Urteil
Behindertenführhund - selbstbeschaffte Leistung

Gericht:

BSG


Aktenzeichen:

3 RK 5/96


Urteil vom:

20.11.1996


Leitsatz:

1. Zum Umfang der Bindungswirkung bei der Bewilligung sozialrechtlicher Leistungen (hier: Blindenführhund als Hilfsmittel).

2. Zur fehlenden Erforderlichkeit und Geeignetheit eines Hilfsmittels.

Orientierungssatz:

1. Es liegt keine Klageänderung iS von § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vor, wenn anstelle des zunächst geltend gemachten Sachleistungsanspruchs auf Ausstattung mit einem Blindenhund nach Klageerhebung aufgrund des Erwerbs des Blindenhundes und dessen Aushändigung ein Kostenerstattungsanspruch getreten ist.

2. Eine Ersatzbeschaffung (iS von § 33 Abs 1 S 2 SGB 5 ist nicht schon deshalb "notwendig", weil das zur Verfügung gestellte Hilfsmittel nicht mehr funktionstüchtig ist. Notwendig ist eine Ersatzbeschaffung nur, wenn beim Ausfall des zur Verfügung gestellten Hilfsmittels zusätzlich nach Maßgabe von S 1 des § 33 Abs 1 SGB 5 ein Anspruch auf Ausstattung mit diesem Hilfsmittel besteht, dieses also ua erforderlich iS von S 1 ist. Dabei gilt auch für die Ersatzbeschaffung das Wirtschaftlichkeitsgebot.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Behindertenrecht 03/1997

II.

3. Beide Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach § 13 SGB V setzt u.a. voraus, daß zunächst ein Sachleistungsanspruch bestand, der sich in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt haben kann (BSGE 73, 271/276 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 15; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 2; BSGE 63, 102/103 = SozR 2200 § 368e Nr. 11). Da dem Kläger kein Sachleistungsanspruch zustand, kann er mit der Beschaffung des Blindenhundes Sando keinen Kostenerstattungsanspruch erworben haben. Maßgebend für die Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt, in dem sich der Versicherte im Jahre 1993 die Leistung selbst verschafft hat (BSGE 73, 271/276 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4).
Ein Blindenführhund ist ein Hilfsmittel i. S. des Rechts der Krankenversicherung, was bereits zu § 182 b RVO a.F. entschieden wurde (BSGE 51, 206/207 = SozR 2200 § 182b Nr. 19) und zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Nach Satz 1 des § 33 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind; nach Satz 2 umfaßt der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Eine Ersatzbeschaffung war in diesem Sinne nicht schon deshalb "notwendig", weil das zur Verfügung gestellte Hilfsmittel nicht mehr funktionstüchtig war, wie dies hier der Fall ist.

Das Tatbestandsmerkmal "notwendige Ersatzbeschaffung" erfordert zwar den Ausfall des zur Verfügung gestellten Hilfsmittels, geht aber darüber noch hinaus. Notwendig ist eine Ersatzbeschaffung nur, wenn beim Ausfall des zur Verfügung gestellten Hilfsmittels zusätzlich nach Maßgabe von Satz 1 des § 33 Abs. 1 SGB V ein Anspruch auf Ausstattung mit diesem Hilfsmittel besteht, dieses also u.a. erforderlich i.S. von Satz 1 ist. Der in § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorangestellte Grundsatz, daß Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, vom Versicherten nicht beansprucht werden können und von den Krankenkassen nicht bewilligt werden dürfen, gilt auch für die Ersatzbeschaffung, worauf schon das LSG zutreffend hingewiesen hat. Die amtliche Begründung zu §§ 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V, zum Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln gehöre auch die individuelle Anpassung des Hilfsmittels und die Versorgung mit dem dazu individuell nötigen Zubehör (Bt-Drs. 11/2237 S. 174) bestätigt, daß die Voraussetzungen von Satz 1 auch für Satz 2 gelten. Sie gibt keinen Hinweis darauf, daß für eine Ersatzbeschaffung die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 und des § 33 Abs. 1 Satz 1 nicht gelten sollen. Wenn nach § 33 Abs. 1 SGB V das Hilfsmittel "erforderlich" und die Ersatzbeschaffung "notwendig" sein muß, dann werden diese Begriffe letztlich inhaltsgleich gebraucht (Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, SGB V Stand Januar 1996, § 33 RdNr. 23). Es steht dem Gesetzgeber zwar insoweit frei, für die Ersatzbeschaffung an die Entscheidungsgrundlagen der früheren Erstbewilligung anzuknüpfen, ähnlich wie das Arbeitsförderungsgesetz ab dem 7. Änderungsgestz für die Höhe des Unterhaltsgeldes hinsichtlich des Bemessungsentgelts an Entscheidungsgrundlagen einer früheren Arbeitslosengeldbewilligung anknüpfen, die damit unabhängig davon gelten, ob sie von der Bindungswirkung der Bewilligung umfaßt werden (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 7 unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 112 Nr. 23). Da der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit in § 33 SGB V aber keinen Gebrauch gemacht hat, sind die Leistungsvoraussetzungen auch für eine Ersatzbeschaffung in vollem Umfang zu prüfen.

4. Hierzu hat das LSG zu Recht entschieden, daß der Führhund Sano als Hilfsmittel bei seinem Erwerb weder erforderlich noch geeignet war. Dabei hat das LSG zutreffend seine Prüfung auf den vom Kläger beschafften Führhund Sando bezogen, da der Kläger den Leistungsanspruch auf diesen Hund konkretisiert hat. Der Prüfung, ob Sando als Hilfsmittel geeignet und erforderlich war, steht nicht entgegen, daß die Krankenkasse in bindenden Bescheiden den Sachleistungsanspruch bezogen auf den früher zur Verfügung gestellten Hund Maja bejaht hatte. Laut diesem Bewilligungsbescheid war die Krankenkasse bereit "die Kosten eines Blindenführhundes wie beantragt zu übernehmen".

Die Krankenkasse hatte, wie im Bescheid mitgeteilt, die Ausbildungsstätte für Blindenführhunde RG gebeten, mit dem Kläger ein geeignetes Tier auszuwählen und dieses auszubilden. Das LSG führt dazu aus, damit sei die Krankenkasse keine weitere Verpflichtung als die Versorgung des Klägers mit dem Blindenführhund Maja eingegangen, und zwar abschließend und lediglich ergänzt um die Beschaffung über die Ausbildngsstätte RG. Über die im Gesetz vorgesehene Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln (§ 33 Abs. 1 SGB V) sei keine Entscheidung erfolgt. Die eingegangene Verpflichtung sei erfüllt worden. Einer Korrektur durch Rücknahme, Aufhebung oder Widerruf habe es daher nicht bedurft.

Den hiergegen erhobenen Revisionsangriffen hält die Entscheidung des LSG stand. Die Revision meint, der Bescheid habe nicht die Versorgung mit einem bestimmten, sondern mit "einem" Blindenführhund gewährt, so daß nach dem Ausfall der Hündin Maja wegen ihrer Allergien von der Wirkung des Bescheides zwangsläufig (auch) die Ersatzbeschaffung eines Blindenhundes mit eingeschlossen gewesen sei. Denn es habe sich bei dem Bescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt, der sich nicht in der einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes Rechtsverhältnis begründet und für eine "gewisse Zeitdauer" gestaltet habe. Der Bescheid umfasse mit den Kosten für Futter und tierärztliche Behandlung auch wiederkehrende Leistungen. Ein derartiger Verwaltungsakt bleibe nach § 39 Abs. 2 SGB X bis zu seiner Korrektur - Rücknahme, Widerruf, Aufhebung, Erledigung durch Zeitablauf oder auf andere Weise - wirksam.
Hier sei nur eine Rücknahme nach § 48 SGB X in Betracht gekommen, aber nicht erfolgt, so daß der Bescheid weiterhin seine Dauerwirkung entfalte, die auch die Ersatzbeschaffung umfasse.

Der Revision ist zwar zuzugeben, daß der Bewilligungsbescheid Maja nicht namentlich nennt und auch nicht benennen konnte, weil bei Erlaß des Bewilligungsbescheides der Blindenführhund Maja noch nicht ausgewählt war. Aus diesem Grunde kann sich der Bewilligungsbescheid nicht von vornherei auf Maja bezogen haben. Bewilligt wurde vielmehr ein bei RG auszuwählnder Hund, also nicht allgemein die Ausstattung mit "einem" Hund.

Jedenfalls in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte das Hilfsmittel abnimmt und als Erfüllung seines Sachleistungsanspruchs anerkannt, konkretisiert sich ein solcher Bewilligungsbescheid auf die abgenommene Leistung, hier auf Maja.

Die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes beschränkt sich auf die getroffene Regelung und damit auf den Verfügungssatz, wobei ein Verwaltungsakt auch mehrere Regelungen und damit mehrere Verfügungssätze enthalten kann.

Insoweit kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß der Bewilligungsbescheid nicht nur die Kostenübernahme für den bei RG noch auszuwählenden Hund regelt, sondern auch die Futterkosten und etwaige Tierarztkosten, und daß er insoweit ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist (vgl. zur Definition BSGE 56, 165/170 ff. = SozR 1300 § 45 Nr. 6 sowie Wiesner in Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 48 RdNr. 3). Denn die Übernahme der Futter- und Tierarztkosten bezog sich ebenfalls nur auf den noch auszuwählenden Hund. Im Bescheidwortlaut deutet nichts darauf hin, daß auch eine Ersatzbeschaffung geregelt werden sollte.

Der Bescheid über die Bewilligung des bei RG noch auszuwählenden Hundes enthält allerdings zu seiner Begründung die allgemeine Feststellung, daß "ein" Blindenführhund zum Ausgleich der Sehbehinderung des Klägers erforderlich ist. Diese Feststellung gehört sogar zu den tragenden Gründen der getroffenen Bewilligung. Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten erfaßt jedoch in aller Regel nicht auch die dergestalt den Verfügungssatz tragenden Gründe (BSGE 46, 236/237 = SozR 1500 § 77 Nr. 29 m.w.N.). Der dem entsprechende Grundsatz, daß die Bewilligung einer Sach- oder Geldleistung regelmäßig nur den Leistungsgegenstand erfaßt, bei Geldleistungen also den Zahlbetrag, und nicht Sätze der Begründung, bei Geldleistungen also insbesondere nicht die Berechnungselemente, die die Endsumme tragen, gilt allerdings nur mit zahlreichen Einschränkungen. Diese greifen jedoch im vorliegenden Fall nicht ein.

Eine solche Einschränkung kann sich zum einen aus dem Verbot der Nachholung der Begründung nach Klageerhebung (§ 41 SGB X) ergeben. Diese Einschränkung kann indes nur eingreifen, soweit es um die Bindungswirkung des angefochtenen Verwaltungsaktes geht, was hier nicht der Fall ist. Betroffen sind die Fragen, ob ein eingreifender Verwaltungsakt, etwa eine Rückforderung, auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt werden kann oder ob im Falle der Bewilligung einer zu niedrigen Geldleistung die Anerkennung der Leistungspflicht dem Grunde nach die Behörde und folgerichtig dann auch das Gericht daran hindert, der Klage auf eine höhere Leistung entgegenzuhalten, daß der Anspruch dem Grunde nach nicht bestehe. Hier ist indes die Bindungswirkung eines anderen als des angefochtenen Verwaltungsaktes streitig.

Zum anderen kann einem Satz der Begründung eines Verwaltungsaktes nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommen, daß er unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten als selbständige Feststellung im Sinne eines (weiteren) Verfügungssatzes zu werten ist (BSGE 66, 168/173 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Diese Einschränkung gilt sowohl in Ansehung des angefochtenen Verwaltungsaktes als auch in Ansehung eines früheren Verwaltungsaktes, hier der früheren Bewilligung von Maja. Insoweit wird eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß nur die Leistungsbewilligung selbst und nicht ihre Begründung bindet, insbesondere zu der einer jeden Leistungsbewilligung zugrundeliegenden Festlegung erörtert, daß der Anspruch dem Grunde nach besteht. Begehrt etwa der Bescheidempfänger eine höhere oder weitergehende Leistung, so wird die Frage, ob in der Festsetzung einer zu niedrigen Leistung auch hinsichtlich des streitigen Erhöhungsbetrages die verbindliche Feststellung liegt, daß der Anspruch dem Grunde nach besteht, nach dem Maßstab des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts beantwortet (BSGE 66, 168/174 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Stellt z.B. der Unfallversicherungsträger die Erhöhung der Unfallrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 587 RVO zu niedrig fest, so ist der Erhöhungsbetrag dem Grunde nach damit anerkannt und vom Gericht im Höhenstreit nicht zu überprüfen (BSG SozR 2200 § 587 Nr. 7).

Der Grundsatz, daß ein Leistungsbewilligungsbescheid die Behörde nur hinsichtlich der bewilligten Leistung bindet, wird im Recht der Unfallversicherung, der Rentenversicherung und im Entschädigungsrecht in vielerlei Hinsicht durchbrochen. So wurde z.B. der Bescheid des Unfallversicherungsträgers, daß eine Unfallentschädigung abgelehnt werde, weil der entschädigungspflichtige Arbeitsunfall zu keiner meßbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe, im Sinne der weiteren bindenden Feststellung verstanden, daß ein Arbeitsunfall anerkannt werde (SozR 1500 § 77 Nr. 18), während die (nicht vom Rentenausschuß vorzunehmende) Bewilligung des Sterbegeldes wegen eines Arbeitsunfalls keine für die Witwenrende bindende Anerkennung des Arbeitsunfalls enthält (BSG SozR 2200 § 589 Nr. 8). Der Rentenbescheid stellt nicht nur den Rentenzahlbetrag verbindlich fest, sondern z.B. auch die Rentenart oder in der Unfallversicherung den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). In der Kriegsopferentschädigung werden im Bescheid über die Festsetzung des Berufsschadensausgleichs auch die Feststellungen zum "Einstufungsgerüst" als weitere Verfügungssätze bindend (BSGE 39, 14/16 = SozR 3640 § 4 Nr. 1; BSGE 62, 1/2 = SozR 3100 § 30 Nr. 69), insbesondere die Prognose, welchen Beruf der Beschädigte ohne die Schädigung ausüben würde (BSG SozR 1300 § 45 Nr. 49).

Dabei gilt außerhalb der genannten Einschränkungen auch für diese Gebiete der Grundsatz, daß bei Geldleistungen nur der Zahlbetrag, nicht aber die Berechnungsfaktoren bindend festgestellt werden. So trifft der Rentenbescheid zu den berücksichtigten Versicherungszeiten keine bindende Feststellung (BSG SozR 3-1500 § 77 Nr. 1). Die Bindungswirkung des endgültig Rente bewilligenden Bescheides (§ 204 AVG i.V.m. § 1631 Abs. 1 RVO) eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung erstreckt sich also lediglich auf die Entschädigung über Art, Höhe und Dauer der Rente, hingegen nicht auf die für die Höhe der Rente bedeutsamen Berechnungselemente (BSG SozR 1200 § 42 Nr. 4; BSG SozR 2200 § 1276 Nr. 11 m.w.N.). Der Bescheid über die Witwenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz enthält keine isolierte Feststellung zur Einkommensanrechnung (BSG,Urteil vom 15.8.1996 - 9 RV 22/95). Der Rentenversicherungsträger bindet sich durch die Zubilligung einer Zeitrente für anschließende Zeitabschnitte nicht an die Beurteilung, daß ohne Änderung der Verhältnisse weiterhin Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit vorliegt (hierzu BSG SozR 2200 § 1276 Nr. 11 in Abgrenzung von BSG SozR 2200 § 1276 Nr. 5 und BSGE 53, 100 = SozR 2200 § 1276 Nr. 6; vgl. auch BSGE 41, 168/171 = SozR 2200 § 1259 Nr. 15).

Demgegenüber hat die Rechtsprechung zum Arbeitsförderungsgesetz und zur Krankenversicherung weit strenger an dem Grundsatz festgehalten, daß sich die Bindungswirkung des Bescheides auf die bewilligte Leistung beschränkt und die Verpflichtung des Gerichts, den streitigen Anspruch unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen, weder durch die Bindungswirkung einzelner Sätze der Begründung noch durch ein Verbot des Auswechselns der Gründe eingeschränkt wird. Daher ist bei der Klage auf höheres Arbeitslosengeld wegen Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts hinsichtlich des Unterschiedsbetrages zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Arbeitslosengeldanspruchs dem Grunde nach vorliegen, insbesondere ob die Anwaltschaftszeit des § 104 AFG erfüllt ist (BSGE 66, 168175 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 1). Wird die Aufhebung einer Arbeitslosenhilfebewilligung wegen grob fahrlässiger Verletzung der Mitteilungspflicht nur für den letzten Teil des Bezugszeitraums angefochten, so ist die grobe Fahrlässigkeit, obgleich die Aufhebung für den ersten Teil der Bezugszeit bindend wurde, für den zweiten Teil der Bezugszeit erneut zu prüfen (BSG, Urteil vom 23.9.1996 - 7 RAr 14/96).

Im Recht der Krankenversicherung wurde die Bindungswirkung von Bescheiden über Sach- und Geldleistungen stets besonders einschränkend gesehen und regelmäßig auf die im Bescheid umschriebene Leistung begrenzt, mit deren Erbringung sich der Bescheid durch Erfüllung erledigt. Das gilt insbesondere für die Bewilligung von Krankengeld. Vor Geltung des SGB X war die Krankengeldgewährung als sog. Schalterakt nach der Rechtsprechung des BSG überhaupt keiner Bindungswirkung fähig. Die Definition des Verwaltungsakts in § 31 SGB X läßt unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 8/2034 S. 33) eine schlichte Leistungsgewährung nur im Bereich der Sozialhilfe zu und sieht in der Krankengeldgewährung einen (schlüssigen) Verwaltungsakt (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 103). Das Krankengeld wird indes regelmäßig nur für die Vergangenheit bewilligt, so daß eine Ablehnung des Krankengeldes für die Folgezeit keiner Aufhebung einer auf unbestimmte Zeit erfolgten Bewilligung bedarf (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 103). Vor allem hat die KK über Krankengeld bei Beginn einer neuen "Blockfrist" ohne Bindungen an frühere Bewilligungen und selbst Verurteilungen der Verwaltung neu zu entscheiden, und zwar auch dann, wenn sich der Krankheitszustand des Versicherten nicht geändert hat (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 51). Wird eine kieferorthopädische Behandlung bewilligt, so wird die Behandlung nicht "als solche" bewilligt, sondern durch einen bestimmten, in das System der Leistungserbringung einbezogenen Zahnarzt; verzichtet dieser auf seine Zulassung, erbringt aber gleichwohl die bewilligte Leistung, so kann aus der Bewilligung kein Kostenerstattungsanspruch abgeleitet werden (BSG SozR 3-2500 § 29 Nr. 3).

Bei der vom LSG erörterten Einweisung in ein Krankenhaus geht es nicht um die Abgrenzung des Verfügungssatzes von der Begründung, sondern um die Fragen, ob die Einweisung überhaupt ein Verwaltungsakt ist und ob die Einweisung, wen sie ein Verwaltungsakt wäre, nicht unter einem gesetzlichen Widerrufsvorbehalt steht. Ob die Einweisung in ein Krankenhaus (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 51) und die Kostenzusage der Krankenkasse (BSG SozR 3- 2500 § 39 Nr. 3) gegenüber dem Versicherten kein Verwaltungsakt ist und nur einen Vertrauenstatbestand schafft, der durch Erklärung gegenüber dem Versicherten jederzeit beseitigt werden kann (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 3), braucht der Senat deshalb hier nicht zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des BSG steht auch die Einweisung und Aufnahme in ein Krankenhaus, wenn sie als Verwaltungsakt im Verhältnis zum Versicherten ergeht, unter dem (stillschweigenden) gesetzlichen Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs aufgrund neuer Erkenntnisse der Krankenkasse und schafft jedenfalls keine Bindungswirkung für zukünftige Zeiten (BSGE 63, 107 = BSG SozR 1300 § 47 Nr. 2). Bei der Krankenbehandlung kann auch im wohlverstandenen Interesse des Versicherten für die Zukunft an einer Leistungsbewilligung nicht festgehalten weden, wen bei unverändertem Sachverhalt nach neuer Erkenntnis die Behandlung medizinisch nicht (mehr) indiziert und damit möglicherweise gesundheitsgefährdend ist. Das gilt vorrangig für ärztliche Maßnahmen, etwa eine bewilligte Operation, aber auch für verordnete Medikamente. Ob dies auch für Hilfsmittel gilt, so daß die KK selbst die Bewilligung von Maja jederzeit hätte widerrufen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Aus der angeführten Rechtsprechung kann jedenfalls gegen eine Beschränkung der Leistungsbewilligung auf Maja nichts hergeleitet werden. Es würde vielmehr dieser Rechtsprechung widersprechen, im Bereich der Krankenversicherung gerade für die Versorgung mit einem Hilfsmittel die Bindungswirkung auf Anspruchselemente zu erstrecken. Damit hat sich der Bewilligungsbescheid hinsichtlich der Ausstattung mit dem auszuwählenden Hund zumindest in dem Zeitpunkt erledigt, in dem der Kläger nach der Feststellung des LSG seine Zufriedenheit mit Maja bekundete und damit Maja als eine bescheidgemäße Leistung abnahm. Ob Maja objektiv gesehen schon zu diesem Zeitpunkt ungeeignet war, wie dies der Kläger behauptet, kann dahinstehen. Wird die Ungeeignetheit eines Hilfsmittels erst nach der Abnahme bemerkt, dann ist für die Ersatzbeschaffung ein Neuantrag zu stellen, wie dies der Kläger auch erkannt hat.

5. Das LSG hat aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts zu Recht entschieden, daß Sando als Hilfsmittel weder erforderlich noch geeignet ist. Der Kläger nimmt, wie vom LSG festgestellt, die Hilfe des Hundes im normalen Tagesablauf so weitgehend nicht in Anspruch, daß er den Hund "verdirbt", da er sich dem Hund nicht im erforderlichen Umfang anvertraut. Die Sachverständige T hat nur selten den Eindruck gehabt, daß sich der Kläger führen ließ. Aufgrund des mangelnden Anvertrauens war es auch bei Sando bereits zu einer Leistungsminderung gekommen. Schon diese Feststellungen ergeben, daß Sando als Hilfsmittel nicht geeignet und nicht erforderlich ist. Es kann daher dahinstehen, ob der Käger die weiteren Feststellungen des LSG zum Restsehvermögen, auf die das LSG seine Entscheidung vorrangig gestützt hat, mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen hat, also unter Darlegung der Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, und unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG9). Das LSG hat zum Restsehvermögen festgestellt, daß der Kläger in der Lage sei, dieses so optimal einzusetzen, daß er sich ohne Blindenhilfsmittel fortbewegen könne. Die Sachverständige T habe beobachtet, daß der Kläger das Haus seiner Schwiegereltern mit zwei vollgefüllten Plastiktüten verlassen habe, ohne den Führhund oder ein anderes Blindenhilfsmittel in Anspruch zu nehmen. Die insoweit erhobenen Verfahrensrügen greifen jedenfalls hinsichtlich der Feststellung, daß der Hund nur selten in Anspruch genommen und dadurch verdorben werde, nicht durch. Die Revisionsrüge das LSG habe bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, daß der Kläger weiterhin als Blinder anerkannt sei, geht fehl. Für die Feststellung, daß der Kläger sich weitgehend bewegen kann, ohne den Hund oder ein anderes Blindenhilfsmittel zu benutzen, ist es unerheblich, ob diese Fähigkeit des Klägers mehr auf einem außergewöhnlich guten Erinnerungsvermögen an räumliche Gegebenheiten beruht oder auf einem Restsehvermögen, das größer ist, als zunächst angenommen. Im übrigen enthält die Bewilligung des Hundes Maja - wie ausgeführt - keine selbstständige Anerkennung eines Anspruchs auf "einen" Hund, und die Anerkennung als "blind" nach dem Schwerbehindertengesetz besagt nichts dazu, ob sich der Kläger dem Hund anvertraut.

Desgleichen greift die Rüge nicht durch, das LSG habe übersehen, daß der Kläger in fremder Umgebung auf einen Hund angewiesen sei. Auch in diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die Fähigkeit des Klägers, sich weitgehend ohne Hund zu bewegen, mehr auf einem außergewöhnlich guten Erinnerungsvermögen an räumliche Gegebenheiten beruht oder auf einem Restsehvermögen, das größer ist, als zunächst angenommen. Selbst wenn die Fähigkeit des Klägers, sich im normalen Alltag weitgehend selbständig zu bewegen, ohne die Hilfe des mitgeführten Hundes wirklich in Anspruch zu nehmen, auf seinem Erinnerungsvermögen beruht, so folgt hieraus nur, daß der Kläger in ungewohnter Umgebung auf ein Blindenhilfsmittel angewiesen ist, ändert aber nichts daran, daß von Sando eine solche nur gelegentliche Hilfe von Anfang an nicht erwartet werden konnte, was sich später bestätigt hat. Auch die Rüge, das LSG habe bei der Beweiswürdigung ... (wird ausgeführt)

Referenznummer:

R/R0448


Informationsstand: 13.05.1997