Urteil
Hörgeräteversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gericht:
LSG Sachsen 9. Senat
Aktenzeichen:
L 9 KR 326/15
Urteil vom:
12.02.2019
LSG Sachsen 9. Senat
L 9 KR 326/15
12.02.2019
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine beidseitige Hörgeräteversorgung streitig. Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer beidseitigen an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Dr. med. Y ... verordnete der Klägerin neu am 28.01.2013 beidseitig Hörgeräte, nachdem sie bereits seit 2002 Hörgeräte-Verordnungen erhält. Die Klägerin bezieht seit dem 01.07.2017 Regelaltersrente. Bis zum Renteneintritt war die Klägerin vollschichtig erwerbstätig. Mit Schreiben vom 01.02.2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die vertraglich vereinbarten Kosten für beide Hörgeräte in Höhe von 1.942,49 Euro übernehme. Für diesen Betrag sei der Akustiker verpflichtet, ihr ein geeignetes Hörgerät entsprechend ihrer Schwerhörigkeit eigenanteilsfrei anzubieten. Sollte die Klägerin ein höherwertiges Gerät auswählen, könne sich die Beklagte an den Mehrkosten oder späteren Reparaturen nicht beteiligen. In dem Betrag sei eine Reparaturpauschale von 180 Euro je Hörgerät enthalten. Gleichzeitig übersandte die Klägerin an X ... Hörsysteme eine Genehmigung für Hilfsmittel "Secret Ear" in der genannten Höhe. Die Klägerin hatte bei X ... Hörsysteme in A ... eine Hörgeräteanpassung vornehmen lassen. Zum Vergleich wurden die Hörgeräte der Marken W ... S IX UP, V ... 6 HP - digitales HdO-Gerät-, U ... 360e, T ... 2 HP, sowie S ... und R ... angepasst. Ausweislich der Dokumentation zur Hörgeräteanpassung erzielte die Klägerin im Freiburger Test nach DIN 45621 mit dem Gerät W ... S IX UP ein Sprachverstehen von 100 %, mit den übrigen Geräten eine solches von je 90 %. Bei den Geräten U ... 360e, S ..., R ..., V ... 6 HP und T ... 2 HP handelte es sich um eigenanteilsfreie Geräte. Allerdings stellte die Beklagte fest, dass die Geräte T ... 2 HP und S ..., welche von der Festbetragsregelung gedeckt wären, die Standards für die Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit nicht erfüllten. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Versorgung mit den Geräten W ... S IX UP zum Preis von 5.477,00 EUR. Keines der getesteten zuzahlungsfreien Geräte habe ein ausreichendes Sprachverstehen in Gruppen und größeren Räumen ermöglicht. Eine erneute Hörgeräteanpassung am 13.06.2013, nunmehr mit den Geräten W ... S IX UP, R ..., U ... 360+ und V ... 4 HP, ergab ein Sprachverständins von 100 % beim Gerät W ... S IX UP, von je 90 % bei den Geräten R ... und U ... 360+ sowie von 80 % beim Gerät V ... 4 HP. Alle diese Geräte erfüllen die Vorgaben der WHO zur Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit. Die Kosten der Geräte R ..., U ... 360+ und V ... 4 HP werden vom Festbetrag gedeckt.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen in Sachsen e. V. (MDK) vom 27.06.2013 ein, welcher auf die Möglichkeit der Versorgung mit dem Gerät R ... verwies, und bezogen auf das beantragte Gerät ausführte, dass dieses Gerät eine über das medizinisch notwendige hinausgehende Ausstattung besitze wie beispielsweise 20 Kanäle, Sound Relax, Flex Control. Mit Bescheid vom 03.07.2013 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Mehrkosten gegenüber dem Festbetrag von 1.942,49 EUR ab. Das getestete eigenanteilsfreie Gerät R ... mit einem Sprachverstehen von 90 % sei als geeignet anzusehen.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Am 23.08.2013 erwarb die Klägerin die Hörgeräte W ... S IX UP, für welche sie unter Anrechnung eines Zuschusses der Beklagten in Höhe von 1.940,61 EUR und einer Eigenleistung von 20,00 EUR 3.069,20 EUR zahlen musste. Am 28.08.2013 beantragte die Klägerin die Erstattung dieser Kosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 12 i.V.m. § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. der Hilfsmittelrichtlinie. Unter Berücksichtigung des Urteils des BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R - hätten die Ersatzkassen dem Personenkreis der an Taubheit grenzenden Schwerhörigen Rechnung getragen und sowohl neue Festbeträge als auch eine neue vertragliche Vereinbarung mit der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker geschlossen. Entsprechend dieser neuen Vereinbarung hätten sich die Akustiker verpflichtet, den Versicherten ein eigenanteilsfreies Versorgungsangebot mit digital programmierbaren und volldigitalen Hörsystemen zu unterbreiten. Aus der Beurteilung des MDK ergebe sich, dass zum Behinderungsausgleich im Fall der Klägerin eine andere geeignete und ausreichende Hörgeräteversorgung zur Verfügung stehe. Die beantragte Hörgeräteversorgung sei nicht erforderlich im Sinne des § 33 SGB V.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.10.2013 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben, mit welcher sie die Übernahme der weiteren Kosten in Höhe von 3.069,20 EUR begehrt. Nach Auffassung der Klägerin sorgten einzig die Geräte W ... S IX UP für einen ausreichenden Behinderungsausgleich.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten, da sie keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V habe. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3, Satz 1, 1. Alt. SGB V seien nicht erfüllt, da ein Fall der Unaufschiebbarkeit nicht vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V seien nicht erfüllt, da die Beklagte die Versorgung der Klägerin mit dem Gerät W ... S IX UP nicht zu Unrecht abgelehnt habe, denn es habe kein Leistungsanspruch bestanden. Bei der Versorgung mit Hörgeräten zum Behinderungsausgleich - wie hier - habe sich die Bewertung der Notwendigkeit der Versorgung mit einem bestimmten Gerät nach objektiven Kriterien zu richten. Nicht maßgeblich seien allein subjektive Empfindungen der Versicherten wie zum Beispiel ein besseres Hörgefühl. Als objektives Bewertungskriterium komme hier allein die bei der Hörgeräteanpassung am 13.06.2013 vorgenommene Freifeldmessung in Betracht, welche mit dem Gerät W ... S IX UP 100 % Sprachverständnis und mit dem Gerät R ... 90 % Sprachverständnis ergeben habe. Abweichungen bis 10 % bewegten sich im tagesformabhängigen Toleranzbereich und seien nicht beachtlich. Die Hörgeräte R ... und W ... S IX UP seien daher vom Sprachverständnis her als gleichwertig anzusehen. Da das Gerät R ... zudem die Mindestkriterien der WHO für die Versorgung Versicherter mit an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit erfülle, wäre die Versorgung der Klägerin mit diesem Gerät als ausreichend im Sinne von § 33 Abs. 1 S. 1 3. Alt. SGB V zu bewerten. Die Versorgung mit einem höherwertigen Gerät sei nicht notwendig gewesen. Die Ablehnung der Versorgung der Klägerin mit dem Gerät W ... S IX UP sei zu Recht erfolgt und die Klägerin könne die ihr entstandenen Mehrkosten nicht erstattet verlangen.
Gegen den der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15.12.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 30.12.2015 Berufung eingelegt. Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs sei die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Insoweit habe der in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck für die im Rahmen der GKV gebotenen Versorgung zwei Ebenen. Die Versorgung mit Hörgeräten diene dem unmittelbaren Behinderungsausgleich und demzufolge sei das begehrte Hörgerät grundsätzlich erforderlich im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil es nach dem Stand der Medizintechnik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaube und damit im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen biete. Vorliegend erreiche die Klägerin lediglich mit dem die Festbeträge übersteigenden Hörgerät eine höchstmögliche Verbesserung ihrer Hörfähigkeit. Lediglich das Gerät W ... S IX UP ermögliche der Klägerin ein ausreichendes Sprachverstehen in Gruppen und größeren Räumen und eine Sprachverstehen von 100 %.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 10.12.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 02.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin weitere Aufwendungen für die Hörgeräteversorgung in Höhe von 3.069,20 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Klägerin stehe kein Kostenerstattungsanspruch zu. Die Klägerin hätte mit dem Gerät R ... im Rahmen der Festbetragsregelung geeignet gleichwertig versorgt werden können. In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R) müsse nicht jede für optimal gehaltene Versorgung gewährt werden, da der Anspruch nur für solche Hilfsmittel bestehe, denen im Alltagsleben ein wesentlicher Gebrauchsvorteil zukomme. Von einem wesentlichen Gebrauchsvorteil im Alltagsleben sei unter Berücksichtigung einer Messtoleranz in diesem Zusammenhang auszugehen, wenn das Sprachverstehen des besten getesteten Hörgeräts mindestens 10 % (Freiburger Einsilbertest) über dem des besten Festbetragshörgeräts liege. Dies sei hier nicht der Fall. Subjektive Eindrücke seien nicht vollumfänglich zu berücksichtigen.
Der Meister des Hörgeräteakustikerhandwerks, Q ..., hat nach Untersuchung der Klägerin am 30.10.2018 ein Gutachten nach § 106 Abs. 3 Ziff. 5 und Abs. 4 SGG für den Senat erstellt. Dabei hat er anlässlich der Untersuchung am 26.06.2018 einen Vergleich zwischen den Hörgeräten Phonak W ... S IX UP der Klägerin sowie einem Vergleichsgerät Phonak W ... S IX UP und den zum Festbetrag angebotenen Hörgeräten Phonak R ... in Verbindung mit Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatzgerät für das nicht mehr auf dem Markt vorhanden U ... 360+) und Audio Service V ... 4 HP vorgenommen. Der Gutachter hat die Sprachverständlichkeit für Einsilber (Seite 8 des Gutachtens) ermittelt. Zum einhundertprozentigen (100%) Satzverstehen sei ein sechzigprozentiges (60 %) Einsilberverstehen notwendig. Dabei zeige das Einsilberverständnis die Leistungsfähigkeit des Gehörs, damit einsilbige Worte wie beispielsweise Maus, Laus, Haus voneinander unterschieden werden können. Die Spanne liege zwischen 0 % (kein Wort verstanden) und maximal 100 % (alle Worte verstanden). Es seien 20 Wörter pro Reihe gemessen worden. Jedes richtig nachgesprochene Wort ergebe 5 %, in der Summe ergäben 20 richtig nachgesprochene Wörter 100 % Einsilberverständnis (Gutachten, S. 8). Das Sprachverständnis der Klägerin sei bei Mehrsilbern allerdings deutlich unter 50 % Verstehensquote. Die Begutachtung sei daher teilweise bei bestimmten Messungen mit Mehrsilbern, hier Zahlen, erfolgt, damit eine qualifizierte Messung erfolgen konnte. Der Toleranzbereich im Verstehen liege nach seinen Feststellungen bei der Klägerin bei 5 - 10 %. Hördifferenzen von in der Regel +/- 5 - 10 % seien "normal" und oftmals einer Konzentrationsschwäche oder der Tagesform geschuldet. Für das Hören in Ruhe sind bei 65 dB ** Freifeld (FF) ohne Störgeräusch (Ruhe) folgende Messergebnisse erzielt (Seite 10 des Gutachtens) worden:
Hörsystem Nr.1 Phonak W ... IX UP eigene/getragene Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, hier streitgegenständliche Hörsysteme: 20 % Einsilber Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L "binaural"**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 0 %** und bei 80 dB bin. 10 %** erreicht.
Hörsystem Nr. 2 Phonak W ... IX UP Vergleichsgerät Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik: 25 % Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5 %** und bei 80 dB 20 %** erreicht.
Hörsystem Nr. 3 Phonak R ... Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, hier zuzahlungsfreie Geräte: 25 % Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5 %** und bei 80 dB 20 %** erreicht.
Hörsystem Nr. 4 Phonak I UP Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit provisorischer Otoplastik, hier zuzahlungsfreie Variante der Phonak W ... "Hörgerätefamilie": 20 % Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 5 %** und bei 80 dB 20 %** erreicht.
Hörsystem Nr. 5 U ... Max 6 SP (Ersatz für 360+) Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik, preiswertere Geräte: 20 % Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB wurden bin. 0 %** und bei 80 dB 15 %** erreicht.
Hörsystem Nr. 6 Audioservice V ... 4 HP Hinter-dem-Ohr-Systeme/mit eigener Otoplastik: 20 % Sprachverstehen bei 65 dB über Lautsprecher/FF ohne Störgeräusch mit Geräten R/L binaural**. Bei der Anpassmessung 55 dB seien bin. 0 %** und bei 80 dB 5 %** erreicht.
Bei der Klägerin sei ein mögliches "Soll/Ziel” Sprachverständnis von ca. 20 %** über FF 65 dB ohne Störgeräusch mit allen Geräten unter Berücksichtigung einer Toleranz von 5-10 % Einsilberverständnis erreicht worden. Mit den strittigen Geräten Phonak W ... S IX UP seien 20 % **, mit den Vergleichsgeräten Phonak W ... S IX UP seien 25 %**, mit den Festbetragsgeräten Phonak R ... seien 25 %** und dem Phonak W ... S I UP 20 %**, dem U ... Max 6 SP (Ersatz 360+) 20 %**, dem Audio Service V ... 4 HP 20 %** Sprachverständlichkeit in Ruhe bei gleichem Messaufbau erreicht worden.
Der messtechnische Vergleich bei 65 dB/FF Nutzschall und 60 dB Störschall ** habe folgende Messergebnisse (Seite 12 des Gutachtens) ergeben. Hierbei sei mit Mehrsilbern (Zahlen) gemessen worden, um verifizierbare Ergebnisse erzielen zu können.
Hörsystem Nr. 1 Phonak W ... S IX UP: Einseitige Versorgung: 0 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 20 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 2 Phonak W ... S IX UP, Vergleichsgeräte: Einseitige Versorgung: 0 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 30 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 3 Phonak R ..., Festbetragsgerät: Einseitige Versorgung: 10 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung 20 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 4 Phonak W ... S I UP, Festbetragsgerät: Einseitige Versorgung: 0 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 30 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 5 U ... Max 6 SP: Einseitige Versorgung: 0 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 20 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Hörsystem Nr. 6 V ... 4 HP: Einseitige Versorgung: 0 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall** Beidseitige Versorgung: 20 % Mehrsilberverständnis bei 65 dB Nutzschall und 60 dB Störschall**
Mit den strittigen Geräten Phonak W ... S IX UP seien 20 % **, mit den Vergleichsgeräten Phonak W ... S IX UP 30 %**, mit den Festbetragsgeräten Phonak R ... 20 %**, und dem Phonak W ... S I UP 30 %**, dem U ... Max 6 SP (Ersatz 360+) 20 %**, dem Audio Service V ... 4 HP 20 %** Sprachverständlichkeit für Mehrsilber im Störgeräusch bei gleichem Messaufbau erreicht worden. Die getesteten Geräte Phonak W ... S IX UP, und Phonak R ..., Phonak W ... S I UP, U ... Max 6 SP (Ersatz für 360+) und Audio Service V ... 4 HP erfüllten allesamt die Mindestvoraussetzungen von Digitaltechnik, Mehrkanaligkeit (mindestens 4 Kanäle), Rückkoppelungs- und Störgeräuschunterdrückung, mindestens drei Hörprogrammen, Verstärkerleistung von größer/gleich 75 dB nach WHO 4 für an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Lediglich das Phonak R ... erfülle nicht die Verstärkerleistung von 75 dB. Ansonsten seien die technischen Mindestparameter bei allen Geräten identisch. Gleichwohl habe die Klägerin auch mit dem Gerät Phonak R ... ein Sprachverstehen von 20 % für Mehrsilber im Störgeräusch und bei Einsilbern in Ruhe von 25 % gehabt.
Hinsichtlich des geforderten Hörgewinns aus der Hilfsmittelrichtlinie seien objektiv vergleichbare Messungen in Ruhe 65 dB Nutzschall FF und objektiv vergleichbare Messungen unter Störgeräuschbedingungen FF 65 dB Nutzschall/60 dB Störschall durchgeführt worden. Die Messvergleiche hätten unter Berücksichtigung eines Toleranzbereichs von +/- 5 -10 % im Sprachverständnis zu objektiv gleichen Messergebnissen geführt. Die Messergebnisse lägen im Bereich der an Taubheit grenzenden Resthörigkeit der Klägerin. Das mögliche Sprachverständnis in Ruhe von ca. 20 % unter Berücksichtigung einer Toleranz von +/- 5-10 % belege das geringe erzielbare realistische Sprachverständnis in Ruhe. Die getesteten Hörgeräte hätten sich unter Berücksichtigung des Toleranzbereichs nicht unterschieden. Die Messergebnisse belegten vielmehr, dass auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare objektive Sprachverständlichkeit liegen. Die höherwertigen Geräte hätten mehr Komfortmerkmale, welche ein subjektiv komfortableres Hören erlauben könnten. So verfüge das zuzahlungspflichtige Hörgerät Phonak W ... S IX UP über eine automatische Umschaltung von Kugelcharakteristik auf Richtcharakteristik. Das Hörgerät könne "selbständig" entscheiden, in welchem Modus es in der entsprechenden Situation arbeitet. Gleichwohl sei es sinnvoll, ein entsprechendes Programm mittels Programmtaster, zB auf Programm 2, mit dieser Übertragung zu belegen und manuell auszuwählen, damit das Hörgerät auch in dieser Einstellung arbeitet. Ein Gerät mit den geforderten Mindestkriterien arbeite manuell. Das automatische Umschalten sei ein sog. Komfortmerkmal. Abgesehen von sog. Komfortmerkmalen habe das von Klägerin beantragte Gerät Phonak W ... S IX UP jedoch keine objektiv verbesserten Hörergebnisse bei ihr gezeigt. Nach den Messergebnissen lägen auch die Festbetragsgeräte im Zielkorridor für die erzielbare objektive Sprachverständlichkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die streitige Hörgeräteversorgung betreffend, sowie die Gerichtsakte beider Instanzen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung waren.
SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 10.12.2015 - S 51 KR 949/13
R/R9063
Informationsstand: 14.05.2020