Urteil
Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles
Gericht:
LSG Hessen
Aktenzeichen:
L 3 U 71/12
Urteil vom:
27.09.2016
LSG Hessen
L 3 U 71/12
27.09.2016
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Feststellung weiterer Folgen eines Arbeitsunfalles und die Bewilligung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1961 geborene Kläger erlitt als LKW-Fahrer der Firma D., D-Stadt, am 5. Dezember 2006 einen Unfall. Laut Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 22. Januar 2007 war er beim Abhängen von Verbauteilen in einer Kette hängen geblieben, als der Baggerfahrer den Arm des Klägers angehoben habe. Dementsprechend teilte der Kläger der Beklagten am 20. Januar 2007 mit, er sei dabei gewesen ein großes Eisenverbauteil, das mit 4 Ketten am Bagger befestigt gewesen sei, mit dem Arbeiter der Firma E. wieder von den Ketten zu lösen. Als er die letzte Kette gerade habe abhängen wollen, habe der Baggerfahrer, der ihn durch das große Verbauteil nicht habe sehen können, diese hochgezogen. Er sei mit dem rechten Handgelenk eingeklemmt und 2 m hoch gerissen worden.
Der Kläger stellte sich noch am Unfalltag beim Unfallchirurgen und Durchgangsarzt Dr. F. vor, der die Erstdiagnose einer Prellung des rechten Handgelenks und des rechten Schultergelenks stellte und zum Unfallhergang festhielt, der Kläger sei auf einem Lkw-Kipper bei Feuchtigkeit weggerutscht und auf die rechte Seite, das rechte Handgelenk und die rechte Schulter gefallen. Am 8. und 15. Dezember 2006 stellte sich der Kläger erneut bei Dr. F. vor. Bei der 2. Vorstellung trug er zum Unfallhergang vor, seine rechte Hand sei in einer Kette fixiert gewesen und er sei von einem Bagger 2 m hoch gerissen und dann wieder abgesetzt worden.
Dr. F. veranlasste eine ergänzende Kernspindiagnostik der rechten Schulter und des rechten Handgelenkes durch den Radiologen Dr. J. am 21. Dezember 2006. Das MRT ergab eine Signalanhebung im SL-Gelenksspalt sowie eine partielle Kontinuitätsunterbrechung des SL-Bandes im palmaren Anteil passend zum Bild einer stattgehabten Partialruptur. Es bestehe ein leichtes Bone-Bruise-Sign im radialisseitigen Mondbein. Der proximale ligamentäre Ansatzbereich des Diskus triangularis sei signalangehoben passend zum Bild einer stattgehabten Zerrung. Eine eindeutige Partialruptur liege nicht vor. Das rechte Schultergelenk betreffend wurde ein mäßiges Bone-Bruise-Sign in der distalen Clavicula und im Acromion passend zum Bild einer stattgehabten ACG-Prellung befundet. Als denkbar wurde allerdings auch eine entzündliche Aktivität einer vorstehenden AC-Gelenkarthrose bezeichnet. Es bestehe eine geringe Impression der Supraspinatussehne. Im Anschluss daran äußerte Dr. F. am 23. Dezember 2006 den Verdacht auf scapholunäre Bandruptur des rechten Handgelenk und beschrieb einen Zustand nach Schulterdistorsion. Er nahm am 5. Januar 2007 eine athroskopische Abklärung vor und stellte ausweislich des Operationsberichtes vom 8. Januar 2007 die Diagnose einer Teilruptur der scapholunären Bandverbindung des rechten Handgelenkes und einer Diskus-ulno-carpalis-Ruptur. Im Rahmen der Handgelenksarthroskopie erfolgte ein Debridement der scapholunären Bandverbindung, eine Resektion der defekten Kapselanteile, eine Teilresektion des ulnaren Diskus und eine Athroskopie des Mediokarpalgelenkes. Nach dem makroskopischen Befund habe es sich um eine frische Verletzung gehandelt. Die pathologisch-anatomische Begutachtung des Pathologen Dr. K. nach Untersuchung des Discus-ulnaris-Gewebes sowie des Kapsel-Band-Gewebes ergab keinen Hinweis für ein frisches Trauma. Es bestehe eine nur geringgradige degenerative Veränderung (Bericht vom 9. Januar 2000). Wegen anhaltender Gefühlsstörungen an der rechten Hand diagnostizierte Dr. F. am 2. April 2007 ein posttraumatisches mäßiggradiges Karpaltunnelsyndrom, was die Untersuchung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 27. März 2007 in gleicher Weise ergeben hatte. Zur Behandlung der anhaltenden Schmerzen und Gefühlsstörungen erfolgte am 18. April 2007 die Kompression des Nervus medianus durch Dr. F. In seinen Zwischenberichten vom 2. Juli und 14. August 2007 teilte Dr. F. sodann mit, dass sich einer relevante Besserung der Belastbarkeit der rechten Hand nicht ergeben habe und empfahl die Vorstellung in einer handchirurgischen Einrichtung.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Heilverfahrenskontrolle in der Orthopädischen Klinik Lichtenau. Mit Bericht vom 21. September 2007 stellte die Unfallchirurgin Dr. M. dort die Diagnosen einer schweren Zerrung des rechten Schultergelenkes und einer Zerrung des rechten Handgelenks mit Rissbildung im Bereich des Diskus triangularis sowie einer Zerreißung der dorsalen Bandverbindung zwischen Kahn- und Mondbein und erhob den dringenden Verdacht auf eine chronische scapholunäre Dissoziation. Das daraufhin unter dem 30. Oktober 2007 vom Radiologen Dr. N. durchgeführte MRT des rechten Handgelenks und der rechten Schulter bestätigte eine postoperative Defektbildung im zentralen Anteil des Diskus triangularis bei erhaltener ulnarer und radialer Diskusanheftung bei geringgradiger karpaler Arthrose mit geringer Abflachung des medialen Knorpelniveaus und einer synovialen Reizreaktion sowie die beginnende Ausbildung einer 4 mm großen Zyste im proximalen OS navikulare. Für eine persistierende scapholunäre Dissoziation ergaben sich ebenso wenig Hinweise wie für operative Reizreaktionen oder postoperative entzündliche Veränderungen. Im Hinblick auf die rechte Schulter zeigte sich - wie bereits im Dezember 2006 - eine gering bis mittelgradige Einengung des subacromialen Raumes und ein horizontal stehendes und leicht hakenförmiges Acromion so wie ein prominentes und relativ weit an der Acromionunterfläche inserierendes Ligamentum coracoacromiale. Ein oberflächliches Ödem im distalen und ventralen Musculus supraspinatus vereinbar mit einem Zustand mit oberflächlicher Faserverletzung bei vorhandenem Impingement wurde bestätigt.
Die Beratungsärzte der Beklagten, die Chirurgen Dres. O. und P., führten mit Stellungnahmen vom 26. November und 4. Dezember 2007 aus, nach dem letzten MRT-Befund könne eine arbeitsunfallbedingte Verletzung der Rotatorenmanschette ausgeschlossen werden. Das MRT vom 31. Oktober 2007 zeige eine Degeneration der Supraspinatussehne mit der Folge eines Impingement-Syndroms, so dass von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis 15. November 2007 ausgegangen werden könne. Die Beklagte zahlte dem Kläger Verletztengeld ist 15. November 2007. Die berufliche Wiedereingliederung des Klägers mit reduzierter Zahl täglicher Arbeitsstunden bzw. reduzierten Arbeitstagen pro Woche im Juli und August sowie kurzfristig im Oktober 2007 wurde abgebrochen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Firma D. wurde zum 31. Dezember 2009 aufgelöst und der Kläger ist im Anschluss nicht mehr ins Berufsleben zurückgekehrt.
Nachdem die Beklagte die Krankenkasse des Klägers (IKK Südwest-Direkt) aufgefordert hatte, die Zahlung von Verletztengeld ab 16. November 2007 einzustellen, legte diese die Stellungnahme des Dr. Q. vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung vom 29. Januar 2008 vor. Dr. Q. ging davon aus, dass die Schulterprobleme degenerativer Art und nicht Folge des Arbeitsunfalls sein. Die beim Kläger fortdauernder Arbeitsunfähigkeit sei aber auch wegen der Handgelenkssymptomatik eingetreten, die als Folge des Arbeitsunfalls gelten müsse. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit dauere danach ebenso an, wie die Leistungspflicht der Beklagten.
Die Beklagte veranlasste sodann das Zusammenhangsgutachten der Orthopäden Dres. R. und S. vom 29. April 2008, das gering ausgeprägte degenerative Veränderungen im rechten Handgelenk und im Bereich der rechten Schulter infolge eines so genannten Hakenacromions beschrieb. Nach Auswertung der durchgangsärztlichen Befunde könne allein die von Dr. F. beschriebene Prellmarke an der Innenseite des rechten Handgelenkes dem Unfallereignis zugeordnet werden. Bereits die unfallnah erstellten kernspintomographischen Bilder sowohl des rechten Handgelenks als auch der rechten Schulter zeigten keine verletzungsbedingten Befunde. Danach sprächen die durchgangsärztlich erhobenen Befunde nicht für die vom Kläger angegebene zweite Unfallversion des Anhebens durch den Bagger. Unfallfolgen seien danach weder an rechtem Handgelenk noch rechter Schulter verblieben. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe nach der Arthroskopie vom 5. Januar 2007 geendet. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juni 2008 die Bewilligung einer Rente ab und verblieb bei dieser Entscheidung mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2008. Unfallbedingt sei es allein zu einer Prellung des rechten Hand- und Schultergelenkes gekommen, was ab 6. Januar 2007 folgenlos ausgeheilt gewesen sei.
Dagegen hatte der Kläger am 29. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) erhoben mit der Begründung, der Unfall sei wie von ihm geschildert abgelaufen. Es habe sich um eine Kette von Ereignissen gehandelt, die sich am Unfalltag unmittelbar hintereinander abgespielt hätten. Er sei zunächst auf der Ladefläche des LKW ausgerutscht und unmittelbar darauf beim Abhängen einer Kette vom Kran in die Höhe gezogen worden. Nach wie vor bestünden erhebliche Beeinträchtigungen aufgrund des Unfalles am rechten Handgelenk und in der rechten Schulter. Schon die Beurteilung durch Dres. R. und S. sei nicht überzeugend und werde durch medizinische Bewertungen des Durchgangsarztes Dr. F., der Chirurgin Dr. M. und des Dr. Q. vom MDK widerlegt. Er hat den Entlassungsbericht der Klinik Kurhessen, Bad Sooden-Allendorf, vom 2. März 2009 vorgelegt, der Auskunft über das vom Kläger in den Monaten Januar/Februar 2009 absolvierte Heilverfahren gibt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung des Befundberichtes des Hausarztes Dr. T. vom 3. November 2008, der den Kläger seit Juni 1999 behandelt hatte und seinem Bericht diverse Fremdbefunde beifügte. Sodann hat das Sozialgericht das fachorthopädische Gutachten des Prof. I. vom 27. Juli 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 30. März 2010 eingeholt. Prof. I. geht davon aus, dass der Kläger Prellungen am rechten Handgelenk und rechten Schultergelenk als Folge des Arbeitsunfalles erlitten habe, woraus Dauerfolgen bei ihm nicht verblieben seien. Die vom Kläger geäußerte zweite Unfallversion mit Anheben durch den Bagger sei mit den unfallnah erhobenen Befunden nicht vereinbar. Bei einer schwergradigen Quetschung der Hand, wie sie der Kläger geltend mache, hätte es zu weiterreichenden Verletzungsfolgen kommen müssen. Laut MRT vom 31. Dezember 2006 habe es keine Zerreißung des SL-Bandes ergeben bei überwiegend degenerativen Veränderungen im Bereich der rechten Schulter. Ödeme seien weder am Handgelenk noch an der Schulter vorhanden gewesen. Unfallunabhängig bestünden eine Verschleißerkrankung im Bereich des rechten Schultergelenkes sowie geringgradig ausgeprägte degenerativer Veränderungen im rechten Handgelenk. Eine unfallbedingte MdE sei nicht verblieben.
Das Sozialgericht hat nach Kritik des Klägers am Gutachten des Prof. I. von Amts wegen das weitere Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. H. vom 10. Februar 2011 eingeholt, das zu dem Ergebnis gelangt ist, dass als Folge des Unfallereignisses lediglich ausgeheilte Prellungen des rechten Schultergelenk sowie des rechten Handgelenkes anzusehen seien. Bei den degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette mit endgradiger Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes handele es sich um eine körpereigene Erkrankung des Klägers. Der Kernspinbefund vom 21. Dezember 2006 habe keine strukturellen Schäden am Handgelenk oder am Schultergelenk ergeben. Der Akutbefund der Verletzungsfolgen und die vom Kläger im Nachhinein geschilderte Unfallversion passten nicht zueinander. Mit ergänzender Stellungnahme vom 10. November 2011 verblieb Dr. H. beim Ergebnis seines Gutachtens. Im Kammertermin vom 6. März 2012 hat das Sozialgericht den Kläger zum Unfallhergang im Detail angehört sowie den Durchgangsarzt Dr. F. zu den Erstangaben des Klägers zum Unfallhergang sowie den von ihm erhobenen Erstbefunden beim Kläger. Insofern wird wegen Einzelheiten auf das Protokoll des Kammertermins Bezug genommen.
Mit Urteil vom 6. März 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten und auch für das Gericht erwiesen, dass sich am 5. Dezember 2006 ein Unfallgeschehen abgespielt habe. Der Kläger habe zwar im Kammertermin persönlich angehört bestätigt er sei zunächst auf dem LKW selbst ausgerutscht und auf die rechte Seite gefallen. Danach habe sich beim Lösen der Ketten seine Hand zwischen Kette und Verbauteil verklemmt, was der Baggerführer nicht mitbekommen habe. Der habe dann die Kette in dem Glauben, diese sei frei, hochziehen wollen und habe ihn dabei hoch gerissen. Dennoch sei eine schlüssige Unfallschilderung nicht festzustellen, da auch die in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Unfallversion sich beim Kläger kaum mit den Unfallfolgen in Einklang bringen lasse. Sowohl Prof. I. als auch Dr. H. hätten zu Recht ausgeführt, dass es zu einer schwerwiegenden Quetschung der rechten Hand hätte kommen müssen unter Berücksichtigung des vom Kläger geschilderten Unfallablaufs. Das Gericht könne nicht mehr an Unfallschäden erkennen, als in den Begutachtungen durch Dres. R. und S., Prof. I. und Dr. H. zum Ausdruck gekommen sei und gehe davon aus, dass allein die ausgeheilten Prellungen des rechten Schultergelenks sowie des rechten Handgelenks unfallbedingt entstanden seien.
Der Kläger hat gegen das ihm am 20. März 2012 zugestellte Urteil am 17. April 2012 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er verfolgt weiterhin die Anerkennung der Verletzungen des rechten Handgelenkes einschließlich des Karpaltunnelsyndroms und der rechten Schulter als Folgen des Arbeitsunfalles. Daraus leitet er Ansprüche auf Verletztengeld bis 2. Juni 2008 sowie anschließend auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 30 v.H. auf Dauer her. Auch berufliche Rehabilitationsleistungen müsse die Beklagte erbringen, um ihm den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Erstangaben zum Unfallverlauf ohne Erwähnung des Anhebens durch den Bagger habe er gemacht, um Regressforderungen für den Baggerfahrer zu vermeiden. Abschürfungen am rechten Handgelenk seien deswegen nicht eingetreten, da er bei der Arbeit Handschuhe getragen habe. Zum Nachweis des vom Sozialgericht bezweifelten Unfallgeschehens hat er die Zeugen G. und A. benannt. Das MRT vom 21. Dezember 2006 sowie der Arthroskopiebefund vom 5. Januar 2007 hätten akute Unfallfolgen bestätigt: Den Teilriss der scapholunären Bandverbindung des rechten Handgelenkes sowie des Diskus ulno-carpalis. Hinzugekommen sei die Zyste im proximalen OS navikulare laut MRT vom 31. Oktober 2007. Zudem sei ein Karpaltunnelsyndrom als weitere Unfallfolge aufgetreten, das am 18. April 2007 von Dr. F. operativ behandelt worden sei und in einer beratungsärztlichen Stellungnahme (Bl. 113 VA) als Folge des Arbeitsunfalles genannt sei. Angesichts dessen könnten die Gutachten der Dres. R. und S., des Prof. I. und des Dr. H. nicht überzeugen, während der Dr. Q. vom MDK die Sachlage zutreffend beurteilt habe.
Der Senat hat die Auskunft des Dr. F. vom 3. November 2014 eingeholt, wonach die letzten von ihm erhobenen Befunde am 15. Juni und 26. Juli 2012 anhaltende Schmerzen im rechten Handgelenk und der Schulter ergeben hätten sowie über der Narbe in der rechten Hohlhand. Die neurologische Untersuchung habe kein Rezidiv des Karpaltunnelsyndroms bestätigt und der Kernspinbefund des rechten Handgelenks keine operationsbedürftigen Veränderungen am Handwurzelknochen bzw. am Diskus. Der Senat hat den Zeugen A. am 1. Februar 2015 schriftlich angehört, der mitgeteilt hat, der Baggerfahrer habe den Kläger hochgehoben und wieder runter gelassen, als er ihn gesehen habe. Der Zeuge G. wurde am 28. Januar und 30. Februar 2015 schriftlich befragt. Er konnte sich danach nicht an Schwierigkeiten erinnern, bis der Kläger ausgerutscht sei und Schmerzen gehabt habe. Der Vorfall habe sich wie vom Kläger geschildert ereignet, was er aber nicht sicher sagen könne. Im Erörterungstermin vom 21. Mai 2015 wurde der Zeuge G. ergänzend mündlich angehört und gab an, keine Erinnerung mehr zu haben, dass ein Unfall mit den Bagger passiert sei, den er gefahren habe. Er wisse nur noch, dass der Kläger ausgerutscht sei.
Der Senat hat sodann das orthopädisch-unfallchirurgische Gutachten des Prof. B. vom 1. März 2016 eingeholt, der beim Kläger folgende Diagnosen festgestellt hat, die er mit Wahrscheinlichkeit als Folgen des Arbeitsunfalles angesehen hat: Diskretes Engpasssyndrom der rechten Schulter mit leichter Kraftminderung der schulterumgreifenden Muskulatur; Ganglion rechtes Handgelenk; ausgeheilte Distorsionszeichen des rechten Schultergelenks als Folge des Ereignisses vom 05.12.2006; reizlose Narbe im Bereich des rechten Handgelenks nach Distorsion des rechten Handgelenks und operativer Revision, Durchführung einer Arthroskopie, Teilresektion von Bandstrukturen zwischen Mond- und Kahnbein mit endgradiger Bewegungseinschränkung des Handgelenks; ausgeheiltes posttraumatisches Karpaltunnelsyndrom am rechten Handgelenk mit reizloser Narbenbildung. Zu strukturellen Verletzungen am rechten Handgelenk und der rechten Schulter sei es unfallbedingt nicht gekommen. Die Kernspintomographie des rechten Schultergelenkes habe besondere anatomische Veränderungen ergeben. Denn der Raum zwischen Schulterdach und Oberarmkopf sei durch eine nach unten ausladendes Schulterdach eingeengt gewesen, wodurch die Supraspinatussehne von oben gedrückt worden sei. Für eine Zerrung und Gewalteinwirkung auf die rechte Schulter habe die Knochenmarkprellung des seitlichen Schlüsselbeins und des Akromions gesprochen. Gehe er von der Unfallschilderung aus, die der Kläger erstinstanzlich sowie auch im Berufungsverfahren abgegeben habe und die in der Beweisanordnung vorgegeben worden sei, seien die Veränderungen im Bereich des rechten Handgelenks und der rechten Schulter mit der Unfallschilderung des Klägers und den gerichtlichen Vorgaben vereinbar. Eine strukturelle Verletzung der rechten Schulter sei jedoch durch die Kernspintomographie vom 21. Dezember 2006 und auch durch das MRT vom 31. Oktober 2007 ausgeschlossen worden. Der Befund vom 31. Oktober 2007 habe den Engpass sowie auch eine oberflächliche Faserverletzung bestätigt, darüber hinaus keine ausgedehnten Verletzungen der Musculi supraspinatus, infraspinatus, subscapularis und teres minor. Die Bewertung von Verletzungsfolgen der Bänder zwischen Mond- und Kahnbein sei schwierig. Dr. F. habe wegen dortiger Beschwerden eine Handgelenksarthroskopie am 5. Januar 2007 durchgeführt, dabei defekte Kapselanteile festgestellt und diese entfernt, ebenso einen Teil des ellenwärtigen Diskus. Dr. F. folgend handele es sich um unfallbedingte Befunde sowie makroskopisch um eine frische Läsion. Später hätten die pathologischen Befunde dann allerdings die traumatische Diagnose des Durchgangsarztes nicht bestätigt, da der Pathologe Dr. K. keine Hinweise für ein frisches Trauma hätte finden können. Im Nachhinein werde man deshalb davon ausgehen können, dass keine strukturelle Verletzung des Kapselbandapparates zwischen Mond- und Kahnbein vorgelegen habe. Der Kernspinbefund vom 31. Oktober 2007 ergebe nichts anderes. Eine Fehlstellung zwischen Mond- und Kahnbein sei nicht eingetreten, was wiederum mit dem feingeweblichen Befund übereinstimme. Zwischenzeitlich habe sich eine 4 mm große Zyste im Bereich des Kahnbeines ausgebildet, deren Genese offen bleiben müsse. Sie sei auf der Erstaufnahme noch nicht nachweisbar gewesen. Der Neurologe Dr. U. habe im März 2007 nach Messung der Nervenleitgeschwindigkeit beim Kläger ein posttraumatisches leichtes Karpaltunnelsyndrom an der rechten Hand diagnostiziert, woraufhin Dr. F. den Karpaltunnel am 2. Juli 2007 gespalten und bestätigt habe, dass es sich um ein posttraumatisches Karpaltunnelsyndrom gehandelt habe. Die operativen Eingriffe vom 5. Januar und 18. April 2007 müssten danach dem Unfallereignis zugeordnet werden. Eine weitere unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei für die Dauer von 6 Monaten nach dem zweiten operativen Eingriff anzunehmen. Die unfallchirurgisch festgestellte seitengleiche muskuläre Entwicklung spreche dafür, dass der Kläger seine berufliche Tätigkeit als LKW-Fahrer mit Be- und Entladen hätte wieder aufnehmen können. Auch er selbst habe nur eine leichte Umfangsverminderung des rechten Armes feststellen können und keine Schwellung des rechten Handgelenkes. Die erste Handwurzelreihe sei stabil gewesen. Es bestünden erhebliche Differenzen zwischen den vom Kläger geäußerten Beschwerden und den objektiv zu erhebenden Befunden, die im Wesentlichen normal gewesen seien. Eine arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 26. September 2007 hinaus (bzw. bis maximal zum Ende der Zahlung des Verletztengeldes bis 15. November 2007) lasse sich nicht begründen. Die MdE sei für die Dauer von 6 Monaten nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 20 v.H. zu bemessen also vom 16. November 2007 bis 15. Mai 2008 und betrage bis 31. Dezember 2008 10 v.H. Ab 2009 bestehe eine messbare unfallbedingte MdE nicht mehr. Berücksichtige man die Funktionsdefizite des Klägers am rechten Handgelenk, ohne diese ursächlich zuzuordnen, rechtfertigten diese eine MdE in Höhe von 10 v.H.
Der Kläger hat zum Gutachten des Prof. B. geäußert, die bei ihm fortdauernde Arbeitsunfähigkeit sei wesentlich mitursächlich auf Folgen des Arbeitsunfalles vom 5. Dezember 2006 zurückzuführen, wie nicht nur der Durchgangsarzt Dr. F. wiederholt bestätigt habe sondern auch weitere medizinische Befunde belegten. Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 2. und 24. August 2016 ein Vergleichsangebot unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Gutachtens des Prof. B. abgegeben. Dieses Vergleichsangebot hat sie im Senatstermin vom 27. September 2016 als Teilanerkenntnis erklärt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und verfolgt seine darüber hinausgehenden Ansprüche weiter. Zum Nachweis seiner Ansprüche hat er im Senatstermin den Schriftsatz vom 5. September 2016 vorgelegt und verlesen, dem er insgesamt 19 Anlagen beigefügt hat, auf die wegen weiterer Einzelheiten verwiesen wird.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2008 über ihr Teilanerkenntnis vom heutigen Tage hinaus zu verurteilen,
1. ein Engpasssyndrom an der rechten Schulter als weitere Unfallfolge anzuerkennen,
2. Verletztengeld über den 15. November 2007 hinaus bis zum 2. Juni 2008 zu zahlen,
3. Rente nach einer MdE von 50 v.H. ab dem 3. Juni 2008 zu zahlen,
4. berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben zu gewähren wegen arbeitsunfallbedingter fortdauernder Arbeitsunfähigkeit im Beruf als LKW Fahrer,
5. hilfsweise, falls dem Antrag zu 2. nicht stattgegeben wird: Rente nach einer MdE von 50 v. H. auch für die Zeit vom 15. November 2007 bis 2. Juni 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen soweit sie über das Teilanerkenntnis im Senatstermin am 27. September 2016 Tage hinausgeht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
SG Kassel, Urteil vom 06.03.2012 - S 1 U 141/08
BSG, Urteil vom 07.03.2017 - B 2 U 289/16 B
R/R7343
Informationsstand: 11.07.2017