Der 1967 geborene Kläger stand im Dienste der Beklagten und ist Polizeihauptkommissar a.D. Er absolvierte während seiner Dienstzeit mehrere Auslandseinsätze.
Im Rahmen eines Auslandseinsatzes, Verwendung im Hausordnungsdienst der deutschen Botschaft in L.., von Januar 2000 bis Januar 2001 ist es zu mehreren belastenden Ereignissen gekommen. Darüber hinaus hat der Kläger während Auslandseinsätzen in A.. in den Jahren 2009 und 2010 traumatische Erlebnisse gehabt. Einzelne bildhafte Erinnerungen dieses Geschehens haben bei ihm traumatische Erinnerungen aus dem Einsatz in N. wieder aufleben lassen.
Seit April 2010 befindet sich der Kläger wegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) in psychiatrischer Behandlung, und zwar zunächst im Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZK) B.. bis zu seinem Umzug nach D.. und seit Juli 2012 beim BwZK K... Dort war er mehrfach in stationärer Behandlung und hat wiederholt an Intervalltherapien (jeweils zwei Tage im BwZK) teilgenommen. Im BwZK Koblenz fanden ambulante Behandlungen wie folgt statt vom
1. Juli 2013 - 30. September 2013: 21 Termine,
1. Januar 2014 - 31. März 2014: 7 Termine,
1. April 2014 - 30. Juni 2014: 11 Termine,
1. Juli 2014 - 30. September 2014: 17 Termine,
1. Oktober 2014 - 31. Dezember 2014: 19 Termine,
1. Januar 2015 - 31. März 2015: 18 Termine.
Am 17. November 2015, 11. Januar 2016 und am 2. März 2016 war der Kläger bei
Dr. Alexander J.., K., zur ambulanten psychiatrischen Behandlung.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2011 der Bundesbereitschaftspolizei wurde der von dem Kläger angezeigte Unfall vom 1. Januar 2000 mit der Diagnose "Posttraumatische Belastungsstörung" als Dienstunfall anerkannt.
Im Gutachten des BwZK K.. vom 11. Juli 2013 wurde die Minderung der Erwerbsfähigkeit (
MdE) des Klägers mit 50 v. H. angenommen und eine erneute Begutachtung nach zwei Jahren empfohlen.
Mit Bescheid vom 26. November 2013 wurden als Dienstunfallfolgen der Ereignisse von Januar 2000 bis Januar 2001 anerkannt
1. Posttraumatische Belastungsstörung
2. Tinnitus bds. mit einhergehender Schwerhörigkeit.
Die
MdE wurde auf 50 v. H. festgesetzt. Für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 1. Februar 2010 wurde sie auf unter 25 v. H. und für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 10. Juli 2013 auf 40 v. H. festgesetzt.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 wurde dieser Bescheid vom 26. November 2013 aufgehoben. Als Dienstunfallfolgen der Ereignisse von Januar 2000 bis Januar 2001 wurden anerkannt
1. Posttraumatische Belastungsstörung
2. Tinnitus bds. mit einhergehender Schwerhörigkeit.
Des Weiteren wurde festgestellt, dass eine Behinderung eingetreten ist. Für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis 1. Februar 2010 wurde die
MdE auf unter 25 v. H., für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 28. Februar 2013 auf 40 v. H. und ab dem 1. März 2013 bis auf weiteres auf 50 v. H. festgesetzt. Im Juli 2015 sollte eine Nachuntersuchung stattfinden. Dieser Entscheidung lag das Gutachten des BwZK K.., Oberfeldarzt T. K.., Facharzt Psychiatrie, vom 11. Juli 2013 zugrunde.
Mit Bescheid vom 19. Januar 2016 wurde auf Antrag des Klägers der mit Bescheid vom 23. Februar 2011 anerkannte Dienstunfall als Einsatzunfall im Sinne des § 31a Bundesbeamtenversorgungsgesetz - BeamtVG - anerkannt. In dem Bescheid wird ausgeführt, der Kläger erhalte nach § 37
Abs. 3 BeamtVG ein erhöhtes Unfallruhegehalt, wenn die festgestellte
MdE von mindestens 50 v. H. zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung aufgrund des erlittenen Einsatzunfalls nach § 31a BeamtVG bestehe. Die vorzeitige Zurruhesetzung sei in der Prüfung.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2016 beantragte der Kläger, "unter Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 19. Januar 2016" eine einmalige Unfallentschädigung gemäß § 43
Abs. 1 BeamtVG zu gewähren und auszuzahlen.
Mit Ablauf des 29. Februar 2016 wurde der Kläger mit Zurruhesetzungsverfügung vom 4. Februar 2016 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. In der Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundespolizei vom 5. März 2015 wird festgestellt, der Kläger sei gesundheitlich nicht geeignet für den Polizeivollzugsdienst und es sei nicht zu erwarten, dass er die uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den Polizeivollzugsdienst innerhalb von zwei Jahren wiedererlangen werde. Er sei damit polizeidienstunfähig gemäß § 4
Abs. 1 Bundespolizeibeamtengesetz - BPolBG -. Weiterhin werde der Kläger sozialmedizinisch als gesundheitlich nicht geeignet für den allgemeinen Verwaltungsdienst beurteilt, wobei nicht zu erwarten sei, dass er die uneingeschränkte Dienstfähigkeit für den allgemeinen Verwaltungsdienst innerhalb von sechs Monaten wieder erlangen werde. Damit sei er dienstunfähig gemäß § 44
Abs. 1 Satz 1 Bundesbeamtengesetz - BBG -. Da eine Wiederherstellung der Polizeidienstfähigkeit/allgemeinen Dienstfähigkeit künftig nicht ausgeschlossen sei, sei beabsichtigt, ihn nach Ablauf von zwei Jahren zwecks Prüfung einer möglichen Reaktivierung in das aktive Dienstverhältnis erneut sozialmedizinisch untersuchen zu lassen.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 wurde gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes,
Dr. med. H.., vom 15. April 2016 u.a. der Grad der
MdE ab dem 11. Juli 2013 auf 50 v. H. festgesetzt und eine Nachuntersuchung im März 2019 für erforderlich gehalten.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2016 (BPOLP, 72-16 15 01 - 0025/13) wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zahlung einer einmaligen Unfallentschädigung nach § 43
Abs. 1 BeamtVG nicht vorlägen. Nach dem im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachten des Instituts für Versicherungsmedizin vom 4. April 2016 sei nicht von einer dauerhaften
MdE von 50 v. H. auszugehen. Ausweislich der Ausführungen auf
S. 35 Satz 4 des Gutachtens liege ".. Die Verbesserung der Symptomatik ... ausschließlich in therapeutischen Maßnahmen....". In Satz 5 schreibe der Gutachter als Folge daraus, "Solange dies nicht geschehen ist, kann nicht von einer Chronifizierung gesprochen werden und es ist durchaus eine Verbesserung der Symptomatik unter adäquater Therapie möglich." Auf dieser Basis habe der Polizeiarzt der Bundespolizeiabteilung Bad B.,
Dr. med. H., am 15. April 2016 eine ärztliche Stellungnahme gefertigt, die in den Bezugsbescheid vom 17. Mai 2016 gemündet sei. In jenem Bescheid seien die Zeiträume der Erwerbsminderung festgesetzt worden. Eine Nachuntersuchung werde für März 2019 als erforderlich angesehen.
Der gegen den Bescheid vom 3. Juni 2016 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine dauerhafte
MdE von 50 v. H. liege nicht vor. Die Argumentation des Klägers, die auf den ärztlichen Stellungnahmen des BwZK K.. basiere, sei nicht nachvollziehbar, da diese auf ärztlichen Feststellungen beruhten, die teilweise bis zu vier Jahre alt seien. Zudem sei eine objektive Betrachtung des BwZK K.. in der Sachfeststellung nicht gegeben, da die Ärzte des BwZK den Kläger behandelten
bzw. behandeln. Damit schließe sich eine objektive Bewertung im Rahmen der Feststellung über eine Entschädigungsleistung nach § 43 BeamtVG aus.
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 3. Juni 2016 (BPOLP, 72-16 15 01 - 0025/13) und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 4. August 2016 am 29. August 2016 Klage erhoben, die er folgendermaßen begründet:
Die Auffassung der Beklagten, es stehe noch nicht abschließend fest, ob der Kläger auf Dauer dienstunfähig sei, sei unzutreffend. Maßgeblich sei für die Beklagte hierfür die Anordnung einer Nachuntersuchung nach drei Jahren. Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber eine derartige Nachuntersuchung ermögliche und üblicherweise eine Nachuntersuchung stattfinde, sei kein Kriterium dafür, dass derzeit noch nicht festgestellt werden könne, dass - voraussichtlich - der Beamte auf Dauer dienstunfähig sei. Dass zu erwarten stehe, dass der Kläger auf Dauer dienstunfähig sei, ergebe sich aus der Feststellung des Gutachtens des Bundeswehrzentralkrankenhauses, in welchem auf einen "chronifizierten" Verlauf der PTBS verwiesen werde. Dem Bevollmächtigten sei aus seiner langjährigen Berufspraxis kein Fall bekannt, in dem es zur Reaktivierung eines Beamten gekommen sei. Es handele sich insoweit um eine abstrakte Möglichkeit des Dienstherrn im Falle einer "Wunderheilung" des Beamten, diesen wieder zu reaktivieren. Üblicherweise geschehe dies jedoch nicht. Es gebe also keinen Grund für die Annahme, dass im Falle des Klägers mit einiger Sicherheit zu erwarten sei, dass er bei der Nachuntersuchung nach zwei oder drei Jahren zu reaktivieren sei. Das "Prinzip Hoffnung" sei kein beamtenrechtlicher Begriff.
Die Beklage verkenne die abstrakte und ziemlich unwahrscheinliche Wiederherstellung einer (uneingeschränkten) Polizeidienstfähigkeit. Die Ablehnung der Gewährung der Unfallentschädigung widerspreche insbesondere der gesetzgeberischen Intention (s. BT-Drs 16/6564,
S. 25 zu
Nr. 3 [§ 63]). Die frühere Regelung des § 43
Abs. 1 BeamtVG habe eine
MdE von 50 v. H. zum Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand vorausgesetzt. In der jetzigen Regelung werde eine dauerhafte
MdE von 50 v. H. gefordert. Es komme also nicht mehr darauf an, dass der Beamte aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd dienstunfähig sei. Durch die gesetzliche Neuregelung solle die Zahlung einer einmaligen Unfallentschädigung zeitnah zum Unfall ermöglicht werden. Es sei durch die Behörde eine Prognose dahingehend zu treffen, ob auf absehbare Zeit eine Unterschreitung des
MdE-Grades von 50 v. H. zu erwarten sei. Die alleinige (theoretische) Möglichkeit einer späteren Reduzierung ohne konkrete Wahrscheinlichkeit rechtfertige es jedenfalls nicht, die Dauerhaftigkeit der bereits mehrjährig auf mindestens 50 v. H. festgesetzten
MdE in Zweifel zu ziehen und eine erneute Begutachtung vorzunehmen.
Eine Dauer-Dienstunfähigkeit liege beim Kläger bei einer inzwischen fast vierjährigen dienstunfallbedingten
MdE von 50 v. H. unzweifelhaft vor. Konkrete Anhaltspunkte für eine über die abstrakte Möglichkeit hinausgehende Unterschreitung dieses
MdE-Satzes ergäben sich aus dem durch die Beklagte veranlassten fachärztlichen Gutachten nicht. Auch die Tatsache, dass in Übereinstimmung mit der fachärztlichen Stellungnahme des BwZK K.. eine Nachuntersuchung nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach der Zurruhesetzung vorgeschlagen werde und dies Eingang in den Zurruhesetzungsbescheid gefunden habe, rechtfertige nicht die Prognose, dass eine Absenkung der festgestellten
MdE auf unter 50 v. H. wahrscheinlich sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juni 2016 (BPOLP 72 - 16 15 01 - 0025/13) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 150.000,00
EUR zu gewähren zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und
die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die rechtliche Voraussetzung für die Zahlung einer einmaligen Unfallentschädigung nach § 43
Abs. 1 BeamtVG in Höhe von
EUR 150.000 sei die gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dies setze eine Prognoseentscheidung dahingehend voraus, dass auf absehbare Zeit eine Änderung der
MdE, die zu einer Unterschreitung des Minderungsgrades von 50 v. H. führe, nicht zu erwarten sei. Die erforderliche Prognose lasse sich nicht auf einen bestimmten Zeitraum festlegen. Sei
z. B. nach ärztlicher Einschätzung aufgrund des bestehenden Krankheitsbildes die Möglichkeit einer - eventuellen schrittweisen - Besserung des Zustandes und ein Absinken der
MdE auf unter 50 v. H. absehbar, so stehe dies der Gewährung der einmaligen Unfallentschädigung entgegen. Eine nur vorübergehende
MdE von mindestens 50 v. H. genüge nicht den Anforderungen des § 43
Abs. 1 BeamtVG.
Zu der zu treffenden Prognose werde in dem eingeholten psychiatrischen Gutachten des Instituts für Versicherungsmedizin vom 4. April 2016 ausgeführt:
"(...) Daher ist es wahrscheinlich, dass die zur Ruhesetzung des Beamten lediglich eine untergeordnete Rolle zur Verbesserung der psychischen Symptomatik bedingen wird. Die Verbesserung der Symptomatik liegt meines Ermessens nach ausschließlich in therapeutischen, insbesondere psychotherapeutischen Maßnahmen, um die traumatischen Erlebnisse in A.., die laut Herrn F.. trotz stationärer Intervalltherapie in K.. noch nicht Trauma spezifisch bearbeitet wurden, nach ausreichender Stabilisierung, therapeutisch zu behandeln. Solange dies nicht geschehen ist, kann nicht von einer Chronifizierung gesprochen werden und es ist durchaus eine Verbesserung der Symptomatik unter adäquater Therapie möglich."
Der Gutachter empfehle eine Nachuntersuchung in drei Jahren. Danach liege keine dauerhafte
MdE von 50 v. H. vor. Hieran ändere die Versetzung des Klägers in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit nichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten, die Gerichtsakte 3 K 197/16.NW sowie die zur Gerichtsakte 3 K 738/16.NW gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung in Höhe von 150.000,00
EUR nach § 43
Abs. 1 BeamtVG (I.), weswegen sich der diese Entschädigung ablehnende Bescheid vom 3. Juni 2016 (BPolG, 72-16 15 01-0025/13) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2016 als rechtswidrig erweist und aufzuheben war (§ 113
Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -). Des Weiteren hat der Kläger einen Anspruch auf Prozesszinsen (II.).
I. Die Voraussetzungen des § 43
Abs. 1 BeamtVG sind erfüllt. Danach erhält ein Beamter des Bundes, der einen Dienstunfall der in § 37 BeamtVG bezeichneten Art erleidet, eine einmalige Unfallentschädigung von 150.000,00
EUR, wenn er nach Feststellung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle infolge des Unfalls in seiner Erwerbsfähigkeit dauerhaft um wenigstens 50v.H. beeinträchtigt ist.
Der Kläger hat einen Dienstunfall im Sinne des § 37 BeamtVG erlitten (1.), er ist in seiner Erwerbsfähigkeit infolge des Unfalls um wenigstens 50v.H. beeinträchtigt (2.) und die Beeinträchtigung ist dauerhaft (3.).
1. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. Januar 2016 wurde der bereits mit Bescheid vom 23. Februar 2011 anerkannte Dienstunfall des Klägers (von Januar 2000 bis Januar 2001) als Einsatzunfall im Sinne des § 37 BeamtVG anerkannt. Als Folgen dieses Dienstunfalls sind anerkannt Posttraumatische Belastungsstörung und Tinnitus bds. mit einhergehender Schwerhörigkeit.
2. Mit Bescheid vom 8. Januar 2014 war die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers bereits auf 50 v. H. ab dem 1. März 2013 bis auf weiteres festgesetzt worden und mit Bescheid vom 17. Mai 2016 gestützt auf die gutachtliche Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes,
Dr. med. H.., vom 15. April 2016 wurde u.a. der Grad der
MdE ab dem 11. Juli 2013 auf 50 v. H. festgesetzt und eine Nachuntersuchung im März 2019 für erforderlich gehalten. Ob es sich bei dem Datum "10. Juli 2013" um ein Versehen des Polizeiarztes in der dem Bescheid zugrundeliegenden Stellungnahme handelt (zu einem früheren entsprechenden Versehen s. Schreiben vom 16. Dezember 2013, Bl. 286 der Dienstunfallakte), kann dahinstehen.
3. Die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers um 50 v. H. ist auch dauerhaft im Sinne des § 43
Abs. 1 BeamtVG.
Diese gesetzliche Regelung enthält keine Definition des Begriffs "dauerhaft",
d. h. keine konkrete Vorgabe, über welche Zeitspanne eine Erwerbsminderung von wenigstens 50 v. H. vorliegen muss. Dauerhaft meint aber nicht nur einen vorübergehenden Zustand, sondern einen Zustand von längerer Dauer, der sich in absehbarer Zeit nicht ändern wird (
vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Januar 2005 -
2 A 11800/04.OVG - unter Verweis auf das Urteil vom 16. November 1954 - 2 A 30/54 -, AS RP-SL 4, 63f.; Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, August 2012,
Bd. 2, § 43 BeamtVG, Rn. 8a).
Für die Auslegung des Begriffs "dauerhaft" ist auch die Historie und der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung heranzuziehen. Bis zum 17. Dezember 2007 lautete der Wortlaut des § 43
Abs. 1 BeamtVG folgendermaßen:
"Ein Beamter, der einen Dienstunfall der in § 37 bezeichneten Art erleidet, erhält neben einer beamtenrechtlichen Versorgung bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine einmalige Unfallentschädigung von 76.700 Euro, wenn er infolge des Unfalles in seiner Erwerbsfähigkeit in diesem Zeitpunkt um wenigstens achtzig vom Hundert beeinträchtigt ist."
Mit der nunmehrigen Gesetzesfassung wurde nicht nur der Grad der
MdE von 80 v. H. auf 50 v. H. abgesenkt, damit einherging auch eine Änderung des Zeitpunkts, zu dem der Beamte eine Unfallentschädigung erhalten soll. Nach der soeben wiedergegeben Gesetzesfassung wurde erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses und einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in diesem Zeitpunkt um wenigstens 80 v. H. eine einmalige Unfallentschädigung fällig; es bedurfte somit keiner Prognose, wie lange die Erwerbsminderung von mindestens 80 v. H. vorliegen muss. Es fand eine Entkoppelung des Anspruchs auf Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung von der Zurruhesetzung des Beamten statt. Allein entscheidend ist nunmehr die Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung um wenigstens 50 v. H. Zu dieser Gesetzesänderung heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/6564,
S. 25 l. Sp. vom 4. Oktober 2007 zu
Nr. 3 (§ 63 SVG):
"Zweckbestimmung der einmaligen Unfallentschädigung ist ein pauschaler monetärer Ausgleich der durch die Unfallfolgen eingetretenen Mehrbelastungen. Dem kann besser entsprochen werden, wenn die Zahlung zeitnah im Zusammenhang mit dem Unfall1 erfolgt.
Nach der derzeitigen Fassung der Vorschrift wird die Zahlung erst bei Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis geleistet. Bis zum Inkrafttreten des Einsatzversorgungsgesetzes vom 21. Dezember 2004, durch das unter anderem auch die für die Gewährung der einmaligen Unfallentschädigung nach § 63 mindestens erforderliche Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 Prozent auf 50 Prozent abgesenkt wurde, entsprach dies eher der Zweckbestimmung der Unfallentschädigung, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 80 Prozent regelmäßig das alsbaldige Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis wegen Dienstunfähigkeit infolge des Unfalls zur Folge hatte.
Insbesondere der durch die Vorschriften dieses Gesetzes begründete Anspruch auf Weiterverwendung würde künftig dazu führen, dass weiterverwendete Soldatinnen und weiterverwendete Soldaten, die einen entsprechenden Unfall mit der Folge einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 Prozent erlitten haben, erst Jahre nach dem Unfall, beispielsweise im Falle der Zurruhesetzung nach Überschreiten der im Einzelfall geltenden Altersgrenze, in den Genuss der Zahlung kommen. Eine zeitnah zum Unfall liegende Auszahlung wäre damit in vielen Fällen nicht mehr gewährleistet."
Auf diese Ausführungen, die zu § 63 Soldatenversorgungsgesetz - SVG -gemacht werden, verweist die Begründung zu § 22 Einsatz-Weiterverwendungsgesetz - EinsatzWVG -, der in seinem Absatz 1 die hier maßgebliche Änderung des § 43
Abs. 1 BeamtVG enthält. Der Änderung des § 43 BeamtVG lag dieselbe gesetzgeberische Motivation zugrunde wie der Änderung des wortgleichen § 63 SVG (s. BT-Drs. 16/6564,
S. 24 r. Sp.). Deshalb kann zur Auslegung des § 43
Abs. 1 BeamtVG auf diese Gesetzesbegründung zurückgegriffen werden.
Sinn und Zweck des § 43
Abs. 1 BeamtVG ist danach, dem infolge eines Dienstunfalls im Sinne des § 37 BeamtVG in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 50 v. H. geminderten Beamten zeitnah zu dem Unfallereignis eine einmalige Unfallentschädigung zu gewähren, um die Mehrbelastungen als Folgen des qualifizierten Dienstunfalls ausgleichen zu können. Dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung kommt keinerlei Bedeutung mehr zu, damit auch nicht der Frage einer möglichen Reaktivierung des wegen einer dienstunfallbedingten Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten.
An dem Sinn und Zweck der Gesetzesänderung hat sich die Auslegung des Begriffs "dauerhaft" zu orientieren und ihm ist bei der anzustellenden Prognose, ob sich der Grad der Erwerbsminderung in absehbarer Zeit ändern wird, Rechnung zu tragen. Entscheidend ist, bis zu welchem Zeitpunkt noch von einer Zeitnähe zum Unfallgeschehen gesprochen werden kann. Zeitnah bedeutet dabei nicht, dass unmittelbar nach Anerkennung des qualifizierten Dienstunfalls der Anspruch auf eine einmalige Unfallentschädigung nach § 43
Abs. 1 BeamtVG entsteht. Zeitnah kann aber auch nicht bedeuten, dass nach Anerkennung eines qualifizierten Dienstunfalls jahrelang zugewartet werden kann in der Hoffnung, die
MdE werde unter 50 v. H. sinken, oder bis der Beamte endgültig in den Ruhestand versetzt wird.
Unter Berücksichtigung dessen ist angesichts der Umstände im Fall des Klägers zur Überzeugung der Kammer von einer dauerhaften
MdE von wenigstens 50 v. H. auszugehen.
Die bei dem Kläger festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit erreicht seit dem 11. Juli 2013, also seit nunmehr etwa 31/2 Jahren, den für die Gewährung einer einmaligen Unfallentschädigung nach § 43
Abs. 1 BeamtVG erforderlichen Grad. Zwar war bereits mit Bescheid vom 8. Januar 2014 aufgrund des anerkannten Einsatzunfalls in 2000 (s. wegen des Unfalldatums Bescheid vom 23. Februar 2011) die
MdE ab dem 1. März 2013 "bis auf weiteres" auf 50 v. H. festgesetzt worden. Dann wurde aber mit Bescheid vom 17. Mai 2016 dieser Grad der Erwerbsminderung erst ab dem 11. Juli 2013, ohne dass für die Abweichung zum Anfangszeitpunkt eine Erklärung gegeben wurde, festgesetzt. Ob es sich bei dem Datum "10. Juli 2013" um ein Versehen des Polizeiarztes
Dr. med. H.. in der dem Bescheid zugrundeliegenden Stellungnahme handelt (zu einem früheren entsprechenden Versehen s. Schreiben vom 16. Dezember 2013, Bl. 286 der Dienstunfallakte) kann dahinstehen.
Von dieser Erwerbsminderung im Umfang von 50 v. H. bis zum März 2019 gehen die ärztlichen Prognosen aus. Denn erst zu diesem Zeitpunkt soll der Grad der Erwerbsminderung nach der Empfehlung des Polizeiärztlichen Dienstes,
Dr. med. H.., in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 15. April 2016 im Wege einer Nachuntersuchung überprüft werden.
Die Festlegung dieses Nachuntersuchungszeitpunktes beruht auch auf der Empfehlung des Gutachters Bernd
S.., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zertifizierter med. Gutachter (SIM), vom Institut für Versicherungsmedizin. Im Auftrag der Beklagten hatte dieser Gutachter am 4. April 2016 ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstattet, in dem er bei dem Kläger eine PTBS feststellte, die "derzeit" zu einer dienstunfallbedingten
MdE von 50 v. H. führe. Der Gutachter
S.. allerdings führt auf
S. 35 seines Gutachtens aus, dass bei dem Kläger noch nicht von einer Chronifizierung der PTBS,
d. h. dem Übergang von der vorübergehenden zur dauerhaften Präsenz der Erkrankung, gesprochen werden könne. Die Verbesserung der Symptomatik liege nach dem Ermessen der Gutachter ausschließlich in therapeutischen, insbesondere psychotherapeutischen Maßnahmen. Erst nach solchen Maßnahmen, wenn sie erfolglos blieben, könne von einer Chronifizierung gesprochen werden. Eine Verbesserung der Symptomatik unter adäquater Therapie hält der Gutachter für möglich und empfiehlt eine Neubegutachtung nach Ablauf von drei Jahren.
Eine Chronifizierung der bei dem Kläger vorhandenen PTBS sieht aber das BwZK K.. bereits in seinem Bericht vom 10. Dezember 2014 (dort
S. 4) über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 3. bis 10. Dezember 2014 nach einer Beschreibung des Krankheitsverlaufs und der Behandlungen als gegeben und bejahte eine dauerhafte Dienstunfähigkeit des Klägers. Seit 2010 befindet sich der Kläger zunächst im BwZK B.. und ab 2012 im BwZK K.. wegen der PTBS in Behandlung. Er war dort des Öfteren zur stationären Behandlung aufgenommen worden und hat dort mehrere Intervalltherapien (jeweils zwei Tage) gemacht. Er hat laut Bestätigungen des BwZK K.. die von dem Gutachter des Instituts für Versicherungsmedizin für erforderlich gehaltenen ambulanten Behandlungen im BwZK (s. Bl. 262, 295, 312, 333, 348 der Dienstunfallakte) und bei
Dr. J.. in K. absolviert.
Weder der Dienstunfallakte des Klägers noch den sonstigen über den Kläger vorgelegten Unterlagen lässt sich trotz der jahrelangen psychiatrischen Behandlung des Klägers eine Besserung dessen Gesundheitszustandes entnehmen. Die auf das Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundespolizei vom 25. März 2015 gestützte Zurruhesetzung des Klägers zum 29. Februar 2016, wenn auch nicht wegen dauernder Dienstunfähigkeit, geht ebenfalls von einem seit Mitte 2013 gleichbleibenden Gesundheitszustand des Klägers (s.
S. 2 der Zurruhesetzungsverfügung vom 4. Februar 2016) aus. Zur Überzeugung der Kammer greift daher der Einwand der Beklagten, die Diagnose der Chronifizierung der PTBS durch das BwZK K. vom 10. Dezember 2014 sei veraltet, nicht durch.
Der Bewertung des BwZK K. setzt die Beklagte weiter das Argument entgegen, es handele sich um das den Kläger behandelnde Krankenhaus. Damit zweifelt die Beklagte nicht die fachliche Kompetenz des BwZK K. an. Zur Objektivität dieses Krankenhauses im Falle des Klägers muss die Beklagte sich entgegenhalten lassen, dass sie am 25. Juni 2013 dieses Krankenhaus, obwohl es sich um das den Kläger behandelnde handelt, mit der Begutachtung des Klägers zur Feststellung des Grades der
MdE beauftragt hatte und dem Ergebnis der Begutachtung durch das BwZK nach einer Stellungnahme des Polizeiärztlichen Dienstes gefolgt ist. Würde die Beklagte tatsächlich Bedenken gegen die Objektivität des BwZK K.. hegen, hätte sie dieses Krankenhaus nicht mit dieser Begutachtung betraut.
Die Kammer hat unter Würdigung dieses Sachverhaltes und aufgrund der Aktenlage keine Veranlassung an der Objektivität des BwZK K., das im Übrigen allgemein als Gutachterstelle tätig ist, bei der Erstellung des ärztlichen Berichtes vom 10. Dezember 2014 zu zweifeln.
Unabhängig von der Feststellung der chronifizierten PTBS durch das BwZK K. verhält es sich aber so, dass seit dem 11. Juli 2013 die von § 43
Abs. 1 BeamtVG geforderte
MdE von wenigstens 50 v. H. bei dem Kläger gegeben ist und nach den genannten ärztlichen/gutachtlichen Stellungnahmen aus medizinischer Sicht keine Notwendigkeit einer Überprüfung des Grades der Erwerbsminderung vor März 2019 gesehen wird (s. Bescheid vom 17. Mai 2016). Diesen Zeitpunkt einer Nachuntersuchung haben sowohl das Institut für Versicherungsmedizin als auch der Polizeiärztliche Dienst empfohlen. Diese Ärzte erwarten demnach keine Besserung im Gesundheitszustand des Klägers vor dem Jahr 2019. Dann wird aber bei dem Kläger seit der Anerkennung des Dienstunfalls als Einsatzunfall im Sinne des § 37 BeamtVG die
MdE von 50 v. H. seit 53/4 Jahren (wenn man vom 1. März 2013 ausgeht, seit
ca. 6 Jahren) vorliegen. Der als Einsatzunfall anerkannte Dienstunfall - Januar 2000 bis Januar 2001, siehe entsprechende Bescheide - wird dann 18 bis 19 Jahre zurückliegen.
Bei einem Zeitraum von dieser Dauer kann zur Überzeugung der Kammer nicht mehr von einem vorübergehenden Zustand ausgegangen werden. Soll dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung - einer zeitnah zu dem Dienstunfall zu gewährenden einmaligen Unfallentschädigung als monetärer Ausgleich der durch die Unfallfolgen eingetretenen Mehrbelastungen - Geltung verschafft werden, dann ist nach der hier zu treffenden Prognose -
MdE von 50 v. H. vom 1. Juli 2013 bis März 2019 (so Bescheid vom 17. Mai 2016) eine dauerhafte Erwerbsminderung von 50 v. H. anzunehmen.
Die Beklagte war daher zu verpflichten, dem Kläger gemäß § 43
Abs. 1 BeamtVG eine einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 150.000,00
EUR zu gewähren.
II. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 291, 288
Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB -. Danach hat er einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger war gemäß § 162
Abs. 2 Satz 2
VwGO für notwendig zu erklären. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist anzuerkennen, wenn sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei für erforderlich gehalten werden durfte, also nicht willkürlich und überflüssig, sondern zweckdienlich erscheint (s.
z.B. BVerwG, Beschluss vom 2. Juli 2014 - 6 B 21/14 -, juris). Eine solche Notwendigkeit bestand hier angesichts der Schwierigkeit des Falles.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung -
ZPO -.