Urteil
Hepatitis B als Zivildienstbeschädigung - Ermittlung des Grades der Schädigung - Beurteilung der Kausalität zwischen einer Hepatitisinfektion und einer psychischen Erkrankung

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat


Aktenzeichen:

L 13 V 78/08


Urteil vom:

24.04.2012


Grundlage:

  • ErsDiG § 47 |
  • BVG § 31 |
  • BVG § 32

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen, die Feststellung eines Grades der Schädigungsfolge (früher Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE -, im Folgenden für beides nur GdS) von 60 sowie die Gewährung einer Grundrente und einer Ausgleichsrente nach dem Zivildienstgesetz (ZDG).

Der 1958 geborene Kläger war bis kurz vor Aufnahme seines Zivildienstes im Oktober 1980 als gelernter Erzieher beschäftigt. Im Laufe des Zivildienstes erkrankte der Kläger an einer Hepatitis B. Diese wurde als "chronisch verlaufende infektiöse Hepatitis B" durch Bescheid vom 28. Mai 1982 als Schädigungsfolge nach § 47 ZDG anerkannt und dem Kläger eine Grundrente nach einem GdS in Höhe von 40 gewährt. Im Anschluss an den Zivildienst war der Kläger vom 1. Februar 1982 bis zu seiner betriebsbedingten Kündigung zum 30. Juni 1982 erneut als Erzieher tätig. Ein in der Folge aufgenommenes Studium Sozialpädagogik/Sozialwesen brach er ab; es erfolgte nach vorübergehendem Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit eine Umschulung zum Sozialversicherungsfachangestellten. In diesem Beruf war der Kläger seit 1987 bei mehreren Krankenversicherungen tätig, zuletzt bis Ende 2005 bei der A .

Mit Bescheid vom 25. Juni 1987 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1987 setzte der Beklagte den GdS für die Schädigungsfolge auf 20 herab und entzog dem Kläger die Grundrente ab dem 1. August 1987. Das von dem Kläger dagegen geführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Hamburg blieb ohne Erfolg (Urteil vom 7. März 1989 zum Az. 29 KO 173/87 und 29 KO 187/87), die Berufung wurde durch Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. November 1997 zurückgewiesen.

Einen Verschlimmerungsantrag des Klägers vom 12. Juni 1990, mit dem er auch die Anerkennung seiner psychischen Leiden als Schädigungsfolge geltend machte, wies der Beklagte nach Einholung eines internistischen Gutachtens des Dr. T vom 26. März 1992 sowie des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. L vom 9. Juni 1992 zurück. Die psychischen Leiden des Klägers seien nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen, da sie nicht auf die erlittene Hepatitiserkrankung zurückzuführen seien.

Am 7. April 2005 beantragte der Kläger die Höherbewertung des GdS mit der Begründung, dass sich seine Leiden verschlimmert hätten und seine psychosomatischen Beschwerden Folge der Hepatitiserkrankung seien. Der Beklagte zog das im Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger eingeholte Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Dr. H vom 22. April 2006 und das internistische Gutachten des Dr. H vom 27. April 2006 bei. Zudem holte der Beklagte das internistische Gutachten des Dr. D vom 24. November 2006 ein, der eine Verschlimmerung des Hepatitisleidens verneinte und den GdS weiterhin mit 20 bewertete. Weiterhin erstellte die Neurologin und Psychiaterin Dr. W am 7. Dezember 2006 ein Gutachten für den Beklagten, in welchen sie zu der Einschätzung gelangte, dass die psychischen Leiden mit einem Grad der Behinderung von 60 zu bewerten seien, jedoch keine Schädigungsfolgen der Hepatitiserkrankung darstellen würden.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beschädigtenversorgung ab, da der GdS weiterhin 20 betrage. Weder liege eine Verschlimmerung des Hepatitisleidens gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vor, noch die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 2. Juli 1992 gemäß § 44 SGB X. Mit diesem sei die Anerkennung der psychischen Leiden als Schädigungsfolge zutreffend bestandskräftig abgelehnt worden.

Hiergegen hat der Kläger am 22. Januar 2007 Klage zu dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er einen GdS von 100 wegen einer erheblichen Verschlimmerung seiner Leiden seit 1992, die Anerkennung psychosomatischer Beschwerden als Schädigungsfolgen, die Gewährung einer Grundrente sowie die Gewährung einer Ausgleichsrente nach § 47 ZDG i.V.m. §§ 31, 32 Bundesversorgungsgesetz (BVG) geltend gemacht hat. Am 7. Februar 2007 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid zurückgewiesen.

Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte hat das Sozialgericht die Klage durch Gerichtsbescheid vom 5. Dezember 2008 abgewiesen, da eine Verschlimmerung der Schädigungsfolge der Hepatitis gegenüber dem Bescheid vom 25. Juni 1987 sowie ein Anspruch gemäß § 44 SGB X auf Aufhebung des Bescheides vom 2. Juli 1992 und auf Anerkennung des psychischen Leidens als Schädigungsfolge nicht erkennbar seien. Danach bestehe auch kein Anspruch auf die begehrte Grundrente nach § 31 BVG, da der GdS unter 25 liege, und ebenso wenig ein Anspruch auf eine Ausgleichsrente nach § 32 BVG, da der Kläger mit dem anerkannten GdS von 20 nicht als Schwerbeschädigter im Sinne von § 31 Abs. 2 BVG anzusehen sei.

Mit seiner Berufung vom 17. Dezember 2008 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, dass sein Hepatitisleiden als "chronisch verlaufende infektiöse Hepatitis B" zutreffenderweise mit einem GdS von 30-40 zu bewerten gewesen wäre. Zudem leide der Kläger inzwischen unter einer Pankreatitis, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Hepatitis-Erkrankung zurückzuführen sei, wie der behandelnde Internist Dr. M bestätigen könne. Weiterhin leide der Kläger ursächlich in Folge der Zivildienstbeschädigung unter gravierenden psychischen Behinderungen mit psychosomatischen Wirkungen bei chronischem Schmerzsyndrom. Dies äußere sich insbesondere in Schlafstörungen, Depressionen, Angststörungen mit Panikattacken, Antriebslosigkeit, Grübelzwängen, Zwangshandlungen, Aggressionen, innerer Unruhe, Nervosität, Hörstürzen, chronischen Kopfschmerzen, chronischem Erschöpfungssyndrom und herabgesetzter Merk- und Konzentrationsfähigkeit, dies bei Zustand nach mehrjähriger Mobbingsituation am Arbeitsplatz. Der Kläger sei bis zu der Zivildienstbeschädigung als qualifizierter Erzieher tätig gewesen. Das weiterhin von ihm betriebene Studium Sozialpädagogik/Sozialwesen habe er in Folge dieser Beschädigung abbrechen müssen, da ein Studienpraktikum aufgrund der erlittenen Hepatitiserkrankung wegen des fehlenden Gesundheitszeugnisses nicht durchgeführt werden durfte. Der Kläger habe wegen seiner infektiösen Erkrankung im Sozialwesen und ebenso als Erzieher nicht arbeiten können. Deshalb sei er schließlich für den Beruf des Sozialversicherungsangestellten umgeschult worden. Mit Beginn dieser Tätigkeit 1987 seien ab 1988 bereits psychische Probleme aufgetreten, die sich durch die zunehmende psychische Belastung durch die infektiöse Hepatitis noch verstärkt hätten. Entsprechend habe der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. S zumindest eine teilweise Ursächlichkeit der Grunderkrankung mit dem psychischen Krankheitsbild befürwortet; hierüber sei durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Der GdS für die psychischen Leiden sei entsprechend dem dafür vergebenen Grad der Behinderung mit 60 zu bewerten.

Auf eine versorgungsärztlich-internistische Stellungnahme der Sozialmedizinerin R vom 16. März 2009, mit der diese die Kausalität des Zivildienstes für die Hepatitiserkrankung in Abrede stellte, hat der Kläger beantragt, diese Stellungnahme und das Gutachten des Dr. D vom 24. November 2006 wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus den Akten zu entfernen, da darin spekulativ und unzutreffend eine Ansteckung mit der Hepatitis B aufgrund seiner sexuellen Ausrichtung unterstellt werde.

Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. J vom 7. September 2009, Dr. S vom 9. September 2009, Dr. K vom 10. September 2009 und Dr. M vom 24. Februar 2009, 9. September 2009 und 11. Februar 2011 eingeholt. Zudem hat der Senat ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A vom 28. Februar 2012 eingeholt das auf Vorschlag des Sachverständigen als Gutachten nach Aktenlage erstellt worden ist. Der Sachverständige hat einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Hepatitis-Erkrankung verneint und eingeschätzt, dass der GdS für die Hepatitis-Erkrankung weiterhin mit 20 zu bewerten sei.

Der Kläger hat vorgetragen, dass der Sachverständige Dr. A eine Mitursächlichkeit der beruflichen Entwicklung für die Entstehung seiner psychischen Leiden selbst feststelle, so dass es widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei, wenn er verneine, dass die psychische Erkrankung als Schädigungsfolge der Hepatitiserkrankung zu werten sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2007 zu verpflichten, den Bescheid vom 2. Juli 1992 aufzuheben und als weitere Schädigungsfolgen psychische Leiden anzuerkennen sowie dem Kläger ab dem 1. Januar 2001 eine Grundrente nach einem GdS in Höhe von 60 und eine Ausgleichsrente nach § 47 Abs. 1 Satz 1 Zivildienstgesetz i. V. m. § 32 Bundesversorgungsgesetz zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und führt aus, dass auch alle weiteren Ermittlungen die Anhebung des GdS, die Anerkennung psychischer Leiden als Schädigungsfolgen sowie die Gewährung einer Grund- oder Ausgleichsrente nicht rechtfertigen würden.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsakten des Beklagten.

Rechtsweg:

SG Berlin Gerichtsbescheid vom 05.12.2008 - S 33 V 30/07

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, aber unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen; der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Aufhebung des Bescheides vom 20. Dezember 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2007 sowie Verurteilung des Beklagten, den Bescheid vom 2. Juli 1992 aufzuheben und als weitere Schädigungsfolgen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG psychische Leiden anzuerkennen; es besteht auch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung einer Grundrente nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG i.V.m. § 31 BVG nach einem GdS in Höhe von 60 und einer Ausgleichsrente nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG i.V.m. § 32 BVG ab dem 1. Januar 2001. Denn es liegen weder die Voraussetzungen nach § 44 SGB X hinsichtlich des Bescheides über die Ablehnung der Anerkennung der psychischen Leiden als Schädigungsfolgen vom 2. Juli 1992 vor, noch ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen hinsichtlich der Höhe des GdS sowie der begehrten Grundrente und Ausgleichsrente nach § 48 SGB X eingetreten.

Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Bei der Beurteilung des GdS sind vorliegend für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in ihrer jeweils geltenden Fassung (hier für die Zeit ab 1. Januar 2001 die Fassungen der AHP 1996, 2004, 2005 und zuletzt 2008) zu beachten, die für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 BVG durch die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10. Dezember 2008 (VersMedV), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Dezember 2011, abgelöst worden sind. Die auf den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft fußenden AHP haben normähnlichen Charakter und sind nach ständiger Rechtsprechung wie untergesetzliche Normen heranzuziehen, um eine möglichst gleichmäßige Handhabung der in ihnen niedergelegten Maßstäbe im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (BSG, Urteil vom 12. Juni 2003, Az. B 9 VG 1/02 R - BSGE 91, 107), weshalb sich der Senat für die Zeit bis zum 31. Dezember 2008 auf die genannten AHP stützt. Für die Zeit ab 1. Januar 2009 ist für die Verwaltung und die Gerichte die Anlage zu § 2 VersMedV maßgeblich.

Hiervon ausgehend ist im Fall des Klägers ein GdS von 20 weiterhin gerechtfertigt; die Berücksichtigung eines GdS von 60 lässt sich nicht begründen, so dass auch kein Anspruch auf die begehrte Grund- und Ausgleichsrente besteht.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG erhält ein Dienstpflichtiger, der eine Zivildienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach Abs. 2 der Vorschrift ist eine Zivildienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Zivildienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Zivildienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

Das schädigende Ereignis und das Vorliegen der Gesundheitsstörungen, für die Versorgung begehrt wird, müssen nachgewiesen sein. Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 47 Abs. 7 Satz 1 ZDG). Wahrscheinlich ist jede Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az. 10 RV 15/77 in SozR 3900 § 40 BVG Nr. 9 S. 38; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, Az. B 9 V 32/01 B in SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Für eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit ist lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhanges oder eine Abfolge mit entsprechendem zeitlichem Zusammenhang nicht ausreichend. Nach der wie im gesamten Sozialrecht auch im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az. B 2 U 1/05 R -juris). Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange eine andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache als solche, insbesondere Art und Ausmaß der Einwirkung, der Geschehensablauf, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, sowie die gesamte Krankengeschichte (BSG, Urteil vom 09.05.2006, Az. B 2 U 1/05 R - juris )

Dies zugrunde gelegt hat der Kläger zunächst keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdS unter Berücksichtigung seiner psychischen Leiden als weitere Schädigungsfolge im Sinne einer Zivildienstbeschädigung. Denn nach den dargestellten Kriterien ist ein Kausalzusammenhang zwischen der Hepatitiserkrankung des Klägers und seinen psychischen Leiden vorliegend zur Überzeugung des Senats gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG zu verneinen. Zudem ist auch das Vorliegen weiterer schädigungsbedingter Leiden nicht nachgewiesen. Letztlich ist eine Verschlimmerung des Hepatitisleidens des Klägers nicht erkennbar. Dies entnimmt der Senat dem eingeholten Sachverständigengutachten des Dr. A.

Der Sachverständige hat zur Frage der psychischen Leiden des Klägers ausgeführt, dass bei dem Kläger eine depressive Erkrankung mit Somatisierungssymptomatik vorliege. Bei Betrachtung der jahrelangen Störungsgeschichte zeige sich in Abwägung aller medizinisch psychiatrischer Informationen und der vom Kläger selbst vorgetragenen Auffassungen eine Symptom-/Beschwerdeentwicklung und Chronifizierung. Diese sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine neurotische Disposition einerseits und jahrelange psychosoziale Konflikte, vor allem im beruflichen Bereich, andererseits zurückzuführen. Der Hinweis des Klägers, dass die seinerzeitige Entscheidung des Gesundheitsamtes Hannover im Jahre 1984, dem Kläger ein Gesundheitszeugnis zu verweigern, "krankheitsauslösend" gewesen sei, sei zwar nachvollziehbar. Diese Krankheitsauslösung könne jedoch nicht als wesentliche Ursache für die psychischen Leiden aufgefasst werden. Vielmehr seien die Leiden Folge im Sinne der wesentlichen Bedingung einer spezifischen neurotischen Disposition und jahrelanger konflikthafter Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz. Die jahrelange, an Frustrationen reiche, unbefriedigende berufliche Entwicklung des Klägers sei höher zu bewerten, als die vom Kläger behauptete Unmöglichkeit, den Beruf des Erziehers mit der Hepatitiserkrankung weiter auszuüben. Die Auffassung der vorbegutachtenden Ärzte, die anhand einer detaillierten Beschreibung der biographischen Entwicklung einerseits und der Symptomentwicklung andererseits einen Kausalzusammenhang zwischen dem internistischen Versorgungsleiden und psychiatrischer Störung verneinten, werde deswegen geteilt. Die problematische Entwicklungs- und Berufsbiographie des Klägers sei als Ausdruck einer neurotischen Entwicklung zu werten. Die psychiatrische Störung sei danach nicht Folge der bereits als Versorgungsleiden anerkannten chronischen Hepatitis B.

Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. Anlass zu Zweifeln sieht der Senat nicht. Der Sachverständige hat ausführlich sämtliche verfügbaren Unterlagen ausgewertet und überzeugend begründet, dass ein Gutachten nach Aktenlage im vorliegenden Fall ausreichend sei. Er hat sich überdies ausführlich mit der Auffassung des Dr. S auseinandergesetzt und nachvollziehbar ausgeführt, dass dessen Auffassung einer Teilursächlichkeit der Hepatitiserkrankung für die Entstehung der psychischen Leiden nicht gefolgt werden könne. Er hat hierzu ausgeführt, dass auch der behandelnde Psychotherapeut die psychischen Störungen als "endogener Natur" einschätze und im Wesentlichen auf eine problematische/neurotische frühkindliche Entwicklung zurückführe. Seiner Einschätzung, die Hepatitis sei mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geeignet, Teile der geschilderten Beschwerden des Klägers zu erklären, könne danach nicht gefolgt werden; Dr. S substantiiere diese Vermutung auch nicht. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. A, dass die psychischen Leiden nicht ursächlich auf die Hepatitiserkrankung zurückzuführen sind, wird darüber hinaus bestätigt durch die Gutachten der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. L und Dr. W. Für weitere Ermittlungen von Amts wegen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben.

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Voraussetzungen kann danach das Hepatitisleiden als Primärschaden nicht als ursächlich für die weiteren geltend gemachten Schädigungsfolgen in Form der psychischen Erkrankung angesehen werden. Selbst wenn die Nichterteilung eines Gesundheitszeugnisses aufgrund der bestehenden Hepatitiserkrankung noch mittelbare Schädigungsfolge ist, hat dies nicht zu den heute bestehenden psychischen Erkrankungen des Klägers geführt. Vielmehr hat erst die jahrzehntelange Fehlentwicklung durch psychosoziale Belastungen in Verbindung mit der neurotischen Disposition diese Erkrankungen herbeigeführt. Dabei ist die problematische Entwicklungs- und Berufsbiographie des Klägers als Ausdruck einer neurotischen Entwicklung zu werten und nicht als (mittelbare) Folge der Hepatitiserkrankung. Insofern vermag der Senat auch der Behauptung des Klägers, das Sachverständigengutachten des Dr. A sei widersprüchlich, nicht zu folgen.

Auch die Pankreatitis des Klägers ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. A nicht auf die Hepatitis zurückzuführen; dies hat darüber hinaus auch der behandelnde Arzt Dr. M in seinem Befundbericht vom 11. Februar 2011 ausdrücklich verneint.

Über die bereits anerkannten Gesundheitsschäden hinaus gehende Erkrankungen lassen sich danach nicht auf die Zivildienstbeschädigung zurückführen. Letztlich ist auch nicht erkennbar, dass die Hepatitiserkrankung als anerkannte Schädigungsfolge mit einem höheren GdS zu bewerten wäre.

Hierzu hat der Sachverständige Dr. A ausgeführt, dass bei dem Kläger eine Hepatitis B ohne schwerwiegende klinische Beeinträchtigungen vorliege, die entsprechend der vorangegangenen ärztlichen Einschätzungen und unter Berücksichtigung der eingeholten internistischen Befundberichte mit einem GdS von 20 zu bewerten sei. Die Einstufung des GdS mit 20 entspricht dabei den Kriterien in Teil A Nr. 26.10 AHP 1996, 2004, 2005, 2008 (jeweils S. 82) bzw. Teil B Nr. 10.3.1. der Anlage zu § 2 VersMedV. Danach werden unter dem Begriff "chronische Hepatitis" alle chronischen Verlaufsformen von Hepatitiden zusammengefasst. Dazu gehören insbesondere die Virus-, die Autoimmun-, die Arzneimittel- und die kryptogene Hepatitis. Der GdS und die Leidensbezeichnung ergeben sich aus den Tabellenwerten, wobei bereits übliche Befindlichkeitsstörungen - nicht aber extrahepatische Manifestationen - berücksichtigt sind. Nach der Tabelle dieser Kriterien ist für die chronische Hepatitis ohne (klinisch-) entzündliche Aktivität, wie sie im Falle des Klägers vorliegt, ein GdS von 20 vorgesehen. Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. A wird nicht in Frage gestellt durch die eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte, denen sämtlich eine Verschlechterung des Hepatitisleidens und insbesondere entzündliche Aktivitäten der Erkrankung nicht zu entnehmen sind.

Es besteht danach kein Anspruch des Klägers auf die Berücksichtigung eines GdS von mehr als 20. Entsprechend besteht kein Anspruch auf die Gewährung einer Grundrente oder Ausgleichsrente nach § 47 Abs. 1 Satz 1 ZDG i.V.m. §§ 31, 32 BVG. Denn diese setzen einen GdS von über 25 (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BVG) bzw. sogar einen GdS von mindestens 50 (§ 32 Abs. 1 BVG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 BVG) voraus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R6055


Informationsstand: 12.03.2014