Gemäß § 105
Abs. 1
SGG kann das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dabei hat das Gericht das Klagebegehren gemäß § 123
SGG sachdienlich dahin ausgelegt, dass lediglich die Abänderung des Teilabhilfebescheides vom 03.09. 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002 hinsichtlich der Höhe des
GdB für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 Klagegegenstand ist. Denn allein streitig ist der Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996, so dass es aus Sicht des Klägers genügt, den Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 (in Gestalt des dies nur bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002) hinsichtlich der Höhe des
GdB von 40 für diesen Zeitraum abzuändern. Dies deshalb, weil der Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 bezüglich des streitigen Zeitraums von Februar 1987 bis Dezember 1996 sämtliche hierzu vorher ergangenen Bescheide (Bescheid vom 06. 04.2000, Teilabhilfebescheid vom 21.09. 2000 sowie Bescheid vom 05.12.2001) bereits zu Gunsten des Klägers zumindest konkludent abgeändert, d.h. insoweit ( teilweise) aufgehoben und den
GdB mit 40 neu festgesetzt hat. Mit einer Erhöhung des
GdB von 40 auf 50 für den Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996 und einer allein dies betreffenden Abänderung des Teilabhilfebescheides vom 03.09.2002 bleibt somit die (Teil-)Aufhebung der Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 erhalten und kann mangels Beschwer des Klägers nicht zulässigerweise Klagegegenstand sein. Dem Kläger steht mithin bestandskräftig für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 ein
GdB von 40 und für die Zeit ab Januar 1997 ein
GdB von 60 zu. Gestritten wird deshalb lediglich um die rückwirkende Feststellung eines höheren
GdB als 40 für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996.
I. So gefasst ist die Klage zwar zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Der Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2002 ist - soweit hierin die Feststellung eines
GdB von mehr als 40 für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 abgelehnt wurde - rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Februar 1987 bis Dezember 1996 bereits aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren
GdB als 40, ohne dass es hierzu weiterer medizinischer Ermittlungen für den streitigen Zeitraum bedarf.
Rechtsgrundlage für die teilweise Abänderung der Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 und die Feststellung eines höheren
GdB für den streitigen Zeitraum ist nicht § 44
Abs. 2
SGB X, weil die Bescheide vom 06.04.2000, 21.09.2000 und 05.12.2001 jeweils im Rahmen des Abhilfe-
bzw. Widerspruchsverfahrens abgeändert wurden und die insbesondere durch den Bescheid vom 06.04.2000 aufgehobenen Bescheide aus den Jahren 1998 und 1999 keine Feststellung hinsichtlich eines
GdB für den rückwirkenden Zeitraum von Februar 1987 bis Dezember 1996 enthielten.
Über den erstmals konkret gestellten Antrag vom 22.01.2000 auf Feststellung eines
GdB für den hier streitigen Zeitraum ab Februar 1987 wurde originär erstmals durch den Teilabhilfebescheid vom 21.09.2000 entschieden und diesem (Erst-) Antrag sowie den darauf folgenden Widersprüchen im Rahmen des Abhilfe- und Widerspruchsverfahrens teilweise abgeholfen, indem zuletzt durch den Teilabhilfebescheid vom 03.09.2002 ein
GdB von 40 festgestellt wurde.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des
GdB für den hier streitigen Zeitraum ist deshalb nach dem Inkrafttreten des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - am 01.07.2001 (
SGB IX) gemäß
Art. 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 (BGBl. I 2001, Seiten 1046
ff.) nunmehr § 69
Abs. 1 Satz 1
SGB IX i.V.m. § 2
Abs. 1
SGB IX. Danach erfolgt die Feststellung des Grades der Behinderung durch die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes ( BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen im Sinne des § 2
Abs. 1
SGB IX.
Nicht mehr anwendbar sind demgegenüber im vorliegenden Fall die Regelungen des Schwerbehindertengesetzes (
SchwbG), welches am 01.07.2001 durch das
SGB IX abgelöst wurde. Zwar hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung des
GdB beim Beklagten noch vor Inkrafttreten des
SGB IX am 22.01.2000 gestellt. Jedoch handelt es sich bei der vorliegenden Klage um eine Verpflichtungsklage gemäß § 54
Abs. 1
SGG, über die grundsätzlich anhand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist (Meyer- Ladewig,
SGG, 7. Aufl. 2002, § 54, Rn. 34,
m.w.N.).
Die Übergangsvorschrift des
Art. 67
Abs. 1 des Gesetzes vom 19.06.2001 ( BGBl. I 2001, Seiten 1046
ff.) ist hingegen vorliegend nicht anwendbar, weil mit der Feststellung eines
GdB keine Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen im Sinne des § 11 des ersten Buches des Sozialgesetzbuchs (
SGB I) gewährt werden. Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen gemäß § 11
SGB I sind nur Dienst-, Sach- oder Geldleistungen, nicht aber Statusentscheidungen wie die vorliegend zu treffende, mit der lediglich die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen geschaffen werden (hier zum Beispiel für die Inanspruchnahme von Steuererleichterungen für behinderte Menschen nach dem Einkommensteuergesetz).
Der
GdB als Statusentscheidung ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) grundsätzlich nur ab Antrag mit Wirkung für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit, festzustellen. Dies beruht nicht darauf, dass über die erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen für die Vergangenheit nur schwer Feststellungen zu treffen sind, weil dem dadurch Rechnung getragen wird, dass ein Antragsteller in jedem Fall das Risiko trägt, dass eine ausreichende Sachaufklärung zu seinen Gunsten nicht mehr möglich ist. Vielmehr ist hierfür maßgebend, dass der rechtsgestaltende Status des
GdB, insbesondere bei Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, zu zahlreichen Vergünstigungen in unterschiedlichen öffentlichen und privaten Bereichen führt, so dass eine rückwirkende Feststellung jedenfalls eines
GdB von 50 mit dem Status eines schwerbehinderten Menschen Auswirkungen auf einen nur schwer zu überschauenden Kreis unbeteiligter Dritter hat. Zu diesen Dritten gehören nicht nur öffentlich-rechtliche Rechtsträger und öffentliche Verkehrsunternehmen, sondern vor allem auch Private, insbesondere Arbeitgeber. Deshalb genügt es nicht, dass durch die rückwirkende Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch noch rückwirkend steuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden können.
Zwar ist dies aus steuerrechtlicher Sicht durchaus möglich. Jedoch sind Steuervorteile - auch wenn sie Anlass zu einem Feststellung s-, also Statusverfahren gegeben haben - nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes über den
GdB. Sie prägen das sozialrechtliche Statusverfahren nicht, das auf die Gesamtheit der Berechtigungen und Nachteilsausgleiche von Schwerbehinderten ausgerichtet ist. Die davon abweichend in der Schwerbehindertenausweisverordnung (
SchwbAwV) festgeschriebene beschränkte Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (§ 6
Abs. 1 Satz 1
SchwbAwV), trägt lediglich dem Interesse der behinderten Menschen daran Rechnung, dass sie nicht durch die Dauer eines Verwaltungsverfahrens unzumutbar benachteiligt werden. Dies ist unproblematisch, weil sie dann bei allen wesentlichen Belangen bereits auf ein laufendes Verfahren zur Anerkennung hinweisen können.
Die weitere Rückwirkung eines Antrags hingegen, wie sie in § 6
Abs. 1 Satz 2
SchwbAwV vorgesehen ist, muss auf offenkundige Fälle beschränkt werden, in denen auch bei Anwendung des § 44
Abs. 2
SGB X das pflichtgemäße Ermessen die rückwirkende Aufhebung gebieten könnte (
vgl. zum Ganzen ausführlich:
BSG vom 29.5.1991, Akz:
9a/9 RVs 11/89 , SozR 3-1300 § 44
Nr. 3;
LSG für das Saarland vom 05.11.2002, Az:
L 5 B 12/01 SB, zitiert nach JURIS). Die rückwirkende Feststellung eines
GdB jedenfalls von 50 für die Zeit vor der ersten diesbezüglichen Antragstellung bei der zuständigen Behörde ist wegen der damit verbundenen rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch somit nur dann möglich, wenn ein besonderes Interesse gemäß § 6
Abs. 1 Satz 2
SchwbAwV an dieser rückwirkenden Feststellung glaubhaft gemacht wird und wenn darüber hinaus die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bereits in dem rückwirkenden Zeitraum, für den die Feststellung begehrt wird, offenkundig war.
Beides liegt hier nicht vor. Ein besonderes Interesse im Sinne des § 6
Abs. 1 Satz 2
SchwbAwV lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Gewährung von Kindergeld an den Kläger als steuerlicher Vorteil nach den vorgelegten Bescheiden des zuständigen Arbeitsamtes deshalb abgelehnt wurde, weil dem Kläger nach den bisherigen Feststellungen des Beklagten bei Vollendung des 27. Lebensjahres am 14.07.1988 nur ein
GdB von 40 und nicht 50 zustand. Denn - und so hat es das zuständige Arbeitsamt in den vorgelegten Bescheiden auch ausgeführt - die Gewährung des Kindergeldes hängt nicht davon ab, ob ein
GdB von 50 vorliegt, sondern davon, ob der Betroffene wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und dass diese Behinderung vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32
Abs. 4 Satz 1
Nr. 3 des Einkommenssteuergesetzes - EStG -). Der festgestellte
GdB kann insofern zwar als Nachweis einer Behinderung dienen. Jedoch genügt auch ein
GdB von 30 in Verbindung mit der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX (
vgl. Glanegger in Schmidt, EstG, 21. Auflage 2002, § 32 Rn. 50 sowie Einkommmenssteuer-Richtlinien 1999
bzw. 2003, R 180d).
Deshalb mag zwar ein
GdB von 50 eine Indizwirkung für die Feststellung des Umfangs der Behinderung im kindergeldrechtlichen Sinne und die dort nötige Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und der Unfähigkeit zum Selbstunterhalt haben. Rechtliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch ist er aber nicht, zumal der Behinderungsbegriff des EStG nicht identisch mit dem
GdB des
SGB IX ist (
vgl. hierzu ausführlich: Seewald/Felix, Kindergeldrecht, Stand: 12/98, § 63 EStG, Rn. 292
ff.). Es obliegt deshalb den für die Kindergeldgewährung zuständigen Behörden, die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs
ggf. rückwirkend zu prüfen, nicht aber den Versorgungsbehörden mittels Feststellung des
GdB. Dies gilt ganz besonders angesichts der beschriebenen, mit einer rückwirkenden Feststellung eines
GdB von 50 verbundenen Probleme, so dass sich das besondere Interesse im Sinne des § 6
Abs. 1 Satz 2
SchwbAwV auf diese Weise nicht begründen lässt.
Darüber hinaus war die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch im hier streitigen Zeitraum beim Kläger nicht offenkundig. Wann die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch offenkundig im oben genannten Sinne ist, hat das
BSG bisher offen gelassen. Nach dem Landessozialgericht für das Saarland ist die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch jedenfalls dann nicht offenkundig, wenn der
GdB nur durch Einholung eines oder mehrerer fachärztlicher Gutachten unter Berücksichtigung und Würdigung sämtlicher vorhandener medizinischer Unterlagen festgestellt werden kann (
LSG für das Saarland v. 05.11.2002, Az: L 5 B 12/01 SB, zitiert nach JURIS).
Dies hält das Gericht für überzeugend, weil dann für betroffene Dritte ohne medizinische Kenntnisse erst recht nicht mehr ersichtlich ist, ob eine Schwerbehinderung besteht oder nicht und sie deshalb durch die rückwirkende Feststellung in unzumutbarer Weise betroffen werden könnten. Dem folgend waren die Behinderungen des Klägers im streitigen Zeitraum nicht offenkundig geeignet einen
GdB von 50 zu rechtfertigen. Denn ob die seelische Störung des Klägers in Verbindung mit gegebenenfalls weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen
GdB von 50 bereits ab 1987 rechtfertigte, ließe sich auch hier nur durch Einholung eines fachärztlichen Gutachtens, welches die vorhandenen medizinischen Unterlagen auswertet, feststellen.
Insbesondere die beim Kläger im Vordergrund stehende seelische Störung in Form eines ängstlich-depressiven Syndroms mit vegetativer Symptomatik (
vgl. u.a. Blatt 303 des beigezogenen Verwaltungsvorgangs) tritt naturgemäß nicht für jeden Dritten offen zu Tage und verlangt in Bewertung und Würdigung kompetenten psychiatrischen Sachverstand. Ob unabhängig davon für die Beurteilung der Offenkundigkeit der entsprechende Prüfungsmaßstab der Arbeitsgerichtsbarkeit im Rahmen der Kündigungsschutzprozesse herangezogen werden kann, weil es zumindest auch um den Schutz der durch eine eventuelle rückwirkende Feststellung betroffenen Arbeitgeber geht, kann vorliegend dahinstehen. Denn die dort als offenkundig angesehenen Behinderungen mit einem
GdB von 50 liegen hier ebenfalls nicht vor (
vgl. zu den in diesem Sinne offenkundigen Behinderungen: Steinbrück in
GK-SchwbG, 2. Aufl. 2000, § 15 Rn. 62).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
Abs. 1 Satz 1
SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.