Leitsatz:
1. Die gesetzlichen Krankenkassen haben einer gehörlosen Versicherten jedenfalls dann ein Schreibtelefon in einer Standardausführung zur Verfügung zu stellen, wenn ihr Ehemann und ihre Kinder ebenfalls gehörlos sind, sich während eines Teils des Tages außerhalb des Wohnorts aufhalten und am Aufenthaltsort über Schreibtelefon erreichbar sind
(Abgrenzung zu BSG vom 26.10.1982 - 3 RK 28/82 = SozR 2200 § 182b Nr 26 und BSG vom 22. Mai 1984 - 8 RK 45/83 = SozR 2200 § 182b Nr 30).
Orientierungssatz:
1. Ein Hilfsmittel ist erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfaßt (vgl BSG vom 7.3.1990 - 3 RK 15/89 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr 1 und BSG vom 26.2.1991 - 8 RKn 13/90 = SozR 3 - 2500 § 33 Nr 3).
2. Der Begriff der Erforderlichkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne ist inhaltlich enger als iS des § 13 BVG (vgl ua BSG vom 22.5.1984 - 8 RK 45/83 aaO) und iS des § 40 BSHG iVm §§ 9 und 10 Eingliederungshilfe-VO).
3. Bei der Anwendung sozialrechtlicher Leistungsvorschriften ist der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Privatsphäre insbesondere in der Ehe und Familie zu beachten, dh es sind diejenigen Leistungen zu gewähren, die der Schutz der Privatsphäre des Versicherten und seiner Familie erfordert (vgl BVerfG vom 11.4.1973 - 2 BvR 701/72 = BVerfGE 35, 35 und BVerfG vom 16.6.1976 - 2 BvR 97/76 = BVerfGE 42, 234). Dazu gehört aber für einen Gehörlosen die durch ein Schreibtelefon gegebene Möglichkeit, unmittelbar mit seinem Ehepartner oder seinen Kindern Mitteilungen auszutauschen.
Fundstelle:
RegNr 21224
Rechtszug:
vorgehend SG Mainz 1992-03-19 S 5 K 3/92
vorgehend LSG Mainz 1992-09-03 L 5 K 47/92