Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin in der Besetzung gemäß § 153
Abs. 5
SGG entscheiden, nachdem die entsprechende Übertragung zunächst mit Beschluss vom 12. April 2018 und sodann erneut mit Beschluss vom 4. April 2019 erfolgt ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Senat ordnungsgemäß besetzt; eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin geltend macht, vor der Übertragung des Rechtsstreits gemäß § 153
Abs. 5
SGG nicht angehört worden zu sein, wie dies nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
vgl. BSG, Beschluss vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 53/18 B -) erforderlich ist, gilt dies für den Beschluss des Senats vom 12. April 2018. Dieser Beschluss mit anschließender mündlicher Verhandlung vom 11. September 2018 ist aber ausreichende Anhörung im Hinblick auf den erneuten Senatsbeschluss gemäß § 153
Abs. 5
SGG vom 4. April 2019. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin in Kenntnis des Beschlusses vom 12. April 2018 sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung am 11. September 2018 ausreichend Gelegenheit, sich zu dieser Übertragung zu äußern. Im Weiteren ist sodann nach durchgeführter medizinischer Sachermittlung eine erneute Vorlage des Rechtsstreits an den Senat erfolgt, die nicht zu einer abweichenden Entscheidung, sondern zu der bestätigenden Übertragungsentscheidung geführt hat.
Für die Übertragung der Berufung auf den "kleinen Senat" ist entgegen der Auffassung der Klägerin gemäß § 153
Abs. 5
SGG, der nur verlangt, dass das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat, auch nicht erforderlich, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Ob es sich um ein rechtlich und/oder tatsächlich einfach gelagertes Verfahren handelt, ist nur bei Ausübung des Ermessens durch den Senat im Rahmen der Übertragungsentscheidung zu berücksichtigen. Ermessensfehler können nur dann zu einer fehlerhaften Besetzung der Richterbank führen, wenn sie von Willkür, sachfremden Erwägungen oder grober Fehleinschätzung getragen werden (
vgl. BSG, Urteil vom 21. September 2017- B 8 SO 3/16 R -). Hiervon kann vorliegend angesichts der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den Regeln über die Heilungsbewährung (
vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 -
B 9 SB 2/15 R; Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand März 2017, § 48
SGB X,
Rdnr. 20) sowie zur Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bei der gerichtlichen Überprüfung von Aufhebungs-
bzw. Herabsetzungsentscheidungen (
vgl. BSG, Urteile vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/15 R -, vom 29. April 2015 - B 14 AS 10/14 R - und vom 15. August 1996 -
9 RVs 10/94) sowie einer für das Schwerbehindertenrecht auch im Übrigen typischen Fallgestaltung keinesfalls ausgegangen werden.
Der Feststellungsantrag ist bereits unzulässig, da es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Im Erfolgsfalle führt allein die Anfechtungsklage aufgrund der dann eintretenden Fortwirkung des Bescheides vom 2. April 2009 zu einer Weitergewährung des
GdB von 50 auch über den 1. Dezember 2014 hinaus. Für ein Feststellungsbegehren bleibt damit kein Raum.
Die im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 6. Juni 2017 sowie die angegriffenen Bescheide des beklagten Landes sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das beklagte Land hat zu Recht den
GdB bei der Klägerin auf 40 herabgesetzt; diese hat keinen Anspruch auf Fortgewährung des
GdB von 50.
Das Sozialgericht und das beklagte Land sind zu Recht davon ausgegangen, dass aufgrund einer wesentlichen Änderung in den für den Erlass des Bescheides vom 2. April 2009 maßgeblichen Verhältnissen die bei der Klägerin dokumentierten Funktionsbeeinträchtigungen keinen höheren Gesamt-
GdB als 40 begründen.
Rechtsgrundlage für die beantragte Feststellung eines
GdB ist seit 1. Januar 2018
§ 152 Abs. 1 SGB IX - (bis 31. Dezember 2017
§ 69 Abs. 1 SGB IX, zuletzt in der Fassung des Artikel 2
Nr. 2 des Bundesteilhabegesetzes -
BTHG - vom 23. Dezember 2016). Nach § 152
Abs. 1 Satz 1
SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den
GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als
GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur zu treffen ist, wenn ein (Gesamt-)Grad der Behinderung von wenigstens 20 vorliegt (§ 152
Abs. 1 Satz 5 und 6
SGB IX). Gemäß
§ 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der
GdB gemäß § 152
Abs. 3 Satz 1
SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Dabei sind nur diejenigen Menschen als schwerbehindert anzuerkennen, bei denen ein
GdB von wenigstens 50 vorliegt (§ 2
Abs. 2 1. Halbsatz
SGB IX). Für die Beurteilung des Anspruchs der Klägerin ergibt sich aus den seit 1. Januar 2018 geltenden Vorschriften keine relevante Änderung.
Die Bestimmung des
GdB erfolgt unter Heranziehung der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" gemäß der
Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I, Seite 2412) und vom 11. Oktober 2012 (BGBl. I
S. 2122), zuletzt in ihrer Fassung vom 23. Dezember 2016 (
Art. 18
Abs. 4
BTHG).
Nach § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung kann auch darin bestehen, dass Behinderungen weggefallen sind oder dass sich festgestellte Behinderungen derart verbessert haben, dass sie nur noch einen geringeren
GdB bedingen. Erforderlich ist eine Gegenüberstellung der objektiven Befunde, die der letzten bindend gewordenen Feststellung des Versorgungsamtes zugrunde lagen, und der Befunde, die nunmehr vorliegen.
Wird ein Aufhebungs-
bzw. Herabsetzungsbescheid gemäß § 48
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (
SGB X) gerichtlich angefochten, so beurteilt sich seine Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses (
vgl. BSG, Urteile vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/15 R -, vom 29. April 2015 - B 14 AS 10/14 R, vom 12. November 1996 -
9 RVs 5/95 und vom 15. August 1996 - 9 RVs 10/94; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 20. Oktober 2010 -
L 16 SB 60/08 - jeweils nach juris).
Die Neufeststellung nach Ablauf einer Heilungsbewährung nach Krebserkrankungen stellt im Rahmen der Feststellung einer Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nach § 48
SGB X einen Sonderfall dar. Hier wird zunächst für den Zeitraum der Heilungsbewährung pauschal ein höherer
GdB angenommen, als sich in der Regel aufgrund der tatsächlich festzustellenden Funktionsbeeinträchtigungen ergibt, und erst nach Ablauf des Zeitraumes eine Feststellung nach den tatsächlichen verbliebenen Beeinträchtigungen getroffen. Um eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen handelt es sich auch bei dem erfolgreichen Ablauf der Heilungsbewährung (
vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995 -
9 RVs 14/94 - juris
Rdnr. 13;
BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 -
9 RVs 3/89 - juris
Rdnr. 12; Landessozialgericht -
LSG - Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Januar 2011 -
L 6 (7) SB 135/06 - juris
Rdnr. 23;
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. September 2012 - L 11 SB 41/10). Die Heilungsbewährung ist ein sozialrechtliches Institut, welches nach Maßgabe der früheren "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (
AHP) wie auch der nachfolgend seit dem 1. Januar 2009 in Kraft getretenen
VMG Folgendes beinhaltet: Im Rahmen bestimmter Erkrankungen, wie
z. B. bösartiger Tumorerkrankungen, ist nach der Tumorentfernung im Sinne einer Primärtherapie für eine bestimmte Zeit pauschal ein höherer
GdB anzunehmen als in der Regel aufgrund der infolge des Organschadens
bzw. der Therapiefolgen tatsächlich bedingten Funktionsbeeinträchtigungen gerechtfertigt wäre. Dabei sollen neben der Rezidivgefahr insbesondere auch die weiteren vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind, berücksichtigt werden (
vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995 -
a. a. O. - juris
Rdnr. 13), und zwar unabhängig davon, ob diese Folgewirkungen im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sind oder nicht. Nach rückfallfreiem Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung tritt insoweit eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48
SGB X ein, als jetzt nach medizinischer Erfahrung regelmäßig die Krebserkrankung in dem Sinne überwunden ist, dass eine unmittelbare Lebensbedrohung nicht mehr besteht, und außerdem die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung in aller Regel entfallen oder wenigstens gemindert sind, so dass eine von den konkreten Verhältnissen unabhängige abstrakte Einschätzung des
GdB nicht mehr gerechtfertigt ist. Dies bedeutet, dass die bisherige abstrakte Bewertung der unterstellten körperlichen und seelischen Auswirkungen der Erkrankung als nicht mehr angemessen angesehen wird und daher die Neufeststellung des
GdB notwendig wird. Hintergrund und Zweck der Heilungsbewährung ist nämlich eine pauschalierende Besserstellung der durch eine Tumorerkrankung Betroffenen für einen bestimmten, aufgrund allgemeiner statistischer Erkenntnisse festgelegten Zeitraum nach der Diagnose ohne eine individuelle Betrachtung des Einzelfalles mit seinen jeweils tatsächlich bestehenden Beeinträchtigungen (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. Juli 2015 - L 13 SB 122/14 -,
Rdnr. 21, juris). Dabei wird insbesondere auch ohne gesonderte Anerkennung einer irgendwie diagnostizierten geistig-psychischen Behinderung ("Rezidivangst") - der psychischen Ausnahmesituation, die bei der Krebsdiagnose besteht, umfassend Rechnung getragen werden (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 26. November 2013 - L 3 SB 13/10 -,
Rdnr. 25, juris
m.w.N.). Diese Vergünstigung wird jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt.
Nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors im Stadium (T1 bis T2) pN0 M0 ist für die Dauer einer Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren der
GdB mit 50 festzustellen (
VMG Teil B
Nr. 14.1). Ausweislich der eigenen Angaben der Klägerin und auch der gesamten aktenkundigen medizinischen Dokumentation ist bei der Klägerin nach operativer Entfernung eines Mamma-Carcinoms im Dezember 2008 zu keinem Zeitpunkt eine Metastasierung oder ein Tumorrezidiv aufgetreten. Die abzuwartende Heilungsbewährungsfrist ist damit zum Zeitpunkt der Erteilung des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2014 eingetreten.
Damit war vorliegend nach Ablauf der Heilungsbewährung eine Beurteilung des
GdB nur noch nach den tatsächlich bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser eine Herabsetzung des
GdB auf 40 gerechtfertigt.
Das Sozialgericht hat zu Recht die bei der Klägerin bestehende psychische Störung mit einem Einzel-
GdB von 30 bewertet. Diese Bewertung erfasst eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (
VMG Teil B Nr. 3). Dabei hat das Sozialgericht bereits die Angaben der die Klägerin seit Oktober 2016 psychotherapeutisch behandelnden
Dipl.-Psych. J. in deren Befundbericht vom 24. Januar 2017 berücksichtigt. Die Bewertung ist damit für die Vergangenheit auf der gleichen Befundlage erfolgt, wie sie auch dem im Berufungsverfahren tätigen Sachverständigen
Prof. Dr. K. vorlag. Hinsichtlich der Würdigung der von Frau
Dipl.-Psych. J. mitgeteilten Befunde wird daher zunächst in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen, die sich der Senat zu Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153
Abs. 2
SGG zu eigen macht, und von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit abgesehen. Ein höherer Einzel-
GdB für den insgesamt bei der Klägerin bestehenden psychischen Gesundheitszustand und die hieraus erwachsenden Beeinträchtigungen kommt angesichts der vorliegenden sozial- und arbeitsanamnestischen Angaben in dem Bericht der
Dipl.-Psych. J., im Reha-Entlassungsbericht der Medical Park Klinik Prien vom 13. September 2017 sowie im neuropsychiatrischen Gutachten des
Prof. Dr. K. vom 25. Februar 2019 nicht in Betracht. Die Klägerin ist in der Lage, den anspruchsvollen und unter vielerlei Aspekten belastenden Beruf der Flugbegleiterin in Wechselschicht auszuüben, auch ohne dass es aufgrund psychischer Erkrankungen zu Arbeitsausfällen kommt. Zeiträume von Arbeitsunfähigkeit in geringem Umfang sind vorliegend nur wegen akuter Erkrankungen, wie einer entzündlichen Divertikulitis und orthopädischer Beschwerden, aktenkundig. Im Zusammenhang mit der Berufsausübung hat die Klägerin gegenüber
Prof. Dr. K. auch ausgeführt, gut mit Menschen umgehen zu können, was ebenfalls nennenswerte soziale Anpassungsschwierigkeiten spricht. Neben der beruflichen Belastung ist die Klägerin auch zu sportlicher Tätigkeit in der Lage; hierzu hat sie im Rahmen der im August/September 2017 durchgeführten orthopädischen Reha-Maßnahme angegeben, sie betreibe Nordic Walking und Fahrradfahren (häufig) und mache 4x wöchentlich Wirbelsäulenübungen; auch in der Untersuchung durch
Prof. Dr. K. hat die Klägerin die regelmäßigen Wirbelsäulenübungen sowie das Laufen angegeben. Soweit die Klägerin eine Einschränkung ihres sozialen Umfeldes (außerhalb der beruflichen Tätigkeit) auf ihren Sohn und ihre Schwester angibt und Schlafstörungen beschrieben werden, können diese nach den aktenkundigen Angaben allenfalls teilweise auf psychische Beeinträchtigungen zurückgeführt werden. Hier wirkt sich nach den eigenen Angaben der Klägerin vielmehr in erster Linie die berufliche Belastung aus: Zu einer fehlenden Partnerschaft gibt sie an, Partnerschaften seien "sehr schwierig in ihrem Beruf"; zur Frage des Freundes und Bekanntenkreises führt sie nicht nur eine Mutlosigkeit bezüglich möglicher Kontaktaufnahmen an, sondern auch, dass für weitere Kontakte über die zu ihrer Schwester und zu ihrem Sohn hinaus "keine Zeit" bleibe. Auch dass sie nicht durchschlafen könne, ist nach Angaben der Klägerin gegenüber
Prof. Dr. K. "das Schichtproblem". Im Übrigen erfolgt auch neben der psychotherapeutischen Behandlung keine Medikation wegen einer depressiven Störung oder einer Angststörung, wie dies aber im Falle von stärker behindernden psychischen Störungen, die einen
GdB von 30 oder sogar mehr bedingen, regelmäßig der Fall ist. Der Einzel-
GdB von 30 für eine psychische Störung umfasst damit aber nicht nur die von
Prof. Dr. K. mit einem Einzel-
GdB von 20 bewertete "Angststörung und depressive Störung", sondern die gesamte psychische Symptomatik, die bei der Klägerin besteht und wie sie Frau
Dipl.-Psych. J. beschreibt, also auch psychische Störungen im Zusammenhang mit Ohrgeräuschen sowie eine Erschöpfungssymptomatik im Zusammenhang mit dem Brustteilverlust. Eine Angstsymptomatik aufgrund der vorbestehenden Tumorerkrankung ist im Rahmen der Angststörung berücksichtigt.
Damit verbleibt, da eine Doppelbewertung der psychischen Beschwerden nicht erfolgen darf, für den bestehenden Brustteilverlust bei brusterhaltender Operation (
VMG Teil B Nr. 14.1) sowie für einen Tinnitus (
VMG Teil B Nr. 5.3) jeweils nur die Möglichkeit der Bewertung mit einem Einzel-
GdB von 10.
Auch die Verdauungsbeschwerden können keinen höheren
GdB als 10 begründen. Lediglich die Untersuchungen im Januar 2017 ergaben eine Divertikulose und entzündliche Veränderungen in Form einer leichtgradigen chronischen Antrumgastritis sowie einer mäßiggradigen chronischen Refluxösophagitis. Ein Anhalt für Malignität hat sich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in Bezug auf einen submukösen Tumor im Magen ergeben, und die späteren gastroenterologischen Untersuchungen haben jeweils unauffällige Befunde, insbesondere auch der Schleimhäute ergeben. Zudem ist den aktenkundigen medizinischen Befunden durchgängig ein normaler Ernährungszustand und ein guter Allgemeinzustand der Klägerin zu entnehmen.
Bezüglich der Bewertung orthopädischer Beeinträchtigungen schließt der Senat sich den Feststellungen des Sozialgerichts gemäß § 153
Abs. 2
SGG an. Aus den im Berufungsverfahren zu den Akten genommenen orthopädisch-chirurgischen Befunden ist eine andere Beurteilung nicht ableitbar. So ergeben sich aus der Patientendatei des
Dr. F. leicht- bis allenfalls zeitweise mittelgradige funktionelle Beeinträchtigungen im Bereich der Lendenirbelsäule und allenfalls geringgradige Beeinträchtigungen im Bereich der Halswirbelsäule, jeweils ohne Paresen oder andere neurologische Ausfallerscheinungen; auch das Zeichen nach Lasegue war negativ. Der Einzel-
GdB von 20 hierfür ist nicht zu beanstanden (
VMG Teil B Nr. 18.9); schwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mindestens mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitte, die Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Einzel-
GdB von 30 wären, sind nicht ersichtlich und werden im Übrigen auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Im Januar 2017 einmalig geklagte Beschwerden im Bereich des linken Schultergelenkes waren nicht mit Funktionseinschränkungen verbunden, das Schultergelenk war frei beweglich. Eine
GdB-Relevanz ergibt sich hier nicht.
Unter Berücksichtigung der Vorgaben zur Gesamt-
GdB-Bildung kann damit auch kein höherer
GdB als 40 zuerkannt werden. Bei der Beurteilung des Gesamt-
GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-
GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten
GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (
VMG Teil A Ziff. 3 c)). Von Ausnahmefällen
(z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen
GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem
GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (
VMG Teil A Ziff. 3 d) ee)). Bei den vorliegenden Einzel-
GdB-Werten von 30 wegen einer psychischen Erkrankung, von 20 wegen Funktionsstörungen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke und von jeweils 10 wegen des Brustteilverlustes und der Ohrgeräusche kommt hiernach insgesamt ein höherer
GdB als 40 nicht in Betracht.
Der Senat hatte auch keine weiteren Ermittlungen aufgrund der entsprechenden Hilfsanträge der Klägerin durchzuführen. Eine Ladung des Sachverständigen
Prof. Dr. K. zu einer persönlichen Erläuterung seines Gutachtens aufgrund des Antrags der Klägerin war nicht veranlasst. Dieser Beweisantrag ist schon nicht auf eine erforderliche Sachverhaltsaltsaufklärung im Sinne des Vorliegens einer behaupteten Tatsache gerichtet, sondern ausschließlich auf die letztlich juristisch vorzunehmende Frage der
GdB-Bewertung. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des hier von der Klägerin in Bezug genommenen Schriftsatzes vom 8. Mai 2019. Zu dem dortigen Vortrag kann der Sachverständige schon mangels eigener Kenntnis keine Angaben machen, da er die Klägerin in dem relevanten Zeitraum von 2014 bis 2016 nicht gekannt hat und eine psychotherapeutische Behandlung in dieser Zeit unstreitig nicht stattgefunden hat. Der dortige Vortrag der Klägerin geht dahin, dass sie bereits im Jahr 2014 unter psychischen Beschwerden in einem Ausmaß gelitten habe, wie es
Prof. Dr. K. erst ab Oktober 2016 aufgrund der Aufnahme der psychotherapeutischen Behandlung bei Frau
Dipl.-Psych. J. festgestellt hat. Dieser Vortrag der Klägerin kann im Ergebnis aber als wahr unterstellt werden, ohne dass sich eine andere
GdB-Bewertung ergäbe. Wie sich bereits aus der oben durchgeführten rechtlichen Würdigung der Bewertung des psychischen Erkrankung der Klägerin ergibt, berücksichtigt der in die Feststellung eines
GdB von 40 eingeflossene Einzel-
GdB von 30 wegen psychischer Störungen ein Vorliegen der von Frau
Dipl.-Psych. J. für die Zeit ab Oktober 2016 mitgeteilten Befunde bereits im Jahr 2014. Damit erübrigt sich ebenso die beantragte Befragung des Sachverständigen
Prof. Dr. K. dahingehend, ob der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. März 2019 vertretenen Auffassung gefolgt werden müsse. Diesbezüglich gilt im Übrigen, dass eine abweichende Bewertung durch einen anderen Mediziner nicht generell das Erfordernis einer erneuten Anhörung des Sachverständigen nach § 109
SGG begründet. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich entscheidende neue Aspekte ergäben hätten, zu denen der Sachverständige nach § 109
SGG sich noch nicht hatte äußern können; es gibt grundsätzlich keinen Anspruch, dem Sachverständigen nach § 109
SGG "das letzte Wort" zu erteilen (
vgl. Keller in: Meyer-Ladewig /Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 12. Auflage, § 109
Rdnr. 10b). Neue Tatsachen, die dem versorgungsärztlichen Dienst, nicht aber schon
Prof. Dr. K. bekannt gewesen sind, werden weder vorgetragen, noch ergeben sich solche aus den aktenkundigen Unterlagen oder der versorgungsärztlichen Stellungnahme selbst.
Auch dem weiteren Hilfsantrag auf Einholung einer Auskunft beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung
bzw. bei dem dort angesiedelten "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" hatte der Senat nicht nachzukommen. Unabhängig von dem Umstand, dass das Gericht an die Festlegungen der
Rechtsverordnung gebunden ist, liegt dem Antrag die rein hypothetische Überlegung zugrunde, der fünfjährige Zeitraum der Heilungsbewährung bei Vorliegen eines bösartigen Brusttumors könne möglicherweise nicht mehr ausreichend sein; einem solchen Antrag ist als reinem Ausforschungsbeweis nicht nachzugehen. Im Übrigen weist der Senat in diesem Zusammenhang auch auf den nach mehrjährigen Beratungen des Ärztlichen Sachverständigenbeirates im August 2018 veröffentlichten Entwurf der Sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung hin. Hierin wird nicht nur ausdrücklich "das bisherige Konstrukt der Heilungsbewährung als pauschale Bewertung für begrenzte Zeit" beibehalten und in der Begründung darauf hingewiesen, dass der "in Teil B für die einzelnen Gesundheitsstörungen festgesetzte Zeitraum der Heilungsbewährung die über die jeweiligen Gesundheitsstörungen vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt. Für die hier maßgebliche Regelung der Heilungsbewährung nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors in Teil B
Nr. 14.1
VMG sieht der Entwurf der Sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung keine Veränderung vor. Hinweise auf einen diesbezüglich geänderten medizinischen Erkenntnisstand finden sich damit auf der Grundlage des Beratungsergebnisses des Ärztlichen Sachverständigenbeirates in den letzten Jahren nicht.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §193
SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160
Abs. 2
SGG.