Mit der vorliegenden Klage begehrt der 1961 geborene Kläger die Gewährung einer Umschulung.
Im Juni 2003 stellte er einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten.
Der Kläger ist gelernter Straßenbauer und arbeitete in diesem Beruf bis zum Jahr 2002. Seit dem 01.01.2003 ist er arbeitsunfähig erkrankt mit Leistungsbezug.
Mit Bescheid vom 09.07.2003 hatte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Teilhabe (Eingliederungszuschuss) in Aussicht gestellt; der Kläger verfolgte aber das Ziel einer Umschulung weiter.
Mit Bescheid vom 06.10.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Kosten für eine Umschulung nicht übernommen werden könnten. Nach ihren Erkenntnissen sei die Arbeitsmarktlage hinsichtlich einer Umschulung als äußerst ungünstig zu bewerten. Ein 45-jähriger Versicherter sei nach Abschluss einer Umschulung mit Berufsanfängern, die um Jahrzehnte jünger seien, nicht konkurrenzfähig. Die Vermittlungschancen seien nur unwesentlich besser als bei Arbeitskräften, welche durch ihre bewilligten Hilfen (befristete Eingliederungshilfe, Teilfeldqualifizierung) zur Erlangung eines Arbeitsplatzes dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen würden. Mit dem bei ihm vorliegenden Leistungsvermögen sei der Kläger in der Lage, mittelschwere Arbeiten zu verrichten; lediglich Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit des linken Armes erfordern würden, seien zu vermeiden. Hierdurch sei der Kläger in der Lage, auf dem Arbeitsmarkt einer diesem Belastungsvermögen entsprechenden Beschäftigung ohne weitere Umschulung nachzugehen. Für die Erlangung eines solchen Arbeitsplatzes seien die bewilligten Hilfen ausreichend und angemessen. Ob eine Eignung für eine Umschulung überhaupt vorliegen würde, könne daher
dahinstehen.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2004 zurück. Zur Begründung führte sie
u. a. aus, dass insbesondere das Alter ein wesentliches Einstellungskriterium darstelle. So beginne die Grauzone bereits ab 30 Jahren. Ein 45-jähriger Versicherter sei mit um Jahrzehnte jüngeren Berufsanfängern nicht konkurrenzfähig.
Hiergegen richtet sich die am 09.03.2004 beim Sozialgericht erhobene Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, er sei für eine Umschulungsmaßnahme sowohl motiviert als auch geeignet. Die Beklagte habe keine konkreten Nachforschungen sowohl hinsichtlich der konkreten Situation auf dem Arbeitsmarkt noch hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Arbeitsmarktes betrieben. Der gegenwärtige Mangel an Arbeitsplätzen sei kein Grund für die Ablehnung einer Umschulungsmaßnahme. Auch nach Beendigung seiner Umschulung habe er noch mindestens 20 Jahre Berufstätigkeit vor sich.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 06.10.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Prozessakte sowie den der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung war.
Die zulässige Klage ist auch begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, da die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Umschulung nicht mit der gegebenen Begründung ablehnen durfte. Die angefochtene Entscheidung ist vielmehr ermessensfehlerhaft.
Sind die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 10, 11 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) wie vorliegend erfüllt, bestimmt der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistung sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten hat. Diese Entscheidung des Rentenversicherungsträgers ist gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob das Ermessen nicht oder nur fehlerhaft ausgeübt worden ist. Der Kläger hat einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39
Abs. 1
SGB I).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit erheblich gefährdet
bzw. gemindert ist.
Daneben muss die Reha-Leistung erfolgversprechend sein. Zur Beurteilung müssen dabei insbesondere die Leiden, die persönlichen Verhältnisse und die Bereitschaft zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit berücksichtigt werden (
vgl. hierzu Urteil des
LSG Rheinland-Pfalz vom 21.10.1998, Az.: L 6 A 5/97).
Der Kläger hat sich bisher nicht auf eine konkrete berufliche Umschulung festgelegt, er ist vielmehr offen für Vorschläge durch die Beklagte. Diese hat die Bewilligung einer Umschulung pauschal wegen des Alters des 1961 geborenen Klägers abgelehnt, ohne konkret darzulegen, in welchen Berufen der Kläger mit seinem Alter und seinen Erkrankungen keine Vermittlungschancen mehr hat.
Auf die Nachfrage des Gerichts, bis zu welchem Alter Umschulungen gefördert würden und ob die Beklagte ihre Einschätzung, dass die Vermittlungschancen nach einer Umschulung unwesentlich besser seien als bei einer Eingliederungshilfe, statistisch belegt werden können, hat die Beklagte das Gericht auf eine Anfrage bei der Agentur für Arbeit verwiesen und an ihrer Auffassung festgehalten.
Auch das Gericht verkennt nicht, dass es sicherlich Berufe gibt, die von einem 45-jährigen Mann nicht mehr ausgeübt werden können; pauschal ist eine Ablehnung eines Umschulungsantrags wegen fortgeschrittenen Alters aber ermessensfehlerhaft. Die Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens verlangt vielmehr, im Einzelfall sämtliche Umstände zu prüfen, die für die Ermessensbildung bedeutsam sind. Die Ablehnung einer Umschulung allein aufgrund des Lebensalters ist zumindest bei einem 45- Jährigen offensichtlich ermessensfehlerhaft, denn die Rentenversicherung geht vom Regelfall eines bis zum 65. Lebensjahr dauernden Arbeitslebens aus und mutet den Versicherten, wie es die gesetzlichen Regelungen zur Berufsunfähigkeitsrente zeigen, bis dahin durchaus einen Berufswechsel zu
(
vgl. hierzu auch Urteil des
BSG vom 22.06.1971, Az.: -
11 RA 279/69).
Das Gericht vertritt die Auffassung, dass bei bestimmten Berufen auch das Alter eine besondere Rolle spielt, dies aber nicht nur im negativen Sinn, denn bei verschiedenen Berufen ist auch ein höheres Lebensalter mit entsprechender Berufserfahrung von Vorteil.
Die Ablehnung einer Umschulungsmaßnahme unabhängig vom konkreten Umschulungsberuf und unabhängig von der Neigung und Eignung des Versicherten, ist nach alledem ermessensfehlerhaft.
Das Gericht weist darauf hin, dass, falls die Beklagte das Alter des Klägers als negatives Kriterium in einer erneuten Entscheidung über die beantragte Umschulung berücksichtigen möchte, konkrete Statistiken oder andere entsprechende Unterlagen vorzulegen sind, aus denen ersichtlich ist, dass eine Umschulung ab einem gewissen Lebensalter nicht zur Verbesserung der Einstellungschancen dienen kann. Darzulegen wird dann auch sein, bei welchen Berufen genau welches Alter hinderlich ist.
Nach alledem sind die ermessensfehlerhaften Bescheide der Beklagten aufzuheben. Die Beklagte war entsprechend zu verurteilen, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Kostenfolge beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).