Die
gem. §§ 143, 144
Abs. 1
S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. November 2006 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157
S. 1, 54
Abs. 2
S. 1
SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat.
Die Klage ist auch insoweit zulässig, als ein ordnungsgemäßes Vorverfahren nach § 78
Abs. 1
S. 1
SGG stattgefunden hat, insbesondere dieses im Sinne von § 83
SGG durch einen Widerspruch eröffnet worden ist. Denn die Beklagte hat zu Recht den formal nur gegen den Bescheid über die Folgen des Arbeitsunfalls von 1967 erhobenen Widerspruch auch als solchen gegen den hier angefochtenen Bescheid gewertet. In der Sache fordert der Kläger mit dem Widerspruch nämlich auch ein Entgegenkommen bei der Beurteilung seiner Lärmschwerhörigkeit, dem der Eintritt der Bestandskraft dieses Bescheides entgegen stünde.
Die anerkannte Lärmschwerhörigkeit des Klägers hat zu keinem Zeitpunkt die Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. erreicht, die nach § 581
Abs. 3
S. 2
i.V.m. § 551
Abs. 1
S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO -
i. d. F. d. G. v. 30.6.1963, BGBl. I
S. 241) Mindestvoraussetzung für eine Rentengewährung auch bei Vorliegen eines Stützrententatbestandes ist.
Grundlage für die Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist der Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Arbeitslebens. Die Bemessung ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128
Abs. 1
S. 1
SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft (
BSG, Urt. v. 18.3.03 -
B 2 U 31/02 R - Breithaupt
S. 565; Urt. v. 2.11.1999 -
B 2 U 49/98 R - SozR 3-2200 § 581
Nr. 6). Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis.
Das Gericht folgt der Einschätzung der Sachverständigen
Dr. R ... Diese hat ihr Gutachten im Einklang mit den ärztlichen Erfahrungswerten erstattet, die Gegenstand des Merkblattes zur Lärmschwerhörigkeit (jetzt in der Fassung der Bekanntmachung des BMAS vom 1.7.2008, hier zitiert nach Mehrtens/Brandenburg, BKV, Loseblattsammlung, M 2301) und des sog. Königsteiner Merkblattes (4. Aufl. 1995, ebenfalls zitiert nach Mehrtens/Brandenburg) sind. Danach überzeugt es, dass die Sachverständige ihre Beurteilung vorrangig auf die Auswertung des Audiogramms von 1994 gestützt hat. Denn nur dadurch lässt sich der lärmbedingte Anteil der Schwerhörigkeit beim Kläger ermitteln, weil die Schädigung des Innenohres durch Lärm nach beendeter Lärmexposition nicht weiter fortschreitet (Merkblatt, a.a.O.,
S. 4, Königsteiner Merkblatt, a.a.O.,
S. 26). Die Sachverständige hat sich insoweit ausführlich mit den Textstellen auseinander gesetzt, die
Prof. Dr. B. in das Verfahren eingeführt hat, plausibel dargelegt, dass sie nicht den Fall des Klägers betreffen, und weitere Textstellen zum Nachweis der herrschenden medizinischen Lehre benannt. Dass
Prof. Dr. B. diese herrschende Lehre auch kennt und als herrschend einschätzt, folgt aus seinem Schreiben vom 5. November 2002 an den Kläger, das die Sachverständige als Anlage zu ihrem Gutachten dem Gericht übersandt hat. Darin führt
Prof. Dr. B. aus: "Da in der gutachterlichen Praxis davon ausgegangen wird, dass nach Beendigung der Lärmtätigkeit der Innenohrschaden sich nicht verschlechtert wird in erster Linie davon ausgegangen, dass das lärmgeschädigte Innenohr mit zunehmendem Alter auch altersbedingt Funktionseinbußen erleidet. Eine solche Verstärkung Ihres Hörschadens wird in einem weiteren gutachtlichen Verfahren schwerlich auszuschließen sein, so dass ich von einer Berufung eher abraten möchte."
Es besteht auch kein Hinweis darauf, dass das Audiogramm vom 25. Oktober 1994 unzutreffend erhoben worden ist. Auffälligkeiten, die nahe legen könnten, dass der Kläger damals ein besseres Hörvermögen angegeben hat, als es tatsächlich vorlag, hat die Sachverständige dem Audiogramm nicht entnommen. Das ergibt sich aus ihrer Auffassung, dass sie sich darauf stützen kann. Auch aus dem Umstand, dass der Kläger bereits seit 1992 ein Hörgerät genutzt hat, lässt sich kein tatsächlich schlechteres Hörvermögen ableiten. Denn wie er selbst dem Landessozialgericht unter dem 30. März 2002 mitgeteilt hat, war das Gerät nicht verordnet, sondern ein Geschenk von einem Freund und bestand nur aus einem Teil für ein Ohr. Dass der Kläger selbst von einem verminderten Hörvermögen ausgehen konnte, wird durch den Hörverlust auf einem Ohr, der damals bereits vorgelegen haben kann, hinreichend erklärt.
Das danach vorrangig zu beachtende Tonschwellenaudiogramm vom Oktober 1994 ist hinsichtlich der Hörverluste auszuwerten, indem die Hörschwellen in Dezibel für 1, 2 und 3 kHz zu ermitteln sind (Königsteiner Merkblatt,
S. 21). Für das rechte Ohr sind Hörschwellen von 10, 25 und 35 Dezibel zu erkennen. Diese ergeben bei eigener Nachprüfung durch den Senat nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 (a.a.O., Tabelle 2) einen Hörverlust von 0, während auf dem linken Ohr Hörschwellen von 15, 50 und 60 Dezibel einen Hörverlust von 20 v. H. ergeben. Daraus - und aus den von der Sachverständigen ermittelten Hörverlusten - wäre eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. nach der Tabelle von Feldmann (Königsteiner Merkblatt, a.a.O.,
S. 23, Tabelle 3) erst abzuleiten, wenn der Hörverlust auch auf dem zweiten Ohr 20 v. H. betragen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160
Abs. 2
Nr. 1, 2
SGG liegen nicht vor.