Die Berufung ist zulässig. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage (§ 54
Abs. 1 Satz 1 Var. 1
SGG) statthaft.
Die Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage gegen den Absenkungsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Der angegriffene Neufeststellungsbescheid 17. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012, mit welchem der Beklagte den ursprünglich festgestellten
GdB von 60 auf 40 herabgesenkt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2005 ist § 48
Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (
SGB X), wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben ist. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die im Zeitpunkt des letzten Feststellungsbescheides vorhanden gewesen sind, zu vergleichen. Bei einer derartigen Neufeststellung handelt es sich nicht um eine reine Fortschreibung des im letzten maßgeblichen Bescheid festgestellten
GdB, sondern um dessen Neuermittlung unter Berücksichtigung der verschiedenen aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen (
vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2000,
B 9 SB 3/00 R, juris;
LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 5. Januar 2011,
L 6 (7) SB 135/06, Rn. 21, juris;
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.Juni 2002,
L 6 SB 142/00, juris).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (st. Rspr.
BSG Urteil vom 17. April 1991 - 1 RR 2/89, Rn. 17, juris;
BSG, Urteil vom 20. April 1993 - 2 RU 52/92, Rn. 15, juris;
BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 70/91, Rn. 20, juris;
BSG Urteil vom 12. November 1996 -
9 RVs 5/95, Rn. 14, juris;
BSG - Urteil vom 10. September 1997 -
9 RVs 15/96, Rn. 11, juris;
vgl. auch Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 33
m.w.N.), hier also bei Erlass des Widerspruchsbescheides (§ 95
SGG) im Mai 2012. Die Rechtmäßigkeit eines bloßen Herabsetzungsbescheids bestimmt sich nach diesem Zeitpunkt, spätere eventuelle Veränderungen während des Gerichtsverfahrens werden nicht berücksichtigt. Dies ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz für isolierte Anfechtungsklagen, während bei Verpflichtungs- und anderen Leistungsklagen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz abzustellen ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schütze,
SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rn. 34). Auf diesen Zeitpunkt ist ausnahmsweise auch bei einer isolierten Anfechtungsklage abzustellen, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung betrifft (
BSG, Urteil vom 12. November 1996 - 9 RVs 5/95 -, Rn. 14, juris). Die Herabbemessung eines
GdB ist selbst jedoch kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (
BSG, Urteil vom 10. September 1997 - 9 RVs 15/96 -, Rn. 11, juris). Ihre Wirkung beschränkt sich auf die Veränderung der Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt (
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2015 - L 6 SB 3978/14 -, Rn. 31, juris).
Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen um die Herabsetzung des
GdB gestritten wird, nicht bereits dann eingetreten, wenn das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen maßgeblich geringer eingeschätzt wurde als in der ersten Entscheidung durch den Beklagten. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, dass in dem Gesundheitszustand des Betroffenen Änderungen eingetreten sind, die nachvollziehbar die betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen verringert haben. Für das Vorliegen dieser Änderung trifft den Beklagten, der sich in dem Aberkennungsbescheid hierauf beruft, die materielle Beweislast (Urteil des Senats vom 23. August 2012 -
L 13 SB 39/12 -, Rn. 23, juris).
Mit der Heilungsbewährung lag zwar eine Veränderung der Sachlage im Sinne von § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X, die grundsätzlich eine Neubewertung des
GdB erforderlich macht (
vgl. VMG Teil A Nr. 7b). Dabei sind nach den
§ 2 Abs. 1,
§ 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (SGB IX a.F.) bzw. nach
§ 152 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch in der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Fassung (SGB IX n.F.) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft zu bewerten. Hierbei sind die in der
Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (
VMG) heranzuziehen.
Der Senat hat jedoch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass während des Zeitraumes von 2006 bis 2012 in dem Gesundheitszustand der Klägerin eine Änderung dergestalt eingetreten ist, dass die Herabsetzung des ursprünglich festgestellten
GdB von 60 auf einen
GdB von 40 rechtfertigt wäre. So bestanden nach den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und der von der Klägerin aufgeführten Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu vernachlässigende Anhaltspunkte dafür, dass die Bemessung des Einzel-
GdB für die Erkrankung der Brust nach Ablauf der Heilungsbewährung mit einem Wert von mehr als 10 zu bemessen gewesen ist, da sie am 4. November 2010 im Rahmen des von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Neufeststellung des Grades der Behinderung angegeben hat, postoperativ unter einem Lymphödem im rechten Arm zu leiden (Bl. 102 der Verwaltungsakte). Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin zu Beginn des stationären Aufenthaltes in der Knappschaftsklinik W am 14. März 2017, bei der sie über dauerhafte Beschwerden des rechten Armes bei Zustand nach Mamma-OP klagt und mit dem Vortrag im Berufungsverfahren.
Nach
14.1 VMG ist für eine einseitige Segment oder Quadrantenresektion der Brust ein
GdB von 10 bis 20 anzusetzen. Dabei werden bestimmte Funktionseinschränkungen oder Operations-
bzw. Bestrahlungsfolgen gesondert hervorgehoben. So sind insbesondere Lymphödeme, Muskeldefekte, Nervenläsionen und Fehlhaltungen
ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Für den Senat besteht damit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Einzel-
GdB für diese Funktionseinschränkungen jedenfalls mit einem Wert von 20 anzusetzen ist. Für die Annahme, dass lediglich ein Einzel-
GdB von 10 festgestellt werden kann, hat der Beklagten jedenfalls aber keine hinreichenden, auf eigenen Ermittlungen beruhenden Feststellungen getroffen, die den Senat in die Lage versetzen, diese Einschätzung auf Schlüssigkeit zu untersuchen.
Daneben liegen weitere Funktionseinschränkungen auf neurologisch-psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet vor, die bereits von dem Beklagten jeweils mit einem Einzel-
GdB von 30 bewertet worden sind, sowie weitere Gesundheitsstörungen durch Lymphödeme in den Beinen mit einem Einzel-
GdB von 20. In einem solchen Fall ist der
GdB gemäß § 69
Abs. 3
SGB IX a.F. nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach
Teil A 3c VMG ist bei der Beurteilung des Gesamt-
GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-
GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
Ausgehend von der unzutreffenden Festsetzung des Einzel-
GdB für den Funktionskreis Brust ist daher auch die von dem Beklagten vorgenommene Bildung des Gesamt-
GdB nicht nachvollziehbar. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass bei sich wechselseitig beeinflussenden Funktionsstörungen dieses Gewichts eine Erhöhung des höchsten Einzel-
GdB um 20 und damit mindestens auf 50 vorzunehmen war.
Vorliegend hat es der Beklagte es jedoch unterlassen, hinreichende Ermittlungen zum Ausmaß der bei der Klägerin vorhandenen Funktionseinschränkungen und deren wechselseitigen Beeinflussung - beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - vorzunehmen. Die insoweit fehlenden Ermittlungen sind auch nicht vom Sozialgericht nachgeholt worden. Eine Beweiserhebung durch den Senat war allerdings nicht veranlasst, da auszuschließen ist, dass mehr als sechs Jahre nach Erlass des Widerspruchsbescheides noch tragfähige Aussagen zum Gesundheitszustand der Klägerin und des Ausmaßes der Funktionsbeeinträchtigungen zu diesem Zeitpunkt zu gewinnen sind, auf die sich der Senat hätte stützen können. Der Umstand, dass der Beklagte seinerzeit den Sachverhalt nicht umfassend ermittelt und auf dieser unsicheren Grundlage zeitlich unbefristete Feststellungen im Wege des Verwaltungsaktes getroffen hat, geht zu seinen Lasten, wenn - wie hier - die in der Vergangenheit liegenden tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr aufgeklärt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache und dem Ausmaß des wechselseitigen Unterliegens, nachdem die Klägerin ursprünglich eine vollständige Aufhebung des Herabsenkungsbescheides und damit die Wiederherstellung der Feststellung eines
GdB von 60 begehrt hatte.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2
SGG) sind nicht erfüllt.