Urteil
Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Dienstunfalls - Hörsturz mit Tinnitus als wesentliche Mitursache für eine depressive Erkrankung

Gericht:

VG Bremen 2. Kammer


Aktenzeichen:

2 K 4075/08


Urteil vom:

25.03.2011


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt mit ihrer Klage die Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 % aufgrund eines Dienstunfalls für einen Unfallausgleich.

Die 1954 geborene Klägerin ist Lehrerin im Beamtenverhältnis bei der Beklagten. Am 26.09.2007 begleitete sie eine 6. Klasse zur Waldlaufmeisterschaft in den S.....Park in CStadt. Am Austragungsort herrschte ein hoher Lärmpegel, weil zwischen 250 und 300 Schülerinnen und Schüler an der Veranstaltung teilnahmen. In ihrer Unfallanzeige gab die Klägerin an, dieser Lärmpegel und Schüsse aus der Startschusspistole hätten bei ihr ein lautes, ihren gesamten Kopf ausfüllendes Dröhnen und Pfeifen verbunden mit Schwindelgefühl ausgelöst. Auch nach längerer krankenhausärztlicher und ärztlicher Behandlung sei ein ständiges lautes Pfeifen im rechten Ohr zurückgeblieben. Sobald sie in eine Umgebung komme, in der ein erhöhter Lärmpegel herrsche, verstärke sich dieses Pfeifen. Sie sei dann nicht mehr in der Lage, angemessen und zielgerichtet zu handeln.

In der Zeit vom 28.09.2007 bis 03.10.2007 wurde die Klägerin im Klinikum C-Stadt-AYN. behandelt. Der Chefarzt Dr. KI. von der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Klinikums C-Stadt-AYN. stellte in seinem Arztbericht vom 02.10.2007 an den behandelnden Arzt die Diagnose "akuter Hörsturz rechts" (H 91.2). Zur Tonschwellenaudiometrie heißt es dort: "Bei Entlassung seitengleiche altersentsprechende Hörkurven mit Hochtonabfall auf 40 dB". Der Bericht enthält zum Verlauf der Krankheit die Angabe "unter o.g. Therapie schnelle Remission der Beschwerden". Nach den Herbstferien nahm die Klägerin am 05.11.2007 ihre Arbeit in der Schule wieder auf, wurde aber nach drei Tagen erneut krankgeschrieben.

Die amtsärztliche Untersuchung am 16.11.2007 ergab "einen weiter behandlungsbedürftigen Zustand nach akut aufgetretener Durchblutungsstörung des rechten Innenohres". Neben anhaltendem Ohrgeräusch bewirkten nach Einschätzung des Amtsarztes Dr. AWJ vor allem vegetative Begleiterscheinungen eine deutliche Einschränkung des Leistungsvermögens. Der Amtsarzt empfahl im November 2007, die bisherigen stationären / ambulanten therapeutischen Maßnahmen durch eine weitere stationäre Maßnahme in einer Spezialklinik zu ergänzen und die Wochenstundenzahl bis zum Ende des Schulhalbjahres auf 10 Stunden zu reduzieren.

Am 5.12.2007 erstattete die Klägerin Dienstunfallanzeige wegen des Vorfalls bei der Waldlaufmeisterschaft am 26.09.2007. In ihrer Anzeige gab die Klägerin an, sowohl der behandelnde HNO-Arzt als auch der Amtsarzt würden eine Behandlung in einer Tinnitus-Klinik in Bad ... empfehlen. Sie sei bereit, sich einer solchen Therapie zu unterziehen. Aufgrund der Dienstunfallanzeige stellte der Amtsarzt unter dem 30.01.2008 die Diagnose "Hörsturz rechts mit anhaltendem Tinnitus" und nahm dahin Stellung, in der Kausalitätsbeurteilung des Dienstunfallgeschehens ergäben sich gewisse, vor allem formale Schwierigkeiten, weil eine lückenlose retrospektive Dokumentation offensichtlich nicht mehr möglich sei. Nach zusammenfassender Würdigung aller Fakten, insbesondere auch nach Rücksprache mit dem behandelnden HNO-Arzt Dr. M..., werde eine dienstunfallbedingte Kausalität zumindest als wahrscheinlich angesehen. Die Betroffene habe zwischenzeitlich trotz spezifischer Behandlung keine Beschwerdefreiheit erlangen können. Die Behandlung dauere an, die zeitnahe Durchführung einer Sanatoriumsmaßnahme in einer spezialisierten Klinik sei wünschenswert. Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte der Amtsarzt am 30.01.2008 auf 20 % ein.

Das Personalamt der Beklagten teilte dem Amtsarzt daraufhin mit, zur Klärung der Frage, ob das Unfallgeschehen als Dienstunfall anerkannt und mögliche Kosten für die Durchführung einer Sanatoriumsbehandlung in einer spezialisierten Klinik übernommen werden könnten, bedürfe es zwecks Klärung der Kausalität noch der Beantwortung folgender Fragen: Habe der Hörsturz mit Tinnitus durch den von 250 bis 300 Schülern verursachten Lärmpegel und die Schüsse aus der Startschusspistole hervorgerufen werden können? Gebe es in der Krankengeschichte der Betroffenen Anhaltspunkte für Vorschädigungen? Die Betroffene habe schon einmal eine Therapie hinsichtlich des Tinnitus erfolgreich durchgeführt. Seien die Ohrgeräusche Indiz für eine Vorschädigung? Der behandelnde Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. M... bejahte die Möglichkeit der Kausalität zwischen der Lärmexposition und Schadenseintritt und verneinte die Frage nach Vorschädigungen. Behandelt worden sei nur der Zustand nach Hörsturz im Monat September 2007.

Am 01.04.2008 bestätigte der Amtsarzt Dr. AWJ... dem Personalamt, die Kausalität des besagten Unfallgeschehens sei als "wahrscheinlich" einzustufen.

Mit Bescheid vom 04.04.2008, der Beamtin nach eigenen Angaben am 17.04.2008 zugegangen, erkannte die Beklagte den Vorfall vom 26.09.2007 während des Dienstes im Rahmen einer Schulwaldlaufmeisterschaft als Dienstunfall im Sinne des § 31 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) an. Der Anerkennung lag die Diagnose des Amtsarztes vom 30.01.2008 "Hörsturz rechts mit anhaltendem Tinnitus" zugrunde. Nach amtsärztlicher Stellungnahme vom 27.03.2008 sei der ursächliche Zusammenhang zwischen Verletzung und Unfallereignis in ärztlich-wissenschaftlicher Hinsicht erwiesen. Nach Festlegung des Amtsarztes habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % für den allgemeinen Arbeitseinsatz bestanden. Gemäß § 35 BeamtVG erhalte der Verletzte, der infolge des Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt sei, einen Unfallausgleich. Dabei
bedeute wesentlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 25 % betrage. Ein Anspruch auf Unfallausgleich ergebe sich daher nicht. Am 22.04.2008 erlitt die Klägerin einen erneuten Hörsturz auf dem rechten Ohr. Dies teilte sie dem Personalamt der Beklagten mit.

Am 14.05.2008 legte die Klägerin gegen den Bescheid, mit dem ihr ein Unfallausgleich versagt wurde, Widerspruch ein und bat um eine neue Bewertung ihrer Erwerbsminderung. Zur Begründung führte sie aus, der Dienstunfall beeinträchtige ihre Arbeitsfähigkeit ganz erheblich. Weder die zeitlich begrenzte Reduktion der Unterrichtsverpflichtung auf zwei Stunden am Tag noch eine hyperbare Sauerstofftherapie in der Zeit vom 17.03. bis 09.04.2008 hätten zu einer Besserung ihrer Beschwerden geführt. Sie befinde sich bei Dr. AUE. in Behandlung. Nach Stellungnahme des Amtsarztes vom 10.07.2008 war das dienstunfallbedingte Krankheitsbild in analoger Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht (Ausgabe 2008) nach wie vor mit 20% MdE einzuschätzen. Die ausgeprägte depressive Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
könne nicht bzw. bisher nicht sicher als dienstunfallbedingt attestiert werden, teilte der Amtsarzt mit.

In der Zeit vom 19.08.2008 - 30.09.2008 absolvierte die Klägerin eine Sanatoriumskur in der Tinnitus-Klinik Bad .... Sie wurde als arbeitsfähig entlassen. Am 09.10.2008 erfolgte eine erneute amtsärztliche Untersuchung. Der Amtsarzt verblieb bei seiner Einschätzung, dass die unfallbedingte MdE 20 % beträgt. Die bei der Klägerin bestehenden Depressionen in Form einer ausgeprägten depressiven Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit stünden mit dem Dienstunfall nicht in einem ursächlichen Zusammenhang, d.h. sie seien nicht als Folge des Dienstunfalls zu werten und könnten bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit keine Berücksichtigung finden. Der Amtsarzt schloss einen Kausalzusammenhang zwischen dem erlittenen Unfall und der bestehenden Depression im Oktober 2008 definitiv aus.

Eine Begutachtung der Klägerin im Gesundheitsamt am 18.11.2008 durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P... ergab die Diagnosen: Hypertonus, Tinnitus und eine mittelgradig schwere depressive Episode (ICD 10, F 32.1, H 93.1). Die Klägerin hatte, weil sie sich überfordert fühlte, ihre Stundenzahl auf 10 pro Woche reduziert. Sie befand sich auch in ambulanter Psychotherapie. Anfang Januar 2009 solle entschieden werden, ob die Klägerin in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008, abgesandt am 02.12.2008, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die mit Bescheid vom 04.04.2008 festgestellte MdE in Höhe von 20 % als unbegründet zurück. Der zuständige Amtsarzt habe den als Dienstunfall anerkannten Tinnitus in analoger Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht nach wie vor mit 20 % eingestuft. Eine weitere dienstunfallbedingte gesundheitliche Beeinträchtigung könne nicht attestiert werden. Die Voraussetzungen für einen Unfallausgleich lägen weiterhin nicht vor. Am Montag, den 29.12.2008, hat die Klägerin dagegen Klage erhoben.

Auf der Grundlage der amtsärztlichen Untersuchung am 12.01.2009 empfahlen die Amtsärzte nach Bestätigung der bereits gestellten Diagnosen: Hypertonus, Tinnitus und mittelgradig schwere depressive Erkrankung in der Stellungnahme vom 13.01.2009 eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

Zur Begründung ihrer Klage bezieht sich die Klägerin auf die amtsärztliche Stellungnahme vom 13.01.2009, in der ihr auf absehbare Zeit eine dauernde Dienstunfähigkeit attestiert wurde. Sie trägt zudem vor, seit ihrem Dienstunfall leide sie nicht nur an einem Tinnitus aurium sondern auch an einem beidseitigen Hörverlust durch Schallempfindungsstörungen im Hochtonbereich. Diese Störung bestehe verstärkt im rechten Ohr. Aufgrund dieses Hörverlustes und des Tinnitus aurium leide sie an einer mittelgradig depressiven Episode, an Schlaf - und Konzentrationsstörungen sowie Geräuschempfindlichkeit. Sämtliche Beschwerden seien auf den Dienstunfall zurückzuführen, weil sie vor ihrem Hörsturz keine entsprechenden Erkrankungen gehabt habe. Zum Beweis ihres gesamten Vorbringens beantragt die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Tinnitus habe sich während ihres Sanatoriumsaufenthalts in Bad Arolsen nicht gebessert. Die durch den Hörsturz verursachten zusätzlichen psychischen Befindlichkeitsstörungen der Klägerin erforderten eine höhere MdE-Bewertung. Zu diesem Zweck sei ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten einzuholen.

Die Klägerin bezieht sich zur Begründung ihrer Klage auf die Stellungnahme ihres Hausarztes Dr. ZI. vom 09.12.2009. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. ZI. attestierte der Klägerin unter dem 09.12.2009, dass sie sich seit 1987 bei ihm in hausärztlicher Behandlung befinde und bis zu dem Hörsturz mit nachfolgendem Tinnitus im September 2007, abgesehen von einer medikamentös gut eingestellten Hypertonie in milder Ausprägung und üblichen Akuterkrankungen, praktisch immer gesund gewesen sei. Eine bereits vorab bestehende wesentliche psychische Beeinträchtigung habe bis dahin nicht vorgelegen. Die jetzigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien erst seit Ende 2007 bekannt. Seines Erachtens könne sich die Patientin die gesundheitlichen Störungen, die letztlich zu ihrer Berufsunfähigkeit geführt hätten, allesamt nur berufsbedingt durch ihre Tätigkeit als Lehrerin zugezogen haben. Dieser Schluss sei nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern schon aus Gründen der menschlichen Logik zu ziehen. Die Klägerin bezieht sich dafür, dass kein anlagebedingter Geschehensablauf vorliege, zudem auf ein Sachverständigengutachten.

Die Klägerin beantragt,

unter entsprechender Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 04.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2008 die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 35 % aufgrund des Dienstunfalls vom 26.09.2007 zuzuerkennen,

hilfsweise,

ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und entgegnet, die diagnostizierte mittelgradig schwere depressive Erkrankung sei zwar Teil der Gesamtempfehlung hinsichtlich der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand, jedoch nicht ursächlich auf den Dienstunfall zurückzuführen. Das habe der Amtsarzt mit Schreiben vom 10.03.2009 und 02.09.2009 auch ausdrücklich bestätigt.

Der Amtsarzt Dr. AWJ... führte in seiner Stellungnahme vom 02.09.2009 aus: "Die diesbezüglich monokausale Betrachtungsweise eines beiderseitigen Hörverlustes sowie einer depressiven Störung ausschließlich als Dienstunfallfolge wird unsererseits abgelehnt, dies im Hinblick auf eine krankenanamnestisch dokumentierte, bereits vorab bestehende psychische Beeinträchtigung im Sinne einer langfristig medikamentös behandlungsbedürftigen Schlafstörung sowie ein späteres Hörsturzrezidivgeschehen ohne spezifisch eruierbaren Auslöser. Beides spricht unseres Erachtens eher für ein anlagebedingtes Geschehen, zumindest jedoch für eine überwiegende Teilursächlichkeit vorbestehender gesundheitlicher Beeinträchtigungen von Frau A.."

Zum Ablauf des 31.03.2009 wurde die Klägerin gemäß § 43 Abs. 1 Bremisches Beamtengesetz (BremBG) in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

Die amtsärztliche Untersuchung der Klägerin im Juni 2010 ergab, dass die gestellten Diagnosen und Leistungseinschränkungen unverändert fortbestanden. Der Amtsarzt bestätigte die Fortdauer der dauernden Dienstunfähigkeit bis auf weiteres.

Das Gericht hat den Amtsarzt Dr. AWJ... in der mündlichen Verhandlung am 25.03.2011 angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die Personalakte der Klägerin verwiesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Verwaltungsgericht Bremen

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I)

Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage, weil das auf Feststellung einer MdE von mindestens 25 % zwecks Gewährung eines Unfallsausgleichs gerichtete Klagebegehren auf Erlass eines begünstigenden und bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nicht im Ermessen der Beklagten stehenden Verwaltungsakts abzielt (§ 68 Abs. 2 VwGO).

Der Bescheid der Beklagten vom 04.04.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 26.11.2008 sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann für den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens keine höhere Festsetzung der (dienstunfallbedingten) Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie kann nicht nachweisen, dass der Dienstunfall vom 26.09.2007 gemäß § 31 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) i.V.m. § 1 Abs. 2 BremBeamtVG zumindest eine wesentlich mitwirkende Teilursache für die später diagnostizierte mittelgradig depressive Episode darstellt, die bei der amtsärztlichen Untersuchung am 18.11.2008 und damit vor Erlass des Widerspruchsbescheids, aber erst nach dem am 22.04.2008 erlittenen weiteren Hörsturz festgestellt wurde. Letzteres ist für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidend, denn
daran scheitert schon die Klage. Der weitere Hörsturz am 22.04.2008 auf dem rechten Ohr (vgl. Bl. 71 der Gerichtsakte), dessen Ursachen nicht erurierbar waren, stellt eine Zäsur dar. Im Hinblick darauf und angesichts des ärztlichen Befundberichts des behandelnden Arztes im Klinikum AYN. über kaum verbliebene Schäden nach dem ersten, dienstunfallbedingten rechtsseitigen Hörsturz und der vom Amtsarzt Dr. AWJ... für möglich gehaltenen anlagebedingten bzw. personbedingten Ursachen der depressiven Episode, die das Gericht durch Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt sieht, ist es ausgeschlossen, dass sich mittels Sachverständigengutachten ein Kausalitätsnachweis mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad führen lässt, wonach der Vorfall bei der Waldlaufmeisterschaft im ... Park und der dadurch ausgelöste erste Hörsturz auf dem rechten Ohr wesentliche Mitursache im dienstunfallrechtlichen Sinne für die später diagnostizierte mittelgradige Depression ist. Das würde nämlich den Nachweis voraussetzen, dass der als Dienstunfall anerkannte erste Hörsturz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die annähernd gleiche Bedeutung für das Entstehen der mittelgradig depressiven Episode hatte wie alle anderen Ursachen insgesamt. Zudem müsste diese Erkrankung dem Dienstherrn auch nach der im Dienstunfallrecht gebotenen rechtlich wertenden Betrachtung zugerechnet werden können. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Das Gericht hat die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Erhöhung der MdE auf 35 % oder mindestens 25 % und damit für einen Unfallausgleich vorliegen, nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (OVG Bremen, Urteil 2 A 38/05, Seite 7, in juris mit Verweis auf BVerwGE 21, 282-286; ebenso bereits OVG Niedersachen, Beschl. v. 06.02.2008 - 5 LA 21/07 - juris und Beschl. v. 29.11.2000 - 2 L 3371/00 - juris), hier für den 26.11.2008, gemäß § 1 Abs. 2 Bremisches Beamtenversorgungsgesetz (BremBeamtVG) i.V.m. § 35 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes (BeamtVG) in der am 31.08.2006 geltenden Fassung zu beurteilen. Eine wesentliche Beschränkung der Erwerbsfähigkeit i.S.v. § 35 Abs. 1 BeamtVG liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit für die Dauer von mehr als 6 Monaten mindestens 25 v. H. beträgt (BVerwG, Urt. v. 30.06.1965 - VI C 38.63 - juris =BVerwGE 21, 282-286). Durch den Verweis in § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auf das Bundesversorgungsgesetz wird auch der um 5 % niedrigere MdE-Grad vom nächsthöheren Zehnergrad mitumfasst (§§ 31 Abs. 1 u. 2 BVG) (vgl. auch OVG Bremen, Urt. v. 29.10.2008 - 2 A 38/05 - juris). Zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt waren die Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 1 Abs. 2 BremBeamtVG i.V.m. § 35 Abs. 3 BeamtVG (- auch nachfolgend jeweils in der am 31.08.2006 geltenden Fassung -) für die Neufeststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in Form einer Erhöhung der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit auf 35 % und auch für eine Erhöhung auf mindestens 25 % nicht gegeben. Die Annahme einer dienstunfallbedingten MdE von 20 % durch die Beklagte ist für den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2008 nicht zu beanstanden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist nicht identisch mit dem Grad der Behinderung, der vom Versorgungsamt für die Anerkennung als Schwerbehinderter und Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises zugrunde gelegt wird. Im Gegensatz zur Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewertet der GdB das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 27/99 - juris Rdnr. 25 = BVerwGE 112, 92- 98 = NVwZ-RR 2001, 168-170; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.12.2008 - L 3 U 1038/05 - juris). Für den Grad der MdE kommt es hingegen nur auf die Auswirkungen dienstunfallbedingter Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzzustände auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt an (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG). Der Grad der MdE beurteilt sich daher auch nicht anhand der dienstunfallbedingten Einschränkungen bei Wahrnehmung des übertragenen Amtes im funktionellen oder statusrechtlichen Sinne, hier als Lehrerin, sondern allein nach dem Umfang der verbleibenden Arbeitsmöglichkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 27/99 - juris Rdnr. 25). Die spätere vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zum Ablauf 31.03.2009 besagt nichts über den dienstunfallbedingten Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, weil die Auswirkungen gesundheitlicher Einschränkungen auf die Tätigkeit als Lehrerin nicht gleichermaßen die Arbeitsfähigkeit im allgemeinen Erwerbsleben ausschließen und bei der Beurteilung der Frage einer dauernden Dienstunfähigkeit nicht nur die dienstunfallbedingten, sondern sämtliche gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Bedeutung sind. In den Grad der MdE fließen hingegen nur Gesundheitsschäden ein, die nachweislich auf einen Dienstunfall zurückzuführen sind. Dabei trägt der Beamte das Risiko mangelnder Beweismöglichkeit.

Als Dienstunfallfolge anerkannt ist der Hörsturz rechts mit anhaltendem Tinnitus. Ein weiterer, späterer Hörsturz am 22.04.2008 auf dem rechten Ohr kann hingegen nicht als dienstunfallbedingt angesehen werden. Das ist nicht streitig und im Übrigen auch medizinisch eindeutig, weil die Ursachen des zweiten Hörsturzes auf dem rechten Ohr vom 22.04.2008 nicht bekannt sind und es nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Vorfall am 26.09.2007 bei der Schulwaldlaufmeisterschaft, der den ersten Tinnitus auslöste, mit dem zweiten Hörsturz am 22.04.2008 auf dem rechten Ohr in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Hypertonie der Klägerin für das Hörsturzgeschehen eine Rolle gespielt hat und anlagebedingte Faktoren mitursächlich waren. Ein Bruder der Klägerin hat gleichfalls bereits einen Hörsturz erlitten. Die Klägerin muss aber den Nachweis erbringen, dass aus dem anerkannten Dienstunfall eine wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von mindestens 25 v. H. resultiert. Unter Berücksichtigung der mittelgradig depressiven Episode bei der Festsetzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit würde sich allerdings ein Grad der MdE von mindestens 25 % ergeben. Auf der Grundlage der Feststellungen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. P... vom 18.11.2008 geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids an einer mittelgradig schweren depressiven Episode litt. In entsprechender Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP 2008), dort Ziffer 26.5 (- seit dem 01.01.2009 Ziffer 5.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nach der Versorgungsmedizinverordnung, die hier noch nicht anwendbar ist -), könnte die Berücksichtigung dieser depressiven Störung bei der Festsetzung der MdE auch einen Prozentsatz der MdE von 30 - 40 % rechtfertigen. Denn nach den AHP, die allerdings unmittelbar nur für die Festsetzung des GdB als antizipiertes Sachverständigengutachten heranzuziehen sind, bei der Festsetzung der MdE aber entsprechend herangezogen werden können, findet bei Tinnitus folgende Einstufung statt:

Ohrgeräusche (Tinnitus)

- ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen 0 - 10

- mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen 20

- mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägte depressive Störungen) 30 - 40

- mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten mindestens 50.

Die schriftliche Anerkennung des Geschehens am 26.09.2007 als Dienstunfall gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 04.04.2008 ist für das Gericht bindend (BVerwG, Urt. v. 14.12.2004 - 2 C 66/03 - juris). Die Beamtin trägt jedoch die materielle Beweislast dafür, dass zwischen ihrer mittelgradigen depressiven Erkrankung und dem anerkannten Dienstunfall vom 26.09.2007 ein Kausalzusammenhang im dienstunfallrechtlichen Sinne besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.1981 - 2 C 17/81 - NJW 1982, 1893-1894). Es lässt sich aber nicht feststellen, dass der Vorfall vom 26.09.2007 wesentliche Mitursache für die mittelgradig depressive Episode im dienstunfallrechtlichen Sinne ist. Dagegen spricht bereits der Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. KI. der Hals-Nasen-Ohrenklinik C-Stadt-AYN. vom 02.10.2007, der zugleich mit der Diagnose "akuter Hörsturz rechts" (H 91.2) zur Tonschwellenaudiometrie ausführte "Bei Entlassung seitengleiche altersentsprechende Hörkurven mit Hochtonabfall auf 40 dB" und zum Verlauf der Krankheit angab "unter o.g. Therapie schnelle Remission der Beschwerden". Die mittelgradige Depression wurde erst diagnostiziert, nachdem am 22.04.2008 ein weiterer Hörsturz auf dem rechten Ohr stattgefunden hatte, über dessen Ursachen nichts bekannt ist. Bei dieser Sachlage erscheint es ausgeschlossen, dass sich der Nachweis führen lässt, dass zwischen dem durch den Dienstunfall eingetretenen Körperschaden in Form des ersten Tinnitus und der Depression ein Ursachenzusammenhang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht (zum Wahrscheinlichkeitsmaßstab siehe OVG Bremen, Urteil vom 29.10.2008 - 2 A 38/05 - Seite 14 unten des Urteilsabdrucks, in juris veröffentlicht; BVerwG, Urt. v. 22.10.1981 - 2 C 17/81 - juris) und der erste Tinnitus in annähernd gleichem Umfang zum Entstehen der Depression beigetragen hat, wie alle anderen Ursachen insgesamt (zu diesem Erfordernis siehe BVerwG, Beschluss vom 20.02.1998 - 2 B 81/97 - juris; BVerwG, Urt. v. 20.04.1967 - 2 C 118.64 - BVerwGE 26, 332 (333)). Für die Feststellung einer Erkrankung als Folge eines Dienstunfalls im Rahmen des § 31 Abs. 1 BeamtVG ist - anders als bei der Dienstunfallfiktion des § 31 Abs. 3 BeamtVG - ein k l a r e r Nachweis des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall erforderlich (OVG Lüneburg, Urt. v. 02.02.2005 - 2 L 3542/00 -, Seite 7 des Urteils, veröffentlicht in der Niedersächsischen Rechtsprechungsdatenbank). Für einen solchen Ursachenzusammenhang zwischen Dienstunfall und Depression spricht nicht einmal das in der mündlichen Verhandlung zur Gerichtsakte gereichte Audiogramm aus der Tinnitusklinik Bad ... von August 2008 (Bl. 73 ff. der Gerichtsakte), wonach die Hörfähigkeit auf dem rechten Ohr zu diesem Zeitpunkt geringer war als auf dem linken Ohr. Denn dieser Befund ergab sich erst nach dem zweiten Hörsturz, während nach den Feststellungen in dem Arztbericht von Dr. KI. von Oktober 2007 nicht von nennenswerten Folgeschäden des ersten Hörsturzes mit Tinnitus ausgegangen werden kann. Zudem schätzte der Amtsarzt Dr. AWJ... in der mündlichen Verhandlung auch die im August 2008 festgestellte Hochtonsenke auf dem rechten Ohr als gering, altersentsprechend und nicht ungewöhnlich ein. Und schließlich gibt es Anhaltspunkte für mögliche andere Ursachen der Depression. Der Amtsarzt hat zutreffend angenommen, dass bei der Klägerin bereits seit längerer Zeit keine psychisch ausgeglichene Situation bestanden hatte, bevor sie an einer mittelgradigen Depression erkrankte. Diesbezüglich führte der Amtsarzt in der mündlichen Verhandlung aus, seiner Erinnerung nach sei die Klägerin bereits vor dem 26.09.2007 etwa seit einem Jahr wegen Schlafstörungen in Behandlung gewesen. Sie habe das Beruhigungsmittel Planum als Schlafmittel verordnet bekommen. Die Klägerin räumte in der mündlichen Verhandlung die Schlafstörungen ein, die sie als Beschwerden der Wechseljahre einordnete, gab aber an, sie habe dagegen keine starken Schlafmittel, sondern nur Tropfen wie etwa Baldrian eingenommen. Auch ergab sich in der mündlichen Verhandlung aus der Lebensbiographie der Klägerin eine weitere denkbare Mitursache für die Entwicklung einer Depression, nämlich der Verlust einer Schwester durch Unfalltod. Bei dieser Sachlage bedarf es vor dem Hintergrund, dass der Amtsarzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem erlittenen Dienstunfall und der bestehenden Depression im Oktober 2008 definitiv ausschloss, nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die depressive Erkrankung kann dem Dienstherrn hier zudem nach der im Dienstunfallrecht gebotenen rechtlich wertenden Betrachtung nicht zugerechnet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Ursachenzusammenhang im Dienstunfallrecht für eine sachgerechte Risikoverteilung im Interesse des Dienstherrn eingegrenzt werden (vgl. z.B. OVG Lüneburg, Urt. v. 02.02.2005 - 2 L 3542/00 - Seite 6 mit umfangreichen Nachweisen, in der Rechtsprechungsdatenbank des Nds. OVG). Der Dienstherr soll nicht für jede nach naturwissenschaftlicher Betrachtungsweise kausale Ursache eines Schadensereignisses Verantwortung tragen und nicht für alle während des Dienstes erlittenen Gesundheitsschäden eines Beamten Dienstunfallfürsorge leisten. Er soll nur für die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit einstehen und mit den auf sie zurückzuführenden Unfallursachen im Rahmen der Dienstunfallfürsorge belastet werden. Demgegenüber sollen diejenigen Risiken, die sich aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen, insbesondere aus persönlichen Anlagen, Gesundheitsschäden und Abnutzungserscheinungen ergeben, bei dem Beamten verbleiben (st. Rspr. d. BVerwG, Urt. v. 01.03.2007 - 2 A 9/04 - juris Rdnr. 8 = Schütz, BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 16; B. v. 08.03.2004 - 2 B 54/03 - juris). Depressionen können danach allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zu den Erkrankungen gehören, für die ein Dienstherr Unfallfürsorge zu leisten hat. Denn für die Entstehung von Depressionen kommen ganz vielfältige Ursachen in Betracht, wie etwa Störungen in der Kindheit, erlebte Traumata, erbliche Veranlagungen, biologische Faktoren (wie z.B. der Hormonhaushalt), psychosoziale und familiäre Belastungen sowie Trauer aufgrund des Verlustes eines geliebten Menschen und lediglich unter anderem auch körperliche Erkrankungen wie beispielsweise dauernde Schmerzen (siehe unter www.depressionen-depression.net/ursachenvon- depressionen/ursachen-einer-d...). In diesem Zusammenhang gewinnen die Erläuterungen des Amtsarztes in der mündlichen Verhandlung aber Bedeutung, wonach in der medizinischen Literatur festgestellt worden ist, dass die Behandlungsprognose für Tinnitus bei Patienten, die schon im Vorfeld Depressionen, Verstimmungen, Schlafstörungen oder ähnliches hätten, nicht so günstig sei. Dort bestehe eher die Gefahr eines chronifzierten Tinnitusgeschehens. Danach erscheint es aus medizinischer Sicht auch möglich, dass die Chronifizierung des Tinnitusgeschehens im Falle der Klägerin gerade vor dem Hintergrund einer bestehenden physischen (hormonellen) und psychischen Beeinträchtigung in Form von Wechseljahresbeschwerden mit Schlafstörungen bewirkt worden ist. Dann läge es jedenfalls außerhalb der Risikosphäre, für die der Dienstherr einzutreten hat, wenn sich auf dieser Grundlage später eine mittelgradige Depression entwickelt hätte.

Rechtlich eindeutig ist auch, dass es für eine Einbeziehung der depressiven Erkrankung in die MdE-Bewertung nicht genügen würde, wenn diese Erkrankung, wie der Hausarzt Dr. ZI. meint, allgemein auf die berufliche Tätigkeit als Lehrerin zurückführen wäre. Denn berufsbedingte Krankheiten, für die sich nicht im Einzelfall der konkrete Nachweis führen lässt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf einen anerkannten Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 BeamtVG zurückzuführen sind, können nur unter den Voraussetzungen der Dienstunfallfiktion des § 31 Abs. 3 BeamtVG in die MdE-Bewertung einfließen. Diese Voraussetzungen erfüllt eine depressive Erkrankung nicht. Nach § 31 Abs. 3 BeamtVG gelten unter den dort geregelten weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nur die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung aufgeführten Krankheiten als Dienstunfall, ohne dass der Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Krankheit im Einzelfall konkret belegt werden muss. Nach § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG werden die in Betracht kommenden Krankheiten von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung bestimmt. Das ist mit der Verordnung zur Durchführung des § 31 des Beamtenversorgungsgesetzes vom 20. Juni 1977 (BGBl. I, S. 1004) geschehen: Durch § 1 dieser Verordnung werden als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I, S. 3329) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben festgelegt. Maßgebend für die Frage, ob eine Krankheit als Dienstunfall gilt, ist die Fassung der Berufskrankheiten-Verordnung (vgl. die Verweisung in § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG), die zu dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem der Beamte sich die Krankheit zugezogen hat (OVG Lüneburg, Urt. v. 15.12.2009 - 5 LC 388/07 - juris Rdnr. 33, BVerwG, Beschl. v. 23.02.1999 - 2 B 88/98 - juris = DVBl 1999, 931 = NVwZ-RR 1999, 518-519). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die dienstunfallrechtliche Anerkennung von Berufskrankheiten der Beamten auf die in der Berufskrankheiten-Verordnung enumerativ aufgeführten Krankheiten beschränkt ist (BVerwG, Beschl. v. 12.09.1995 - 2 B 61/95 - juris; BVerwG, Beschl. v. 13.01.1978 - VI B 57.77 - juris = ZBR 1978, 202; OVG Lüneburg, Urt. v. 15.12.2009 - 5 LC 388/07 - juris). Depressive Erkrankungen gehören nicht zu den in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung genannten Krankheiten. Bereits aus diesem Grunde kann § 31 Abs. 3 BeamtVG nicht zur Anwendung kommen. Unfallfürsorgeleistungen sind an Beamte für andere als die in der Berufskrankheitenverordnung genannten Krankheiten auch dann nicht zu erbringen, wenn die Krankheit auf schädliche Dauerwirkungen während des Dienstes zurückgeht (BVerwG, Urt. v. 09.11.1960 - VI C 144.58 - BVerwGE 11, 229 (232) unter Darlegung der Entstehungsgeschichte und des Zwecks der entsprechenden Vorgängerregelung von §§ 30 ff. BeamtVG; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 13.01.1978 - VI B 57.77 - juris).

Da depressive Erkrankungen in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung nicht aufgeführt sind, könnte diese Krankheit der Klägerin selbst dann nicht in die MdE-Bewertung einbezogen werden, wenn sie allgemein auf die berufliche Tätigkeit als Lehrerin zurückzuführen wäre.

II)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.

III)
Die Berufung ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 oder 3 Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


Beschluss:

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 3.936,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Für den Streitwert ist der zweifache Jahresbetrag des erstrebten Unfallausgleichs im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 40 GKG) (29.12.2008) maßgebend. Die begehrte Festsetzung einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit von 35 % mit der Folge eines Anspruchs auf Unfallausgleich nach einem Prozentsatz von 40 gemäß §§ 35 Abs. 3 Satz 1, 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BeamtVG i.V.m. §§ 31 Abs. 1 u. 2 BVG gehört wie andere Ansprüche auf erhöhte Versorgung
zu den nach der Streitwertrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Teilstatus bezeichneten Rechtspositionen, für die der zweifache Jahresbetrag zugrunde gelegt wird (vgl. OVG Bremen, Streitwertbeschl. v. 09.01.2009 zum Urteil 2 A 38/05 mit Verweis auf BVerwG, B. v. 13.09.1999 - 2 B 53.99 - NVwZ-RR 2000, 188-189). Der Streitwert beträgt daher 164,- Euro x 12 x 2 = 3.936,- Euro (vgl. dazu § 31 Abs. 1 BVG i.d. ab 01.07.2008 geltenden Fassung).

Referenznummer:

R/R5225


Informationsstand: 08.11.2012