I. Die Klage ist unbegründet.
Die Ablehnung der Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2013 bis 2016 durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 FGO).
Die Klägerin war zwar in den Streitjahren im Bereich der ambulanten Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen oder geistiger Behinderung selbständig tätig und hat als Unternehmerin i.
S. von § 2
Abs. 1 UStG steuerbare Leistungen gemäß § 1
Abs. 1
Nr. 1 UStG im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt. Sie hat aber keine nach § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG steuerfreien Leistungen erbracht.
Dem liegen folgende rechtliche Erwägungen zugrunde:
1. a) Gemäß § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG sind die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen steuerfrei, die von Einrichtungen erbracht werden, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind. Die Vorschrift ist - bis auf die Mindestvergütungsquote ("Sozialquote"), welche vormals 40 % betrug - identisch mit § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 in der bis Sommer 2013 geltenden Fassung sowie der ab 01.01.2021 geltenden Fassung des § 4
Nr. 16 Buchst. m UStG. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis k erbracht werden, nur insoweit befreit, als es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht.
Die Befreiungsvorschrift des § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG ist Auffangtatbestand für die Einrichtungen, die die Voraussetzungen der vorausgehenden Buchstaben nicht erfüllen. Sie beruht unionsrechtlich auf
Art. 132
Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), der inhaltlich dem bis zum 31. Dezember 2006 geltenden
Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) entspricht (
vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. August 2017 V R 52/16, BFHE 259, 160, BFH/NV 2018, 165, Rz 18). Danach befreien die Mitgliedstaaten "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden".
Die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung als soziale Einrichtung werden in
Art. 132
Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nicht festgelegt. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann (
vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Juni 2017 XI R 23/14, BFHE 258, 517, BFH/NV 2017, 1561, Rz 39,
m.w.N.). Zu den im Einklang mit dem Unionsrecht für die Anerkennung als soziale Einrichtung maßgeblichen Gesichtspunkten gehört u.a. die Übernahme der Kosten für die fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit (
vgl. dazu
z.B. BFH-Urteile vom 7. Dezember 2016 XI R 5/15, BFHE 256, 550, BFH/NV 2017, 863, Rz 29; in BFHE 258, 517, BFH/NV 2017, 1561, Rz 40; jeweils
m.w.N.).
Der Gesetzgeber war grundsätzlich berechtigt, die Steuerbefreiung nach Maßgabe des für das Streitjahr geltenden § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG im Einklang mit dem Unionsrecht davon abhängig zu machen, ob bei der betreffenden Einrichtung die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind (
vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2017 XI R 23/14, BFHE 258, 517, BFH/NV 2017, 1561). Soweit die gesetzliche Regelung auf das vorangegangene Kalenderjahr abstellt, ist dies indes nicht mit dem Unionsrechts vereinbar (
vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFHE 240, 439, BFH/NV 2013, 1204; vom 28. Juni 2017 XI R 23/14, BFHE 258, 517, BFH/NV 2017, 1561 für § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009). Es kommt stattdessen auf das laufende Kalenderjahr an. Jedenfalls war das laufende Jahr war maßgeblich, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu aufnahm (Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4
Nr. 16, Rz. 99
ff.).
c) Vorliegend erbringt die Klägerin eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen. Dennoch sind die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift nicht erfüllt, weil die Klägerin mit ihren Leistungen nicht die vom Gesetzgeber vorgesehene Sozialquote von 25 % erreicht.
Denn Leistungen aus dem Persönlichen Budget werden nach einhelliger Auffassung hierin nicht eingerechnet. Dies ergibt sich bereits aus den Gesetzesmaterialien. Daraus ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber Fälle wie den der Klägerin, in denen die Leistungen in Gänze dem Persönlichen Budget unterfallen und damit die 25 % Grenze nicht erreicht werden kann, anders behandeln wollte. Vielmehr wurde die Grenze gerade im Hinblick auf mehr Fälle dieser Art von 40 % auf 25 % herabgesetzt. Es wurde mit dieser Regelung auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei § 4
Nr. 16 Buchst. l UStG gerade um eine Auffangvorschrift handelte.
Auch der BFH hat in seinem Urteil vom 28.06.2017 XI R 23/14 (BFHE 258,517) darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Neufassung des § 4
Nr. 16 UStG zwar zahlreiche "Sozialkriterien" abgeschafft habe, aber als "Auffangtatbestand" in Buchst. k an der 40 % - Grenze festgehalten habe (BTDRucks 16/11108,
S. 37, 38 f.) und mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809) die Grenze des § 4
Nr. 16 Buchst. l UStG im Hinblick auf die weitere Verbreitung der Anwendung des Persönlichen Budgets auf 25 % abgesenkt hat (BT-Drucks 17/10000,
S. 70,
i.V.m. BTDrucks 17/12532,
S. 89 f.), so dass er in den dortigen Fällen als "Sozialkriterium" an einer Mindestgrenze festhalten will.
Diese Auffassung ist auch der Kommentarliteratur zu entnehmen, in der darauf verwiesen wird, dass die "Sozialgrenze" im Hinblick auf die weitere Verbreitung des Persönlichen Budgets von bisher 40 % auf 25 % gesenkt wurde (Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4
Nr. 16, Rz. 99
ff.) und daher eine Vergütung der Betreuungs- und Pflegeleistungen aus Geldern des Persönlichen Budgets durch die hilfsbedürftige Person als mittelbare Vergütung nicht in die Ermittlung der Fallkosten bei der erbringenden Einrichtung mit einzubeziehen sei (Hölzer in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, § 4
Nr. 16, Rn. 532; Wüst in Wäger, Kommentierung zu § 4
Nr. 16 UStG, Rn. 129; Heidner in Bunjes, § 4
Nr. 16 Rn. 28).
Die gleiche Meinung vertritt auch die Verwaltung, an deren Auffassung das Gericht indes nicht gebunden ist. So heißt es in Abschnitt 4.16.3
Abs. 2 Satz 1 UStAE: "Eine Vergütung der Betreuungs- und Pflegeleistung aus Geldern des Persönlichen Budgets (§ 29
SGB IX) durch die hilfsbedürftige Person als mittelbare Vergütung ist nicht in die Ermittlung der Sozialgrenze bei der erbringenden Einrichtung einzubeziehen. Auch Betreuungs- und Pflegeleistungen von Einrichtungen (Subunternehmer), die diese gegenüber begünstigten Einrichtungen erbringen, sind nicht begünstigt, sofern diese nicht selbst eine begünstigte Einrichtung nach § 4
Nr. 16 UStG sind."
Angesichts dieser Rechtslage sind die Leistungen der Klägerin, welche ausschließlich Leistungen erbrachte, über die im Rahmen des persönlichen Budgets abgerechnet wurde, nicht steuerfrei nach § 4
Nr. 16 Buchst. l UStG. Denn die Klägerin erreichte die Sozialgrenze von 25 % unstreitig in keinem der Streitjahre.
2. Die Steuerbefreiung kann sich auch nicht, wie die Klägerin vorträgt, daraus ergeben, dass eine Vergleichbarkeit mit Leistungen und Abrechnungen von Subunternehmern besteht. Diesbezüglich hat der BFH zwar entscheiden, dass eine mittelbare Kostentragung ausreichen kann (BFH vom 13.06.2018 XI R 20/16, BFHE 262, 220, BFH/NV 2018, 1217). Doch handelt es sich dabei um einen anderen Sachverhalt als dem vorliegenden.
Vorliegend liegt keine mittelbare Kostentragung durch den LWV in diesem Sinne vor. Denn die Klägerin rechnet nicht als Subunternehmerin mit einem Leistungserbringer ab, sondern erhält die Gegenleistung ausschließlich aus dem persönlichen Budget ihrer Kunden.
Im Übrigen hat auch der BFH entschieden, dass nicht jede nur mittelbare Kostentragung ausreicht, um die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zu erfüllen. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 (welcher für das Streitjahr in dem vom BFH entschiedenen Fall maßgeblich war) muss es sich um Leistungen handeln, die "vergütet worden sind". Dies setzt zumindest voraus, dass der zuständige Träger die an einen anderen Unternehmer im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen kennt und die Kosten hierfür, wenn auch mittelbar, tragen will.
Ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle i.
S. von § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Die Steuerbefreiung nach § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 wird daher insbesondere dann ausgelöst, wenn der Unternehmer die Erstattung der Kosten, die seinen Leistungsempfängern aufgrund seiner Leistung entstanden sind, durch Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger konkret nachweisen kann (BFH vom 13.06.2018 XI R 20/16, BFHE 262, 220, BFH/NV 2018, 1217). Dies war in dem vom BFH entschiedenen Fall gegeben, im vorliegend vom Senat zu beurteilenden Sachverhalt indes nicht. Denn die Klägerin erhielt ihre Gegenleistung direkt von ihren Klienten und zwar unabhängig davon, ob diese einen Teil des Persönlichen Budgets an den LWV zurückzahlen mussten oder nicht.
Auch der vom BFH mit Urteil in BFHE 254, 272, BFH/NV 2016, 1530 entschiedene Fall der mittelbaren Vergütung durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Leistungen eines selbständigen Erziehungsbeistandes ist nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Sachverhalt. Auch dort wurde eine gemäß § 4
Nr. 25 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG steuerfreie Leistung dann bejaht, als dem die Vergütung zahlenden Jugendamt unter Mitteilung des jeweiligen Subunternehmers ein Kostenvoranschlag des Anbieters unterbreitet und auf dieser Grundlage der Auftrag erteilt wurde. In diesem Fall sagte das Jugendamt in Kenntnis der Person des Subunternehmers zu und übernahm die Kosten für dessen Leistungen (
vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 254, 272, BFH/NV 2016, 1530, Rz 31). Genauso liegt es, wenn sich der Leistungserbringer gegenüber dem Träger zum Einsatz von -namentlich nicht benannten- in bestimmter Weise qualifiziertem Personal verpflichtet hat, dieses auch tatsächlich einsetzt und patientenbezogene Leistungsabrechnungen vom Subunternehmer an den Leistungserbringer und vom Leistungserbringer an den zuständigen Träger erfolgen (BFH-Urteil vom 13.06.2018 XI R 20/16, BFHE 262, 220, BFH/NV 2018, 1217).
Die Kostentragung war im vorliegend zu entscheidenden Streitfall indes gerade nicht gegeben. Denn nicht ein Kostenträger hat die Kosten getragen, sondern die Klienten der Klägerin selbst. Sie, ggfs. vertreten durch ihre Betreuer, schlossen Verträge mit der Klägerin und ihnen gegenüber wies die Klägerin ihre geleisteten Stunden und Tätigkeiten nach. Ihr Anspruch auf Entgelt bestand unabhängig davon, ob der LWV von den Klienten einen Teil des ausgezahlten Betrags zurückforderte, weil einzelne Zielvereinbarungen nicht eingehalten wurden.
3. Soweit die Klägerin rügt, sie werde aufgrund der bestehenden Regelung ungleich behandelt gegenüber anderen Anbietern, wie
z.B. der Diakonie, vermag der Senat diesem Argument nicht zu folgen, da die Ungleichbehandlung vom Gesetzgeber in Kauf genommen wurde und die Vorschrift des § 4
Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG weder verfassungswidrig noch unionsrechtswidrig ist (siehe die Ausführungen oben). Im Rahmen der Gesamtschau ist dabei auch darauf zu verweisen, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen letztlich im unternehmerischen Wettbewerb erfolgten, nämlich durch eine privatrechtliche Einrichtung mit Gewinnstreben (
vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2017 XI R 23/14, BFHE 258, 517, BFH/NV 2017, 1561). Auch der Klägerin hätte es freigestanden, ein anderes Konzept zu wählen und damit ihre Leistungen im Ergebnis steuerbefreit zu erbringen, so dass es letztlich nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt (
vgl. dazu BFH-Urteil vom 24.02.2021 XI R 32/20 (XI R 42/19), BFHE 272, 270).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 1 FGO.
III. Die Revision wurde gemäß § 115
Abs. 2
Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.