Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Braunschweig ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Herabsetzung des
GdB nach Ablauf der Heilungsbewährungszeit erfolgte rechtmäßig. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist tatsächlich kein höherer
GdB als 40 bei der Klägerin mehr festzustellen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des vom Sozialgericht im Wesentlichen in Bezug genommenen Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Mai 2005 (
L 6 SB 55/04) Der darin getroffenen Einzelfallentscheidung vermag der Senat sich, anders als das Sozialgericht im vorliegenden Fall, nicht anzuschließen.
Zunächst ist das Sozialgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der angegriffene Herabsetzungsbescheid keine Dauerwirkung hat und deshalb für die Beurteilung der von der Klägerin erhobenen reinen Anfechtungsklage maßgeblich ist, ob der Verwaltungsakt bei seinem Erlass der Sach- und Rechtslage entsprochen hat, wobei auf den Abschluss des Verwaltungsverfahrens mit dem Widerspruchsbescheid, hier vom 18. November 2010, abzustellen ist [vgl.
BSG, Urteil vom 13. August 1997, Az.: 9 RVs 10/96, SozR 3-3870 § 4
Nr. 21].
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung des
GdB ist § 48
SGB X. Nach
Abs. 1, Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung kann sowohl darin bestehen, dass weitere Behinderungen hinzugetreten sind oder sich bereits festgestellte Behinderungen derart verschlimmert haben, dass sie mit einem höheren
GdB zu bewerten sind, als auch darin, dass Behinderungen weggefallen sind oder sich festgestellte Behinderungen derart verringert haben, dass sie nur noch einen geringeren
GdB bedingen. Erforderlich ist eine Gegenüberstellung der objektiven Befunde, die der letzten bindend gewordenen Feststellung des Versorgungsamtes zugrunde lagen und der Befunde, die nunmehr vorliegen. Wesentlich ist eine Änderung im Bereich des Schwerbehindertenrechts nur dann, wenn sie eine Änderung des Gesamt-
GdB um mindestens 10 bedingt.
Einen Sonderfall stellt dabei die Neufeststellung nach Ablauf einer Heilungsbewährung dar. Hier wird zunächst für den Zeitraum der Heilungsbewährung pauschal ein höherer
GdB angenommen, als sich in der Regel aufgrund der tatsächlich festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt, und erst nach Ablauf des Zeitraumes eine Feststellung nach den tatsächlichen verbliebenen Beeinträchtigungen getroffen. Nach
§ 69 Abs. 1 SGB IX sind das Vorliegen einer Behinderung und die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Beeinträchtigung) mit einem
GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Grundlagen für die Bewertung des
GdB bilden die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung einschließlich der Anlage
"Versorgungsmedizinische Grundsätze" zu deren § 2 (nachfolgend: Anlage) sowie die in der Zeit zuvor maßgeblichen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (
AHP). Letztere waren, obwohl keine Rechtsnorm, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG), als antizipierte Sachverständigengutachten im Interesse einer Gleichbehandlung als geeignete Hilfe zur Einschätzung und Feststellung des
GdB heranzuziehen.
Im Jahr 2004 ist bei der Klägerin, seinerzeit im Einklang mit
Nr. 26.14 der damals anzuwendenden
AHP (Stand 2004) wegen der wiederholten Tumorerkrankung der Brust beidseits ein
GdB von 100 festgestellt worden und nach Entfernung des zweiten Tumors eine (weitere) Heilungsbewährung von fünf Jahren abzuwarten gewesen. Nach
Nr. 18
Abs. 7
AHP (entsprechend
Teil A Nr. 2 h Anlage zu § 2 VersMedV) handelt es sich bei der Heilungsbewährungszeit um einen Zeitraum, in dem bei Gesundheitsstörungen, die, wie die hier vorliegenden Brustkrebserkrankung, zu Rezidiven neigen, der Verlauf der Genesung abgewartet werden muss. Die Entfernung des Tumors ist am 30. März 2004 erfolgt, sodass der Heilungsbewährungszeitraum im April 2009 abgelaufen gewesen ist. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Heilungsbewährung ein sozialrechtliches Institut, das nach Maßgabe der früheren
AHP wie auch der nachfolgend seit dem 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Anlage zu § 2
VersMedV Folgendes beinhaltet: Im Rahmen bestimmter Erkrankungen, wie
z.B. bösartiger Tumorerkrankungen, ist nach der Tumorentfernung im Sinne einer Primärtherapie für eine bestimmte Zeit pauschal ein höherer
GdB anzunehmen, als in der Regel aufgrund der infolge des Organschadens
bzw. der Therapiefolgen tatsächlich bedingten Funktionsbeeinträchtigungen gerechtfertigt wäre. Dies soll neben der Rezidivgefahr insbesondere auch die weiteren vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind, berücksichtigen [vgl. Bundessozialgericht (
BSG) Urteil vom 9. August 1995, B 9 RVs 14/94, juris], und zwar unabhängig davon, ob diese Folgewirkungen im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sind oder nicht. Hinsichtlich der Rezidivgefahr rechtfertigt im Übrigen nicht diese per se, sondern die durch das Wissen des Erkrankten um die Gefahr bedingte, generell unterstellte besondere psychische Belastung eine Höherbemessung des
GdB, und zwar ohne Prüfung inwieweit sich diese Belastung im Einzelfall tatsächlich auswirkt. Nach rückfallfreiem Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung tritt insoweit eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48
SGB X ein, als jetzt nicht nur nach medizinischer Erfahrung regelmäßig die Krebserkrankung in dem Sinne überwunden ist, dass eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht mehr besteht, sondern als außerdem die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen oder wenigstens gemindert sind, so dass eine von den konkreten Verhältnissen unabhängige abstrakte Einschätzung des
GdB nicht mehr gerechtfertigt ist. Dies gilt unabhängig von dem etwaigen Fortbestehen eines Rezidivsrisikos auch im Hinblick auf die darauf etwa zurückzuführenden psychischen Belastungen. Denn auch bei womöglich objektiv unverändertem Rezidivrisiko kann das Ausmaß der psychischen Beeinträchtigung nachlassen. Der Eintritt der Heilungsbewährung bedeutet damit nicht in erster Linie, dass nach rückfallfreiem Zeitablauf keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht, sondern insbesondere, dass die bisherige abstrakte Bewertung der unterstellten körperlichen und seelischen Auswirkungen der Erkrankung nicht mehr gerechtfertigt ist und die Neufeststellung des
GdB notwendig wird. Hintergrund und Zweck der Heilungsbewährung ist eine pauschalierende Besserstellung der durch eine Tumorerkrankung Betroffenen für einen bestimmten, aufgrund allgemeiner statistischer Erkenntnissen festgelegten Zeitraum nach der Diagnose ohne eine individuelle Betrachtung des Einzelfalles mit seinen jeweils tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen. So hat auch das
BSG in seiner vom Sozialgericht zitierten Entscheidung vom 10. Dezember 1987 ausdrücklich ausgeführt, dass die (damals maßgeblichen)
AHP und zwar hier in Bezug auf die darin festgelegten Grundsätze der Heilungsbewährung grundsätzlich um des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes willen einheitlich anzuwenden sind [vgl.
BSG Beschluss vom 10. Dezember 1987, B 9a BVs 43/87, juris]. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass, worauf bereits das Sozialgericht hingewiesen hat, eine Rezidivgefahr auch nach Ablauf der statistisch begründeten Heilungsbewährungszeit ja auch im Regelfall nicht grundsätzlich völlig entfällt und zudem individuell variieren kann. Schließlich ist festzustellen, dass allein für eine genetische Disposition für bestimmte Krebserkrankungen nach Maßgabe der Anlage zu § 2
VersMedV (wie auch der vorangegangenen
AHP) die Vergabe eines
GdB grundsätzlich nicht vorgesehen ist. So ist in der Anlage, Teil A,
Nr. 2 h) Satz 1 auch ausdrücklich festgelegt, dass Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, bei der Bemessung des
GdB außer Betracht zu bleiben haben.
Anhaltspunkte für ein Rezidiv oder eine Metastasierung haben bei der Klägerin nach Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung bis einschließlich zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (und darüber hinaus) ausweislich der Behandlungsunterlagen nicht vorgelegen. Damit war nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Beurteilung des
GdB nur noch nach den tatsächlich bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen gerechtfertigt. Zutreffend hat der Beklagte festgestellt, dass die zum Zeitpunkt der Herabsetzungsentscheidung vorliegenden Beeinträchtigungen einen
GdB von jedenfalls nicht mehr als 40 rechtfertigen.
Der Teilverlust der Brustdrüsen mit narbigen Veränderungen nach brusterhaltender Operation beidseits rechtfertigt nach Maßgabe der Anlage,
Teil B, Nr. 14.1 entsprechend einer Segment- oder Quadrantenresektion der Brust einseitig mit einen
GdB-Rahmen von 0 - 20 hier insgesamt einen
GdB von jedenfalls nicht mehr als 30. Besondere Beschwerden aufgrund der Narben, behandlungsbedürftige Lymphstauungen oder maßgebliche, dauerhafte Funktionsbehinderungen im Schulter-Arm- oder Wirbelsäulenbereich sowie sonstige besondere Therapiefolgen bestehen ausweislich der eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht.
Zusätzlich zu berücksichtigen sind aber die weiterhin unstreitig bestehenden psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Krebserkrankung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes kann in diesem Zusammenhang jedoch nicht per se die durch die genetische Disposition der Klägerin nachweislich erhöhte Gefahr einer erneuten Erkrankung maßgeblich sein. Der Begründung des Sozialgerichts, dass eine Heilungsbewährung wegen fortbestehender besonderer psychischer Belastung infolge der erhöhten Gefahr zu verneinen sei, vermag der Senat entsprechend dem oben Ausgeführten nicht zu folgen. Wie bereits dargelegt, ist nach rückfallfreiem Ablauf der Heilungsbewährungszeit, die ihre Rechtfertigung eben nicht allein aufgrund der psychischen Belastung wegen einer in den ersten Jahren regelmäßig erhöhten Rezidivgefahr hat, für die Feststellung des
GdB auf die tatsächlich noch bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen abzustellen. Eine solche Funktionsbeeinträchtigung kann sich durchaus nachvollziehbar auch aus einer besonderen seelischen Belastung aufgrund der nachgewiesenen genetischen Disposition für eine Krebserkrankung ergeben. Eine solche besondere Belastung muss aber in ihrem Vorliegen und Auswirkungen objektiv feststellbar sein. Hierunter fallen zweifellos die von der Klägerin geltend gemachten Ängste und Schlafstörungen. Eine entsprechende psychische Belastung im Sinne von Schlafstörungen und einer posttraumatischen Belastungsstörung wird auch durch die behandelnde Ärztin
Dr. I. wiederholt bestätigt. Die hierdurch bedingten nachweislichen Funktionsbeeinträchtigungen lassen jedoch sowohl nach den Befundunterlagen wie auch nach der Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht insgesamt nicht die Feststellung eines psychischen oder psychosomatischen Krankheitsbildes im Sinne einer stärker behindernden Störung nach Maßgabe der Anlage,
Teil B, Nr. 3.7. zu. Danach sind erst stärker behindernde psychische oder psychovegetative Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (
z.B. ausgeprägte depressive, phobische oder somatoforme Störungen) mit einem
GdB von 30 - 40 zu bewerten. Die Klägerin ist ausweislich der Akten in Abständen von zwei bis drei Monaten bei
Dr. I. in im Wesentlichen homöopathischer Behandlung. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung des Weiteren angegeben, dass sie versuche, ihren Alltag so normal wie möglich zu bewältigen. Sie arbeite mit wegen der Schwerbehinderung um drei Wochenstunden reduzierter Arbeitszeit als Förderschullehrerin. Außer Schlafstörungen und Ängsten habe die Krebserkrankung eigentlich keine Auswirkungen mehr im Alltag. Manchmal gebe es aber Momente und Situationen, in denen es noch schwer sei, so als sie wegen einer Oberschenkelverletzung zum MRT gemusst habe. Hiernach ist eine ausgeprägte psychische Störung mit entsprechenden dauerhaften wesentlichen Beeinträchtigungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Alltag bei der Klägerin nicht festzustellen und von einer leichteren seelischen Störung
bzw. Belastung auszugehen, die für sich einen
GdB von 20 begründet.
Der Verlust beider Eierstöcke wurde von dem Beklagten nach Maßgabe der Anlage, Teil B,
Nr. 14.3 bei nicht mehr bestehendem Kinderwunsch der Klägerin und ohne Nachweis andauernder sonstiger wesentlicher Funktionsbeeinträchtigungen zutreffend mit einem
GdB von 10 bewertet.
Insgesamt ist damit bei der Klägerin nach Ablauf der Heilungsbewährung bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung aufgrund der belegten Funktionsbeeinträchtigungen kein höherer Gesamt-
GdB als 40 mehr festzustellen. Maßgebliche Behinderungen sind durch den Teilverlust der Brustdrüsen beidseits einschließlich narbiger Veränderungen mit einem Einzel-
GdB von 30 und durch die seelische Beeinträchtigung mit einem Einzel-
GdB von 20 bedingt. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind Einzel-
GdB regelmäßig zusammenfassend für die in der Anlage Teil A RandNr. 2. e) genannten Funktionssysteme anzugeben und daraus ohne Anwendung von Rechenmethoden (keine Addition der Einzel-
GdB) der Gesamt-
GdB zu ermitteln, Teil A RandNr. 3. Dabei ist regelmäßig von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-
GdB auszugehen und im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Ausmaß der Behinderung größer wird,
Teil A RandNr. 3. c). Leichte Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-
GdB von 10 führen regelmäßig nicht, solche mit einem Einzel-
GdB von 20 vielfach nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Behinderung, Teil A RandNr. 3. d) ee). Hiernach ergibt sich im Falle der Klägerin insgesamt kein höherer Gesamt-
GdB als der von dem Beklagten festgestellte
GdB von 40.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193
SGG.
Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht. Der Senat sieht sich trotz der oben genannten, insoweit abweichenden Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.