Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine entschieden werden, §§ 155
Abs. 3, 153
Abs. 1, 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Die beiden Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 8. Mai 2017 einverstanden erklärt.
Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54
Abs. 1,
Abs. 4
SGG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig. Die Beklagte hat dem Kläger die von ihm für die Hörgeräte geleistete Zuzahlung zu erstatten.
Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruches ist
§ 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V. Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender primärer Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn insoweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R). Hier hat die Beklagte ihre Leistungspflicht zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruches rechtswidrig abgelehnt. Der Kläger hat sich die Leistung selbst beschafft und hierbei die Grenzen des Notwendigen gewahrt.
Rechtsgrundlage des Leistungsanspruches ist hier
§ 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Hörgeräte sind keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und nicht nach § 34
Abs. 4
SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Sie dienen weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung. Sie sind zu leisten, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (
§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind (
BSG, Urteil vom 12 Dezember 2009,
a. a. O. sowie Urteil vom 24. Januar 2013 -
B 3 KR 5/12 R -
Rdnr. 29). Bei einem Hörgerät geht es um einen sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich: Das Gerät soll die ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktion selbst ausgleichen (
BSG, Urteil vom 24. Januar 2013,
Rdnr. 31). Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleiches geleitet. Es gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleiches des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschrittes. Es kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiter entwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der erreichte Versorgungsstandort sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Beim Hören ist vielmehr geschuldet, dass hörbehinderte Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen eröffnet wird und ihnen die dazu erforderlichen Geräte zur Verfügung gestellt werden (
BSG,
a. a. O.).
Der Anspruch ist allerdings auf das Maß beschränkt, wie dies die Beklagte und das SG dargestellt haben.
Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwendige Versorgung allerdings dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative hat (Hessisches
LSG, Urteil vom 24. Juli 2014 -
L 8 KR 352/11 - juris
Rdnr. 46 mit Bezugnahme auf
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009).
Der Kläger hier leidet unstreitig an einer beidseitigen an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Obwohl er im Erörterungstermin die beiden hier indirekt streitgegenständlichen Hörgeräte trug und die Hörsituation einfach war (geschlossener Raum, kein Durcheinandersprechen) war er nur teilweise in der Lage, einer direkten Ansprache in normaler Lautstärke zu folgen. Die Richtigkeit seiner Angabe, nur mit den streitgegenständlichen Hörgeräten verzerrungsfrei und ohne Rückkopplung gehört zu haben, erscheint dem Gericht glaubhaft und glaubwürdig. Sie ist einleuchtend und überzeugend.
Die nur theoretischen Ausführungen
bzw. Einschätzungen des MDKs und auch des Behandlers stehen diese Einschätzungen nicht entgegen. Hören
bzw. das Hörempfinden ist eine subjektive Angelegenheit und betrifft nicht nur die Möglichkeit, Sprachinformationen aufnehmen zu können.
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, es könne davon ausgegangen werden, dass, falls es erforderlich sei, auch vom Leistungserbringer im Rahmen der eigenanteilsfreien Hörhilfenversorgung Hörhilfen ausgewählt würden, die über Zusatztechniken verfügen, die es auch im Störgeräusch ermöglichen, Sprache ausreichend zu verstehen, kann dem nicht gefolgt werden.
Zwar erfüllt eine Krankenkasse aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Sachleistungsverpflichtung "Versorgung mit Hörhilfen" regelmäßig auf der Grundlage einer Festbetragsregelung (§ 36
SGB V) mit dem Festbetrag (§ 12
Abs. 2
SGB V), also unter Zuzahlungspflicht des Versicherten hinsichtlich des den Festbetrag übersteigenden Teils des Kaufpreises.
Dies ist grundsätzlich verfassungsgemäß, gilt jedoch in dieser Form nur, wenn eine sachgerechte Versorgung des Versicherten zu den festgesetzten Festbeträgen möglich ist. Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse nämlich dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (
BSG, Urteil vom 21. August 2008 -
B 13 R 33/07 R juris-
Rdnr. 39 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
BSG).
Ein solcher Fall liegt hier, wie ausgeführt, zur Überzeugung des Gerichts vor.
Dass möglicherweise andere Hörgeräte - unter Umständen je nach Einstellung durch den Akustiker - ein ähnliches Ergebnis erzielt hätten, vermag die Notwendigkeit der konkreten Beschaffung nicht aufzuheben. Eine entsprechende Beratung und Begutachtung des Klägers ist nicht erfolgt (
vgl. zur Kritik an der Vorgehensweise der Krankenkassen und Rehabilitationsträger:
LSG Hessen,
a. a. O. juris-
Rdnr. 48ff).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.