I. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014 und vom 19. Oktober 2017 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung von Gesundheitsbeeinträchtigungen an seiner rechten Schulter als weitere Folge des anerkannten - Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 sowie die Gewährung einer Verletztenrente über den 3. Dezember 2009 hinaus nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (
MdE) von mindestens 20 vom Hundert (v. H.).
Der 1968 geborene Kläger war bei der Firma C. Gerätewerke (C. Group
GmbH) in A-Stadt beschäftigt. Nach der auf der Schilderung des Klägers beruhenden Unfallanzeige seiner Arbeitgeberin sei der Kläger am Unfalltag beim Abstieg vom Hochregalstapler mit dem rechten Fuß in der Schlaufe des Scannerkabels hängen geblieben und hierbei mit der linken Körperseite auf den Boden gestürzt. Ebenso wird in dem Durchgangsarztbericht des
Dr. D. vom 27. Februar 2008 zu den Angaben des Versicherten zum Unfallhergang angegeben, dieser sei beim Absteigen von einem Stapler an einem Kabel hängen geblieben und dann auf die linke Seite gefallen. Als Befund werden diverse Beschwerden an der linken Schulter, am linken Ellenbogen, an der linken Hand und am Daumen beschrieben. Geröntgt wurden ebenfalls die linke Schulter, der linke Ellenbogen, das linke Handgelenk und die linke Hand. Dabei ergab sich kein Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung.
Dr. D. diagnostizierte eine Prellung der linken Schulter, der linken Hand und des linken Ellenbogens. Bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 21. März 2008 und Abschluss der durchgangsärztlichen Betreuung infolge des Unfallereignisses im April 2008 wurde ausschließlich die linke Seite behandelt.
Ab September 2009 war der Kläger erneut wegen Beschwerden im linken Schultergelenk arbeitsunfähig. Diagnostiziert und mittels Arthroskopie behandelt wurde eine SLAP II-Läsion der linken Schulter. Der Kläger hatte angegeben, seit dem Unfall vom 26. Februar 2008 nicht mehr beschwerdefrei geworden zu sein. Nach Beiziehung der Behandlungsunterlagen holte die Beklagte ein orthopädisch-traumatologisches Zusammenhangsgutachten bei der Fachärztin für Orthopädie
Dr. E. vom 27. März 2010 ein. Ihr gegenüber habe der Kläger den Unfallhergang ausführlicher und präziser beschrieben, als er in dem Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008 dokumentiert worden sei: Er habe den Stapler auf der rechten Seite verlassen und sei an einem im Stapler hängenden Scannerkabel mit dem Bein hängen geblieben. Er sei nach vorn gestürzt und habe versucht, sich mit den Armen abzufangen, so dass er auf den ausgestreckten Arm, nach seinen Angaben mehr linksseitig als rechtsseitig gelandet sei. Zu den Beschwerden nach dem Unfall gab der Kläger dort an, dass er direkt danach einen brennenden Schmerz in der Schulter gespürt, aber zunächst weitergearbeitet und sich erst am nächsten Tag beim Durchgangsarzt vorgestellt habe. Die Beweglichkeit des linken Armes sei zunehmend schlechter geworden und der Schmerz habe nachts beim Liegen zugenommen. Auf dem Bauch liegen und nach oben greifen sei kaum möglich gewesen. Aktuell sei der Schmerz erträglich. Auf dem Bauch und auf der linken Seite könne er schmerzbedingt nach wie vor nicht schlafen. Die Sachverständige untersuchte beide obere Extremitäten und stellte dabei weder optisch noch messtechnisch Hinweise auf ein einseitiges schonungsbedingtes Muskelminus fest. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt und reizfrei und stabil geführt gewirkt; es hätten keine Druckdolenzen bestanden; es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen frei erschienen. Bezüglich des linken Schultergelenks stellte sie ein eingeschränktes Bewegungsausmaß nach operativer Refixation einer SLAP II-Läsion und eine verminderte Belastbarkeit fest, die allein auf das Unfallgeschehen vom 26. Februar 2008 zurückzuführen seien und bis zu dem operativen Eingriff vom 24. September 2009 zu einer
MdE von 20 v. H. geführt hätten.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 19. April 2010 eine Verletztenrente nach einer
MdE von 20 v. H. als Gesamtvergütung in Höhe von 5.558,76 Euro für die zurückliegende Zeit ab dem 22. März 2008 (Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nach dem Unfall) bis zum 3. Dezember 2009 (Ende der Arbeitsunfähigkeit nach der Arthroskopie vom 24. September 2009). Als Unfallfolgen berücksichtigte die Beklagte: Belastungsbeschwerden sowie Bewegungseinschränkung der linken Schulter bei Seit- und Vorhebung des Armes sowie bei der Innenrotation nach operativ versorgter Labrum-Läsion (SLAP II-Läsion) der Schulter. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2010 zurück.
Gegen den Bescheid vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2010 hat der Kläger am 16. September 2010 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben (S 14 U 158/10). Das Sozialgericht Kassel hat sich mit Beschluss vom 21. Oktober 2010 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg (S 13 U 97/10) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt, dass nicht nur auf die Beweglichkeit, sondern auch auf die Schmerzen und Belastungseinschränkungen abzustellen sei. Dass kein Mindergebrauch gegenüber der rechten Schulter festzustellen sei, stehe dem nicht entgegen, weil auch die Funktion der rechten Schulter beeinträchtigt sei.
Am 30. September 2010 stellte sich der Kläger erneut bei dem Durchgangsarzt
Dr. D. vor. Er klagte über reißende Schmerzen in der rechten Schulter, vor allem bei Belastung. Eine ähnliche Symptomatik sei an der linken Schulter vorhanden. Nach dem Unfall vom 26. Februar 2008 habe er allerdings an der rechten Schulter keine Beschwerden gehabt. Diese seien mit der Mehrbelastung rechts durch Schonung der linken Schulter zustande gekommen.
Dr. D. hat in seinem Durchgangsarztbericht unter Hinweis auf eine unfallunabhängig bestehende Polyarthrose und fehlende Beschwerden in der rechten Schulter nach dem Unfallereignis einen Unfallzusammenhang verneint. Die weitere Behandlung ist sodann zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt.
Mit Schriftsatz des damaligen Bevollmächtigten vom 3. Januar 2011 hat der Kläger den Arztbrief über den stationären Aufenthalt vom 14. bis 17. Dezember 2010 im Stadtkrankenhaus A-Stadt zur Arthroskopie des rechten Schultergelenkes vorgelegt und vorsorglich Widerspruch gegen die telefonische Mitteilung der Beklagten vom 23. Dezember 2010 eingelegt, wonach der behandelnde Arzt entschieden habe, dass es sich nicht um Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung handele, da die Behandlung mit dem Unfall nichts zu tun habe. Die Beklagte werde aufgefordert, die Behandlung
bzw. die anhand der im Arztbrief genannten Diagnosen genauer bezeichnete Erkrankung des Klägers an der rechten Schulter als Folge des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 anzuerkennen und hierzu einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu übersenden.
Unter dem 11. Januar 2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe sich nach den vorliegenden Unterlagen bei dem Arbeitsunfall vom 26. Februar 2008 die linke Schulter verletzt. Eine Verletzung der rechten Schulter sei nirgends dokumentiert und auch bei der umfassenden Begutachtung durch
Dr. E. im März 2010 nicht angegeben worden. Auch
Dr. D. habe in dem Bericht vom 11. Oktober 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beschwerden der rechten Schulter nicht im Zusammenhang mit dem Unfall vom 26. Februar 2008 stünden. Die Behandlung dieses Leidens sei deshalb zulasten der gesetzlichen Krankenkasse durchgeführt worden. Beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Widerspruchsmöglichkeit hinwies.
Der Kläger erhob am 4. Februar 2011 Widerspruch und trug ergänzend zu dem Schreiben vom 3. Januar 2011 vor, dass er in der Tat nach dem Unfall zunächst keine Beschwerden an der rechten Schulter gehabt habe. Unzutreffend sei aber die Einschätzung, er habe gegenüber
Dr. E. eine Verletzung der rechten Schulter nicht angegeben. Deren Gutachten lasse sich zweifelsfrei entnehmen, dass der Kläger nicht nur auf die linke, sondern auch auf die rechte Seite gestürzt sei. Das lasse nur den Schluss zu, dass neben der linken auch die rechte Seite betroffen gewesen sei. Eine andere Ursache für die Verletzungen, Beschwerden, Schmerzen und Behandlungsbedürftigkeit der rechten Schulter scheide aus, denn ein weiterer Unfall habe seit dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall nicht stattgefunden.
Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass Schulterbeschwerden häufig degenerativ verursacht seien, jedoch weitere medizinische Unterlagen zu Behandlungen der rechten Schulter beigezogen würden, da bislang keiner der behandelnden Ärzte von einem Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall ausgegangen sei. Nachdem auch der behandelnde Arzt für Orthopädie F. und der Chirurg/Unfallchirurg G. mitgeteilt hatten, dass sie nicht von einem Unfallzusammenhang ausgegangen seien, und
Dr. D. auf ausdrückliche Nachfrage unter Berücksichtigung der Unfallanamnese, des Behandlungsverlaufs sowie des intraoperativen Befundes der Arthroskopie seine Ansicht bekräftigt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2011 zurück.
Gegen den Bescheid vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 hat der Kläger am 14. November 2011 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben (S 3 U 98/11) und zur Begründung vorgetragen, dass er schon nach dem Unfall vom 26. Februar 2008 Beschwerden auch in der rechten Schulter gehabt, diese aber auf eine Überlastung zurückgeführt habe. Als sie immer weiter zugenommen hätten, habe er sich Anfang 2010 auch hinsichtlich der rechten Schulter in ärztliche Behandlung begeben.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht bei dem Orthopäden
Dr. H. sowie medizinische Unterlagen bei dem Rentenversicherungsträger und das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers beigezogen. Sodann hat das Sozialgericht im Hinblick auf die Einholung von Sachverständigengutachten in dem Verfahren S 13 U 97/10 mit Beschluss vom 24. Januar 2013 das Ruhen des Verfahrens S 3 U 98/11 angeordnet.
Das Sozialgericht hat (in dem Verfahren S 13 U 97/10) Befundberichte bei dem Arzt für Orthopädie F., bei dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Dr. D., bei dem Chirurgen/Unfallchirurgen G., der radiologischen Gemeinschaftspraxis A-Stadt und der Elisabeth-Klinik J. eingeholt sowie Behandlungsunterlagen des Hausarztes
Dr. K. beigezogen. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten bei
Dr. L., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, in Auftrag gegeben, das unter dem Datum 15. Februar 2013 erstellt und am 22. Juli 2013 bei dem Sozialgericht eingegangen ist. Der Kläger hatte hier zum Unfallhergang angegeben, er sei nach vorn vom Gabelstapler gefallen, habe beide Arme reflexartig nach vorne hoch gerissen und den Fall am ausgestreckten Arm beidseits links stärker als rechts abgefangen. Es sei zu einem sofortigen Schmerz in beiden Schultergelenken gekommen, links deutlich stärker als rechts.
Dr. L. stellte als unfallbedingte Dauerdiagnosen:
1. Traumatische SLAP II-Läsion linke Schulter mit persistenten schweren Funktionseinschränkungen linke Schulter/linker Arm,
2. Traumatische SLAP II-Läsion rechte Schulter, Bankart-Läsion , instabiles AC-Gelenk rechts, mit persistenten schweren Funktionseinschränkungen rechte Schulter/rechter Arm,
3. chronische Synovialitis des Humero-Glenoidalgelenkes bds.; Fibröse, posttraumatische/postoperative Schultersteife (Kapselmuster) bds.; Chronische Tendinosis M. supra-/infraspinatus bds.; Chronische Bizepssehnen-Tendinitis bds.; Impingement-Syndrom bds. Schultergelenke; Chronisches Strain Injury Syndrom und Mehretagen Tension Myositis bds. Arme; Initiale Omarthrose, sekundär rechts; V. a. CRPS linke Schulter/Arm, Chronische Epicondylopathie humeri radialis bds.,
am Unfalltag:
4. Schwere Prellung linke Schulter,
5. Prellung linke Hand,
6. Prellung linker Ellenbogen.
Zudem werden diverse Diagnosen an Kopf- und Halswirbelsäule sowie Schultergürtel als unfallabhängig mitgeteilt und eine direkte Komorbidität mit einer Vielzahl psychosomatischer und neurologischer Erkrankungen angegeben, die sich postoperativ und posttraumatisch entwickelt hätten. Die
MdE betrage unter Berücksichtigung der Beidseitigkeit und der additiv zu berücksichtigenden verständlichen psychosomatischen Folgen durch das Betroffensein beider oberer Extremitäten 40 v. H.
Das Sozialgericht hat sodann von Amts wegen ein weiteres orthopädisches Gutachten bei
Dr. M., Facharzt für Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, eingeholt. Dieser hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 5. August 2014 ausgeführt, der Kläger habe zum Unfallhergang geschildert, dass er mit leicht verdrehtem Oberkörper nach vorn seitlich zunächst auf den linken, dann auf den rechten Arm gefallen sei. Zunächst habe nur die linke Schulter geschmerzt, wobei er auf der rechten Körperseite insgesamt nicht so ein starkes Empfinden habe. Er habe rechts Beschwerden "wie Muskelkater" verspürt, die 1 ½ Jahre später deutlich stärker geworden seien, was zu der Operation auch auf dieser Seite geführt habe. Auf orthopädischem Fachgebiet lägen folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. erhebliche Beschwerden im linken Schultergelenk mit Einschränkung ... (der Beweglichkeit) sowie Druckschmerzen ...
2. erhebliche Beschwerden im rechten Schultergelenk mit Einschränkung ... (der Beweglichkeit) sowie Druckschmerzen ...
(Nicht streitgegenständlich: Kniegelenksarthrose beidseits, Hüftgelenksbeschwerden, rezidivierendes Lumbalsyndrom). Das von dem Kläger geschilderte Sturzereignis entspreche dem Mechanismus, der zur Auslösung einer SLAP-Läsion führen könne; bei isolierter Betrachtung der linken Seite könne damit deren Schädigung erklärt werden. Angesichts der gleichartigen Schädigung der rechten Seite spreche aber mehr für einen schicksalhaften Verschleißschaden, wie er auch an den Kniegelenken des Klägers vorliege. Eine Schädigung beider Schultergelenke durch einen einzigen Sturz aus einem halben Meter Höhe in der dargestellten Form sei mechanisch nicht zu erklären. Bei einem Sturz auf die linke Schulter habe die wesentliche Druckkraft bereits auf diese eingewirkt; ein weiteres Abfangen mit dem rechten Arm könne keine gleichartige Schädigung dieses Ausmaßes erzeugt haben. Die Veränderungen des rechten Schultergelenkes seien keinesfalls Folge des Unfallgeschehens vom 26. Februar 2008. Die geklagten Beschwerden im Sinne "muskelkaterartiger" Empfindungen reichten dafür nicht aus, außerdem sprächen Unfallmechanismus und Gleichartigkeit der Schäden an beiden Schultergelenken sowie das Wesen der bestehenden Veränderungen im unteren Bereich der Gelenkpfanne beidseits dagegen.
Das Sozialgericht hat die Klage (S 3 U 97/10) mit Urteil vom 13. November 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe über den Zeitraum der Gesamtvergütung hinaus keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Bei der Einschätzung der
MdE seien über die in dem angefochtenen Bescheid hinaus anerkannten Gesundheitsschäden keine weiteren Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, insbesondere kein unfallbedingter Gesundheitsschaden im Bereich der rechten Schulter
bzw. des rechten Armes, da dieser nicht bewiesen sei. Dies folge aus dem ausführlichen und schlüssigen Gutachten des
Dr. M. vom 5. August 2014, der darauf verwiesen habe, dass eine sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite bestehende gleichartige Schädigung der Schultergelenke in medizinischer Hinsicht schon nicht zu dem geschilderten Unfallhergang passe, sondern vielmehr auf einen Verschleißschaden hindeute, wie er auch am Kniegelenk vorliege. Soweit der Kläger angegeben habe, dass er auf die Seite gefallen sei und sich dabei zunächst mit dem linken ausgestreckten Arm, dann zusätzlich auch mit dem rechten Arm abgestützt habe, weise das Gericht darauf hin, dass sich die zwischenzeitlich erfolgte Präzisierung des Unfallhergangs durch den Kläger mit den Angaben im Durchgangsarztbericht und in der Unfallanzeige nicht bestätigen lasse. Danach sei der Sturz nur auf die linke Körperseite erfolgt. Zeitnah zum Unfallereignis seien auch nur Schmerzen im Bereich der linken Schulter
bzw. des linken Armes angeführt. Neben diesen Ungenauigkeiten zum Unfallhergang fehle es auch am Nachweis eines Primärschadens im Bereich der rechten Schulter. Die im Zusammenhang mit dem Unfallereignis geltend gemachten Beschwerden und insoweit auch die Befunde begrenzten sich ausschließlich auf die linke Schulter
bzw. den linken Arm. Objektive Nachweise eines unfallbedingten Erstschadens an der rechten Schulter
bzw. am rechten Arm lägen nicht vor. Es fehle daher insoweit am Vollbeweis eines Gesundheitserstschadens.
Dem Gutachten des Sachverständigen
Dr. L. habe die Kammer nicht zu folgen vermocht, da dieser sein Ergebnis zunächst entscheidend auf fachfremde Diagnosen (psychosomatische und neurologische Erkrankungen) stütze. Nicht nachvollziehbar und insoweit unschlüssig sei auch die Feststellung, dass nach dem Unfallgeschehen vom 26. Februar 2008 zunächst das linke Schultergelenk und der linke Arm im Vordergrund gestanden hätten, Ende 2009 und im weiteren Verlauf des Jahres 2010 dann aber zunehmend das rechte Schultergelenk sowie der rechte Arm hinzugekommen seien. Denn der insoweit beschriebene "Folgeschaden" an der rechten Schulter
bzw. an dem rechten Arm ergebe sich nicht aus dem benannten Primärschaden am linken Schultergelenk und am linken Arm. Der Sachverständige gründe sein Ergebnis auf die subjektiven Angaben des Klägers zum Unfallereignis, lasse aber jede Diskussion, inwieweit diese Angaben tatsächlich objektivierbar seien, vermissen. Dabei weiche die im Gutachten beschriebene Unfallanamnese, dass der Kläger nach "vorne von dem Gabelstapler" gefallen sei und reflexartig "beide Arme nach vorne hoch gerissen" habe, um den Sturz abzufangen, von den aktenkundigen Angaben des Klägers zum Unfallhergang ("auf die Seite gefallen") entscheidend ab. Eine unfallbedingte
MdE von mindestens 20 v. H. über den 3. Dezember 2009 hinaus liege bei dem Kläger nach dem Ergebnis des Gutachtens des
Dr. M. vom 5. August 2014 nicht vor. Dieser habe nachvollziehbar auf den unfallunabhängigen Verschleißschaden und die nur vorübergehende unfallbedingte Verstärkung vorhandener Beschwerden verwiesen. Bestätigt werde diese Einschätzung durch die fehlende Objektivierbarkeit anhaltender Funktionsbeeinträchtigungen.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014, dem Kläger zugestellt am 21. November 2014, hat der Kläger am Montag, dem 22. Dezember 2014, bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt (L 9 U 211/14). Zur Begründung führt der Kläger aus, er bezweifle, dass das Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2011 tatsächlich den Charakter eines Bescheides habe, weil das Schreiben keine Entscheidung über Sach- und Rechtsfragen enthalte. Der Kläger rügt, dass die Beklagte den Unfallhergang nicht aufgeklärt habe. Die Unfallschilderung im Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008 sei ersichtlich unvollständig. Der Unfall habe sich in der Weise ereignet, wie es der Kläger auch gegenüber der Gutachterin
Dr. E. angegeben habe. Der Kläger habe rechtsseitig von dem Stapler aussteigen wollen. Er sei mit einem Bein in dem Kabel eines Scanners, der auf dem Stapler angebracht gewesen sei, hängen geblieben. Infolge dessen sei er mit ausgestreckten Armen nach vorne vom Stapler herab auf den Hallenfußboden gestürzt. Er sei dort vorwiegend mit dem linken Arm, ebenso jedoch auch mit dem rechten Arm, nicht jedoch auf die linke Körperseite geprallt. Ob der Kläger bei dem Aufprall auf den Boden die Arme leicht angewinkelt oder geradeaus gestreckt habe, könne er naturgemäß nicht mehr sagen. Nach dem Sturz habe er sofort einen brennenden Schmerz in der linken Schulter verspürt. Gleichwohl habe er zunächst weitergearbeitet und sei erst am nächsten Tag zum Durchgangsarzt gegangen. Schmerzen habe der Kläger allerdings auch von Anfang an bereits in der rechten Schulter verspürt. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die fortbestehenden Schmerzen in der rechten Schulter auf die Überlastung aufgrund der Schonhaltung bezüglich der linken Schulter zurückzuführen seien.
Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die erst im Rahmen der am 24. September 2009 durchgeführten Arthroskopie festgestellte SLAP II-Läsion der linken Schulter Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008 gewesen sei. Dies belegten der Arztbericht des Hausarztes
Dr. N. vom 6. November 2009, das Gutachten der Fachärztin für Orthopädie
Dr. E. und das Gutachten des Sachverständigen
Dr. L. Der Sachverständige
Dr. M. stütze sich dagegen auf die fehlerhafte und recht kurze Beschreibung des Unfallgeschehens im ersten Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008. Es werde nicht verkannt, dass
Dr. M. auch ausgeführt habe, eine Verletzung beider Schultergelenke durch einen einzigen Sturz sei nicht möglich. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Ursächlichkeit des Unfalls für die Verletzung der linken Schulter lasse dies jedoch keine zwingenden Schlussfolgerungen zu, da der Kläger ausgeführt habe, er habe sich primär mit dem linken Arm abgefangen. Die Verletzungsfolgen nach der Operation am 24. September 2009 seien nicht folgenlos ausgeheilt. Auf Veranlassung seiner Hausärzte Dres. P. und K. habe sich der Kläger am 16. August 2011 erneut einer Kernspintomographie seiner linken Schulter unterzogen. Der diesbezügliche Untersuchungsbericht vom 16. August 2011 habe zwar keine objektivierbaren Ursachen für die fortbestehenden Schmerzen des Klägers in dieser Schulter ergeben. Die Schmerzsymptomatik sei jedoch nach der Operation niemals abgeklungen. Der Kläger habe permanent Schmerzmittel erhalten. Der Sachverständige
Dr. L. habe bei der Untersuchung des Klägers am 15. Februar 2013 unter anderem bezüglich der linken Schulter eine überdurchschnittliche Schmerzsymptomatik verifiziert. Diese persistierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen der linken Schulter des Klägers rechtfertigten für sich genommen bereits eine
MdE von 30 v. H., mindestens jedoch von 20 v. H.
Hinsichtlich der rechten Schulter seien dem Kläger die Beweisprobleme durchaus bewusst. Diese Probleme resultierten daraus, dass die Verletzung der rechten Schulter erstmals am 30. September 2010, also
ca. 2 ½ Jahre nach dem Unfall vom 26. Februar 2008, vom Durchgangsarzt
Dr. D. dokumentiert worden sei. Es sei bereits ausgeführt worden, dass der Kläger sofort nach dem Unfall unter Schmerzen in der rechten Schulter gelitten und dies den behandelnden Ärzten auch mitgeteilt habe. Dies sei jedoch nicht dokumentiert worden. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger bis September 2009 von den behandelnden Ärzten bereits als Simulant betrachtet worden sei, weil diese infolge des Einsatzes unzureichender Untersuchungsmethoden keine objektiven Befunde verifiziert hätten. Infolgedessen sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger die Schmerzen in seiner rechten Schulter in seinem Gespräch mit den Ärzten in der Folgezeit ignoriert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass dies die Folge der Schonhaltung bezüglich der linken Schulter gewesen sei. Die operative Versorgung des rechten Schultergelenkes des Klägers habe nicht zur Beschwerdefreiheit geführt. Die Unfallursächlichkeit der Verletzung an der rechten Schulter sei im Gutachten des Sachverständigen
Dr. L. vom 15. Februar 2013 bestätigt worden. Die Ausführungen zu einem chronifizierten Schmerzsyndrom in der linken Schulter würden ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen
Dr. L. in gleichem Umfang für die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter gelten.
Die Beklagte hält die Ausführungen des Klägers für unbegründet. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Klägers sei mit Verwaltungsakt vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 die Anerkennung der Beschwerden im Bereich der rechten Schulter als Unfallfolge abgelehnt worden. Auch im Übrigen könnten die Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht überzeugen. Die medizinischen Sachverständigen
Dr. E. und
Dr. M., beide Fachärzte für Orthopädie, kämen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der Kläger wegen der Unfallfolgen lediglich im Zeitraum vom 20. März 2008 bis zum 3. Dezember 2009 in seiner Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. gemindert gewesen sei. Das Sozialgericht habe im Urteil vom 13. November 2014 auch zutreffend festgestellt, dass das von
Dr. L. erstellte Gutachten nach § 109
SGG nicht den Beurteilungsrichtlinien der gesetzlichen Unfallversicherung entspreche. Der behandelnde Orthopäde und Unfallchirurg
Dr. D. gehe in seinem Bericht vom 11. Oktober 2010 über die Untersuchung am 30. September 2010 von einer unfallfremden, polyarthrotischen Erkrankung an der rechten Schulter aus und habe diese Einschätzung nochmals am 5. April 2011 bestätigt. Bemerkenswert sei auch, dass der Kläger noch im März 2010 bei der Begutachtung durch
Dr. E. keine Beschwerden im Bereich der rechten Schulter angegeben habe (
vgl. S. 10/11 des Gutachtens
Dr. E. vom 27. März 2010). Der damalige gutachtliche Untersuchungsbefund der rechten Schulter habe ebenfalls keinen pathologischen Befund gezeigt, so dass sowohl die fehlenden Befunde als auch der zeitliche Verlauf nicht in Einklang mit einer unfallbedingten Verletzung an der rechten Schulter gebracht werden könnten. Alle diese Fakten und Tatsachen würden von
Dr. L. im Rahmen seiner Beurteilung nicht berücksichtigt oder näher gewürdigt. Da
Dr. L. zudem Diagnosen auf ihm fachfremden Gebiet stelle, könne das Gutachten einer Entscheidungsfindung nicht zugrundegelegt werden.
Das Verfahren L 9 U 211/14 wurde mit Beschluss vom 9. September 2016 bis zur Erledigung des beim Sozialgericht Marburg anhängigen - vorgreiflichen - Rechtsstreits S 3 U 98/11 ausgesetzt.
Der Kläger hat daraufhin das bei dem Sozialgericht Marburg anhängige Verfahren S 3 U 98/11 wieder aufgerufen, das unter dem Aktenzeichen S 3 U 88/16 fortgeführt wurde. Zum Unfallhergang hat der Kläger dort vorgetragen, er sei aus 1 m Höhe nach vorn auf beide Hände, mehr auf den linken als auf den rechten Arm, gefallen. Soweit bislang ein Sturz auf den linken und den rechten Arm vorgetragen worden sei, sei das missverständlich. Der Kläger habe von Anfang an erklärt, mit ausgestreckten Armen gefallen zu sein, daher naturgemäß auf die Hände. Die Unfallschilderung und die sonstigen Angaben im ersten Durchgangsarztbericht seien unvollständig. Nach dem Sturz habe der Kläger sofort einen brennenden Schmerz in der linken und Schmerzen in der rechten Schulter verspürt. Die Hinweise des Klägers auf Schmerzen an der rechten Schulter seien von den behandelnden Ärzten permanent ignoriert worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 2017 hat der Kläger weiter gerügt, dass sich durch die gesamte Akte eine "völlig falsch zugrunde gelegte" Schilderung des Unfallherganges ziehe. Keiner der Sachverständigen habe den korrekten Hergang zugrunde gelegt, die Beklagte habe diesen nicht ermittelt und auch das Gericht bislang keine Ermittlungen hierzu durchgeführt. Der Unfallhergang müsse zunächst aufgeklärt und sodann ein weiteres Gutachten durch einen neu zu benennenden Sachverständigen eingeholt werden.
Das Sozialgericht hat die Klage (S 3 U 88/16) mit Urteil vom 19. Oktober 2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser habe keinen Anspruch auf Feststellung der Beeinträchtigungen seiner rechten Schulter als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008.
Soweit der Kläger (ausschließlich) im Rahmen der Berufungsbegründung vom 21. Januar 2015 in dem Parallelverfahren bezweifelt habe, dass das Schreiben der Beklagten vom 11. Januar 2011 tatsächlich den Charakter eines Bescheides habe, weil dieses keine Entscheidung über Sach- und Rechtsfragen enthalte, vermöge sich die Kammer unter Berücksichtigung der Vorgeschichte den Bedenken nicht anzuschließen. Dem Kläger sei zwar zuzugeben, dass das Schreiben dem üblichen Aufbau eines Bescheides mit Verfügungssatz und Begründung nicht entspreche. Zur Auslegung von Willenserklärungen, auch solchen öffentlich-rechtlicher Art, seien jedoch alle maßgeblichen, den Beteiligten bekannten Umstände heranzuziehen. Die bürgerlich-rechtlichen Regelungen des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) seien entsprechend anwendbar; maßgeblich sei insofern der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtige, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen habe. Nachdem der Kläger durch seinen früheren Bevollmächtigten bereits gegen die telefonische Information über die Durchführung der Heilbehandlung zulasten der Krankenkasse und Ablehnung entsprechender Leistungen zulasten der Beklagten Widerspruch mit Schreiben vom 3. Januar 2011 erhoben gehabt habe, habe sich die Beklagte in dem Schreiben vom 11. Januar 2011 ausführlich damit auseinandergesetzt, weshalb die Behandlung der Beschwerden der rechten Schulter zulasten der gesetzlichen Krankenkasse durchgeführt worden sei und dazu auch ausdrücklich auf die Stellungnahme
Dr. D. Bezug genommen, wonach die Beschwerden der rechten Schulter nicht in Zusammenhang mit dem Unfall vom 26. Februar 2008 stünden. Damit habe sie hinreichend deutlich und für den Kläger verständlich zu erkennen gegeben, dass sie diese Beschwerden nicht als Folge des Unfalls habe anerkennen wollen. Dass die Beklagte insoweit auch eine Entscheidung mit Rechtswirkung nach außen habe treffen wollen, ergebe sich bereits daraus, dass sie dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt habe. Offenbar hätten auch der Kläger
bzw. sein damaliger Bevollmächtigter das Schriftstück dergestalt ausgelegt, denn mit Schriftsatz vom 2. Februar 2011 sei ausdrücklich "gegen den Bescheid vom 11.01.2011 Widerspruch" erhoben worden. Unklarheiten hätten danach zu keiner Zeit bestanden.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung der Beschwerden an der rechten Schulter als weitere Unfallfolge. Voraussetzung hierfür sei neben dem unstreitig infolge einer versicherten Tätigkeit eingetretenen Unfall ein Gesundheitserstschaden, der im Vollbeweis, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden müsste (
vgl. Hessisches
LSG, Urteil vom 20. März 2017 - L 9 U 136/16 -). Daran fehle es jedoch bezüglich der rechten Schulter. Der Kläger habe erstmals mit der im November 2011 erhobenen Klage überhaupt vorgetragen, dass er bereits nach dem Unfall im Februar 2008 Beschwerden im rechten Schultergelenk gehabt habe. Solche Beschwerden seien nicht nur nicht in dem ersten Durchgangsarztbericht vom 27. Februar 2008, sondern auch in keinem weiteren späteren ärztlichen Bericht vor September 2010 dokumentiert worden. Der Umstand, dass der Kläger bei der Erstvorstellung ausschließlich auf der linken Seite untersucht worden sei, sei zur Überzeugung der Kammer nicht anders erklärlich, als dass er keine Beschwerden auf der rechten Seite angegeben habe. Weshalb der Durchgangsarzt zwar umfassende Befunderhebungen links, jedoch keinerlei solche rechts vorgenommen haben sollte, wenn der Kläger dortige Beschwerden mitgeteilt hätte, erschließe sich nicht. Soweit der Kläger zuletzt vorgetragen habe, dass die behandelnden Ärzte die von ihm angegebenen Schmerzen permanent ignoriert hätten, widerspreche das insbesondere seinem eigenen früheren Vortrag. So habe er noch im Widerspruch vom 2. Februar 2011 ausdrücklich erklärt, er habe "tatsächlich zunächst keine Beschwerden an der rechten Schulter gehabt". Zuvor habe er bei der Wiedervorstellung bei
Dr. D. am 30. September 2010 gerade wegen der Schmerzen an der rechten Schulter ebenfalls ausdrücklich angegeben, er habe nach dem Unfall an der rechten Schulter keine Beschwerden gehabt. Vielmehr habe er ihre Entstehung auf die Schonung der linken Schulter zurückgeführt. Beschwerden, die wegen der Mehrbelastung eines Gelenkes aufgrund von Schmerzen im gegenseitigen Gelenk entstünden, könnten aber bereits denknotwendig nicht gleichzeitig aufgetreten sein, sondern allenfalls im späteren zeitlichen Verlauf. Auch in dem ausführlichen orthopädischen Gutachten der Fachärztin für Orthopädie
Dr. E. vom 27. März 2010 habe der Kläger Beschwerden im rechten Schultergelenk nicht angegeben. Gerade hier könne nicht mehr eingewandt werden, dass die ärztlichen Feststellungen zu kurz und unvollständig gewesen seien.
Dr. E. habe die konkretisierte Unfallschilderung des Klägers aufgenommen und deutlich hervorgehoben. Dass sie nicht gleichfalls Gelegenheit gegeben haben sollte, auch eventuelle Beschwerden am zweiten Schultergelenk zumindest zu äußern, sei kaum vorstellbar. Zudem habe sie den Kläger tatsächlich an dem rechten Schultergelenk untersucht und dort gerade unauffällige Befunde festgestellt. Das rechte Schultergelenk habe äußerlich regelhafte Konturen gezeigt, es habe reizfrei und stabil geführt gewirkt; die Sachverständige habe keine Druckdolenzen festgestellt und es sei kein Impingement-Phänomen auslösbar gewesen. Die aktive Beweglichkeit sei ohne auffällige Geräuschentwicklungen ausweislich der mitgeteilten Bewegungsmaße völlig frei gewesen. Dieser Befund wäre mit einer bereits damals vorliegenden SLAP II-Läsion nicht zu vereinbaren. Soweit der Kläger gegen die ebenfalls das Gutachten
Dr. E. in Bezug nehmenden Ausführungen des Widerspruchsbescheides der Beklagten eingewandt habe, dass es unzutreffend sei, dass er dieser gegenüber keine Verletzung der rechten Schulter angegeben habe, weil aus dem Gutachten hervorgehe, dass er dort mitgeteilt habe, mehr auf den linken als auf den rechten Arm gefallen zu sein, lasse dies keinerlei Rückschluss auf eine dadurch hervorgerufene Verletzung oder auch nur Beschwerden im rechten Schultergelenk zu. Zu Recht habe
Dr. M. in seinem Gutachten ausgeführt, dass bei dem geschilderten Unfallhergang die wesentliche Druckkraft bereits auf die linke Schulter eingewirkt habe. Auch wenn sich der Kläger im Weiteren mit dem rechten Arm zusätzlich abgefangen hätte, hätte dies nicht ansatzweise die gleiche Belastung hervorgerufen. Es ergebe sich daher aus der Schilderung nicht notwendig, dass an dem rechten Schultergelenk irgendwelche Beeinträchtigungen unmittelbar nach dem Sturz vorgelegen haben. Selbst ein - ebenfalls bereits nicht nachgewiesenes - muskelkaterähnliches Gefühl, das der Kläger bei der letzten Begutachtung durch
Dr. M. angegeben habe, würde nicht ausreichen, das Eintreten einer SLAP II-Version auch nur in einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall zu bringen. Insoweit werde die Einschätzung
Dr. M. auch durch das Gutachten
Dr. L. bestätigt, der in seinen Ausführungen zum Entstehen einer SLAP-Läsion von einem "plötzlich einsetzenden Reißen/stechenden Schmerz" spreche. Das stimme auch mit der Schilderung der Ausgangsbeschwerden durch den Kläger bei der Begutachtung durch
Dr. E. überein, bei der der Kläger von einem brennenden Schmerz, allerdings eben nur in "der Schulter" (nämlich der damals nur beeinträchtigten linken) - und nicht in beiden Schultern - berichtet habe.
Nachdem ein Erstschaden als wesentliche Anknüpfungstatsache für jegliche Kausalitätsbeurteilung der späteren Beschwerden damit nicht nachweisbar sei, im Gegenteil zur Überzeugung des Gerichtes nicht vorgelegen habe, komme es nicht mehr darauf an, dass selbst ein vorliegender zeitlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Beschwerdeeintritt nicht ausreichen würde, um einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zu begründen (es gebe keinen Erfahrungssatz "post hoc ergo propter hoc" - etwa "danach, also deswegen"), noch dass der Ausschluss von Alternativursachen zum Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ausreichen könnte, weil das faktisch zu einer Beweislastumkehr führen würde (
vgl. zu beidem etwa Hessisches
LSG, Urteil vom 20. März 2017 - L 9 U 130/14 -). An der Nichtbeachtung dieser grundlegenden Maßstäbe der Kausalitätsbeurteilung der gesetzlichen Unfallversicherung kranke das Gutachten
Dr. L., das bereits deshalb nicht verwertbar sei. Damit, dass ein Erstschaden entgegen der späteren Angabe des Klägers in keiner ärztlichen Dokumentation festgehalten worden sei und auch seinen eigenen früheren Angaben widerspreche, habe er sich gar nicht erst auseinandergesetzt. Das widerspreche grundlegenden Sorgfaltspflichten eines Sachverständigen.
Der Anregung - ein förmlicher Beweisantrag sei nicht gestellt worden -, weitere Ermittlungen zum Unfallhergang anzustellen sowie sodann ein weiteres Gutachten einzuholen, habe das Gericht nicht nachgehen müssen. Abgesehen davon, dass nach den jeweiligen ausführlichen Schilderungen des Unfallhergangs durch die Sachverständigen, die dazu den Kläger jeweils persönlich befragt hätten und sich den Ablauf - mindestens im Falle
Dr. M. - auch hätten vorführen lassen, nicht erkennbar sei, weshalb diese von einem falschen Verlauf ausgegangen sein sollten, komme es darauf auch nicht an, nachdem ein Erstschaden als maßgebliche Anknüpfungstatsache nicht habe nachgewiesen werden können. Ebenso wenig könne ein weiterer Sachverständiger Feststellungen zu einem Erstschadensbild abweichend von den beigezogenen umfassenden Unterlagen treffen.
Gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 19. Oktober 2017, dem Kläger zugestellt am 9. März 2018, hat der Kläger am 16. März 2018 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt (L 9 U 50/18) und zur Begründung zunächst auf den bisherigen Vortrag Bezug genommen. Darüber hinaus führt er aus, das Sozialgericht habe sich lediglich mit den Behauptungen zu den ärztlichen Feststellungen bei den diversen Behandlungen des Klägers bezüglich seiner rechten Schulter auseinandergesetzt. Es berücksichtige aber den Vortrag des Klägers in erster Instanz nicht vollständig. Es fehle jegliche Auseinandersetzung des Gerichts mit der Behauptung des Klägers, seine SLAP II-Läsion
bzw. der intraoperativ am 14. Dezember 2010 festgestellte Abriss des Bizepssehnenankers sowie des ventralen Labrums der rechten Schulter seien älterer Natur gewesen, was makroskopisch festgestellt worden sei. Der Operationsbericht des Stadtkrankenhauses A-Stadt vom 14. Dezember 2010 sei zu Beweiszwecken vorgelegt worden. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20. September 2016 sei unter Hinweis hierauf beantragt worden, die vom Kläger behauptete Unfallursächlichkeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären. Dieser Beweisantrag sei übergangen worden. Insoweit helfe es auch wenig weiter, dass das Gericht die Einlassung des Klägers, er habe von Anfang an Schmerzen an der rechten Schulter beklagt, was von dem behandelnden Arzt nicht aufgenommen worden sei, als unglaubhaft ansehe.
Im bisherigen Rechtsstreit völlig unbeachtet geblieben sei die Frage, ob die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter des Klägers mittelbare Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008 gewesen sei (§ 11
SGB VII). Dies mache der Kläger nunmehr hilfsweise geltend. Es sei offenkundig und von der Beklagten auch nicht bestritten, dass der Unfall massive Verletzungen der linken Schulter des Klägers zufolge gehabt habe, die operativ versorgt worden seien, jedoch Bewegungs- und Funktionseinschränkungen der linken Schulter dauerhaft hinterlassen hätten. Diese Verminderung der Gebrauchsfähigkeit der linken Schulter des Klägers habe zu einem vermehrten Gebrauch des rechten Armes und der rechten Schulter geführt, die dadurch überbeansprucht worden seien. Dies habe die Gesundheitsbeeinträchtigung der rechten Schulter bewirkt. Der Durchgangsarzt
Dr. D. habe anlässlich der Untersuchung am 30. September 2010 festgestellt, dass die Erkrankung der rechten Schulter des Klägers Folge einer bekannten Polyarthrose sei. Als Arthrose bezeichne man eine degenerative Gelenkserkrankung, die vorwiegend in einem Missverhältnis zwischen Beanspruchung und Belastung der einzelnen Gelenksanteile und Gelenksgewebe entstehe. Die Ursache sei deshalb oft (wenn auch nicht immer) eine Überbeanspruchung. So verhalte es sich im Falle des Klägers in der Folge des Unfalls vom 26. Februar 2008.
Der Senat hat das Berufungsverfahren L 9 U 211/14 am 19. März 2018 von Amts wegen wieder aufgerufen und unter dem Aktenzeichen L 9 U 52/18 fortgeführt.
Mit Beschluss vom 9. März 2020 hat der Senat die Verfahren L 9 U 52/18 und L 9 U 50/18 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Verfahren L 9 U 52/18 verbunden.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2014 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 über den 3. Dezember 2009 hinaus Verletztenrente nach einer
MdE von mindestens 20 v. H. zu gewähren,
2. das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 19. Oktober 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2011 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei den Beeinträchtigungen des Klägers an der rechten Schulter um weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. Februar 2008 handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Aus dem Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren ergäben sich keine neuen Tatsachen oder Erkenntnisse, die geeignet wären, die bisherigen Feststellungen der Beklagten und des Sozialgerichts zu entkräften. Wie bereits vorgetragen und vom Sozialgericht in beiden Urteilen vom 13. November 2014 und vom 19. Oktober 2017 bestätigt, sprächen sowohl sämtliche ärztlichen Behandlungsberichte aus den ersten 2 ½ Jahren nach dem Unfall als auch die eigenen Angaben des Klägers aus dieser Zeit gegen einen damals vorhandenen Schaden an der rechten Schulter. Diese Tatsache decke sich auch mit dem Ergebnis der im Jahr 2010 durchgeführten Begutachtung. Bei der seinerzeitigen Begutachtung durch
Dr. E. seien von dem Kläger weder Angaben zu Beschwerden an der rechten Schulter gemacht noch seien im Verlauf der gutachterlichen Untersuchung pathologische Befunde erhoben worden, die eine entsprechende Verletzung objektivieren könnten. Nach den zutreffenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen
Dr. M. und des Sozialgerichts fehle es daher bereits am Nachweis eines Gesundheitserstschadens an der rechten Schulter. Ursächlich für eventuelle Beschwerden des Klägers an der rechten Schulter seien stattdessen vorbestehende degenerative, mithin unfallfremde Verschleißerscheinungen (
vgl. Arztberichte
Dr. D. und Gutachten
Dr. M.). Das Gutachten des Sachverständigen
Dr. L. leide an erheblichen Mängeln und sei daher nicht verwertbar.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakten der Verfahren L 9 U 52/18 und L 9 U 50/18 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die Protokolle der Erörterungstermine des Berichterstatters vom 9. September 2016 und vom 2. März 2020.