I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11. März 2009 sowie der Bescheid vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2008 abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, ab Januar 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger 3/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grads der Behinderung (
GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht.
Für den 1941 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 06.12.1999 ein
GdB von 50 festgestellt (Einzel-
GdB 50 für Hauterkrankung in Heilungsbewährung, Einzel-
GdB 10 jeweils für Schlafapnoe-Syndrom, Wirbelsäulensyndrom, psychovegetatives Syndrom). Nach einer Begutachtung im anschließenden Klageverfahren (S 11 SB 288/00) schlossen die Beteiligten am 11.07.2001 einen gerichtlichen Vergleich über einen
GdB von 60. Das psychovegetative Syndrom mit Aufmerksamkeitsstörung wurde dabei mit einem Einzel-
GdB von 30 zugrunde gelegt. Nachdem der Kläger wegen des Ausdrucks Aufmerksamkeitsstörung Widerspruch gegen den Ausführungs-Bescheid vom 22.08.2001 eingelegt hatte, erteilte der Beklagte den Abhilfe-Bescheid vom 26.11.2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2002. Die Einzelheiten des gerichtlichen Vergleichs beachtend wurden nunmehr die für den
GdB 60 maßgeblichen Gesundheitsstörungen wie folgt bezeichnet:
1. Hauterkrankung in Heilungsbewährung
2. Schlafapnoe-Syndrom, psychovegetatives Syndrom
3. Wirbelsäulen-Syndrom.
Wegen der in Heilungsbewährung festgestellten Hauterkrankung veranlasste der Beklagte im Sommer 2002 die notwendige Nachprüfung. Nach Anhörung des Klägers setzte er den
GdB auf 30 herab und erläuterte, dass sich die für den Bescheid vom 26.11.2001 maßgeblichen Gesundheitsstörungen durch Wegfall der Gesundheitsstörung Hauterkrankung in Heilungsbewährung wesentlich geändert hätten. Jetzt lägen die Gesundheitsstörungen Schlafapnoe-Syndrom/ psychovegetatives Syndrom und Wirbelsäulensyndrom vor. Dem Antrag vom 18.11.2001 auf Feststellung der Hyperventilation könne nicht entsprochen werden, weil die damit verbundenen Einschränkungen keinen
GdB von wenigstens 10 bedingen würden (Änderungs-Bescheid vom 10.01.2003, Widerspruchsbescheid vom 04.07.2003). Die Klage gegen die Herabsetzung des
GdB auf 30 (S 13 SB 554/03) wurde mit Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.05.2005 abgewiesen. Der internistische Sachverständige
Dr. S. hatte das Schlafapnoe-Syndrom mit Einzel-
GdB 10 bewertet.
Im Berufungsverfahren (L 18 SB 103/05) beantragte der Kläger die Festsetzung eines
GdB von 60 seit 1982. Er beanstandete, dass der Beklagte nach dem gerichtlichen Vergleich vom 11.07.2001 über einen
GdB von 60 kein Recht gehabt habe, eine Überprüfung vorzunehmen und den
GdB herabzusetzen. Weiter schilderte er einen Vorfall im Jahr 1982, als er schlafend am Arbeitsplatz vorgefunden worden sei und deswegen eine Abmahnung bekommen habe. Er habe natürlich nicht geschlafen, vielmehr seien sein Organismus und auch das Gehirn wegen einer Nasenverengung nicht genügend beatmet worden. Durch die mangelnde Beatmung dürften etliche Gehirnzellen abgestorben sein. Die notwendige Operation sei zwischenzeitlich durchgeführt worden. Wenn man jahrzehntelang mit einem solchen Problem kämpfe, sei das Immunsystem irgendwann am Ende. Er sei also von mindestens 1982 bis zum Zeitpunkt der Operation behindert gewesen, weil er nicht genügend Atemluft bekommen habe. Der Sachverständige
Dr. L. bewertete die seit Dezember 2004 bekannte mittelgradige Schlafatemstörung mit CPAP-Indikation (Arztbrief des
Dr. B., Schlaflabor in der R.Klinik, vom 03.12.2004) bei nicht durchführbarer CPAP-Therapie mit einem Einzel-
GdB von 50. Er ging davon aus, dass die regelmäßige Anwendung der Überdruckbeatmung vom Kläger trotz wiederholter Versuche nicht toleriert worden sei, wobei er auf Nachfrage feststellte, dass anatomische Besonderheiten, die die nasale Überdruckbeatmung unmöglich machen würden, beim Kläger nicht vorlägen. Den Gesamt-
GdB veranschlagte er auf 60 (Gutachten vom 19.02.2007, ergänzende Stellungnahme vom 24.10.2007). Das daraufhin vom Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot über einen Gesamt-
GdB von 40 ab November 2004 berücksichtigte die Gesundheitsstörung Schlafapnoe-Syndrom/ chronische Bronchitis mit einem Einzel-
GdB von 20. Erläutert wurde, dass es dem Kläger grundsätzlich möglich sei, eine Atemmaske zu benützen, da, wie der Sachverständige bestätigt habe, keine anatomischen Besonderheiten vorlägen, die eine nasale Überdruckbeatmung unmöglich machten. Eine nicht durchführbare nächtliche Überdruckbeatmung müsste durch objektive Kriterien wie Geschichtsschädelanomalie oder pulmonale Hypertonie begründbar sein. Die Verweigerung der nasalen Überdruckbeatmung aufgrund subjektiver Missempfindungen rechtfertige die hohe Bewertung nicht. In einem Erörterungstermin am 01.07.2008 sicherte der Kläger zu, die vom Sachverständigen dringend angeratene CPAP-Behandlung durchführen zu lassen, und beantragte eine Neufeststellung wegen Verschlimmerung ab November 2004 mit der Maßgabe der Erledigung des Berufungsverfahrens. Der Beklagte sicherte eine zügige rechtsbehelfsfähige Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Neufeststellung ab November 2004 zu, der Kläger nahm die Berufung zurück.
Nachdem
Dr. B. mit Arztbrief vom 08.07.2008 mitgeteilt hatte, dass der Patient Therapien bezüglich der schlafbezogenen Phänomene ablehne und er deshalb keine weitere Handlungsmöglichkeit sehe, stellte der Beklagte mit Änderungs-Bescheid vom 19.08.2008 einen
GdB von 40 ab 01.11.2004 fest bei Bezeichnung folgender Gesundheitsstörungen:
1. Psychovegetatives Syndrom, Aufmerksamkeitsstörung 30
2. Schlafapnoe-Syndrom, chronische Bronchitis 20
3. Wirbelsäulensyndrom 10
4. Bluthochdruck 10
Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass sich die Vertreterin des Beklagten im Erörterungstermin verpflichtet habe, einem Behinderungsgrad von 60 zuzustimmen. Er selbst hätte seine Verpflichtung eingehalten und bei
Dr. B. vorgesprochen mit dem Ergebnis, dass eine CPAP-Behandlung keinen Sinn mache, weil die Ursachen für die Schlafapnoe vielschichtig seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 23.10.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Auf Anfrage des Gerichts hat
Dr. B. am 12.01.2009 geantwortet, dass ein CPAP-Versuch nicht gestartet worden sei, da sich der Patient gegenüber dieser Therapie ablehnend geäußert habe. Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 11.03.2009 abgewiesen. Die Feststellung eines
GdB von 20 für das Schlafapnoe-Syndrom und die chronische Bronchitis sei korrekt. Es habe keine CPAP-Versuche gegeben, so dass
Dr. L. von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Auf Befragen habe der Kläger selbst erklärt, dass er den Versuch abgelehnt habe, weil man ihm gesagt habe, dass die Beatmung mit einem CPAP-Gerät für die Erkrankung nicht erfolgversprechend sei. Wenn der Kläger die Therapie abgelehnt habe, weil sie ihm nicht erfolgversprechend erschien, sage das nichts über die Durchführbarkeit der Therapie aus. Das Urteil ist dem Kläger am 08.04.2009 zugestellt worden.
Am 09.04.2009 hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, ab 01.11.2004 einen
GdB von 60 festzustellen. Er hat den Entlassungsbrief des Universitätsklinikums B-Stadt über eine Krankenhausbehandlung von 12.10.2009 bis 15.10.2009 wegen akuter Herzbeschwerden vorgelegt, der über eine Stentimplantation am 13.10.2009 informiert.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Begutachtungen auf mehreren ärztlichen Fachgebieten.
Der Internist
Dr. E., der auch über die Fachkunde auf dem Gebiet der Lungen- und Bronchialheilkunde verfügt, hat bestätigt, dass eine chronische Bronchitis mit Bronchiektasen ohne Lungenfunktionseinschränkung und außerdem ein therapiebedürftiges Schlafapnoe-Syndrom bestünden und der
GdB für diese Gesundheitsstörung auf 20 einzuschätzen sei. Der Kläger sei weiterhin nicht willens, das Schlafapnoe-Syndrom mittels einer CPAP-Beatmung behandeln zu lassen, wobei keine Kontraindikationen gegenüber einer nächtlichen CPAP-Beatmung bestünden (Gutachten vom 31.07.2009, ergänzendes Schreiben vom 07.08.2009).
Die Internistin und Kardiologin
Dr. E. hat am 08.10.2009 eine Untersuchung des Klägers einschließlich apparativer Diagnostik durchgeführt und festgestellt, dass die Behinderung Bluthochdruck/ koronare Herzerkrankung mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten sei, wobei sie für die koronare Herzerkrankung allein bei gutem Ergebnis des Eingriffs von einem Einzel-
GdB 10 ausgeht. Neu aufzunehmen sei ein derzeit oral eingestellter, mit Einzel-
GdB 10 zu bewertender Diabetes mellitus, der erstmals im Bericht der Universitätsklinik B-Stadt vom Oktober 2008 erwähnt sei. Als Folgeschaden des Diabetes finde sich derzeit eine klinisch nur diskrete periphere Polyneuropathie (Einzel-
GdB 10). Ab November 2004 sei ein Gesamt-
GdB von 40 angemessen (Gutachten vom 02.11.2009).
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie
Dr. B. hat bei der Untersuchung des Klägers am 21.01.2010 eine schwere Polyneuropathie festgestellt, die sie mit einem Einzel-
GdB von 20 ansetzt. Im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchung lasse sich eine jetzt ausgeprägte Polyneuropathie nachweisen, die sich im klinischen Befund mit einer deutlichen Reflexabschwächung, einem strumpfförmigem Taubheitsgefühl in beiden Beinen, einer Parese der Zehenheber und -senker sowie einer Ataxie beim Laufen äußere. Weiter hat sie dargelegt, dass der Kläger an einer organischen Persönlichkeitsstörung mit vermehrter Reizbarkeit, Aggressivität und exzessiver Beschäftigung mit einem einzigen Thema (Recht-Unrecht, berufliche Mobbingsituation, Kündigung) leide und eine deutliche sprachliche Vergröberung auffalle. Aus ihrer Sicht seien auch die berichtete Ermüdbarkeit und reduzierte Leistungsfähigkeit als Ausdruck einer zusätzlich asthenen Komponente auf organischer Basis hinzuziehen. Sie veranschlagt die organische Persönlichkeitsstörung mit asthener Komponente mit einem Einzel-
GdB von 40. Hinsichtlich des chronischen Wirbelsäulensyndroms hat sie angemerkt, dass der Kläger bei der Untersuchung keine Rückenbeschwerden und keine radikuläre Symptomatik beklagt habe, so dass sie den
GdB für das Wirbelsäulensyndrom auf kleiner als 10 einschätze. Unter Berücksichtigung der Einzel-
GdB von 20 für die Gesundheitsstörungen chronische Bronchitis/ Schlafapnoe-Syndrom und Bluthochdruck/ koronare Herzerkrankung sowie eines Einzel-
GdB von 10 für den Diabetes mellitus hat sie den Gesamt-
GdB seit November 2004 mit 50 angesetzt (Gutachten vom 19.02.2010).
Der Chirurg und Orthopäde
Dr. D. hat bei der Untersuchung am 15.06.2010 eine geringe bis mäßige Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule und eine Minderentfaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule festgestellt, außerdem deutliche degenerative Veränderung vor allem der unteren Lendenwirbelsäule, die er mit einem
GdB von 20 veranschlagt hat. Die beginnende Coxarthrose beidseits sei mit 0 zu bewerten. Er hat einen Gesamt-
GdB von 50 seit November 2004 vorgeschlagen und dies damit begründet, dass es durch das neurologisch/ psychiatrische Gutachten zu einer Erhöhung des Einzel-
GdB für die Persönlichkeitsstörung (auf 40) gekommen sei und es nun durch das vorliegende orthopädische Gutachten zu einer Erhöhung des Einzel-
GdB für das Wirbelsäulensyndrom von 10 auf 20 komme (Gutachten vom 21.06.2010).
Der Beklagte hat am 23.03.2010 ein Vergleichsangebot über einen
GdB von 50 ab Januar 2010 (Untersuchung
Dr. B.) vorgelegt und daran unter Berücksichtigung des Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet festgehalten. Nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters
Dr. K. sei die seelische Störung weiterhin mit einem Einzel-
GdB von 30 zu werten, weil eher leichte Beeinträchtigungen mit weiter bestehenden Aktivitäten im Alltag anzunehmen seien und die Müdigkeit bereits mit der Feststellung des Schlafapnoe-Syndroms berücksichtigt sei.
Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.03.2009 aufzuheben, den Bescheid vom 19.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2008 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, den
GdB seit 01.11.2004 in Höhe von 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit sie über das Vergleichsangebot vom 23.03.2010 hinausgeht.
Die dem Kläger am 22.09.2010 zugestellte Terminmitteilung vom 20.09.2010 enthält den Hinweis, dass auch im Fall seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne.
Der Senat hat die Akten des Beklagten, des Sozialgerichts Bayreuth (S 11 SB 288/00, S 13 SB 554/03, S 11 SB 813/08) und des Bayer. Landessozialgerichts (L 18 SB 103/05) beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden können, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 110
Abs. 1 Satz 2, § 153
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Erhöhung des
GdB auf 50 mit Wirkung ab Januar 2010. Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 19.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2008. Es geht um die Höhe des
GdB seit November 2004 aufgrund des Neufeststellungsantrags, den der Kläger am 01.07.2008 gestellt hat. Der Bescheid vom 10.01.2003 ist nach Rücknahme der Berufung am 01.07.2008 bestandskräftig.
Rechtsgrundlage ist
§ 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in Verbindung mit den seit 01.01.2009 maßgeblichen
Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Die
VG lösen die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (
AHP) ab, die für die Zeit vor 01.01.2009 als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (dazu
BSG vom 18.09.2003,
B 9 SB 3/02 R; vom 24.04.2008,
B 9/9a SB 10/06 R;
BVerfG vom 06.03.1995,
BvR 60/95). Die Anhaltspunkte und nunmehr die Versorgungsmedizinischen Grundsätze sind ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im Bundesgebiet bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.
Die im Bescheid vom 19.08.2008 getroffenen Feststellungen sind bezogen auf die damaligen Verhältnisse rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Feststellung eines
GdB von 40 bei Bewertung des psychovegetativen Syndroms mit Aufmerksamkeitsstörung mit Einzel-
GdB 30, des Schlafapnoe-Syndroms und der chronischen Bronchitis mit Einzel-
GdB 20 sowie des Wirbelsäulensyndroms und des Bluthochdrucks jeweils mit Einzel-
GdB 10 ist nicht zu beanstanden. Zutreffend war der zuvor maßgebliche
GdB von 30 (Bescheid vom 10.01.2003) mit Wirkung ab November 2004 erhöht worden, weil im Herbst 2004 erstmals ein Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP-Indikation diagnostiziert worden war. Das seither bestehende Schlafapnoe-Syndrom "mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung" ist korrekt mit einem Einzel-
GdB von 20 angesetzt (
B 8.7 VG, 26.8
AHP 2004, 2005, 2008). Ein Schlafapnoe-Syndrom "bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung", das einen Einzel-
GdB von 50 rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Denn es sind weder anatomische Besonderheiten (
z.B. Gesichtsschädelanomalie) beim Kläger erkennbar, die einer nasalen Überdruckbeatmung entgegenstehen würden, noch sind gescheiterte Versuche einer entsprechenden Therapie dokumentiert, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine nasale Überdruckbeatmung beim Kläger objektiv nicht durchführbar wäre. Wie im Juli 2009 der Sachverständige
Dr. E. hat schon 2007 der Sachverständige
Dr. L. festgestellt, dass anatomische Besonderheiten, die die nasale Überdruckbeatmung unmöglich machen würden, nicht vorlägen. Zu Unrecht ging
Dr. L. aber davon aus, dass diese Therapie wiederholt versucht und vom Kläger nicht toleriert worden sei. Der den Kläger wegen der Schlafapnoe behandelnde Arzt
Dr. B. hat bestätigt, dass dieser die CPAP-Therapie ablehne und ein CPAP-Versuch nie gestartet worden sei (Schreiben vom 08.07.2008 und 12.01.2009). Der Kläger hatte zwar in der Gerichtsverhandlung am 01.07.2008 angekündigt, die vom Sachverständigen
Dr. L. dringend angeratene CPAP-Behandlung nunmehr doch durchführen zu lassen. Mit Widerspruchsschreiben vom 26.08.2008 hat er dann allerdings mitgeteilt, dass er zwar bei
Dr. B. vorgesprochen habe, aber zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine CPAP-Behandlung keinen Sinn mache, weil die Ursachen für die Schlafapnoe vielschichtig seien.
Im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 19.08.2008 zugrunde lagen, ist mit Wirkung ab Januar 2010 eine wesentliche Änderung im Sinn des § 48
Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
SGB X) eingetreten, so dass der Kläger Anspruch auf eine neue Feststellung gemäß
§ 69 SGB IX hat. Als neue Gesundheitsstörungen sind Durchblutungsstörungen des Herzens und später eine schwere Polyneuropathie hinzugetreten. Der Beklagte ist verpflichtet, den
GdB ab Januar 2010 in Höhe von 50 festzustellen, wie er dies vergleichsweise auch angeboten hat. Dabei sind folgende Gesundheitsstörungen einzubeziehen:
Seelische Störung, Aufmerksamkeitsstörung 30
Polyneuropathie 20
Schlafapnoe-Syndrom, chronische Bronchitis 20
Durchblutungsstörungen des Herzens, Bluthochdruck 20
Funktionsbehinderung der Wirbelsäule 20
(ab Juni 2010, vorher 10)
In Übereinstimmung mit dem Beklagten, der sich auf das versorgungsärztliche Votum des Neurologen und Psychiater
Dr. K. stützt, hält der Senat die Bewertung der seelischen Störung mit einem Einzel-
GdB von 30 nach wie vor für angemessen. Die Ausführungen der Sachverständigen
Dr. B. lassen nicht erkennen, dass bezüglich dieser Gesundheitsstörung, die sie als organische Persönlichkeitsstörung mit asthener Komponente einordnet, eine Verschlimmerung eingetreten wäre. Auch nach Aktenlage bestehen dafür keine Anhaltspunkte. Im Bereich der Neurosen und Persönlichkeitsstörungen besteht für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 (
B 3.7 VG, 26.3
AHP 2004, 2005, 2008). Im Hinblick auf die von der Sachverständigen
Dr. B. mitgeteilten Einzelheiten, insbesondere zum psychischen Befund und zum Aktionsradius des Klägers, sieht der Senat keine Veranlassung, nunmehr im Unterschied zu den früheren Feststellungen den Bewertungsrahmen mit Annahme eines Einzel-
GdB von 40 voll auszuschöpfen. Der dahingehende Vorschlag der Sachverständigen beruht, wie sie deutlich macht, auf der Erwägung, bei der Bildung des
GdB zusätzlich die vom Kläger geschilderte Ermüdbarkeit und reduzierte Leistungsfähigkeit als Ausdruck der asthenen Komponente auf organischer Basis zu würdigen. Abgesehen davon, dass es sich dabei nicht um eine neu aufgetretene Funktionseinschränkung handelt, würde das Votum der Sachverständigen zu einer unzulässigen Doppelbewertung führen, da das Problem der Ermüdbarkeit und reduzierten Leistungsfähigkeit des Klägers schon beim
GdB für das Schlafapnoe-Syndrom als maßgebliche Einschränkung berücksichtigt ist. Die funktionellen Einschränkungen, die aus der seelischen Störung einerseits und aus dem Schlafapnoe-Syndrom andererseits resultieren, überschneiden sich erheblich, was schon beim Abschluss des gerichtlichen Vergleichs von 2001 gesehen wurde; hier erfolgte eine Zusammenfassung des Schlafapnoe-Syndroms und des psychovegetativen Syndroms zu einer einzigen Behinderung (
vgl. Ausführungs-Bescheid vom 26.11.2001).
Die von
Dr. B. erstmals in schwerer Ausprägung festgestellte Polyneuropathie gibt den Ausschlag für die Erhöhung des
GdB auf 50. Die Höherbewertung ist ab Januar 2010 möglich, nachdem die Sachverständige den Befund, der die Festsetzung eines Einzel-
GdB von 20 erlaubt, bei der Untersuchung am 21.01.2010 erhoben hat. Die ausgeprägte Polyneuropathie äußert sich, so die Sachverständige, mit einer deutlichen Reflexabschwächung, einem strumpfförmigen Taubheitsgefühl in beiden Beinen, einer Parese der Zehenheber und -senker sowie einer Koordinationsstörung beim Laufen. Die am 21.01.2010 durchgeführte elektrophysiologische Kontrolluntersuchung hat den klinischen Befund einer schweren Polyneuropathie bestätigt. Der Vorschlag der Sachverständigen, die Polyneuropathie mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten, steht im Einklang mit den Bewertungsvorgaben (B 3.11
i.V.m. B 18.14
VG).
Das Schlafapnoe-Syndrom und die Bronchitis sind unverändert mit einem Einzel-
GdB von 20 zu veranschlagen. Der Sachverständige
Dr. E. hat im Sommer 2009 bestätigt, dass weiterhin ein therapiebedürftiges Schlafapnoe-Syndrom bestehe, der Kläger aber nicht willens sei, dieses mittels einer CPAP-Beatmung behandeln zu lassen. Auch im Gespräch mit der Sachverständigen
Dr. B. hat der Kläger bekundet, dass er eine CPAP-Maske nicht benutze.
Die Durchblutungsstörungen des Herzens sind als neue Gesundheitsstörung im Herbst 2008 hinzugetreten. Eine Höherbewertung des
GdB schon ab diesem Zeitpunkt ist gleichwohl nicht möglich, da die mit dieser Gesundheitsstörung einhergehende Leistungsbeeinträchtigung nicht gravierend ist. Nachdem der Kläger wegen Verdachts auf ein akutes Koronarsyndrom im Oktober 2008 stationär aufgenommen worden war, erhielt er eine Stentimplantation. Seither und auch bei früheren Kontrolluntersuchungen kann er im Belastungs-EKG bis zur Erreichung der Stufe von 100 Watt ausbelastet werden, ohne dass eine belastungsinduzierte koronare Mangeldurchblutung im Sinn einer Restenosierung in den Koronararterien eintreten würde, wie dies die Sachverständige
Dr. E. im Gutachten vom November 2009 erläutert hat. In Übereinstimmung mit den Bewertungsvorgaben (
B 9.1.1 VG, 26.9
AHP 2008) kommt die Sachverständige nachvollziehbar zu dem Schluss, dass die koronare Herzerkrankung mit einem Einzel-
GdB von 10 zu veranschlagen ist und unter Berücksichtigung des schon lange bekannten Bluthochdrucks ein Einzel-
GdB von 20 angemessen ist.
Der im Oktober 2008 erstmals dokumentierte tablettenpflichtige Diabetes mellitus ist nach den bis Juli 2010 geltenden Bewertungsvorgaben korrekt mit einem Einzel-
GdB von 10 bewertet (
B 15.1 VG, 26.15
AHP 2008). Nach B 15.1
VG in der seit 15.07.2010 geltenden Fassung (
vgl. Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14.07.2010, BGBl I
S. 928) ist der Diabetes mellitus nicht mehr berücksichtigungsfähig, weil die Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslöst.
Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist seit Juni 2010 mit einem Einzel-
GdB von 20 anzusetzen. Der Orthopäde
Dr. D. hat bei der Untersuchung im Juni 2010 eine geringe bis mäßige Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule, eine Minderentfaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule sowie deutliche degenerative Veränderungen vor allem der unteren Lendenwirbelsäule festgestellt. Sein Vorschlag, die damit einhergehenden funktionellen Auswirkungen mit einem Einzel-
GdB von 20 zu bewerten, erscheint eher großzügig, ist aber vertretbar (B 18.9
VG). Für die Zeit vor Juni 2010 verbleibt es beim Einzel-
GdB 10. Der Befund, der eine Bewertung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Einzel-
GdB 20 erlaubt, wurde erstmals von
Dr. D. im Juni 2010 erhoben. Konkrete Befunde aus früheren Jahren, die eine entsprechende Bewertung stützen könnten, sind nicht aktenkundig und werden auch von
Dr. D. nicht erwähnt. Die zuvor gehörten Sachverständigen sahen keinen Anhalt für nennenswerte orthopädische Probleme des Klägers. Im übrigen weist auch der Umstand, dass der Kläger im April 2010 auf eine Verschlechterung des Zustands seines Bewegungsapparates aufmerksam gemacht und eine orthopädische Begutachtung verlangt hat, darauf hin, dass die Beweglichkeit der Wirbelsäule im Laufe dieses Jahres spürbar schlechter geworden ist.
Seit Januar 2010 ist ein Gesamt-
GdB von 50 nachgewiesen. Bei der Bildung des Gesamt-
GdB ist von der Hauptbehinderung der seelischen Störung mit Einzel-
GdB 30 auszugehen. Wegen der jeweils mit Einzel-
GdB 20 zu bewertenden Gesundheitsstörungen Polyneuropathie, Schlafapnoe-Syndrom/ Bronchitis und Durchblutungsstörungen des Herzens/ Bluthochdruck ist die Erhöhung auf 50 gerechtfertigt, wobei für den Sprung von 40 auf 50 das Hinzutreten der schweren Polyneuropathie ausschlaggebend ist. Der vom Kläger angestrebte
GdB von 60 ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht begründbar. Keiner der in diesem Rechtsstreit gehörten Sachverständigen hat sich für einen
GdB von 60 ausgesprochen. Das Votum des
Dr. L., der im vorangegangenen Berufungsverfahren einen
GdB von 60 vorgeschlagen hatte, beruhte auf der irrigen Annahme der Undurchführbarkeit einer nasalen Überdruckbeatmung bei therapiebedürftigem Schlafapnoe-Syndrom. Wie sich zwischenzeitlich geklärt hat, ist die CPAP-Therapie nicht undurchführbar, sondern wird vom Kläger nicht gewünscht (siehe oben). Die Erhöhung des
GdB auf 60 kommt auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der orthopädischen Begutachtung im Juni 2010 nicht in Betracht. Auch wenn die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nunmehr mit Einzel-
GdB von 20 bewertet ist, wird das Ausmaß der Gesamt-Behinderung davon nicht wesentlich beeinflusst (A 3.d.ee
VG).
Der Gesamt-
GdB von 50 kann nicht rückwirkend zum 01.11.2004 zuerkannt werden. Zwar hat dies die Sachverständige
Dr. B. vorgeschlagen, worauf später auch der Sachverständige
Dr. D. abgestellt hat, dem kann sich der Senat aber nicht anschließen. Maßgeblich für das Votum der
Dr. B. war die Bewertung der seelischen Störung mit Einzel-
GdB von 40 (statt 30) seit 01.11.2004 wegen zusätzlicher Berücksichtigung der Ermüdbarkeit und reduzierten Leistungsfähigkeit des Klägers bei der seelischen Störung, was aber zu einer unzulässigen Doppelbewertung führen würde (siehe oben). Bei Bewertung der seelischen Störung mit Einzel-
GdB 30 lässt sich der Gesamt-
GdB von 50 für die Zeit ab November 2004 eindeutig nicht rechtfertigen, zumal die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nicht rückwirkend mit einem Einzel-
GdB von 20 veranschlagt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.