Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da diese sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben, § 124
Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG).
Die Klage ist in ihrem geänderten
bzw. aufrecht erhaltenen Umfang begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als sie die zusätzliche Versorgung des Klägers mit dem Bluetooth-Hörverstärker CM-BT 2 ablehnen. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden eine zusätzliche Versorgung des Klägers abgelehnt, soweit sie über die Bewilligung des Festbetrages hinausgeht. Sollte der Wechsel des Versorgungsanliegens von den ursprünglich geltend gemachten Hörgeräten Novasense Active Pro HdO auf die Hörgeräte Select Rio Pro 2 HdO und dann auf den Bluetooth-Hörverstärker CM-BT 2 eine Klageänderung darstellen, so ist sie zumindest sachdienlich, § 99
SGG. Andernfalls wäre es den betroffenen Versicherten unter Berücksichtigung der technischen Fortentwicklung oft nicht möglich, im Rahmen ihres Sachleistungsanspruchs während eines (!) längeren Rechtsmittelverfahrens die angemessene Versorgung zu erlangen.
Dem Kläger steht zusätzlich zur Versorgung mit zwei Festbetragshörgeräten ein Anspruch auf Versorgung mit dem Bluetooth-Hörverstärker CM-BT 2 zu,
§ 33,
§ 11 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).
Hörgeräte dienen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich (
BSG, Urteil vom 17.12.2009
B 3 KR 20/08 R -, juris.de, Rn. 19; Urteile vom 03.11.2011). Dies führt dazu, dass mit dem entsprechenden Hilfsmittel ein umfassender Versorgungsanspruch verbunden ist und nicht nur ein Anspruch auf Befriedigung von Grundbedürfnissen (wie beim bloß mittelbaren Behinderungsausgleich). Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob heutzutage das Telefonieren mit einem Mobiltelefon bereits als anzuerkennendes Grundbedürfnis einzuordnen ist oder nicht (zahlreiche Haushalte verfügen mittlerweile ausschließlich über Mobilfunk und nicht mehr über einen Festnetzanschluss). Jedenfalls stellt sich die zuletzt geltend gemachte Versorgung schon nicht als unverhältnismäßig dar (
vgl. auch rechtskräftiges Urteil der 8. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4.5.2017 - S 8 KR 142/15 -; damals noch ohne Kenntnis der hier eingeführten deutlich preiswerteren Versorgungsmöglichkeit mittels eines Zubehörteils). Insofern ist vorliegend insbesondere maßgeblich, dass das vom Kläger geltend gemachte Bedürfnis, mobil zu telefonieren im Verhältnis steht zu den ausgesprochen niedrigen Kosten für die zuletzt streitgegenständliche Versorgung (weniger als 200
EUR) auch nicht ansatzweise als unverhältnismäßig angesehen werden kann.
Eine entsprechende Hörverbesserung bei (mobilen) Telefongesprächen, wie vom Kläger geltend gemacht, ist vom angehörten sachverständigen Hörgeräte-Akustiker-Meister S2. E insbesondere in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2018 bestätigt worden: "Diese Übertragung von Gesprächen kann das Sprachverstehen am Telefon erheblich verbessern, da die Schallaufnahme des Telefonlautsprechertons nur über die Hörgerätemikrofone in vielen Fällen ungünstig ist. Bei der induktiven Übertragung kann eine bessere Tonqualität geliefert werden, die das Sprachverstehen erleichtert. Darüber hinaus kann das Telefongespräch über beide Hörgeräte gehört werden. Ein binaural gehörtes Sprachsignal ist insbesondere für schwerhörige Patienten einfacher zu verarbeiten. Ohne eine solche binaurale Übertragung ist bei Patienten mit hochgradigem Hörverlust (sowie beim Kläger befundmäßig gegeben: die Autorin) in einigen Fällen gar keine Kommunikation über das Telefon möglich. Auch der Kläger gibt an, ohne ein Zusatzgerät, das Telefongespräche auf die Hörgeräte überträgt, nicht telefonieren zu können. Aus gutachterlicher Sicht ist es als sehr wahrscheinlich zu beurteilen, dass im Fall des Klägers die Bluetooth-Schnittstelle CM-BT 2 von Humantechnik die Telefonkommunikation erleichtert."
Unter Berücksichtigung der Ausführungen insbesondere des sachverständigen Hörgeräte-Akustiker-Meisters konnte das skeptische Hinterfragen der Beklagten, weshalb das Telefonieren nicht direkt über die eingebaute Spule möglich sein soll (Schriftsatz vom 09.02.2019), zu keiner anderen Entscheidung führen. Über die im Hörgerät eingebaute Spule mag ein Telefonieren mit einem ebenso versorgten Festnetztelefongerät möglich sein. Vorliegend war jedoch bereits von Anfang an entscheidungserheblich die Möglichkeit des Klägers, mit einem Mobilfunkgerät telefonieren zu können, das über keine entsprechende Spule verfügt. Aus diesem Grund ist als zusätzliche Schnittstelle zwischen der Bluetoothfähigkeit des Mobilfunkgerätes und der Spule des Hörgerätes der nunmehr streitgegenständliche Bluetooth-Hörverstärker CM-BT 2 notwendig.
Die tenorierte Versorgungspflicht der Beklagten führt dazu, dass sie bei einer zukünftigen Versorgung des Klägers die Kosten für den Bluetooth-Hörverstärker zu übernehmen hat oder bei einer Anschaffung in der Vergangenheit zu erstatten hat,
§ 13 SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Die unter Berücksichtigung des letztendlich maßgeblichen Streitwertes von weniger als 750
EUR unzulässige Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen, ob hörgerätepflichtige Versicherte vom Umfang her einen Versorgungsanspruch auf die Ermöglichung von Mobilfunktelefongesprächen haben.