Streitig ist, ob der Klägerin ein Grad der Behinderung (
GdB) v. 50 bereits ab 16.11.2000 zuzuerkennen ist. Die 1945 geborene Klägerin stellte am 16.12.2002 einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung und des
GdB gemäß
§ 69 Sozialgesetzbuch IX (
SGB IX). Sie sei bereits vor dem 16. November 2000 wegen mehrerer Leiden in ärztlicher Behandlung gewesen. Am 15. September 2000 sei ein Mammatumor und am 28. Mai 1996 seien Veränderungen der HWS deutlich oberhalb der Altersnorm, eine Discopathie und Spondylose C 4/5 und C 6/7 diagnostiziert worden. Sie leide an einer Arthrose des Endgelenks des zweiten Fingers der rechten Hand. Ferner lägen mit Einschränkungen des Gleichgewichts einhergehende Störungen des Gehörs vor. Schwerhörigkeit bestehe seit Jahren. Auch aus internistischer Sicht seien seit August 1999 Einschränkungen vorhanden.
Zur Ermittlung des Sachverhalts zog der Beklagte ärztliche Auskünfte der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte Dres. A. und G. vom 17. März 2003 mit der Diagnose einer geringfügigen Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts ohne Tinnitus, Schwindel oder Sprachstörung, des Gynäkologen
Dr. Q. vom 18. März 2003 und 22. August 2003, der u.a. angab, es gebe keinen Anhalt für ein Tumorrezidiv, der Orthopädin
Dr. O. vom 08. April 2003 und des Allgemeinmediziners
Dipl. med. J. vom 16. Juni 2003, der seiner Auskunft Kopien einer Vielzahl medizinischer Befunde seit 2001 beifügte, bei. Nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme der Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen und Arbeitsmedizin
Dr. J. vom 25. September 2003 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 09. Oktober 2003 einen
GdB von 70 ab 16. Dezember 2002, dem Zeitpunkt der Antragstellung, wegen folgender Behinderungen fest:
1. Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung) 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule 3. chronische venöse Insuffizienz (Krampfaderleiden) des Beines beiderseitig, Funktionseinschränkung des Fußes beiderseitig 4. Schwerhörigkeit rechts 5. Herzrhythmusstörungen.
Intern wurden die Behinderung zu 1. mit einem Einzel-
GdB von 50, die Behinderung zu 2. mit einem Einzel-
GdB von 40, die Behinderung zu 3. mit einem Einzel-
GdB von 20 und die Behinderungen zu 4. und 5. mit einem Einzel-
GdB von jeweils 10 bewertet.
Mit weiterem Bescheid vom 10. Oktober 2003 stellte der Beklagte einen
GdB von 50 bereits ab 01. Dezember 2000 fest. Aus der gutachterlichen Stellungnahme von
Dr. J. ergebe sich, dass die Schwerbehinderteneigenschaft wegen der Erkrankung der Brust in Heilungsbewährung bereits zu dem früheren Zeitpunkt festzustellen gewesen sei. Mit dem gegen den letztgenannten Bescheid eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die gesundheitlichen Einschränkungen, die einen
GdB von 50 rechtfertigten, hätten bereits am 16. November 2000 vorgelegen. Es bestehe auch ein schützenswertes Interesse an dieser Feststellung, da eine Rente an schwerbehinderte Menschen ohne Abschläge nur dann zu leisten sei, wenn diese bis zum 16. November 1950 geboren und am 16. November 2000 schwerbehindert seien. Diese Voraussetzungen erfülle sie.
Der Beklagte befragte daraufhin erneut den Gynäkologe
Dr. Q., der den histologischen Bericht des Klinikums A. vom 06. Dezember 2000 mit dem Ergebnis einer am 04. Dezember 2000 durchgeführten Stanzbiopsie im äußeren oberen Quadranten der linken Mamma sowie den Bericht der Frauenklinik des Klinikums A. vom 28. Dezember 2000 über die am 13. Dezember 2000 durchgeführte wide excision der linken Mamma übersandte.
Am 03. Dezember 2003 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 09. Oktober 2003 nach § 44 Sozialgesetzbuch X (
SGB X) und verwies dabei auf einen Bericht des I. Krankenhauses im E.
gGmbH vom 11. November 2003 über ihre Vorstellung wegen orthopädischer Beschwerden. Außerdem legte die Klägerin ein Attest von
Dr. Q. vom 11. Dezember 2002 vor. Danach wurde bei ihr am 15. September 2000 ein Mammatumor diagnostiziert. In einer weiteren Auskunft vom 15. Januar 2004 gab
Dr. Q. erneut an, wegen der Geschwulsterkrankung hätten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden können. In einer ärztlichen Auskunft vom 22. Februar 2004 erklärte
Dipl. med. J. u.a., eine entzündliche rheumatische Erkrankung sei auszuschließen. Nach Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme erließ der Beklagte den Bescheid vom 06. Mai 2004 und stellte unter entsprechender Rücknahme des Bescheides vom 09. Oktober 2003 fest, der
GdB von 70 liege bereits ab 13. Dezember 2000 vor. Den dagegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05. Oktober 2004 zurück.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 04. Oktober 2004 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Oktober 2003 zurück. Die vorliegenden medizinischen Unterlagen ließen nicht den Nachweis zu, dass bereits ab November 2000 ein
GdB von 50 vorgelegen habe. Die Diagnose Brustkrebs sei erstmals mit der OP am 13. Dezember 2000 gestellt worden. Eine Anerkennung besonderer Auswirkungen aufgrund einer zum Stichtag 16. November 2000 noch nicht anerkannten Krebsbehandlung sei nicht möglich. Vor Dezember 2000 habe höchstens ein
GdB von 30 vorgelegen, da lediglich eine Funktionsstörung der HWS bestanden habe. Erst in dem Befund von 2003 sei eine Funktionsbehinderung stärkeren Ausmaßes belegt. Dafür sei Einzel
GdB von 40 gerade noch zulässig. Er habe keinesfalls ab November 2000 bestanden.
Dagegen hat die Klägerin am 21. Oktober 20004 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) eingelegt, mit der sie unter Abänderung des Bescheides vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Oktober 2004 die Feststellung eines
GdB von 50 bereits ab dem 16. November 2000 begehrt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat sie erneut geltend gemacht, bereits am 16. November 2000 hätten gesundheitliche Einschränkungen vorgelegen, die einen
GdB von 50 bedingten. Dies werde durch die Auskünfte von
Dr. Q. nicht negiert. Aus dessen Kurzbefund vom 11. Dezember 2002 ergebe sich vielmehr, dass die Diagnose Krebserkrankung bereits am 15. September 2000 gestellt worden sei. Die Klägerin hat außerdem geltend gemacht, auch psychische Leiden seien bei der Bemessung des
GdB zu berücksichtigten. Zwar seien in einem
GdB-Grad regelhaft psychische Beeinträchtigungen bereits enthalten. Als regelhaft seien jedoch nicht solche psychischen Störungen anzusehen, die für sich allein wieder Krankheitswert gewönnen. Deshalb käme häufig bei dem Verlust der Brust auch nach der Heilungsbewährung noch ein
GdB von 50 in Betracht, wenn erhebliche psychische Störungen aufträten. Insofern verkenne der Beklagte die massiven Beeinträchtigungen der weiblichen Psyche, wenn sie bei Vorliegen einer Diagnose eines Mammatumors am 15. September 2000 einen
GdB von 50 erst ab dem 01. Dezember 2000 anerkenne.
Dem hat der Beklagte entgegengehalten, die Bewertung des Grad der Behinderung von 50 beruhe auf einer Heilungsbewährung iS der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht u. nach dem Schwerbehindertenrecht (
Teil 2 SGB IX) 2004 -
AHP 2004 -
Nr. 26. 1 Seite 37 und
Nr. 26.14 Seite 50
bzw. den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 -
AHP 1996 - Seite 48 und Seite 114. Dort werde ausdrücklich ausgeführt, maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung sei der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation und andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden könne; eine zusätzliche medikamentöse Therapie habe keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung. Entscheidend sei damit nicht der Zeitpunkt der Diagnose eines Tumors, sondern der Tag seiner operativen Entfernung. Diese sei erst im Dezember 2000 erfolgt, so dass erst ab diesem Zeitpunkt der
GdB von 50 gerechtfertigt sei.
Zur Ermittlung des Sachverhalts hat das Sozialgericht einen Befundbericht von
Dr. Q. vom 08. Juni 2005 eingeholt, der angegeben hat, am 08. November 2000 sei bei der Klägerin eine Mammographie mit dem Ergebnis eines suspekten Mikrokalks in der linken Brust durchgeführt worden. Am 04. Dezember 2000 habe sich der Verdacht nach einer Vakuumbiopsie der linken Brust bestätigt. Als Diagnose hat er einen Brustdrüsenkrebs im sehr frühen Stadium im Bereich der linken Brust gestellt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2005 hat die Klägerin erklärt, nicht in neurologisch-psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein. Sie habe sehr großes Vertrauen zu
Dr. Q. und habe deshalb auf eine solche Behandlung verzichtet.
Durch Urteil vom 20. Oktober 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines
GdB von 50 seit 16. November 2000. Aus den
AHP ergebe sich zweifelsfrei, dass nicht schon bei Bestehen des Verdachts eines Tumors ein
GdB von 50 festgestellt werden könne. Auf die Besonderheiten der Heilungsbewährung habe der Beklagte zutreffend hingewiesen. Nach Ablauf der Heilungsbewährung betrage der
GdB bei Verlust der Brust einseitig 30. Die orthopädischen Beschwerden rechtfertigten ebenfalls keinen
GdB von 50 seit 16. November 2000. Der Röntgenbefund vom 28. Mai 1996 belege, dass ein regelrechtes Schultergelenk rechts ohne Zeichen der Arthrose vorgelegen habe und degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule bestanden hätten. Nach den
AHP erscheine ein
GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden angemessen. Die Beklagte selbst habe den
GdB im November 2000 insoweit mit 30 eingeschätzt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei kein
GdB für die im Klageverfahren vorgetragenen psychischen Belastungen anzunehmen. Sie sei wegen der behaupteten psychischen Erkrankung von
Dr. Q. mitbehandelt worden. Den Befundberichten des Arztes sei jedoch eine auf eine psychische Erkrankung hinweisende Diagnose nicht zu entnehmen. Die Klägerin habe dieses Leiden in ihrem am 16. Dezember 2002 gestellten Antrag auch nicht mitgeteilt.
Gegen das am 07. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. März 2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Oktober 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 10. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Oktober 2004 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 bereits ab 16. November 2000 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts Bayern vom 30. Juni 2005, Aktenzeichen L 15 SB 86/04, berufe, sei zu berücksichtigen, dass nach dieser Entscheidung der Beginn der Heilungsbewährung an den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbrachten Nachweis der Tumorerkrankung gebunden sei. Der Beklagte befinde sich damit in vollkommener Übereinstimmung mit dem
LSG Bayern, denn bereits im Schriftsatz vom 03. August 2005 sei erklärt worden, dass die Heilungsbewährung erst ab definitiver Diagnosestellung beginnen könne. In den vorliegenden Unterlagen finde sich keine Bestätigung der Behauptung der Klägerin, es sei bereits am 15. September 2000 ein Mammatumor diagnostiziert worden. Vielmehr ergebe sich aus dem Befundbericht von
Dr. Q., dass die erste Behandlung am 15. September 2000 stattgefunden habe.
Zwar müsse der Verdacht auf eine Geschwulsterkrankung bereits vor dem 04. Dezember 2000 bestanden haben, denn die Klägerin habe sich am 08. November 2000 einer Mammographie und am 04. Dezember 2000 einer Vakuumstanzbiopsie unterzogen, die definitive Diagnose einer Krebserkrankung sei jedenfalls am 16. November 2000 nicht gestellt worden. Außerdem müsse klargestellt werden, dass nicht das Vorliegen eines Tumorleidens an sich mit einem
GdB berücksichtigt werde, sondern die Auswirkungen der Erkrankung. Der Tumor an sich wäre also mit einem
GdB von 0 zu bewerten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig aber unbegründet. Die Klägerin hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Feststellung eines
GdB von 50 bereits ab November 2000.
Der Senat ist nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und Gutachten zu der Überzeugung gelangt, dass bei der Klägerin zu diesem Zeitpunkt zwar Behinderungen vorgelegen haben, die durch sie bedingten Funktionsstörungen jedoch nicht so schwerwiegend waren, dass sie die Feststellung eines
GdB von 50 rechtfertigten. Denn ein
GdB von 50 kann beispielsweise nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkungen der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich sind wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beins ab Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislauf-Schäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bei bereits leichter Belastung (
AHP 1996/2004/2005
Nr. 19 (2)).
Bei der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft trifft der Beklagte eine Statusentscheidung, die generell nur für die Zukunft wirkt. Im Interesse des schwerbehinderten Menschen, durch die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht unzumutbar benachteiligt zu werden, ordnet jedoch
§ 6 Abs. 1 S. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) an, dass die Feststellung des
GdB nicht erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung hierüber, sondern ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gilt. Dass ist im Fall der Klägerin der 16. Dezember 2002. Eine weitere Rückwirkung eines solchen Antrags ist nach Maßgabe des § 6
Abs. 1
S. 2
SchwbAwV vorgesehen; sie ist allerdings auf offenkundige Fälle zu beschränken (
BSG SozR 3-1300 § 44
Nr. 3; Urteil des Bayerischen
LSG vom 24.10.2006, Aktenzeichen
L 18 SB 18/04). Vorliegend hat sich der Beklagte bei der Bewertung des
GdB nicht an dem Antragsdatum, dem 16. Dezember 2002, orientiert, sondern zugunsten der Klägerin auch eine Feststellung mit Wirkung für die Zeit vor der Antragstellung getroffen, denn er hat ihre Schwerbehinderteneigenschaft bereits ab dem 01. Dezember 2000 festgestellt. Es ist nicht offenkundig, dass der Klägerin bereits zum 16. November 2000 die Schwerbehinderteneigenschaft zugestanden hat.
Maßgebend für die Bewertung des
GdB sind allein die Funktionseinschränkungen, die bei der Klägerin im November 2000 bestanden haben. Zu diesem Zeitpunkt war die Operation wegen eines Mamma-CA links noch nicht durchgeführt. Nach den
AHP Nr. 26.14 rechtfertigt aber allein der vollständige oder teilweise Verlust der weiblichen Brust einen
GdB. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen durch diese Erkrankung vor der Operation sind nicht nachgewiesen, wie
Dr. Q. in seiner ärztlichen Auskunft vom 15. Januar 2004 ausdrücklich ausgeführte. Deshalb ist der Einzel-
GdB für die Krebserkrankung für den hier streitigen Zeitraum mit 0 anzusetzen.
Dass die Klägerin wegen ihrer Krebserkrankung bereits vor der operativen Entfernung des Tumors psychisch beeinträchtigt war, ist nachvollziehbar. Es ist jedoch zur Überzeugung des Senats nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass sie im November 2000 an einer psychischen Erkrankung litt, die gemäß den
AHP Nr. 26.3 als beeinträchtigende Störung einzustufen war. Weder befand sich die Klägerin in fachärztlicher Behandlung noch ist von dem sie zu diesem Zeitpunkt behandelnden Arzt
Dr. Q. in seinen zahlreichen Berichten die Diagnose einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung gestellt worden. Es kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin erstmals im Klageverfahren behauptet hat, an einer solchen Erkrankung zu leiden. Die pauschale Annahme, vor der Entfernung eines Mammatumors habe die Klägerin wie alle Patientinnen mit dieser Erkrankung an einer psychischen Störung gelitten, die als Behinderung einzustufen wäre, ist mit den
AHP nicht zu vereinbaren.
Die Annahme einer Heilungsbewährung und damit Erhöhung des
GdB auf 50 gemäß den
AHP Nr. 26.14 konnte erst ab dem 13. Dezember 2000 vorgenommen werden, dem Zeitpunkt der Excision im Bereich der linken Mamma im Klinikum A. Mit der Heilungsbewährung wird pauschalierend anerkannt, dass nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung bestimmter Krankheiten - insbesondere Tumorerkrankungen -, die zu Rezidiven (Wiederauftreten der Krankheit) neigen, bei der
GdB- Bemessung eine Heilungsbewährung abzuwarten ist. In dieser Zeit , die i.d. R. 5 Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem etwa die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann, andauert, ist abzuwarten, ob sich der Zustand des Betroffenen stabilisiert oder ob neue Krankheitsschübe auftreten. Diese Zeit ist häufig durch eine außerordentliche seelische und körperliche Belastung des Erkrankten gekennzeichnet. Deshalb wird während des Zeitraums der Heilungsbewährung ein höherer
GdB - Wert angenommen, als üblicherweise der Fall ist (
BSG vom 9. August 1995, Aktenzeichen
9 RVS 14/94;
AHP Nr. 26.1 (3)).
Nach den
AHP Nr. 26.14 beginnt die Heilungsbewährung bei einem Mamma-CA nach Entfernung des malignen Brustdrüsentumors. Für den Beginn der Heilungsbewährung ist deshalb nicht maßgebend, wann die Erkrankung diagnostiziert worden ist. Wie der Begriff Heilungsbewährung besagt, kommt es auf die Bewährung der Heilung an. Diese kann begriffsnotwendig nicht vor Beginn der Heilbehandlung und schon gar nicht vor der Diagnosestellung beginnen. Die operative Heilbehandlung in Form einer wide excision ist erst am 13. Dezember 2000 durchgeführt worden.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Entscheidungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 19. Dezember 2006, Az.:
L 6 SB 54/06), des Sächsischen Landessozialgerichts (Urteil vom 25. Mai 2005, Az. :
L 6 SB 55/04) und des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil vom 30. Juni 2005, Az. : L 15 SB 86/04) berufen.
Die Ausführungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen als auch das Bayerische Landessozialgerichts beziehen sich unter Wiedergabe der o.g. Entscheidung des
BSG auf den Zeitpunkt der Diagnose der Krebserkrankung für den Beginn der Heilungsbewährung. Abgesehen davon, dass der Beginn einer Heilungsbewährung bei einem Brusttumor, wie bereits erläutert, nach den
AHP 26.14 ausdrücklich erst nach der Entfernung des Tumors beginnt, ist die Diagnose einer Krebserkrankung bei der Klägerin erstmals durch die Stanzbiopsie am 04. Dezember 2000 gesichert. Durch die Mammographie am 08. November 2000 ist lediglich der Verdacht dieser Erkrankung geäußert worden, da sich ein suspekter Mikrokalk in der linken Brust der Klägerin fand. In dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts, in dem es um die Herabsetzung des
GdB wegen Ablaufs der Heilungsbewährung geht, wird keine andere Auffassung vertreten. Das Landessozialgericht betont hier, solange die "Heilungsbewährung" noch nicht eingetreten sei, hänge das Damoklesschwert des Rezidivs über dem Betroffenen, dessen besonderer psychosozialer Belastung durch eine pauschale Regelung Rechnung getragen werde. Die Heilungsbewährung bezeichnet aber nicht, wie die Klägerin diesen Ausführungen zu entnehmen meint, die Zeit vor der Diagnosestellung
bzw. Entfernung des Tumors, sondern den Ablauf ab diesem Zeitpunkt für die Dauer der in den
AHP geregelten Zeit, also hier 5 Jahre. Weitere Gesundheitsstörungen, insbesondere im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats, die bereits im November 2000 einen
GdB von 50 bedingen könnten, sind nicht nachgewiesen und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
Die Einschätzung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule durch den Beklagten mit einem
GdB von 40, was nach den
AHP Nr. 26. 18 mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Lendenwirbelsäulenabschnitten entspricht, ist nach den vorliegenden medizinischen Befunden, wie sie sich aus den ärztlichen Auskünften von
Dr. O. vom 08. April 2003 und
Dipl. med. J. vom 16. Juni 2003 ergeben, nicht zu beanstanden, sondern, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, eher als großzügig zu bezeichnen. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass noch stärker behindernde Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule bereits im November 2000 vorgelegen haben, denn die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt nicht in fachärztlicher Behandlung. Gleiches gilt für die übrigen Gesundheitsstörungen, die der Beklagte der Bildung des Gesamt-
GdB zugrunde gelegt hat. So liegen keine ärztlichen Befunde vor, die nach den
AHP Nr. 26.9 einen höheren
GdB als 20 für das Krampfaderleiden bedingen. Wegen der Schwerhörigkeit rechts und der Herzrhythmusstörungen liegen ebenfalls keine Befunde vor, die einen höheren
GdB von 10 nach den
AHP Nr. 26.5 und 26.9 rechtfertigen könnten. Allein das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen ist durch ein Belastungs-EKG vom 11. August 1999 nachgewiesen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160
Abs. 2
SGG liegen nicht vor.