Die zulässige Berufung ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.
Nach § 159
Abs. 1
Nr. 1
SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und die Entscheidung des SG auf diesem Verfahrensstoß beruhen kann. Verfahrensmangel ist u.a. ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Denn das SG hat den Amtsermittlungsgrundsatz und damit eine zwingende Verfahrensvorschrift verletzt. Der Verstoß gegen das in § 103
SGG normierte Gebot der Sachaufklärung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel da (
BSG, Urteil vom 24.11.1977 - 9 RV 64/74 - SozR 1500 § 103
Nr. 16; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Auflage, § 103 Rn. 20), der zur Zurückverweisung gemäß § 159
Abs. 1
Nr. 2
SGG führen kann.
Gemäß § 103
SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen (Satz 1). Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (Satz 2). Das Gericht muss alle Tatsachen ermitteln, die für die Entscheidung wesentlich, d.h. entscheidungserheblich sind. Bei einer Anfechtungsklage - um eine solche handelt es sich vorliegend - gehören dazu alle Tatsachen, von denen die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes abhängt.
Nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (
SGB X) - Verwaltungsverfahren -
i.V.m. §§ 3 und 4 Schwerbehindertengesetz
bzw. ab 01.07.2001 §§ 2, 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (
SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisses, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung
i.S.d. § 48
SGB X ist auch eine Änderung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Klägers seit Erlass des bindenden Bescheides zu sehen. Die Prüfung einer solchen Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse setzt im wesentlichen einen Vergleich zwischen den gesundheitlichen Verhältnissen, die bei Erlass des letzten bindenden Bescheides vorgelegen haben, und denen voraus, die im Zeitpunkt der beabsichtigten oder gebotenen Änderung (
GdB-Feststellung) vorliegen. Im Falle der Anfechtungsklage ist auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Beklagten - hier März 2002 (Widerspruchsbescheid vom 12.03.2002) - abzustellen (
BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 -
9 RVs 12/95 -; Urteil vom 10. September 1997 -
9 RVs 15/96 - SozR 3-3870 § 3
Nr. 7), das heißt, es sind zunächst die Funktionsstörungen und deren Auswirkungen in diesem Zeitpunkt festzustellen.
Die dazu angestellten Ermittlungen des SG sind nicht ausreichend. Es hätte seine Entscheidung nicht allein auf die eingeholten Befundberichte stützen dürfen. Zwar mag die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte im Einzelfall zu zutreffenden Ergebnissen führen; Befundberichte können auch Grundlage von Vergleichsvorschlägen sein, sie rechtfertigen es aber grundsätzlich nicht, von einer weiteren Sachaufklärung durch Sachverständigengutachten nach § 106
SGG abzusehen. Denn Befundberichte haben als Mitteilung des behandelnden Arztes im Vergleich zu einem Sachverständigengutachten (§§ 402 ff Zivilprozessordnung -
ZPO -) grundsätzlich nur einen minderen Beweiswert. Es besteht ein grundlegender Unterschied in der prozessualen Stellung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen und eines zu Auskunftszwecken heran gezogenen behandelnden Arztes. Dieser steht zu seinem Patienten in einer durch ein besonderes Vertrauensverhältnis, aber auch in einer gleichermaßen durch pekuniäre Interessen geprägten Beziehung. Demgegenüber ist der gerichtliche Sachverständige kraft Gesetzes verpflichtet, sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten (§§ 410
ZPO). Eine Verletzung dieser Pflichten kann erhebliche strafrechtliche Folgen nach sich ziehen (§§ 153, 154, 163
Abs. 1 Strafgesetzbuch - StGB -). Deswegen kommt der Sachverständigenbeurteilung grundsätzlich der höhere Beweiswert zu ( Senatsbeschluss vom 04.02.2002 -
L 10 B 30/01 SB -). Hiervon kann nur in eindeutigen Konstellationen,
z. B. bei Mitteilung schlichter meßtechnischer Daten oder Verwertung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten abgesehen wer den. Das SG hätte sich demzufolge angesichts der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gemachten Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers gedrängt fühlen müssen, weitere Befundberichte und Gutachten
ggf. von Fachärzten einzuholen (hierzu Bayer.
LSG, Urteil vom 08.03.2000 -
L 18 SB 110/99 -), wobei den behandelnden Ärzte zunächst gezielte Fragen hinsichtlich der im fraglichen Zeitraum geklagten Beschwerden, der erhobenen Befunde und etwa durchgeführten
bzw. angeordneten Therapien hätten gestellt werden müssen.
Zwar hat das SG zu Recht unter Berücksichtigung der
AHP Nr. 26.13 (
S. 112) für die 1994 operierte Hodengeschwulst rechts den Eintritt einer Heilungsbewährung bejaht mit der Folge, dass der
GdB nur unter Beachtung der tatsächlich vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bewerten ist. Daneben sind jedoch die im maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden, auch neu hinzugetretenen Funktionsstörungen in die Einschätzung des
GdB einzubeziehen. So sind sowohl in den im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren eingeholten Befundberichten eine depressive Reaktion/posttraumatische Belastungsstörung (Dres. H./ D.), ein Halswirbelsäulensyndrom, Schultergelenksbeschwerden i.
S. eines Rotatorenmanschettensyndroms der linken Schulter (
Dr. Sch.)
bzw. eine Periathritis humero scapularis links (
Dr. K.,
Dr. L.), eine Ulnarisschädigung sowie ein Karpaltunnelsyndrom links (
Dr. H.) dokumentiert worden. Dass diese Gesundheitsstörungen im März 2002 nicht mehr
bzw. noch nicht vorgelegen haben, lässt sich den Berichten nicht entnehmen, ebenso nicht, ob und inwieweit diese zu Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft geführt haben. Insbesondere hätte das SG bei seiner Entscheidung nicht die Beurteilung des behandelnden Internisten
Dr. K. hinsichtlich der für ihn fachfremden Gesundheitsstörungen berücksichtigen dürfen.
Ebensowenig lässt der Umstand, dass sich der Kläger nicht in psychotherapeutischer Behandlung befunden hat, zwingend den Schluss zu, dass im Zeitpunkt der Herabsetzung keine psychischen Störungen vorgelegen haben, die über die dem Ausmaß der organischen Veränderungen entsprechenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen hinausgehen. Das lässt sich insbesondere nicht aus der Angabe des behandelnden Arztes
Dr. D., die alte Symptomatik (wohl Z. n. Hodenkarzinom, posttraumatische Belastungen) habe sich gebessert, herleiten (Bericht vom 22.05.2002).
Auch lassen sich aufgrund der eingeholten Befundberichte nicht das Ausmaß und die Auswirkungen der orthopädisch/ chirurgischen Gesundheitsstörungen bezogen auf den Herabsetzungszeitraum feststellen. Darüber, dass es sich bei dem von dem behandelnden Orthopäden
Dr. Sch. im Mai 2001 beschriebenen Halswirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen nur um leichtgradige Veränderungen gehandelt hat und diese auch nur in diesem Ausmaß im Zeitpunkt der Herabsetzung (März 2002) bestanden haben, lässt sich ebenfalls aufgrund der vorliegenden Berichte keine Feststellung treffen.
Das gilt ebenso für die bereits von
Dr. Sch. im Mai 2001 diagnostizierten Schulterbeschwerden links, die als Ausdruck eines Rotatorenmanschettensyndroms
bzw. einer Periarthritis humero scapularis bewertet wurden.
Hinsichtlich der dokumentierten Gesundheitsstörungen "sensible Ulnarisschädigung links sowie Karpaltunnelsyndrom links" wären ebenfalls weitere Ermittlungen angezeigt gewesen. Der von
Dr. D. angegebene Zeitpunkt des Eintritts dieser Gesundheitsstörungen - Frühjahr 2002 - spricht dafür, dass sie bereits im März 2002 vorgelegen haben. Dass es sich dabei lediglich um vor übergehende Erkrankungen gehandelt hat, die bei der Einschätzung des
GdB außer Acht zu lassen gewesen wären, ist angesichts der Ausführungen des
Dr. K. in seiner Bescheinigung vom 21.08.2002 zweifelhaft und hätte weiterer Ermittlungen bedurft.
Die Ablehnung des gemäß § 109
SGG gestellten Antrages und deren fehlende Begründung waren - unter Zugrundelegung des Standpunktes des SG, weitere Ermittlungen seien nicht geboten gewesen - ebenfalls verfahrensfehlerhaft (
BSG, Urteil vom 09. 10.1969 - 10 RV 516/68 -, KOV 1970/72 ff; Urteil vom 31.01.1973 - 9 RV 362/72 - KOV 1974/15; Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU 177/97, SozR 3 - 1500 § 109
SGG Nr. 2; Meyer-Ladewig,
SGG, 7. Auflage, § 109 Rn. 17). Die Begründung ist nicht deswegen entbehrlich, weil ein Beschluss nach § 109
Abs. 1
SGG nicht gesondert anfechtbar ist (§ 172
Abs. 2
SGG). Denn der Beschluss kann mit der Berufung angefochten werden (Meyer-Ladewig a.a.O., § 109 Rn. 20 ).
Gemäß § 109
SGG muss auf Antrag des Behinderten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Das Gericht kann gemäß § 109
Abs. 2
SGG einen Antrag nur ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Es kann insbesondere von der Einholung des Gutachtens nicht absehen, weil es dessen Einholung nicht für notwendig oder den Sachverständigen nicht für geeignet hält (
BSG, Beschluss vom 23.09.1997 - 2 BU 177/97 -, a.a.O.).
Welche Gründe das SG zur Ablehnung des Antrages bewogen haben, ist mangels einer Begründung des Beschlusses
bzw. in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht zu erkennen. Ebensowenig sind Ablehnungsgründe offen sichtlich. Insbesondere ergeben sich weder Verschleppungsabsicht noch grobe Nachlässigkeit aus dem Prozessverlauf. Denn der Kläger konnte allein aufgrund des Ergebnisses der vom SG durchgeführten Ermittlungen nicht davon ausgehen, dass dieses den Rechtsstreit für entscheidungsreif
i.S.d. Klageabweisung gehalten hat.
Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das SG nach der gebotenen Durchführung weiterer Ermittlungen
bzw. des gemäß § 109
SGG eingeholten Gutachten zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage gelangt wäre. Die trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 159
Abs. 1
SGG nicht zwingend vorgeschriebene, sondern nur im Ermessen des Senats stehende Zurückverweisung erscheint angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens im Hinblick darauf, dass den Beteiligten eine weitere Tatsacheninstanz erhalten bleiben soll, geboten.
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt dem SG vorbehalten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Abs. 2
SGG).