Urteil
Anerkennung einer Allergie gegenüber Schadstoffen als Berufskrankheit bei gleichzeitigem Vorliegen einer Pollenallergie

Gericht:

SG Ulm 3. Kammer


Aktenzeichen:

S 3 U 3716/16


Urteil vom:

15.01.2020


Tenor:

Der Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Ziffer 4301 der BKV vorliegt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind von der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301 oder 4302 der Anlage zu § 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am 08.11.1979 geborene Kläger ist seit dem 24.01.2005 bei der Firma D. in L. zunächst als Laminierer und seit 01.03.2014 in der Versandabteilung der Firma beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Laminierer setzte der Kläger Flugzeugbauteile in entsprechende Formen unter Verwendung eines epoxidharzhaltigen Klebers, anschließend erfolgte eine Aushärtung des Werkstückes in einem Ofen. Seit der Beschäftigung in der Versandabteilung besteht kein Kontakt mehr mit Epoxidharzen.

Der Kläger litt seit 2010 unter allergischen Hautekzemen, verursacht durch eine Allergie gegen Epoxidharze, sowie Dauerschnupfen, Entzündungen der Nase und Geruchsverlust. Operative Eingriffe an der Nase im Februar 2011, im Mai 2012 und im April 2013 brachten ihm insoweit keine relevanten Besserungen.

Nach einer ärztlichen Verdachtsanzeige durch den Hautarzt Dr. Z. am 14.10.2013 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren bezüglich möglicher Berufskrankheiten (BK) nach den Ziffern 5101 und 4301 der BKV ein.

Die Beklagte holte Befundberichte behandelnder Ärzte des Klägers ein. Dr. W. diagnostizierte im Befundbericht vom 30.08.2013 ein allergisches Asthma bronchiale bei beruflicher Exposition gegen Epoxidharze mit auch dadurch verursachtem allergischem Kontaktekzem.

Ausweislich der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten hatte der Kläger an seinem Arbeitsplatz als Laminierer Umgang mit Epoxidharzen. Zur Vermeidung von Hautkontakt stünden Handschuhe zur Verfügung, Ausdünstungen aus dem Material ließen sich jedoch trotz technischer Lüftung nicht vermeiden.

Die Beklagte veranlasste ein lungenfachärztliches Gutachten von Dr. B. Dieser stellte eine anlagebedingte bronchiale Hyperreagibilität fest, bronchiale Obstruktionen könnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301/ 4302 sowie ein objektiver Zwang zum Unterlassen der Tätigkeit mit Epoxidharzkontakt bestehe.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hierzu gab Dr. W. am 12.05.2015 ergänzend an, dass die Riechstörung des Klägers am ehesten durch eine Nasenseptumdeviation, die operativen Behandlungen der Nase und die mit der Gräser- und Getreidepollen assoziierte Rhinopathie bedingt bzw. verschlimmert sei.

Mit Bescheid vom 20.10.2015 lehnte die Beklagte eine Berufskrankheit nach den Ziffern 4301 und 4302 ab, gewährte aber Leistungen und Maßnahmen, die dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenwirken. Ein Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheitennummern 4301 und 4302 liege nicht vor, bei weiterer Exposition mit Epoxidharzen könnten sich Beschwerden jedoch verschlimmern.

Mit weiterem Bescheid erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Ziffer 5101 der BKV (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) an, die zu zwischenzeitlich abgeheilten Hauterscheinungen durch den Kontakt mit Epoxidharzen geführt habe.
Gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK nach den Ziffern 4301 und 4302 legte der Kläger am 30.10.2015 Widerspruch ein. Es bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung.

Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. D. teilte auf Nachfrage durch die Beklagte mit, die bekannte bronchiale Hyperreagibilität sei zwar durch die Gräser- und Getreidepollenallergie bedingt, habe sich jedoch aufgrund der Exposition mit Epoxidharzen als Asthma bronchiale manifestiert. Eine obstruktive Ventilationsstörung könne nur durch einen spezifischen Provokationstest erzwungen werden, welcher bislang jedoch nicht erfolgt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine obstruktive Atemwegserkrankung als Krankheitsbild der BK Ziffern 4301 und 4302 sei medizinisch nicht nachgewiesen.

Am 21.11.2016 hat der Kläger deswegen Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, mit der er sein Begehr weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Berufskrankheiten Nr. 4301 oder 4302 vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Im Auftrag der Kammer hat Prof. Dr. S. am 21.07.2017 ein internistisches Gutachten erstattet. Prof Dr. S. führt aus, dass beim Kläger der Verdacht auf Asthma bronchiale bestehe, die Erkrankung jedoch weder sicher bestätigt noch ausgeschlossen werden könne. Nachweisbar sei lediglich eine bronchiale Hyperreagibilität, nicht aber Obstruktionen. Aus diesem Grund seien die Kriterien der BK Ziffern 4301 und 4302 nicht erfüllt. Eine ergänzende fachpulmologische Begutachtung wurde empfohlen.

Die Kammer hat daraufhin ein fachpulmologisches Gutachten bei Dr. L. eingeholt. Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 05.10.2017 zu dem Ergebnis, dass die bestehende bronchiale Hyperreagibilität anlagebedingt sei. Die allergische Disposition sei vorbestehend gewesen, die Allergie gegen Epoxidharz habe sich wahrscheinlich durch die Exposition am Arbeitsplatz verschlimmert. Eine Berufskrankheit nach Ziffern 4301 oder 4302 der BKV liege auf seinem Fachgebiet nicht vor, er empfehle jedoch eine zusätzliche HNO-ärztliche Begutachtung da die Berufskrankheiten eine Rhinopathie miteinschließen, welche jedoch außerhalb seines Fachgebietes läge.

Prof. Dr. Z. hat sodann im Auftrag der Kammer ein HNO-ärztliches Gutachten unter dem 18.12.2017 erstattet. Er diagnostiziert eine beruflich bedingte nasale und paranasale Überempfindlichkeit gegenüber Epoxidharzbestandteilen und eine Hyposmie (Riechverlust). Bei dem Kläger bestünde weiterhin eine berufsunabhängige Typ I Allergie der Nase gegenüber Gräsern und Getreide, daneben ein beruflich bedingtes allergisches Kontaktekzem der Hände bei Typ IV Sensibilisierung gegenüber Epoxidharzen. Die BK Ziffer 4301 liege vor, die beruflich bedingte Überempfindlichkeit der Nase sei eine Verschlimmerung der vorbestehenden nicht berufsbedingten Überempfindlichkeit der Nase in Form einer Typ I Allergie.

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.05.2018 führt Prof. Dr. Z. aus, eine allergisch bedingte Rhinopathie liege unzweifelhaft vor. Zur Rhinopathie beitragend seien eine berufsunabhängige Polyposis (Polypenbildung), die berufsunabhängige Pollenallergie und die streitige Epoxidharzallergie. Wesentliche Teilursache der Rhinopathie sei jedoch die Typ I Allergie gegen Epoxidharze. Auch die Nasenschleimhautschwellung und Riechstörung verschlimmere sich bei Exposition mit Epoxidharzen maximal.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

DGB Rechtsschutz GmbH

Tenor:

Der Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Ziffer 4301 der BKV vorliegt. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind von der Beklagten zu erstatten.


Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301 oder 4302 der Anlage zu § 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Der am 08.11.1979 geborene Kläger ist seit dem 24.01.2005 bei der Firma D. in L. zunächst als Laminierer und seit 01.03.2014 in der Versandabteilung der Firma beschäftigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Laminierer setzte der Kläger Flugzeugbauteile in entsprechende Formen unter Verwendung eines epoxidharzhaltigen Klebers, anschließend erfolgte eine Aushärtung des Werkstückes in einem Ofen. Seit der Beschäftigung in der Versandabteilung besteht kein Kontakt mehr mit Epoxidharzen.

Der Kläger litt seit 2010 unter allergischen Hautekzemen, verursacht durch eine Allergie gegen Epoxidharze, sowie Dauerschnupfen, Entzündungen der Nase und Geruchsverlust. Operative Eingriffe an der Nase im Februar 2011, im Mai 2012 und im April 2013 brachten ihm insoweit keine relevanten Besserungen.

Nach einer ärztlichen Verdachtsanzeige durch den Hautarzt Dr. Z. am 14.10.2013 leitete die Beklagte ein Feststellungsverfahren bezüglich möglicher Berufskrankheiten (BK) nach den Ziffern 5101 und 4301 der BKV ein.

Die Beklagte holte Befundberichte behandelnder Ärzte des Klägers ein. Dr. W. diagnostizierte im Befundbericht vom 30.08.2013 ein allergisches Asthma bronchiale bei beruflicher Exposition gegen Epoxidharze mit auch dadurch verursachtem allergischem Kontaktekzem.

Ausweislich der Stellungnahme Arbeitsplatzexposition des Präventionsdienstes der Beklagten hatte der Kläger an seinem Arbeitsplatz als Laminierer Umgang mit Epoxidharzen. Zur Vermeidung von Hautkontakt stünden Handschuhe zur Verfügung, Ausdünstungen aus dem Material ließen sich jedoch trotz technischer Lüftung nicht vermeiden.

Die Beklagte veranlasste ein lungenfachärztliches Gutachten von Dr. B. Dieser stellte eine anlagebedingte bronchiale Hyperreagibilität fest, bronchiale Obstruktionen könnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit nach Ziffer 4301/ 4302 sowie ein objektiver Zwang zum Unterlassen der Tätigkeit mit Epoxidharzkontakt bestehe.

In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme hierzu gab Dr. W. am 12.05.2015 ergänzend an, dass die Riechstörung des Klägers am ehesten durch eine Nasenseptumdeviation, die operativen Behandlungen der Nase und die mit der Gräser- und Getreidepollen assoziierte Rhinopathie bedingt bzw. verschlimmert sei.

Mit Bescheid vom 20.10.2015 lehnte die Beklagte eine Berufskrankheit nach den Ziffern 4301 und 4302 ab, gewährte aber Leistungen und Maßnahmen, die dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenwirken. Ein Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheitennummern 4301 und 4302 liege nicht vor, bei weiterer Exposition mit Epoxidharzen könnten sich Beschwerden jedoch verschlimmern.

Mit weiterem Bescheid erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Ziffer 5101 der BKV (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) an, die zu zwischenzeitlich abgeheilten Hauterscheinungen durch den Kontakt mit Epoxidharzen geführt habe.
Gegen die Ablehnung der Anerkennung einer BK nach den Ziffern 4301 und 4302 legte der Kläger am 30.10.2015 Widerspruch ein. Es bestehe eine obstruktive Atemwegserkrankung.

Der behandelnde Arzt des Klägers Dr. D. teilte auf Nachfrage durch die Beklagte mit, die bekannte bronchiale Hyperreagibilität sei zwar durch die Gräser- und Getreidepollenallergie bedingt, habe sich jedoch aufgrund der Exposition mit Epoxidharzen als Asthma bronchiale manifestiert. Eine obstruktive Ventilationsstörung könne nur durch einen spezifischen Provokationstest erzwungen werden, welcher bislang jedoch nicht erfolgt sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine obstruktive Atemwegserkrankung als Krankheitsbild der BK Ziffern 4301 und 4302 sei medizinisch nicht nachgewiesen.

Am 21.11.2016 hat der Kläger deswegen Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, mit der er sein Begehr weiterverfolgt.


Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass die Berufskrankheiten Nr. 4301 oder 4302 vorliegen.


Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Im Auftrag der Kammer hat Prof. Dr. S. am 21.07.2017 ein internistisches Gutachten erstattet. Prof Dr. S. führt aus, dass beim Kläger der Verdacht auf Asthma bronchiale bestehe, die Erkrankung jedoch weder sicher bestätigt noch ausgeschlossen werden könne. Nachweisbar sei lediglich eine bronchiale Hyperreagibilität, nicht aber Obstruktionen. Aus diesem Grund seien die Kriterien der BK Ziffern 4301 und 4302 nicht erfüllt. Eine ergänzende fachpulmologische Begutachtung wurde empfohlen.

Die Kammer hat daraufhin ein fachpulmologisches Gutachten bei Dr. L. eingeholt. Dr. L. kam in seinem Gutachten vom 05.10.2017 zu dem Ergebnis, dass die bestehende bronchiale Hyperreagibilität anlagebedingt sei. Die allergische Disposition sei vorbestehend gewesen, die Allergie gegen Epoxidharz habe sich wahrscheinlich durch die Exposition am Arbeitsplatz verschlimmert. Eine Berufskrankheit nach Ziffern 4301 oder 4302 der BKV liege auf seinem Fachgebiet nicht vor, er empfehle jedoch eine zusätzliche HNO-ärztliche Begutachtung da die Berufskrankheiten eine Rhinopathie miteinschließen, welche jedoch außerhalb seines Fachgebietes läge.

Prof. Dr. Z. hat sodann im Auftrag der Kammer ein HNO-ärztliches Gutachten unter dem 18.12.2017 erstattet. Er diagnostiziert eine beruflich bedingte nasale und paranasale Überempfindlichkeit gegenüber Epoxidharzbestandteilen und eine Hyposmie (Riechverlust). Bei dem Kläger bestünde weiterhin eine berufsunabhängige Typ I Allergie der Nase gegenüber Gräsern und Getreide, daneben ein beruflich bedingtes allergisches Kontaktekzem der Hände bei Typ IV Sensibilisierung gegenüber Epoxidharzen. Die BK Ziffer 4301 liege vor, die beruflich bedingte Überempfindlichkeit der Nase sei eine Verschlimmerung der vorbestehenden nicht berufsbedingten Überempfindlichkeit der Nase in Form einer Typ I Allergie.

In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23.05.2018 führt Prof. Dr. Z. aus, eine allergisch bedingte Rhinopathie liege unzweifelhaft vor. Zur Rhinopathie beitragend seien eine berufsunabhängige Polyposis (Polypenbildung), die berufsunabhängige Pollenallergie und die streitige Epoxidharzallergie. Wesentliche Teilursache der Rhinopathie sei jedoch die Typ I Allergie gegen Epoxidharze. Auch die Nasenschleimhautschwellung und Riechstörung verschlimmere sich bei Exposition mit Epoxidharzen maximal.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte und auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Referenznummer:

R/R8545


Informationsstand: 14.12.2020