Urteil
Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung - Hilfe zum Besuch eines Gymnasiums - Notebook nebst Zubehör für eine blinde Schülerin

Gericht:

LSG Baden-Württemberg 7. Senat


Aktenzeichen:

L 7 SO 39/16


Urteil vom:

19.04.2018


Orientierungssätze:

Zum Anspruch einer blinden Gymnasiastin auf Übernahme der Kosten für ein für den Schulbesuch bestimmtes Notebook (Laptop) nebst Zubehör als Hilfe zur angemessenen Schulbildung.

Rechtsweg:

SG Heilbronn, Urteil vom 19.11.2015 - S 14 SO 1995/14

Quelle:

Justizportal des Landes Baden-Württemberg

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. November 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird:
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 23. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 verurteilt, der Klägerin die Kosten für das Notebook nebst Zubehör und Zusatzleistungen gemäß der Rechnung der H-T. GmbH vom 2. April 2014 in Höhe von 1.248,00 Euro zu erstatten.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:


Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ein Notebook (Laptop) nebst Zubehör und Zusatzleistungen in Höhe von insgesamt 1.248,00 Euro.

Die 1996 geborene Klägerin ist auf Grund fehlender Augenanlage von Geburt an blind. Vom Schuljahr 2003/2004 bis zum Schuljahr 2007/2008 besuchte sie teilstationär die Grundschule für sehbehinderte und blinde Menschen der Stiftung N. in S.. Danach wechselte sie an das G.-Gymnasium in L., wo sie seit September 2008 - unterstützt durch eine vom Beklagten im Rahmen der Eingliederungshilfe finanzierte Schulassistenz - inklusiv beschult wurde. Die von der Klägerin sowohl bei der beigeladenen Krankenkasse, der .. BKK, als auch bei dem Beklagten beantragte Übernahme der Kosten der schulischen Ausstattung mit einem Notebook nebst Zubehör war zunächst erfolglos geblieben (Bescheid des Beklagten vom 25. September 2008, Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009; klageabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn [SG] vom 30. August 2010 - S 10 SO 1382/09 -). Das anschließende Berufungsverfahren beim Landessozialgericht - LSG - Baden Württemberg (L 7 SO 4650/10) erledigte sich schließlich im Januar 2012 durch ein von der Klägerin angenommenes Anerkenntnis der Beigeladenen, die sich auf richterlichen Hinweis bereit erklärte, die Kosten für das für den Schulbesuch am Gymnasium bereits in der Vergangenheit angeschaffte Notebook (1.190,00 Euro) zu übernehmen.

Am 4. Oktober 2013 beantragte die Klägerin, die seinerzeit die 10. Klasse des G.-Gymnasiums besuchte, bei der Beigeladenen, bei der sie krankenversichert ist, zur Erneuerung der blindengerechten schulischen Ausstattung die Versorgung mit einem Notebook nebst Zubehör und Zusatzleistungen. Zu dem Antrag legte sie einen Kostenvoranschlag der H.T. GmbH vom 25. September 2013 über insgesamt 2.348,00 Euro (einschl. 19% MwSt.) vor, der neben dem angebotenen Notebook (798,33 Euro netto) außerdem die Kosten für ein Update der Braille-, Sprachausgabe- und Texterkennungssoftware, für ein externes USB DVD-Laufwerk (40,34 Euro netto), für eine Garantieverlängerung auf 36 Monate (inkl. Blitzreparaturservice und Pickup-/Return-Service; insges. 84,03 Euro netto) sowie für eine Notebook-Installation und -Konfiguration (2,5 Stunden; insges. 126,05 Euro netto) zum Inhalt hatte. Dem Antrag beigefügt war ferner eine Stellungnahme der Sonderschullehrerin K. vom sonderpädagogischen Dienst der N. vom 30. September 2013, die darin darlegte, dass die Klägerin ohne ein Notebook nicht aktiv am Unterricht teilnehmen könne. Im Gegensatz zu sehenden Mitschülern könne die Klägerin keine Schulbücher, Arbeitsblätter oder Hefte nutzen; diese Medien würden in digitale Dokumente umgewandelt, die sie am Notebook mit einer Hilfssoftware lesen und bearbeiten könne. Das bisherige Gerät sei nicht mehr zuverlässig und kompatibel zu den aktuellen Versionen der Hilfssoftware, sodass eine Erneuerung des Notebooks zwingend notwendig sei.

Den vorstehenden Antrag leitete die Beigeladene am 15. Oktober 2013 unter Verweis auf § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den Beklagten weiter. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass eine Kostenübernahme über die Sozialhilfe einkommens- und vermögensabhängig sei, und bat u.a. um Nachweise zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Familie. Darauf teilte der Vater der seinerzeit noch minderjährigen Klägerin mit, das Notebook diene schulischen Zwecken, weshalb die Leistungsgewährung unabhängig von Einkommen oder Vermögen zu erfolgen habe. Deshalb komme es nicht darauf an, dass die sozialhilferechtlichen Einkommens- und Vermögensgrenzen in ihrem Fall überschritten seien. Auf Anforderung des Beklagten legte die Sonderschullehrerin K. eine ergänzende Stellungnahme vom 26. November 2013 vor, in der sie auch die Notwendigkeit der Erneuerung der Hilfsmittelsoftware begründete.

Die Beigeladene erklärte sich darauf dem Beklagten gegenüber mit Schreiben vom 20. Januar 2014 bereit, die Kosten für die Braille-, Sprachausgabe- und Texterkennungssoftware aus dem Angebot der H.T. GmbH vom 25. September 2013 (insgesamt 1.099,99 Euro einschl. 19% MwSt.) zu übernehmen. Mit Bescheid vom 24. Januar 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin anschließend Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Braille- und Sprachausgabesoftware sowie der Texterkennungssoftware. Die Kosten in Höhe von 1.099,99 Euro machte er bei der Beigeladenen geltend.

Durch Bescheid vom 23. Januar 2014 lehnte der Beklagte dagegen die Übernahme der Kosten für das Notebook, für das externe USB DVD-Laufwerk, für die Garantieverlängerung sowie für die Notebook-Installation und -Konfiguration ab, weil es sich insoweit um mögliche Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handele, die nicht durch § 92 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) geschützt und daher einkommens- und vermögensabhängig seien. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin, die zwischenzeitlich das Notebook sowie die weiteren vorgenannten Positionen laut Rechnung der H.T. GmbH vom 2. April 2014 (1.248,00 Euro) käuflich erworben und die Kosten hierfür bezahlt hatte, geltend, dass es sich bei dem Notebook um eine Leistung im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII handele. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, wobei er zur Begründung ausführte, Hilfsmittel, die zum Besuch einer Schule benötigt würden, fielen nicht unter die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII und damit auch nicht unter die Schutzvorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, denn ein Notebook stelle einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens dar, der nicht speziell auf die Schulausbildung zugeschnitten, sondern durch eine umfassendere Verwendbarkeit gekennzeichnet sei.

Deswegen hat die Klägerin am 5. Juni 2014 Klage zum SG erhoben. Zur Begründung hat sie vorgebracht, die Versorgung mit einem Notebook sei grundlegende Voraussetzung dafür, dass sie dem Unterricht folgen, Mitschriften anfertigen und ihre Hausaufgaben sinnvoll erledigen könne. Ein Notebook ersetze einem blinden Schüler Arbeitsmittel und Medien, die sehende Schüler normalerweise für ihre tägliche Arbeit benötigten, für sie als Blinde jedoch nicht nutzbar seien; so würden beispielsweise der Schreibstift und das Schulheft durch Textverarbeitungssoftware, Literatur, Wörterbücher und Lexika auf Papier durch elektronische Dokumente, Zeitschriften und aktuell gedruckte Informationsmedien durch den Zugang zum Internet und der Taschenrechner durch ein entsprechendes Programm ersetzt. Zwar sei für die Her- und Sicherstellung der Schulfähigkeit behinderter schulpflichtiger Schüler primär die gesetzliche Krankenversicherung zuständig, soweit Hilfsmittel im Sinne des § 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) betroffen seien. Da sie bei Antragstellung jedoch bereits die 10. Klasse des G.-Gymnasium besucht habe und es sich bei dem Notebook samt Zubehör um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele, sei der Beklagte zu der Kostenübernahme im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne von § 54 Abs. l Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII, und zwar einkommens- und vermögensunabhängig, verpflichtet. Im Rahmen des Paradigmenwechsels mit der Einführung des SGB IX und des SGB XII sei der gesetzgeberische Wille erkennbar geworden, dass die Ursache des Hilfebedarfs auch für die Zuordnung des Anspruchs entscheidend sein solle, gleichgültig, ob es sich z.B. um ein Hilfsmittel oder andere Hilfen handele. Bei der beantragten Leistung handele es sich nicht um eine Maßnahme der sozialen Teilhabe, sondern um eine notwendige Hilfe zum angemessenen Schulbesuch. Für außerschulische Zwecke stehe ihr zu Hause ein anderer Rechner zur Verfügung, den sie z.B. für Facebook und YouTube benutze. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Ein Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung bestehe nicht, weil es sich bei dem Notebook um ein Hilfsmittel im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handele. In § 9 Abs. 2 Nr. 12 der Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) seien Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Übrigen ausdrücklich erwähnt. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass eine Rechtsänderung bei Einführung des SGB XII nicht gewollt gewesen sei. Die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 5. Juni 1975 (Az.: V C 5.74) zu § 40 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) aufgestellten Grundsätze seien mithin weiterhin anzuwenden. Da ein Notebook kein schulspezifisches Lernmittel, sondern nur ein Hilfsmittel darstelle, das nach seiner Bestimmung auch zu außerschulischen Zwecken verwendet werden könne, scheide eine Einkommens- und Vermögensprivilegierung aus.

Mit Urteil vom 19. November 2015 hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014 verurteilt, "der Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.248,00 Euro für den Erwerb eines Laptops mit Zubehör zu erstatten." In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten, dessen Zuständigkeit sich nach Weiterleitung des Antrags aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ergebe, einen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für das Notebook nebst Zubehör, ohne ihr Einkommen und Vermögen einsetzen zu müssen. Der streitige Kostenerstattungsanspruch ergebe sich aus § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Einen nicht abschließenden Leistungskatalog der Eingliederungshilfe enthalte § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, der zunächst auf verschiedene Bestimmungen des SGB IX verweise, nämlich auf dort geregelte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen sowie zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Darüber hinaus seien in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII weitere - sozialhilfespezifische - Leistungsarten aufgeführt, u.a. in der Nr. 1 die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, wobei die Maßnahmen, die als Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung ergriffen werden sollten, in § 12 EinglHV näher bestimmt seien. Als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung komme auch die Versorgung mit Hilfsmitteln - wie einem Notebook - in Betracht. Die vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des BVerwG sei mit Blick auf die Neuordnung der Sozialhilfe und die Ablösung des BSHG durch das SGB XII nicht mehr heranziehbar. Denn anders als im Maßnahmekatalog des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG, in dem die Hilfsmittel gleichrangig und selbständig neben anderen Leistungen der Eingliederungshilfe gestanden hätten, seien diese nun durch den Verweis auf §§ 26 ff. SGB IX bei den Leistungen der medizinischen Rehabilitation verortet. Hilfsmittel (jedenfalls solche, die keine Leistungen der medizinischen Rehabilitation seien) könnten nunmehr grundsätzlich jeder der in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII genannten Gruppen zugeordnet werden. Maßgeblich sei insoweit allein der Zweck der Rehabilitationsleistung, so dass bei schulischer Zweckbestimmung eines Hilfsmittels ein Anspruch aus § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII bestehe, wenn - wie bei der Klägerin - der schulische Nutzen im Vordergrund stehe. Diese sei nur mit Hilfe des Notebooks in der Lage, dem Unterricht zu folgen und daran sinnvoll teilzunehmen. Das Notebook sei des Weiteren erforderlich, um die bewilligte Braille-, Sprachausgabe- und Texterkennungssoftware nutzen zu können. Auch die übrigen streitigen Positionen gehörten zum Leistungsumfang. Ohne DVD-Laufwerk könne die blindenspezifische Software, die zwingend für den Schulunterricht gebraucht werde, nicht installiert werden. Der blinden Klägerin könne ferner die selbständige Installation und die Konfiguration der Software nicht zugemutet werden und müsse - gerade weil es sich nicht um handelsübliche Software handele und sie zudem auf eine zuverlässige Funktionsweise in besonderem Maß angewiesen sei - fachmännisch ausgeführt werden. Auch der Abschluss einer kostenpflichtigen Garantieverlängerung mit Blitzreparatur- und Abholservice sei nicht zu beanstanden. Zu bedenken sei, dass das Notebook der Klägerin in besonders intensivem Einsatz stehe, was die Gefahr eines Schadens erhöhe und die Lebensdauer des Notebooks senke. Bereits aus wirtschaftlicher Sicht sei eine Absicherung durch eine längere Garantiezeit sinnvoll. Dies gelte auch für den Blitzreparaturservice, der die Dauer der Reparaturen minimiere. Da die Klägerin ohne das Hilfsmittel kaum sinnvoll am Schulunterricht teilnehmen könne, stelle jeder Tag des Ausfalls für diese eine erhebliche Einbuße dar. Nachdem es sich bei dem Notebook somit um eine Hilfe zur angemessenen Schulausbildung handele, sei etwaiges Vermögen der Klägerin gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII nicht zu berücksichtigen. Auch eine Einkommensanrechnung, die nach § 92 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auf die Kosten des Lebensunterhalts beschränkt sei, habe hier nicht zu erfolgen. Dem Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Kosten für das Notebook samt Zubehör stehe schließlich nicht der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe entgegen. Die Klägerin erhalte die erforderliche Hilfe insbesondere nicht von anderen Verpflichteten. Auf einen Anspruch gegen ihre Krankenkasse könne die Klägerin bereits deswegen nicht verwiesen werden, weil der Beklagte als zweitangegangener Träger nach § 14 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin ausschließlich und umfassend leistungspflichtig sei. Aber auch aus materiell-rechtlicher Sicht stehe einer Leistungspflicht der Krankenkasse entgegen, dass es sich bei einem Notebook um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens handele. Außerdem kämen Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Herstellung oder Sicherung der Schulfähigkeit nur dann in Betracht, wenn der Betroffene noch der Schulpflicht unterliege. Die Klägerin habe indes bei der Antragstellung im Oktober 2013 die 10. Klasse des Gymnasiums besucht, sodass die allgemeine Schulpflicht nach baden-württembergischem Schulrecht bereits erfüllt gewesen sei.

Gegen dieses dem Beklagten am 7. Dezember 2015 zugestellte Urteil richtet sich seine am 5. Januar 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Zur Begründung hat er sein Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren wiederholt. Ergänzend hat er geltend gemacht, § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besage ausdrücklich, dass die Leistungen nach den Vorschriften des SGB IX neben den in Nrn. 1 bis 5 aufgeführten Leistungen solche der Eingliederungshilfe seien. Damit habe der Gesetzgeber ausdrücklich einen Gleichrang hergestellt, sodass das tragende Argument im angefochtenen Urteil einer veränderten Gesetzessystematik nicht greife. Die Klägerin verwende das Notebook zwar in der Schule und sei auch darauf angewiesen; trotzdem sei der Gegenstand nicht zur angemessenen Schulbildung zu rechnen. Das Hilfsmittel stelle vielmehr eine einkommens- und vermögensabhängige Teilhabeleistung dar. Einen Anspruch hierauf habe die Klägerin indes nicht, weil sie über Vermögen verfüge, das die Vermögensfreigrenzen überschreite. Der eingeklagte Betrag von 1.248,00 Euro werde der Höhe nach im Übrigen nicht beanstandet.


Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vom Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BVerwG könne in Ansehung des von ihr bereits erstinstanzlich angeführten Paradigmenwechsels keine Gültigkeit mehr beanspruchen.

Die Beigeladene (Beiladungsbeschluss vom 16. Oktober 2017) hat keinen Antrag gestellt. Auch sie hat die Auffassung vertreten, dass die vom Beklagten angesprochene Rechtsprechung des BVerwG aus dem Jahr 1975 nicht mehr anwendbar sei.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Tenor des Urteils ist durch den Senat zur Klarstellung neu gefasst worden.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsausschlussgründe des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht entgegenstehen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2014, mit dem der Beklagte die Übernahme der Kosten für die Ausstattung der Klägerin mit einem Notebook und einem USB DVD-Laufwerk nebst Garantieverlängerung (inkl. Reparatur- und Abholservice) sowie Notebook-Installation und -Konfiguration (seinerzeit noch errechnet auf insgesamt 1.248,01 Euro) abgelehnt hat. Nicht mehr umstritten unter den Beteiligten sind dagegen die Aufwendungen der Klägerin für die Anschaffung der (aktualisierten) Braille-, Sprachausgabe- und Texterkennungssoftware, nachdem der Beklagte diese Kosten (insgesamt 1.099,99 Euro) durch Bescheid vom 24. Oktober 2014 übernommen und insoweit bei der Beigeladenen die Erstattung geltend gemacht hat. Ihr prozessuales Begehren, das die Klägerin bereits erstinstanzlich (vgl. Schriftsatz vom 25. August 2015) auf die Erstattung der von ihr auf der Grundlage der Rechnung der H T. GmbH vom 2. April 2014 aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.248,00 Euro (einschl. 19% MwSt.) konkretisiert hat, verfolgt sie zulässig im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4, § 56 SGG; vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) BSGE 103, 171 = SozR 4-3500§ 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 8)).

2. Der beklagte Landkreis ist richtiger Gegner des Verfahrens. Er ist für die hier umstrittene Leistung auf Grund unverzüglicher, fristgerechter Weiterleitung des von der Klägerin bei der Beigeladenen am 4. Oktober 2013 gestellten Antrags der zuständige Träger. Dies ergibt sich aus § 14 SGB IX (in der hier noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung durch das SGB IX vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046)) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. SGB IX (ebenfalls in der Fassung bis 31. Dezember 2017). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellt der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, binnen zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Wird der Antrag weitergeleitet, gilt Satz 1 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend (§ 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Die in § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (dazu grundlegend BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1 (jeweils Rdnrn. 13 ff.)). § 14 SGB IX greift selbst dann, wenn zwischen zwei Rehabilitationsträgern ein Nachrangverhältnis (vgl. § 54 Abs 1 Satz 2 SGB XII) besteht (BSGE 117, 53 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 13 (jeweils Rdnr. 21); BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 20/14 R - (juris Rdnr. 15)).

3. Zutreffend hat das SG das Kostenerstattungsbegehren auf § 19 Abs. 3 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453)) i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022)), § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3464)) und § 12 Nr. 1 EinglHV (in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 a.a.O.) i.V.m. § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII (in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 2011 a.a.O.) gestützt. Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, zu denen nach § 33 SGB V auch die Ausstattung mit einem blindengerechten Notebook gehört, wenn damit die Schulfähigkeit als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens hergestellt oder gesichert werden kann (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 22 und 40), kommen von vornherein nicht in Betracht, weil die Klägerin, die zum Zeitpunkt der beantragten Übernahme der Kosten für das Notebook nebst Zubehör und Zusatzleistungen im Oktober 2013 die 10. Klasse des G.-Gymnasium in L. besuchte, bereits nicht mehr der allgemeinen Schulpflicht (§ 75 Abs. 1 und 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchulG BW) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. September 2009 (GBl. S. 365) i.V.m.§ 72, 73 Abs. 2 SchulG BW) unterlag. Eine dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnende Versorgung scheidet damit aus (vgl. BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 6).

a) Das Begehren der Klägerin ist auf eine Geldleistung gerichtet, weil der Sozialhilfeträger die hier streitigen Kosten für ein Notebook samt Zubehör und Zusatzleistungen (1.248,00 Euro gemäß der Rechnung der H.T. GmbH vom 2. April 2014) nicht als Sachleistung zu erbringen hat (BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 11) und ferner § 10 Abs. 3 SGB XII). Da sich Erstattungsansprüche nach § 15 SGB IX (in der Fassung durch Gesetz vom 19. Juni 2001 a.a.O.) nur auf Sachleistungen beziehen, ist die Kostenerstattungsregelung in § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX deshalb vorliegend nicht einschlägig (BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 12)).

b) Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII; danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung durch Gesetz vom 19. Juni 2001 a.a.O.) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist auf Grund ihrer Blindheit in schwerem Maße körperlich beeinträchtigt. Sie ist deshalb in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben (§ 1 Satz 1 SGB IX (Fassung bis 31. Dezember 2017 durch Gesetz vom 19. Juni 2001 a.a.O.)), wesentlich (§ 1 Nr. 4 EinglHV) eingeschränkt. Bei ihrer Eingliederung handelt es sich mithin um eine Pflichtleistung.

c) Zu Recht hat das SG von der Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin abgesehen. Denn die von ihr zur Kostenübernahme und -erstattung beantragten Mittel stellen Hilfen zur angemessenen Schulbildung und zum Besuch weiterführender Schulen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 12 EinglHV), nicht dagegen - wie der Beklagte meint - Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (§ 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 1 SGB IX (in der Fassung bis 31. Dezember 2017 durch Gesetz vom 19. Juni 2001 a.a.O.)) dar (so auch LSG für das Saarland, Urteil vom 24. Oktober 2013 - L 11 SO 14/12 - (juris); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. November 2017 - L 2 SO 4546/16 - ( juris)). Die Hilfen zur angemessenen Schulbildung sind vom Vermögenseinsatz gänzlich freigestellt (§ 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII); ferner kommt ein Einkommenseinsatz nicht in Betracht, weil es sich bei der vorliegend begehrten Erstattung von Aufwendungen nicht um Kosten des Lebensunterhalts handelt (vgl. § 92 Abs. 2 Satz 3 SGB XII).

aa) Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach u.a. dem § 55 SGB IX Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu, wobei die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben. Gemäß dem auf der Grundlage des § 60 SGB XII ermächtigungskonform erlassenen § 12 EinglHV umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII u.a. heilpädagogische und sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern (Nr. 1) sowie Hilfe zum Besuch eines Gymnasiums, wenn nach den Fähigkeiten und den Leistungen des behinderten Menschen zu erwarten ist, dass er das Bildungsziel erreichen wird (Nr. 3). Der Anspruch auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 12 Nr. 3 EinglHV ist nicht auf die Zeit bis zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht beschränkt (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 12 B 1360/12 - (juris Rdnrn. 3 ff.); ferner BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 1/88 - (juris Rdnr. 17)). Dass die Klägerin, die bereits von der Grundschule für sehbehinderte und blinde Menschen eine Grundschulempfehlung für den - von der Stiftung N. nicht angebotenen - Bildungsgang des Gymnasiums erhalten hatte, das Bildungsziel des Gymnasiums trotz ihrer schweren Behinderung erreichen wird, stand schon zum Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 2013 außer Frage. Dies ergab sich aus dem Schulzeugnis des G.-Gymnasium vom 11. Juli 2013, das Schuljahr 2012/2013 betreffend, auf Grund dessen die Klägerin sogar mit einer Belobung in die nächste Klasse versetzt worden war, und ist durch die weiteren während des erstinstanzlichen Verfahrens zu den Akten gereichten Zeugnisse vom 17. Juli 2014 sowie 2. Februar und 13. Juli 2015 nur noch bestätigt worden. Bei dem Besuch des G.-Gymnasium, für das der Beklagte der Klägerin von Anbeginn an eine Schulassistenz finanziert hat, handelt es sich mithin um eine angemessene Schulbildung (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2008 - L 7 SO 4639/08 ER-B - (juris Rdnr. 10)).

bb) Unter § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII, § 12 Nr. 3 EinglHV ist die von der Klägerin begehrte Erstattung der von ihr auf der Grundlage der Rechnung der H.T. GmbH vom 2. April 2014 aufgewendeten Kosten für das Notebook, das USB DVD-Laufwerk sowie die Garantieverlängerung (inkl. weiterem Service) und die Installation und Konfiguration des Notebooks zu fassen. Diese rechtliche Würdigung lässt sich bereits dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und der Gesetzessystematik entnehmen. In § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist formuliert, dass "neben" u.a. den Leistungen nach § 55 SGB IX insbesondere auch die in den nachfolgenden Nrn. 1 bis 5 aufgeführten Leistungen, darunter die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, Leistungen der Eingliederungshilfe sind (vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. November 2017 - L 2 SO 4546/16 - (juris Rdnr. 35)). Die Norm beschränkt sich mithin nicht bloß auf eine Verweisung auf bestimmte Leistungen nach dem SGB IX, etwa die Leistungen der sozialen Rehabilitation (§ 55 SGB IX). Vielmehr enthält § 54 Abs. 1 SGB XII darüber hinaus einen eigenständigen Katalog von Maßnahmen der Eingliederungshilfe, der freilich ebenfalls nicht abschließend ist, durch den Katalog der Leistungen der Eingliederungshilfe im Abschnitt II der EinglHV konkretisiert und durch weitere Leistungen der Eingliederungshilfe ergänzt wird (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 54 Rdnr. 3 (Stand: 06/15); ferner BSGE 103, 39 = SozR 4-2800 § 10 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 20): "offener Leistungskatalog"). Unabhängig von den im SGB IX (in der hier bis zum 31. Dezember 2017 maßgeblichen Fassung) verorteten Bestimmungen zu den Leistungen der medizinischen Rehabilitation, der Teilhabe am Arbeitsleben, im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen sowie der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB XII weitere Leistungsarten aufgeführt, u.a. in der Nr. 1 die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, welche - wie vom SG zutreffend dargestellt - eigenen sozialhilferechtlichen Regelungen folgen und gesondert zu betrachten sind. Gesetzeswortlaut und -systematik sprechen mithin schon dafür, auch die erforderlich werdenden Hilfsmittel der jeweiligen Leistungsgruppe zuzuordnen.

cc) Das wird durch den Zweck des nicht abschließenden Leistungskatalogs in § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestätigt. Entsprechend seinem Eingliederungszweck kommen als Hilfen im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 1 (jeweils Rdnr. 27); BSG SozR 4-1500 § 130 Nr. 4 (Rdnr. 18)). Dabei liegt den Merkmalen der Erforderlichkeit und Eignung ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde, das eine am Einzelfall orientierte, individuelle Beurteilung verlangt (BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 8 (jeweils Rdnr. 21); BSG SozR 4-1500 § 130 Nr. 4 (Rdnr. 18); BSG SozR 4-3500 § 53 Nr. 5 (Rdnr. 26)). Da ein individueller Prüfungsmaßstab anzulegen ist (vgl. auch § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII: "nach der Besonderheit des Einzelfalls"; ferner § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII), ist eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen, nichtpädagogischen oder begleitenden und unterstützenden Hilfen, rechtlich nicht geboten, sofern es sich nicht um solche handelt, die dem Kernbereich der Aufgaben der Schule zuzurechnen sind (BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 8 (jeweils Rdnr. 21)). Das Spektrum der in Betracht kommenden Maßnahmen ist sonach weit. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen; maßgebend ist vielmehr, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel dienen soll (BSGE 103, 171 = SozR 4-3500 § 54 Nr. 5 (jeweils Rdnr. 17) [dort zur Abgrenzung der medizinischen Hilfsmittel von denjenigen der sozialen Rehabilitation]). Sonach ist zu den Hilfen für eine angemessene Schulbildung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln zu rechnen, soweit im konkreten Einzelfall ein entsprechender schulischer Hilfebedarf besteht (so auch LSG für das Saarland, Urteil vom 24. Oktober 2013 - L 11 SO 14/12 - (juris Rdnr 21); LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. November 2017 - L 2 SO 4546/16 - (juris Rdnr. 36); Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 92 Rdnr. 47 (Stand: 09.01.2018); Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, a.a.O., § 12 EinglHV Rdnr. 9 (Stand: 08.01.2018)).

Bei schulischer Zweckbestimmung des Hilfsmittels kommt nach allem ein Anspruch unmittelbar aus § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Betracht, ohne dass dem die vom Beklagten herangezogene Bestimmung des § 9 Abs. 2 Nr. 12 EinglHV, dem als Verordnungsrecht ohnehin nicht der Rang eines formellen Gesetzes zukommt, entgegenstünde. § 9 Abs. 2 Nr. 12 EinglHV befasst sich überdies lediglich mit den Hilfsmitteln nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII und dem dortigen Verweis auf bestimmte Leistungen des SGB IX und zählt im Übrigen neben den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens auch "zur nichtberuflichen Verwendung bestimmte Hilfsgeräte" auf, was zeigt, dass selbst in dieser Bestimmung vorausgesetzt wird, dass außerhalb der sozialen Rehabilitation benötigte Gegenstände durchaus nach anderen gesetzlichen Regelungen zu behandeln sind. Werden die Hilfsmittel (einschließlich des erforderlichen Zubehörs nebst Zusatzleistungen) dagegen für schulische Zwecke benötigt und hierfür verwendet, sind sie den Hilfen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII zuzuordnen. Ein solcher außerhalb des Kernbereichs der schulischen Arbeit liegender Hilfebedarf ist dann durch den Sozialhilfeträger zu decken. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erforderlichen Hilfen nicht von dritter Seite, etwa der Schule oder dem Schulträger, tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Letzteres ist hier aber nicht der Fall, sodass auch das Nachrangprinzip des § 2 Abs. 1 SGB XII (vgl. hierzu BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 58 Nr. 8 (jeweils Rdnr. 25); BSG SozR 4-3500 § 53 Nr. 5 (Rdnr. 30)) vorliegend nicht greift.

dd) Das soeben dargelegte Verständnis des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten durch die Rechtsentwicklung nicht in Zweifel ziehen. Die Vorläuferregelung zu § 54 SGB XII war § 40 BSHG. Dort waren als Leistungen der Eingliederungshilfe in § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln und in Nr. 4 die Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung (zuletzt in der Fassung des Gesetzes vom 19. Juni 2001 a.a.O.) aufgeführt. Aus der Stellung der Nr. 2 im Normengefüge des § 40 Abs. 1 Satz 1 BSHG hatte das BVerwG im Urteil vom 5. Juni 1975 - V C 5.74 - (juris) gefolgert, dass es sich bei § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG um eine eigenständige sozialhilferechtliche Sonderregelung für alle Hilfsmittel handele und deshalb eine solche Hilfe zugleich von anderen Hilfsmaßnahmen abzugrenzen sei. Eine solche Sonderstellung kommt den Hilfsmitteln in dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 54 SGB XII jedoch nicht mehr zu. Bereits mit Einführung des SGB IX durch Gesetz vom 19. Juni 2001 war in § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BSHG ein Verweis auf die Bestimmung des § 55 SGB IX eingefügt worden, die in Abs. 2 Nr. 1 eine Regelung zu anderen (als medizinischen) Hilfsmitteln enthielt. In dessen Gefolge wurde nunmehr die Auffassung vertreten, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG eine Auffangvorschrift darstelle, die nur ergänzend zu den Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation Anwendung finde (Meusinger in Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Auflage 2003, § 40 Rdnr. 18; ferner zur Abgrenzung orthopädischer Hilfsmittel vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung BVerwG, Beschluss vom 6. Oktober 2003 - 5 B 88/03, 5 PKH 75/03 - (juris); Mergler/Zink, BSHG, § 40 Rdnr. 19 (Stand: Januar 2002)). In § 54 SGB XII ist die Bestimmung des § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BSHG indes nicht übernommen worden; vielmehr wurde die Regelung für entbehrlich gehalten, da die dort angesprochenen Leistungen bereits in den im Gesetz genannten Regelungen des SGB IX enthalten seien (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5. September 2003, Bundestags-Drucksache 15/1514 S. 62). Es ist davon auszugehen, dass der Hinweis im Gesetzesentwurf auf die mit der Neuregelung nunmehr erledigte Streitfrage zum Charakter des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSHG als Auffangvorschrift zielte (vgl. hierzu auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 12). Soweit in den Materialien (Bundestags-Drucksache 15/1514 a.a.O.) weiter davon die Rede war, dass die Vorschrift im Wesentlichen inhaltsgleich den § 40 BSHG übertrage, stützt auch dies die Auffassung des Beklagten nicht, dass sich die Versorgung mit Hilfsmitteln im Bereich der Eingliederungshilfe generell nach dem im SGB IX geregelten Leistungsspektrum bestimme. Selbst wenn dem so wäre, hätte ein solcher (vermeintlicher) Wille des Gesetzgebers in der mit dem § 54 SGB XII geschaffenen Regelung keinen Eingang gefunden. Der Wortlaut und die Gesetzessystematik sowie der Sinn und Zweck der Norm müssen deshalb eine derartige Interpretation, wie sie vom Beklagten vertreten wird, zurücktreten lassen. Die von diesem angeführten Stimmen in der Literatur (Scheider in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 54 Rdnr. 51; Mergler/Zink, SGB XII, § 92 Rdnr. 20 (Stand: September 2011); U. Mayer in Oesterreicher, SGB II/SGB XII, § 54 Rdnr. 6 (Stand: Februar 2010)) gehen auf die im Verhältnis zu § 40 BSG geänderten Strukturen des § 54 SGB XII überhaupt nicht ein. Mit Recht hat das SG im angefochtenen Urteil die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 5. Juni 1975 a.a.O.; ihm folgend BVerwGE 99,149) auf § 54 SGB XII nicht mehr für übertragbar gehalten (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. November 2017 - L 2 SO 4546/16 - (juris Rdnr. 37)).

ee) Die Rechtslage ab dem 1. Januar 2018 untermauert im Übrigen die vorliegende Rechtsüberzeugung. Durch das Bundesteilhabegesetz vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) ist in § 75 SGB IX eine neue Leistungsgruppe "Leistungen zur Teilhabe an Bildung" aufgenommen worden. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (Bundestags-Drucksache 18/9522 S. 62, 195, 259) sind die Leistungen zur Teilhabe an Bildung geschaffen worden in Umsetzung des in Art. 24 Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13. Dezember 2006 (UN-Behindertenrechtskonvention; Gesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II S. 1419), in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit 26. März 2009 (BGBl. II S. 812)) verankerten Rechts auf Bildung. Gemäß § 75 Abs. 1 SGB IX werden unterstützende Leistungen erbracht, die erforderlich sind, damit Menschen mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können. Die Leistungen umfassen u.a. Hilfen zur Schulbildung, insbesondere im Rahmen der Schulpflicht einschließlich der Vorbereitung hierzu (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB IX). Als Unterstützungsleistungen kommen insoweit sowohl kommunikative, technische oder andere Hilfsmittel in Betracht als auch Leistungen, die zur Aufsuchung des Lernortes und/oder zur Teilnahme an der Vermittlung von Bildungsinhalten notwendig sind (vgl. Luthe in jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, § 75 Rdnr. 29 (Stand: 15.01.2018) [unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien]). Nach den Ausführungen der Bundesregierung im Gesetzesentwurf handelt es sich insoweit um eine Klarstellung, die das Leistungsspektrum der Rehabilitationsträger zutreffend abbilden soll, ohne dass damit eine Leistungsausweitung beabsichtigt war, wobei nach derzeit geltender Rechtslage für die Träger der Eingliederungshilfe § 54 SGB XII maßgeblich ist (Bundestags-Drucksache 18/9522 S. 259 f.; ferner hierzu auch Luthe, a.a.O., Rdnrn. 2, 35 ff.).

d) Die von der Klägerin begehrte Kostenerstattung richtet sich nach allem nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII; sie ist damit einkommens- und vermögensprivilegiert (§ 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 SGB XII). Das von ihr bei der H.T. GmbH laut Rechnung vom 2. April 2014 erworbene Notebook dient schulischen Zwecken; dies stellt auch der Beklagte nicht in Abrede. Für den privaten Bereich stand und steht der Klägerin, wie sie bereits vor dem SG im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2015 sowie erneut in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet hat, zu Hause ein eigener Rechner (stationärer PC) zur Verfügung. Das Notebook war für die Klägerin individuell geeignet und erforderlich, ihr den Schulbesuch zu ermöglichen. Ohne die neuerliche Ausstattung mit einem Notebook hätte die Klägerin, die mittlerweile im zweiten Semester ein Hochschulstudium an der Universität H. absolviert, am Unterricht am G.-Gymnasium nicht weiterhin mit Erfolg teilnehmen können. Die Erneuerung des Notebooks war, wie die Sonderschullehrerin K. in ihren Stellungnahmen vom 30. September und 26. November 2013 überzeugend dargestellt hat, zwingend notwendig, damit die Klägerin weiterhin ohne Probleme dem Unterricht folgen konnte. Sie war als blinder Mensch auf das Hilfsmittel angewiesen. Nur mit Hilfe des neu erworbenen Notebooks war sie auch in der Lage, die aktualisierte Braille-, Sprachausgabe- und Texterkennungssoftware, für die der Beklagte durch Bescheid vom 24. Januar 2014 die Kosten übernommen hatte, zu nutzen. Auf Grund der vorliegenden schulischen Zweckbestimmung und der Verwendung des Hilfsmittels durch die Klägerin für die Schule ist es unerheblich, dass Notebooks im Allgemeinen auch außerhalb der Schule Anwendung finden können.

Zutreffend hat das SG auch die übrigen Positionen aus der Rechnung vom 2. April 2014 zu dem vom Beklagten zu erstattenden Leistungsumfang gerechnet. Es hat insoweit zu Recht ausgeführt, dass ohne das USB DVD-Laufwerk blindenspezifische Software, die zwingend für den Schulunterricht gebraucht wird, nicht installiert werden kann, und ferner die selbständige Installation und die Konfiguration der Software der blinden Klägerin nicht angesonnen werden kann, sondern, gerade weil es sich nicht um handelsübliche Software handelt und sie zudem auf eine zuverlässige Funktionsweise im besonderen Maß angewiesen ist, fachmännisch ausgeführt werden muss. Auch soweit das SG dargelegt hat, dass der Abschluss einer kostenpflichtigen Garantieverlängerung auf 36 Monate einschließlich Blitzreparatur- und Abholservice nicht zu beanstanden ist, weil das Notebook in besonders intensivem Einsatz steht, was die Gefahr eines Schadens erhöht und dessen Lebensdauer senkt, und ferner der Blitzreparatur- und Abholservice zur Minimierung der Dauer der Reparaturen bei dem Hilfsmittel dient, ohne das die Klägerin nicht sinnvoll am Schulunterricht teilnehmen kann, schließt sich dem der Senat nach eigener Prüfung unter Würdigung auch der vorgenannten Stellungnahmen der Sonderschullehrerin K. an. Darüber bestehen im Übrigen unter den Beteiligten auch keine Meinungsverschiedenheiten. Der Beklagte hat sonach mit Recht die Höhe der Kostenerstattungsforderung nicht beanstandet.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R7936


Informationsstand: 21.01.2019