Urteil
Nachweis eines malignen Prostata-Tumors zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - Erhöhung des GdB

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat


Aktenzeichen:

L 13 SB 3/13


Urteil vom:

25.04.2013


Grundlage:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Dezember 2012 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 4. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 verpflichtet, bei dem Kläger auch für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2008 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu 1/4 zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 in dem Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2008.

Der 1945 geborene Kläger erhält seit dem 1. Februar 2008 Altersrente. Am 27. Juli 2008 wurde er wegen eines Prostatakarzinoms operiert. Auf den Antrag des Klägers vom 5. August 2008 stellte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten ärztlichen Befunde, u.a. des Entlassungsberichts der Reha-Klinik G vom 29. August 2008, mit Bescheid vom 23. September 2008 bei ihm einen GdB von 50 fest.

Mit Schreiben vom 6. September 2010 bat der Kläger unter Beifügung der Arztbriefe des Interdisziplinären Prostatakrebszentrums der C vom 25. Juni 2008 und der Urologin H vom 27. November 2006 um Überprüfung des Bescheides: Der GdB von 50 sei zwar bestätigt worden; er bitte jedoch um die Feststellung zu einem früheren Zeitpunkt. Denn seine Erkrankung habe bereits vor dem Rentenantrag bestanden.

Der daraufhin eingeholten versorgungsärztlichen Empfehlung folgend teilte der Beklagte dem Kläger unter dem 4. November 2010 mit, dass dessen Schwerbehinderung mit Wirkung ab 1. April 2008, dem Zeitpunkt der Diagnose, anerkannt werde. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass seine Erkrankung bereits im November 2006 erkennbar gewesen sei. Er bat darum, seine Behinderung zum 1. Februar 2008 festzustellen.

In ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27. Januar 2011 führte die Urologin Dr. S aus, der Anerkennungszeitpunkt des Prostatakarzinoms werde durch die histologische Sicherung mittels Stanzbiopsien festgelegt. Dies sei im April 2008 geschehen. Aus dem Arztbrief der Urologin H vom 27. November 2006 sei die Diagnose Prostatakarzinom nicht ableitbar. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Mit der Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 60 ab November 2007 begehrt. Das Sozialgericht hat nach Einholung von Befundberichten, insbesondere der Urologin Z vom 30. April 2012, die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2012 abgewiesen: Hinsichtlich der begehrten Feststellung eines höheren GdB als 50 sei die Klage bereits unzulässig, da der Kläger insoweit die Überprüfung des Bescheides vom 23. September 2008 bei dem Beklagten nicht beantragt habe. Die auf Feststellung eines GdB von 50 vor dem 1. April 2008 gerichtete Klage sei mangels eines gesicherten Tumorbefundes vor diesem Zeitpunkt unbegründet.

Mit der Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiter verfolgt, sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. April 2013 jedoch insoweit zurückgenommen, als er einen höheren GdB als 50 und die Feststellung vor dem 1. Februar 2008 begehrt hat.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 19. Dezember 2012 aufzuheben sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 4. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 zu verpflichten, bei ihm auch für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2008 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.

Er hält an seiner Entscheidung fest.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Rechtsweg:

SG Berlin Urteil vom 19.12.2012 - S 33 SB 1115/11

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist - soweit der Kläger diese aufrecht erhalten hat - begründet.

In dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Insoweit sind die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch, dass dieser bei ihm auch für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. März 2008 einen GdB von 50 feststellt.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung von 2008 heranzuziehen.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) davon überzeugt, dass bei dem Kläger schon im Februar 2008 ein Prostatakarzinom bestand. Aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Befundbericht der Urologin Z vom 30. April 2012, ergibt sich, dass der PSA-Wert bei dem Kläger im Februar 2008 auf einen "abklärungswürdigen" Wert angestiegen ist. Aus dem signifikant erhöhten PSA-Wert mag nach medizinischen Maßstäben - wie die Urologin ausgeführt hat - nur darauf geschlossen werden können, dass ein Karzinom höchstwahrscheinlich vorliege. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bereits am 2. April 2008 eine Biopsie durchgeführt wurde, die ergab, dass der Kläger tatsächlich an Prostatakrebs erkrankt war. Da diese Diagnose den sich aus dem erhöhten PSA-Wert ergebenden Verdacht bestätigte, besteht nach der Überzeugung des Senats eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Kläger bereits im Februar 2008 ein maligner Prostatatumor bestand, der nach Nr. 26.13 der AHP 2008 mit einem GdB von 50 zu bewerten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Grad des gegenseitigen Unterliegens der Beteiligten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.

Referenznummer:

R/R6037


Informationsstand: 03.02.2014