass die von der Klägerin begehrte Hörgeräteversorgung ihrer Auffassung nach eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung und nicht Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung sei.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene vertritt die Auffassung, dass sich aus dem Urteil des
BSG vom 17.12.2009 (
B 3 KR 20/08 R) für sie im hiesigen Fall keine weitergehende Leistungspflicht über die Festbeträge hinaus ergebe. Sie halte vielmehr die Leistungspflicht der Beklagten für gegeben. Für die gesetzliche Krankenversicherung bestehe keine Leistungspflicht, soweit nur wegen einer auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesenen beruflichen Tätigkeit oder wegen der besonderen Verhältnisse am Arbeitsplatz ein höherwertiges Hörgerät erforderlich sei (Hinweis auf
BSG, Urteil vom 21.08.2008 -
B 13 R 33/07 R). Die Klägerin benötige die Hörgeräte zur Ausübung ihres Berufes als Diabetesberaterin in einer internistischen Praxis. Die Weiterleitung des Antrags der Klägerin an die Beklagte durch die Beigeladene gemäß
§ 14 SGB IX am 18.02.2014 sei fristgerecht und ordnungsgemäß gewesen. Dies habe die Beklagte auch konkludent akzeptiert durch ihre Entscheidung über den Antrag der Klägerin.
Anlässlich eines Rentenverfahrens holte die Beklagte ein Sachverständigengutachten durch den HNO-Arzt
Dr. St... ein, welches dieser auf Grund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin am 20.01.2016 erstattete. Der Gutachter stellte u.a. eine prozentuale Hörminderung rechts um 95 % und links um 100 % im Reintonaudiogramm fest und diagnostizierte Taubheit und Tinnitus beidseits (H90.3
BG, H93.1
BG). Die Beklagte legte das Gutachten dem Gericht vor.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands, insbesondere zum weiteren Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung.
I.
Die Klage ist hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung gestellten Hauptantrags als Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Sie ist auf die Versorgung der Klägerin mit dem begehrten Hilfsmittel in erster Linie durch die beigeladene Krankenkasse gerichtet.
Die Zulässigkeit der Verurteilung der Beigeladenen ergibt sich aus § 75
Abs. 5
SGG. Nach dieser Vorschrift kann u.a. ein Versicherungsträger nach Beiladung verurteilt werden. Für die Verurteilung des Beigeladenen nach § 75
Abs. 5
SGG ist allerdings erforderlich, dass die Verurteilung des Beigeladenen beantragt wird und dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Klage erfüllt sind.
Das Erfordernis der Antragstellung ergibt sich aus § 123
SGG, wonach das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Das Gericht darf in Folge dieser Regelung nur über die (wohlverstandenen) Anträge des Klägers entscheiden und weder eine Leistung zusprechen, die vom Kläger nicht begehrt wird, noch einen Beteiligten verpflichten, dessen Verpflichtung vom Kläger nicht begehrt wird. Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24.10.2016 die Verurteilung der Beigeladenen beantragt hat, ist diese Voraussetzung vorliegend erfüllt.
Auch die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Verurteilung der Beigeladenen sind erfüllt. Im Hinblick auf den Hauptantrag auf Verurteilung der Beigeladenen ist die allgemeine Leistungsklage nach § 54
Abs. 5
SGG statthaft, da, soweit das klägerische Begehren auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach
§ 13 Abs. 3a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gestützt werden kann, ein (weiterer) Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte (so bereits SG Speyer, Urteil vom 09.07.2015 - S 17 KR 327/14 -, Rn. 34
ff.; SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 -
S 19 KR 479/14 -, Rn. 24; SG Speyer, Urteil vom 28.04.2016 - S 13 KR 1184/13 -, Rn. 18; alle Entscheidungen im Folgenden zitiert nach juris). Die Klägerin kann ihr Begehren gegen die Beigeladene daher verfolgen, ohne dass es einer (weiteren
bzw. echten) Ausgangsentscheidung der Beigeladenen bedürfte. In Folge dessen bedarf es für die Statthaftigkeit der Leistungsklage weder der Kombination mit einer Anfechtungsklage nach § 54
Abs. 1 Satz 1
SGG noch der Durchführung eines Vorverfahrens bei der Beigeladenen.
Demgegenüber wäre eine Feststellungsklage gemäß § 55
Abs. 1
Nr. 1
SGG wegen der Möglichkeit der auf Gewährung der Sachleistung gerichteten Leistungsklage nicht statthaft (a.A. SG Mannheim, Urteil vom 03.06.2014 - S 9 KR 3174/13 -, Rn. 5). Bei Eintritt der Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V besteht der Rechtsanspruch auf die beantragte Leistung, ohne dass hierüber noch ein Bescheid der Beklagten zu erteilen wäre. In dieser Konstellation fehlte für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 55
Abs. 1
Nr. 1
SGG das berechtigte Interesse, da der Rechtssuchende sein Begehren mit der Leistungsklage effektiver durchsetzen kann (
vgl. SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -, Rn. 24; im Ergebnis so auch SG Augsburg, Urteil vom 03.06.2014 -
S 6 KR 339/13 -, Rn. 23; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 02.10.2014 -
S 11 KR 180/14 -, Rn. 16).
In der Umstellung des Antrags der Klägerin auf Verurteilung der Beigeladenen zur Leistung als Hauptantrag und Verurteilung der Beklagten zur Leistung unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide als Hilfsantrag liegt eine sachdienliche und damit zulässige Klageänderung im Sinne des § 99
Abs. 1
SGG.
II.
Die Klage ist im Sinne einer Verurteilung der Beigeladenen hinsichtlich des Hauptantrags begründet.
1. Die Beigeladene war auf Grund der eingetretenen Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V zur Versorgung der Klägerin mit Hörgeräten des Modells Widex Dream 220 D2-FS-P einschließlich des im Kostenvoranschlag vom 17.02.2014 genannten Zubehörs zu verurteilen. Einer Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag bedurfte es daher nicht. Da die Klägerin die begehrte Versorgung bereits aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion beanspruchen kann, wird sich ihr ursprüngliches Klagebegehren, die Beklagte unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides der Beklagten vom 31.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 zu verurteilen, sie mit den genannten Hörgeräten zu versorgen, im Falle der Rechtskraft der Entscheidung erledigen.
2. Die Beigeladene ist für die Erbringung der beantragten Leistung sachlich zuständig. Insbesondere hat sie die Zuständigkeit nicht in Folge der Weiterleitung des Antrags der Klägerin an die Beklagte nach
§ 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verloren. Zwar handelt es sich bei den begehrten Hörgeräten um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, so dass § 14
SGB IX grundsätzlich anwendbar ist (2.1), die Weiterleitung erfolgte auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX (2.2). Die Weiterleitung des Antrags hat jedoch nicht zur Folge, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Verhältnis zum Antragsteller gegebenenfalls seine Zuständigkeit für die Leistungserbringung verliert (2.3).
2.1 Bei der streitgegenständlichen Versorgung mit Hörgeräten handelt es sich um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Nach
§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.
Auch die Versorgung mit Hilfsmitteln wie die vorliegend streitgegenständlichen Hörgeräte kann im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eine Leistung der medizinischen Rehabilitation sein. In
§ 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind sowohl die Versorgung mit Hilfsmitteln (
Nr. 3) als auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (
Nr. 6) als Teil der Krankenbehandlung definiert. Die in
§§ 40,
41 SGB V geregelten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation betreffen ausschließlich ambulante und stationäre Rehabilitationsleistungen in Einrichtungen. Diese Spezialregelungen haben jedoch nicht zur Folge, dass im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich die Leistungen nach §§ 40, 41
SGB V als Leistungen der medizinischen Rehabilitation im Sinne des
§ 5 Nr. 1 SGB IX gelten. Dies ergibt sich zum einen aus der Gesetzessystematik des
SGB V. Hiernach sind die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach §§ 40, 41
SGB V einerseits eine Unterkategorie der Leistungen zur Behandlung einer Krankheit
bzw. Krankenbehandlung § 11
Abs. 1
Nr. 4
SGB V, § 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 6
SGB V), andererseits wird in § 11
Abs. 2 Satz 1
SGB V neben dem Anspruch auf Krankenbehandlung ein allgemeiner gefasster Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) konstituiert. Für diese Leistungen gilt gemäß § 11
Abs. 1 Satz 3
SGB V, dass sie unter Beachtung des
SGB IX erbracht werden, soweit im
SGB V nichts anderes bestimmt ist.
Hieraus ergibt sich, dass im
SGB V der Begriff der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in einem weiteren und in einem engeren Sinne Verwendung findet. Im engeren Sinne sind hiermit die Leistungen nach §§ 40, 41
SGB V bezeichnet. Im weiteren Sinne gehören zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation aber auch alle anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Sinne des
§ 26 Abs. 1 SGB IX erbracht werden, um Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern oder Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern. Die allgemeinen Regelungen des
SGB IX gelten jedoch unterschiedslos für alle medizinischen Rehabilitationsleistungen des Krankenversicherungsrechts, da im
SGB V kein Vorbehalt im Sinne des
§ 7 Satz 1 SGB IX geregelt ist.
Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation umfassen nach § 26
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX auch Hilfsmittel. Dass die Versorgung mit Hilfsmitteln auch im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung unter anderem dem Zweck der medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 26
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX dienen kann, ergibt sich aus den Tatbestandsvoraussetzungen des § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mir Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln haben, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
Ob ein nach den Vorschriften des
SGB V zu leistendes Hilfsmittel als Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu betrachten ist - mit der Folge, dass u.a. die Regelungen der §§ 14,
15 SGB IX Anwendung finden - hängt demnach davon ab, zu welchem Zweck das Hilfsmittel eingesetzt wird. Dient das Hilfsmittel ausschließlich der Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung, stellt es keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar. Wenn das Hilfsmittel ausschließlich oder zugleich dazu dient, einer Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, ist es eine Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Versorgung mit Hörgeräten dient im Falle der Klägerin und wohl auch in nahezu allen anderen Fällen nicht (ausschließlich) der Sicherung eines Behandlungserfolgs, sondern (auch) dem Ausgleich einer Behinderung. Es handelt sich hierbei somit um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation.
2.2 Die Beigeladene hat den Antrag der Klägerin im Sinne des § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX fristgerecht an die Beklagte weitergeleitet. Der Antrag der Klägerin ist frühestens am 17.02.2014 bei der Beigeladenen eingegangen. Der Eingang wurde ausweislich der dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge zwar nicht vermerkt, allerdings stammt das dem Antrag beigefügte Messprotokoll vom 17.02.2014, so dass dieser frühestens an diesem Tag eingereicht worden sein kann. Für den Fristbeginn ist nicht auf den Eingang des Antrags beim Hörgeräteakustiker abzustellen. Entgegen der im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.09.2014 geäußerten Auffassung stellt die gegenüber dem Hörgeräteakustiker abgegebene Willenserklärung des Versicherten noch keine rechtswirksame Antragstellung gegenüber der Krankenkasse dar (offen gelassen durch
BSG, Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R -, Rn. 20). Nach § 16
Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Nach § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er für die Leistung zuständig ist. Die Zweiwochenfrist des § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX wird somit erst mit Eingang des Antrags beim Leistungsträger in Gang gesetzt. Unschädlich ist es, dass der Antrag nicht durch die Klägerin persönlich gestellt wurde, sondern der Leistungserbringer mit dem Anliegen der Klägerin an die Beigeladene herangetreten ist. Die Antragstellung ist nicht an bestimmter Formerfordernisse gebunden. Der Leistungserbringer fungiert in dieser Konstellation als Erklärungsbote, der den beim Leistungserbringer mündlich gestellten Antrag an die Krankenkasse weiterleitet. Einer Vertretungsbefugnis bedarf es hierfür nicht. Das Weiterleitungsschreiben der Beigeladenen vom 18.02.2014 ist am 20.02.2014 bei der Beklagten eingegangen. Die Weiterleitung des Antrags der Klägerin durch die Beigeladene an die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2014 erfolgte somit fristgerecht.
2.3 Die (fristgemäße) Weiterleitung hat jedoch nicht zur Folge, dass die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin ihre Zuständigkeit zur Leistungserbringung verloren hätte. Zum einen führt die Weiterleitung eines Antrags nach § 14
Abs. 1 Satz 2
SGB IX entgegen der Rechtsprechung mehrerer Senate des
BSG (u.a.
BSG, Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R -, Rn. 16;
BSG, Urteil vom 20.10.2009 -
B 5 R 5/07 R - Rn. 15 f.) nicht zu einem Verlust der Zuständigkeit des materiell-rechtlich zuständigen Trägers für die Erbringung der Leistung gegenüber dem Berechtigten (2.3.1). Zum anderen bleiben die Rechtsfolgen der Genehmigungsfiktion nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V von der Zuständigkeitsregelung des § 14
SGB IX unberührt (2.3.2).
2.3.1 Den Verlust der Zuständigkeit des materiell-rechtlich zuständigen Leistungsträgers im Außenverhältnis sieht § 14
SGB IX nicht vor. Aus § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX und § 14
Abs. 2 Satz 3
SGB IX lässt sich allenfalls herleiten, dass entweder der erstangegangene Rehabilitationsträger, der den Antrag nicht fristgerecht weiterleitet, oder der Rehabilitationsträger, an den der Antrag fristgerecht weitergeleitet wurde, im Verhältnis zum Antragsteller jedenfalls auch für die Erbringung der Leistung zuständig wird. Diese Rechtsfolge kommt in der Wendung "stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest" in § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX zum Ausdruck. Ein gleichzeitiger Ausschluss des materiell-rechtlich zuständigen Trägers von der Leistungserbringung gegenüber dem Berechtigten ist hiermit weder ausdrücklich verbunden, noch lässt sich hierfür an anderer Stelle des § 14
SGB IX oder des gesamten
SGB IX ein Anhaltspunkt im Normtext finden. Aus der näheren Gesetzessystematik lässt sich eher das Gegenteil ableiten. So setzt die § 14
Abs. 2 Satz 5
SGB IX geregelte Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den Trägern voraus, dass der materiell-rechtlich zuständige Träger seine Zuständigkeit nicht verloren hat. Auch § 14
Abs. 6
SGB IX zeigt, dass eine Abgabe an einen anderen materiell-rechtlich zuständigen Träger für weitere Leistungen auch noch nach der Zuständigkeitsklärung nach § 14
Abs. 2
SGB IX möglich ist.
Die Gegenauffassung, nach der der materiell-rechtlich zuständige Leistungsträger im Außenverhältnis seine Zuständigkeit bei Eintritt der Voraussetzungen des § 14
Abs. 2 Satz 1 oder Satz 2
SGB IX verliert, kann sich demzufolge nicht auf den Gesetzeswortlaut stützen. Indem auf diese Weise dem Betroffenen das Recht entzogen wird, vom materiell zuständigen Leistungsträger die ihm zustehende Leistung zu verlangen, verstößt diese Auffassung gegen § 31
SGB I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt.
Damit ergibt sich aus dem einschlägigen Gesetzestext zwingend, dass mit § 14
SGB IX keine ausschließliche Zuständigkeit eines erst-
bzw. zweitangegangenen Trägers begründet wird. Der nach § 14
SGB IX zuständig gewordene Träger tritt auf Grund der Sonderregelung vielmehr neben den weiterhin aus materiellem Recht verpflichteten Träger. Die Sonderzuständigkeit führt also gegebenenfalls zu einer gleichzeitigen, wenn auch verschiedenartigen Verpflichtung zweier Leistungsträger gegenüber dem Berechtigten (so bereits
BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 19/06 R -, Rn. 32¸ offen gelassen:
BSG, Urteil vom 21.08.2008 -
B 13 R 33/07 R -, Rn. 34).
2.3.2 Hiervon unabhängig schränkt eine Weiterleitung nach § 14
Abs. 1
SGB IX die Wirkung der Genehmigungsfiktion nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V nicht ein. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Genehmigungsfiktion in ihren Rechtsfolgen mit einem bewilligenden Verwaltungsakt identisch ist und derjenige Leistungsträger, zu dessen Lasten die Genehmigungsfiktion greift, unabhängig von der materiellen Rechtslage zur Erbringung der Leistung verpflichtet ist, solange die Fiktionswirkung nicht nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X) zurückgenommen oder nach § 48
SGB X vollziehbar aufgehoben wurde oder sich auf andere Weise erledigt hat (§ 39
Abs. 2
SGB X).
3. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist die auf Grund der Regelung des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V eingetretene und wirksame Fiktion der Genehmigung der von der Klägerin begehrten Leistung, so dass die Klägerin die Beigeladene nunmehr auf Durchführung der Versorgung mit den begehrten Hörgeräten nebst Zubehör in Anspruch nehmen kann.
3.1 Nach § 13
Abs. 3a
SGB V (eingefügt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20.02.2013, BGBl. I, 277) hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und den Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der MDK nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse die Frist nach Satz 1 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6). Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (Satz 7). Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14, 15
SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und Erstattung selbst beschaffter Leistungen (Satz 9).
3.2 Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V sind erfüllt. Der Antrag der Klägerin ist spätestens am 18.02.2014 unter Vorlage eines Kostenvoranschlags des Hörgeräteakustikers Sch... & M...
GmbH bei der Beigeladenen eingegangen. Der Umstand, dass der Antrag nicht durch die Klägerin persönlich gestellt, sondern vom Leistungserbringer an die Beigeladene übermittelt wurde, ist auch im Hinblick auf die Fristen des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V unschädlich (s.o. unter 2.2). Die mangels Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme durch den MDK maßgebliche Dreiwochenfrist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V endete daher spätestens am 11.03.2014.
3.3 Eine Entscheidung über den Antrag erfolgte innerhalb dieser Frist und auch in der Folgezeit bis zum Tag der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren nicht. Die Beigeladene hat der Klägerin auch nicht gemäß § 13
Abs. 3a Satz 5
SGB V unter Darlegung von Gründen schriftlich mitgeteilt, dass sie die Frist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V nicht einhalten könne.
Die Weiterleitung des Antrags an die Beklagte mit Schreiben vom 18.02.2014 stellt keine Entscheidung im Sinne des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V dar. Eine Entscheidung im Sinne des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V muss stets gegenüber dem Antragsteller im Wege eines Verwaltungsaktes (§ 31
SGB X) entweder in Form der Leistungsbewilligung oder in Form der Ablehnung des Antrags erfolgen. Dies ergibt sich daraus, dass es sich um eine Entscheidung über den gestellten Antrag handelt. Durch den Antrag wird gemäß § 18 Satz 2
Nr. 1
SGB X ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, das nach § 8
SGB X stets auf den Erlass einer Entscheidung in Form eines Verwaltungsaktes (
bzw. auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags) ausgerichtet ist. Erst durch die Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen wird der Verwaltungsakt wirksam (§ 39
Abs. 1 Satz 1
SGB X).
Entgegen der Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 25.04.2016 - L 5 KR 121/16 B ER -, Rn. 26
ff.) ist nicht bereits der Zeitpunkt des internen Abschlusses der Entscheidungsfindung der Behörde für die Frage der Einhaltung der Frist maßgeblich. Bis zur Bekanntgabe der Entscheidung gegenüber dem Betroffenen per Verwaltungsakt hat eine behördeninterne Entscheidung keinerlei Außenwirkung und kann gegenüber dem von der Maßnahme Betroffenen keine Rechtswirkung entfalten. Aus diesem Grund gibt es auch keinen definitiven Abschluss der behördlichen Entscheidungsfindung vor Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und somit auch keinen verallgemeinerungsfähigen rechtlichen Anknüpfungspunkt für die Rechtsauffassung des Bayerischen
LSG.
Die Weiterleitung eines Leistungsantrags nach § 14
SGB IX kann daher nur dann als Entscheidung über den Antrag im Sinne des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V angesehen werden, wenn hiermit zugleich (
ggf. konkludent) eine Leistungsablehnung gegenüber dem Antragsteller erfolgt und diesem im Sinne des § 37
SGB X bekanntgegeben worden ist. Ob die Frist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V eingehaltenen worden ist, richtet sich in diesem Fall nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller.
Da die Beigeladene gegenüber der Klägerin den Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten weder ausdrücklich abgelehnt, noch diese innerhalb der Dreiwochenfrist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V über die Weiterleitung an die Beklagte und eine hiermit gegebenenfalls verbundene Ablehnung des Antrags wegen vermeintlicher Unzuständigkeit informiert hat, ist die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V eingetreten.
3.4 Rechtsfolge der Fristversäumnis ist nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V, dass die beantragte Leistung als genehmigt gilt (fingierter Verwaltungsakt). Dies hat zur Folge, dass die Beklagte die Sachleistung nunmehr auch zu gewähren hat (SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -, Rn. 30
m.w.N.). Auf Grund der (fiktiven) Genehmigung kann die Klägerin von der Beigeladenen die begehrte Versorgung beanspruchen.
3.4.1 Der Auffassung, § 13
Abs. 3a
SGB V regele ausschließlich einen Kostenerstattungsanspruch, kann angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V nicht gefolgt werden (so bereits SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -, Rn. 31). § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V lautet:
"Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt."
Die hier in Rede stehende "Genehmigung" kann im Kontext des
SGB V nicht lediglich als "Erlaubnis" verstanden werden, sich eine beantragte Leistung auf eigene Kosten selbst beschaffen zu dürfen, um anschließend gegebenenfalls einen Erstattungsanspruch nach § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V geltend machen zu können (so aber Helbig in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 13
SGB V, Rn. 71). Zunächst bedarf es für eine derartige Selbstbeschaffung keiner Erlaubnis der Krankenkasse. Versicherte können und dürfen sich Gesundheitsdienstleistungen ohnehin auf eigene Kosten selbst beschaffen. Das Vorliegen einer (fingierten) Genehmigung oder Erlaubnis ist auch keine Voraussetzung für den Erstattungsanspruch aus § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V. Dieser lautet:
"Beschaffen sich Leistungsberichtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet."
Der Erstattungsanspruch knüpft somit nicht an das Vorliegen einer (fingierten) Genehmigung an, sondern an den Ablauf der (in § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V geregelten) Frist. Er setzt - anders als die Genehmigungsfiktion - zusätzlich voraus, dass die selbst beschaffte Leistung erforderlich war. Würde die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V dennoch (ausschließlich oder zusätzlich) als Voraussetzung für den Erstattungsanspruch angesehen, hätte dies zur Folge, dass ein Verwaltungsakt fingiert würde, dessen Wirkungen die Krankenkasse mit einem echten Verwaltungsakt semantisch gleichen Inhalts nicht herbeiführen könnte. Denn wenn die Krankenkasse auf einen Leistungsantrag eines Versicherten diese Leistung ausdrücklich "genehmigen" würde, folgte hieraus gerade kein "Recht auf Selbstbeschaffung" mit nachfolgendem Erstattungsanspruch, sondern ausschließlich ein notfalls per Leistungsklage durchsetzbarer Naturalleistungsanspruch (
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Der fingierte Verwaltungsakt hätte also völlig andere Rechtsfolgen als ein gleichlautender ausdrücklicher Verwaltungsakt.
Träfe es zu, dass durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion das Verwaltungsverfahren beendet wäre, die Genehmigungsfiktion aber lediglich zur Folge hätte, dass der Versicherte den Weg der Selbstbeschaffung mit Erstattungsanspruch gehen könnte, könnten Krankenkassen Anträge auf Sachleistungen zumindest bei weniger bemittelten Versicherten regelmäßig durch Nichtbearbeitung ins Leere laufen lassen. Das Verwaltungsverfahren wäre nach drei Wochen durch eine für Mittellose nutzlose Genehmigungsfiktion beendet. Dem Versicherten bliebe nicht einmal die Möglichkeit per Untätigkeitsklage eine Entscheidung über einen Sachleistungsanspruch zu erzwingen.
Gegen die den Anwendungsbereich des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V einschränkende Auffassung spricht auch das in § 2
Abs. 2 Satz 1
SGB V geregelte Sach- und Dienstleistungsprinzip, dass für eine Abweichung hiervon eine gesetzliche Regelung im
SGB V oder im
SGB IX verlangt. Dieses Prinzip hat zur Folge, dass bei der Einräumung von Ansprüchen im
SGB V grundsätzlich von der Rechtsfolge eines Sach- oder Dienstleistungsanspruchs auszugehen ist. Für hiervon abweichende Leistungsformen bedarf es gesetzlicher Regelungen. In § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V ist eine abweichende Leistungsform jedoch nicht geregelt. Dafür, dass § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V die erforderliche abweichende Regelung darstellen könnte, fehlt es an einer hinreichenden semantischen Verknüpfung zwischen beiden Sätzen. Wie bereits ausgeführt, knüpft § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V an den "Ablauf der Frist" des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V an und gerade nicht an den Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V.
Gegen die Interpretation der Genehmigungsfiktion ausschließlich als Voraussetzung für den Erstattungsanspruch spricht zudem, dass die semantisch eindeutig eine Begünstigung aussprechende Regelung des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V sich tatsächlich allein nachteilig für die Rechtsposition der Betroffenen auswirken würde. Denn während ein Verstreichen der Frist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V durch die Krankenkasse nicht mehr nachträglich beseitigt werden kann, unterliegt ein fingierter Verwaltungsakt den Korrekturmöglichkeiten der §§ 45
ff. SGB X und könnte daher mit der Folge beseitigt werden, dass ein Erstattungsanspruch nicht entsteht oder entfällt. Eine für die Leistungsberechtigten positive Auswirkung hätte § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V ohne die Rechtsfolge eines Sachleistungsanspruchs nicht. Würde dieser Satz ersatzlos gestrichen, würde ein Erstattungsanspruch nach Ablauf der Frist des § 13
Abs. 3a Satz 1
SGB V ohne Korrekturmöglichkeiten nach den §§ 45
ff. SGB X aus § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V folgen. Gegen die Annahme der für den betroffenen Personenkreis entgegen dem allgemeinen Sprachverständnis allein negativen Funktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V spricht sowohl der rechtsstaatliche Grundsatz der Normenklarheit und Normenwahrheit (
vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 - 1 BvL 1/01, 1 BvR 1749/01 -, Rn. 61) als auch der Auslegungsgrundsatz der möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2
Abs. 2
SGB I).
3.4.2 Die Genehmigungsfiktion des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V tritt unabhängig davon ein, ob die Voraussetzungen der als genehmigt geltenden Leistung im konkreten Fall vorliegen. Nach Ablauf der Frist ist der geltend gemachte Anspruch von der Krankenkasse ohne weitere Prüfungen zu erfüllen (SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -, Rn. 33
m.w.N.). Insbesondere wird für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht vorausgesetzt, dass die beantragte Leistung erforderlich ist. Diese Anspruchsvoraussetzung besteht nur für den Erstattungsanspruch nach § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V.
Ob von der Fiktionswirkung nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V von vornherein nur solche Leistungen erfasst werden, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zur erbringen haben (so im Ausgangspunkt SG Dortmund, Beschlüsse vom 16.07.2014 -
S 40 KR 742/14 ER, Rn. 19 sowie vom 31.01.2014 -
S 28 KR 1/14 ER -, Rn. 22) oder die grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldet werden (so
LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.05.2014 -
L 16 KR 154/14 B ER,
L 16 KR 155/14 B -, Rn. 26)
bzw. die nicht offensichtlich außerhalb des "Leistungskatalogs" der gesetzlichen Krankenversicherung liegen (so
BSG, Urteil vom 08.03.2016 -
B 1 KR 25/15 R -), kann vorliegend offengelassen werden, da die von der Klägerin begehrten Hörgeräte fraglos zum Leistungsspektrum der Krankenkassen gehören. Der Wortlaut des § 13
Abs. 3a
SGB V (Antrag auf "Leistung") legt jedenfalls eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm nicht nur auf Sach- oder Dienstleistungen (§ 13
Abs. 1
i.V.m. § 2
Abs. 2
SGB V), sondern darüber hinaus auf die in § 11
SGB V aufgeführten Leistungsarten nahe (SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -).
3.5 Die Genehmigungsfiktion wurde von der Beigeladenen nicht vollziehbar zurückgenommen (§ 45
SGB X) oder aufgehoben (§ 48
SGB X). Sie hat sich auch nicht auf andere Weise (etwa durch Selbstbeschaffung) erledigt (§ 39
Abs. 2
SGB X).
Die Rücknahme nach § 45
SGB X ist zwar grundsätzlich möglich, solange die Leistung noch nicht erbracht und die Krankenkasse noch nicht rechtskräftig zur Erbringung der Leistung verpflichtet wurde. Voraussetzung hierfür wäre aber zumindest, dass die (fiktive) Leistungsbewilligung von Beginn an rechtswidrig war, weil kein materiell-rechtlicher Anspruch auf die genehmigte Leistung bestand. Soweit der 1. Senat des
BSG die Auffassung vertritt, dass sich die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsfiktion nach der Erfüllung der Voraussetzungen des § 13
Abs. 3a
SGB V beurteile (
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R - Rn. 32;
vgl. Leitsatz
Nr. 4), verkennt er den Unterschied zwischen der Frage der materiellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes und den (von der materiellen Rechtmäßigkeit unabhängigen) Rechtsfolgen eines wirksamen Verwaltungsakts. Durch § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V wird lediglich die Genehmigung (d.h. Bewilligung) einer Leistung fingiert, also ein Verwaltungsakt über einen geltend gemachten Anspruch und nicht das Bestehen des Anspruches selbst. Die fingierte Genehmigung kann unter den gleichen Voraussetzungen wieder beseitigt werden, wie eine per Bescheid erteilte Genehmigung, eben weil sie als eine solche gilt.
Aus Anlass der theoretisch noch möglichen Rücknahme der fiktiven Leistungsgenehmigung ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Klägerin aller Voraussicht nach auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Hörgeräten gegen die Beigeladene als Sachleistung hat und die fingierte Genehmigung in Folge dessen rechtmäßig sein dürfte, so dass die Voraussetzungen des § 45
Abs. 1
SGB X für eine Rücknahme der Leistungsbewilligung wohl nicht vorliegen.
Dass die Klägerin an einer schweren, an Taubheit grenzenden Hörminderung leidet und dass sie dem Grunde nach einen Anspruch auf Versorgung mit Hörgeräten gegen die Beigeladene und/oder gegen die Beklagte hat, steht nicht zuletzt auf Grund des beigezogenen Sachverständigengutachtens von
Dr. St... vom 20.01.2016 zweifelsfrei fest. Der Anspruch von Versicherten auf Versorgung mit Hörhilfen gemäß § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V ist ein Sachleistungsanspruch, also auf tatsächliche Verschaffung von Hörgeräten gerichtet. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten auf die erforderliche Hörgeräteversorgung wird weder durch die Festbetragsfestsetzung noch durch eine Preisvereinbarung zwischen Krankenkasse und Leistungserbringer begrenzt (so zutreffend mit ausführlicher Begründung: SG Speyer, Urteil vom 18.09.2015 -
S 19 KR 509/14 -, Rn. 32
ff.). Die in § 33
Abs. 7
SGB V und § 12
Abs. 2
SGB V geregelten Beschränkungen auf die vertraglich vereinbarten Preise
bzw. auf die Festbeträge betreffen lediglich das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungsträger. Dies ergibt sich logisch zwingend daraus, dass es sich bei dem Anspruch des Versicherten um einen Sachleistungsanspruch handelt, der Anspruch des Versicherten somit nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags an sich selbst oder an einen Leistungserbringer besteht. Wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten auf Grund des Sachleistungsprinzips (§ 2
Abs. 2 Satz 1
SGB V) nicht mit einem Geldbetrag erfüllen kann, kann die Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten auch nicht durch die Bezifferung eines Geldbetrages begrenzt werden. Die §§ 12
Abs. 2, 33
Abs. 7
SGB V beschränken daher den Anspruch der Versicherten auf Sachleistung nicht (so bereits
BVerfG, Urteil vom 17.12.2002 -
1 BvL 28/95,
1 BvL 29/95,
1 BvL 30/95 -, Rn. 138
ff.). Die Auffassung, dass mit § 12
Abs. 2
SGB V der Anspruch des Versicherten auf den Festbetrag beschränkt wäre und dieser über den Festbetrag hinausgehende Kosten selbst zu tragen habe (so beispielsweise Engelhard in: jurisPK-SGB V, § 12 Rn. 147;
BSG, Urteil vom 21.08.2008 -
B 13 R 33/07 R -, Rn. 39), trifft daher nicht zu.
Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs zielt der Anspruch des Versicherten auf einen möglichst vollständigen funktionellen Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dabei ist die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens. Versicherte haben daher einen Anspruch auf Sachleistung, gerichtet auf eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der
GKV nach dem
SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem
SGB VI) bestmögliche Versorgung mit Hörgeräten (
BSG, Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R -, Rn. 19 und 21; SG Speyer, Urteil vom 18.09.2015 - S 19 KR 509/14 -, Rn. 34).
Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die Klägerin auch materiell-rechtlich einen Anspruch auf Versorgung mit den begehrten Hörgeräten hat, da diese sich in der Testung durch den Hörgeräteakustiker als diejenige Versorgung herausgestellt haben, mit denen der seinerzeit bestmögliche Ausgleich der Behinderung der Klägerin erreicht werden konnte.
Ein neben dem krankenversicherungsrechtlichen Anspruch gegebenenfalls bestehender (
vgl. den Ausschluss nur für zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz in § 15
Abs. 1 Satz 2
SGB VI) und ebenfalls auf Sachleistung gerichteter Anspruch nach den Vorschriften des
SGB VI würde im vorliegenden Fall nicht weiter reichen. Der Umstand, dass die Klägerin im beruflichen Umfeld in der Lage sein muss, Telefongespräche oder Gespräche in der Gruppe oder bei störenden Umgebungsgeräuschen zu führen und zu verstehen, macht die hierfür benötigte Wiederherstellung der Hörfähigkeit nicht zu einem berufsbedingten Mehrbedarf. Denn die genannten Fähigkeiten würden die Klägerin gegebenenfalls nicht von einem hörgesunden Menschen unterscheiden. Solange das Hörvermögen eines Versicherten aber noch nicht derart ausgeglichen ist, dass er auch diese Situationen wie ein Gesunder bewältigen kann, ist der Behinderungsausgleich im Hinblick auf das allgemeine Grundbedürfnis des täglichen Lebens gerade noch nicht vollständig gelungen (so bereits SG Speyer, Urteil vom 18.09.2015 - S 19 KR 509/14 -, Rn. 75
ff.).
3.6 Die Kategorisierung der streitigen Hörgeräteversorgung als Leistung der medizinischen Rehabilitation (siehe oben unter 2.1) hat nicht zur Folge, dass die Anwendbarkeit des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V auf Grund der Regelung des § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V ausgeschlossen wäre.
§ 13
Abs. 3a
SGB V enthält eine klare Unterscheidung zwischen dem in Satz 6 geregelten Sachleistungsanspruch und dem in Satz 7 geregelten Kostenerstattungsanspruch (so schon SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 08.04.2016 - S 19 KR 479/14 -, Rn. 27
m.w.N.; ungenau hingegen
BSG, Urteil vom 08.03.2016 - B 1 KR 25/15 R -, Rn. 12, wo von einem "Erstattungsanspruch bei Genehmigungsfiktion" die Rede ist). Der Verweis auf die Vorschriften des
SGB IX für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB IX erfolgt aber ausdrücklich nur hinsichtlich der Zuständigkeitsklärung und für die in § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V geregelten Fälle der Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung durch den Versicherten. Vorliegend macht die Klägerin aber keinen Kostenerstattungsanspruch, sondern einen Anspruch auf Gewährung der beantragten Sachleistung gemäß § 33
Abs. 1
SGB V (Versorgung mit Hörgeräten des Modells Widex Dream 220 D2-FS-P einschließlich Zubehör) geltend. Die Wirkungen der Genehmigungsfiktion aus § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V werden durch den Verweis auf das
SGB IX in § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V nicht berührt. Die vom
BSG im Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R -, Rn. 16
ff.) vorgenommenen Abgrenzungsversuche sind für die Fälle des § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V daher irrelevant.
Es bedarf somit im vorliegenden Fall keiner Entscheidung über die Frage der Rechtsfolgen der Verweisung in § 13
Abs. 3a Satz 9
SGB V auf die Regelungen des
SGB IX zur Zuständigkeitsklärung und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.
3.7 Für den Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13
Abs. 3a Satz 6
SGB V spielt es auch keine Rolle, ob die beantragte Leistung erforderlich ist. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist nur für den Fall des Erstattungsanspruchs nach § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V vorgesehen. Es bedarf im vorliegenden Verfahren daher keiner Entscheidung, wie der Begriff der Erforderlichkeit des § 13
Abs. 3a Satz 7
SGB V näher zu konkretisieren ist.
4. Vor dem Hintergrund, dass der Klage hinsichtlich des Hauptantrags stattgegeben wurde, kann offen bleiben, ob der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2014 rechtswidrig ist und die Klägerin auch gegen die Beklagte einen Anspruch auf Versorgung mit den begehrte Hörgeräten hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
Abs. 1 Satz 1
SGG. Sie entspricht dem Ausgang des Verfahrens unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Beigeladene den Antrag trotz eigener materieller Zuständigkeit für die Leistungserbringung an die Beklagte weitergeleitet und somit das Widerspruchs- und Klageverfahren veranlasst hat.