Der Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger über den 31. Dezember 2005 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren. Die Beklagte trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Klägers.
Die Beteiligten streiten um die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Beklagte gewährte dem am 7. Juli 1951 geborenen Kläger mit Bescheid vom 13. Mai 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bei einem Leistungsfall am 23. Januar 2002 mit Beginn am 1. August 2002 befristet bis zum 31. Dezember 2005. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2005 erklärte sich die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 bereit, dem Kläger - der weder über eine Fahrerlaubnis noch über ein Kraftfahrzeug verfügt - im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
Kfz-HV) unter Berücksichtigung der
ggf. bei einzelnen Leistungen zu beachtenden Einkommensgrenze zu gewähren.
Auf den Antrag des Klägers auf Weitergewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2005 hinaus ließ die Beklagte den Kläger durch
Dr. med. R-S auf internistischem Gebiet untersuchen. In ihrem Gutachten vom 21. Oktober 2005 kommt die Ärztin bei diagnostizierter peripherer arterieller Verschlusskrankheit II b mit Zustand nach Angioplastie und Stent-Implantation (2000, 2002 und 2003), medikamentös behandelter Hypertonie und beginnender koronarer Herzkrankheit, tablettenpflichtiger Diabetes mellitus, metabolischem Syndrom und monoklonaler Gammopathie, beginnender chronisch- obstruktiver Lungenerkrankung bei Nikotinkonsum und degenerativem Lendenwirbelsäulensyndrom zu der Leistungseinschätzung, dass dem Kläger zwar noch leichte Arbeiten vollschichtig zumutbar seien, dessen Wegefähigkeit jedoch bei einer Gehstrecke von 305 Metern nicht mehr gegeben sei.
Mit Bescheid vom 3. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag des Klägers ab. Es liege über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vor. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger zwar nicht mehr den angelernten Beruf als Einschaler
bzw. Betonbauer ausüben. Er könne jedoch eine Tätigkeit, die unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbar sei, im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten.
Hiergegen legte der Kläger am 9. Januar 2006 Widerspruch ein. Er sei weiterhin voll erwerbsgemindert. Sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Außerdem sei er von der begutachtenden Ärztin nicht richtig untersucht worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Wegefähigkeit des Klägers sei zwar eingeschränkt. Da ihm jedoch - was unstreitig ist - Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach der
Kfz-HV einschließlich eines Zuschusses für seine Beförderung für den Fall der Arbeitsaufnahme sowie zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses konkret zugesichert wurden, bestehe die Möglichkeit, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu erreichen.
Mit der am 3. März 2006 (Eingang bei Gericht) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Weitergewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente weiter. Völlig außer Acht sei geblieben, dass er nicht nur in seiner Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt sei, sondern dass er auch unter erheblichen Schmerzen in den Beinen bei bekannter peripherer arterieller Verschlusskrankheit leide. Es habe den Anschein, als wenn die Beklagte - um seine Wegefähigkeit "wieder herzustellen" - ihm die
Kfz-Hilfe gewähre, um somit die Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung nicht gewähren zu müssen. Er sei jedoch in Folge seiner Erkrankung und Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm über den 31. Dezember 2005 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat im Rahmen der medizinischen Sachaufklärung die Akte des Versorgungsamts zum Aktenzeichen sowie einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes
Dr. med. H (18. Juli 2006, Innere Medizin, Bl. 60
ff. der Gerichtsakte) eingeholt. Schließlich hat das Gericht
Dr. med. G-A mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf internistischem Fachgebiet beauftragt. Wegen der Einzelheiten der Beweisanordnung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 94
ff. und 127
ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Mit Bescheid vom 14. November 2007 erklärte sich die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007 weiterhin bereit, dem Kläger im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach der
Kfz-HV (Übernahme von Beförderungskosten) unter Berücksichtigung der
ggf. bei einzelnen Leistungen zu beachtenden Einkommensgrenzen zu gewähren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit den Schriftsätzen nebst Anlagen sowie den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (Az.: ) verwiesen.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2005 hinaus auf Dauer. Es lässt sich zwar nicht feststellen, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Trotz seiner Erwerbsfähigkeit gilt der Arbeitsmarkt für den Kläger jedoch als verschlossen, weil er einen entsprechenden Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann.
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43
Abs. 2 Satz 2
SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nicht in dem erforderlichen Maße gemindert ist. Der Kläger ist nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen
Dr. med. G-A bei diagnostizierter generalisierter Gefäßsklerose (periphere arterielle Verschlusskrankheit Fontaine IIb, vielfache Ballondilatationen und eine Stent- Implantation rechte Oberschenkelarterie, Sklerose der hirnversorgenden Halsgefäße, koronare Herz-Krankheit mit PTCA und Stent-Implantation des RCA), Bluthochdruck Stadium I, Diabetes mellitus Typ II mit peripherer Neuropathie,
Fettstoffwechselstörung (Fredrickson IIb), Fettleber II , LWS-Syndrom, älterem Bandscheibenvorfall L5/S1 gesundheitlich in der Lage, volle acht Stunden täglich leichte Arbeiten zu verrichten. Die Überzeugungskraft des Gutachtens wird dadurch verstärkt, dass es die im Verwaltungsverfahren abgegebene Einschätzung der Gutachterin
Dr. med. R-S bestätigt. Den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer an. Die Kammer hält das Gutachten in vollem Umfange, insbesondere in der Erhebung der Befunde und der Beantwortung der Fragen der Beweisanordnung des Gerichts für sorgfältig und sachkundig erstellt und somit für überzeugend.
Gleichwohl hat der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer vollen Rente wegen Erwerbsminderung, da er nicht in der Lage ist, den Weg zur Arbeitsstelle zurückzulegen, und ihm der Arbeitsmarkt daher praktisch verschlossen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (
vgl. BSG Urteil vom 28. August 2002, Az.
B 5 RJ 12/02 m. w. N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43
SGB VI versicherten Risikos (
vgl. z. B. BSG Urteile vom 17. Dezember 1991, Az. 13/5 RJ 73/90, und vom 14. März 2002, Az.
B 13 RJ 25/01 R); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss.
Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (
BSG a. a. O.). Der Kläger, der weder über eine Fahrerlaubnis noch über ein Kraftfahrzeug verfügt, ist nach diesen Maßstäben nicht wegefähig, was der Sachverständige in seinem Gutachten festgestellt hat und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Die Kammer hält die Ausführungen des
Dr. med. G-A, wonach der Kläger aufgrund seiner Gefäßerkrankung lediglich eine Gehstrecke von
ca. 200 Metern zurücklegen kann, auch insoweit für überzeugend.
Soweit der Zeitraum ab dem 1. Januar 2008 betroffen ist, steht der Annahme der fehlenden Wegefähigkeit nichts entgegen. Die Wegefähigkeit war jedoch auch im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007 nicht hergestellt durch die in den Bescheiden vom 1. Dezember 2005 und 14. November 2007 ausgesprochene Erklärung der Beklagten, dem Kläger für diese Zeit im Falle der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nach der
Kfz-HV (Übernahme von Beförderungskosten) unter Berücksichtigung der
ggf. bei einzelnen Leistungen zu beachtenden Einkommensgrenzen zu gewähren. Zwar hat das Bundessozialgericht (
BSG) nicht ausgeschlossen, dass die fehlende Mobilität eines Versicherten durch geeignete Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hergestellt werden kann (
vgl. z. B. Urteil vom 21. März 2006, Az.
B 5 RJ 51/04 R). Unter welchen Voraussetzungen die Wegefähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben als hergestellt gilt, ist in der Rechtsprechung des
BSG jedoch offen geblieben.
Vorliegend sind die Voraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt, da sich die von der Beklagten in den vorgenannten Bescheiden gewährten Leistungen nicht auf ein bestehendes oder in Aussicht stehendes konkretes Arbeitsverhältnis beziehen und insoweit nicht dem Konkretisierungsgebot genügen, das dem Rehabilitationsrecht jedoch eigen ist. Nach §§ 9
ff. SGB VI werden Leistungen zur Teilhabe im Einzelfall nach Ermessensentscheidung des Leistungsträgers "erbracht". Mithin bedarf es des Bezugs auf einen konkreten Sachverhalt, der einer solchen Ermessensentscheidung auch zugänglich ist. Insbesondere die nur im Rahmen der Härtefallregelung des § 9
Abs. 1
Kfz-HV zu übernehmenden Kosten von Beförderungsdiensten, die zudem gegenüber den gemäß § 2
Abs. 1
Kfz-HV zu erbringenden Regelleistungen der
Kfz-HV ( Leistungen zur Beschaffung eines
Kfz) nachrangig sind, hängen von den Umständen des Einzelfalls ab, deren genauer Prüfung es bedarf (
vgl. zu alledem die ausführliche Begründung des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts -
LSG - vom 21. Januar 2003, Az.
L 5 RJ 190/ 01, die sich die Kammer nach gründlicher Prüfung zu Eigen gemacht hat).
Der zu fordernde Bezug auf einen konkreten Sachverhalt kann aufgrund der Struktur des Rehabilitationsrechts nur bei einem bestehenden oder in Aussicht stehenden konkreten Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis hergestellt werden, da nur dann eine den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Aussage über Art und Umfang von Leistungen der
Kfz-Hilfe möglich ist. Die von der Beklagten weit im Vorfeld eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses abgegebene Erklärung bleibt daher notwendigerweise abstrakt und geht nicht wesentlich über das Gesetzes- und Verordnungsrecht hinaus. Letztlich geht es der Beklagten auch nicht darum, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuzusagen, die ganz genau auf den besonderen Bedarf und die besonderen Umstände des jeweiligen Versicherten zugeschnitten sind, sondern darum, die gebotene Einzelfallentscheidung, ob das bei dem jeweiligen Versicherten bestehende Mobilitätsdefizit durch geeignete Leistungen zur Teilhabe behoben werden kann, leer laufen zu lassen (
LSG a. a. O.). Kurz: Das Rehabilitationsrecht ist kein Instrument, mit dem bei Vorliegen von abstrakten Voraussetzungen fiktive Leistungen gewährt werden können, um eine tatsächlich bestehende Wegeunfähigkeit zu beseitigen, und dies nicht etwa zu dem Zweck, die Erreichbarkeit eines Arbeitsplatzes zu gewährleisten, sondern allein zu dem Zweck, einen bestehenden Rentenanspruch auszuhöhlen.
Die allgemeine Wartezeit sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (
vgl. § 43
Abs. 1
Nr. 2 und 3,
Abs. 2
Nr. 2 und 3
SGB VI) sind erfüllt. Der Leistungsanspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht über den 31. Dezember 2005 hinaus auf Dauer. Der Sachverständige hat sachkundig und überzeugend geschildert, dass die meisten der Unterschenkelarterien des Klägers hochgradig stenosiert bis komplett verschlossen sind und es gegenwärtig keine Behandlungsmethoden zur Wiedereröffnung der Gefäße gibt, so dass die Möglichkeit einer Besserung weitgehend ausgeschlossen ist. Die Kammer schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen an, als eine Besserung des Leistungsvermögens mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist. Da somit eine Behebung der Wegefähigkeit unwahrscheinlich ist und der Rentenanspruch des Klägers unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, war er nicht zu befristen (§ 102
Abs. 2
S. 4
SGB VI).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1
SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.