Die Beteiligten streiten über die vom Kläger begehrte Gleichstellung mit einem behinderten Menschen gemäß
§ 2 Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Der 1957 geborene Kläger steht seit Oktober 1987 in einem Vollzeitarbeitsverhältnis als Lagerarbeiter bei der Firma R. L.
GmbH (nachfolgend: R.) in R ... Mit Bescheid des L.
S.-B.-K. vom 15.09.2006 wurde ein Grad der Behinderung (
GdB) von 30 seit 27.06.2006 festgestellt. Diese Entscheidung wurde auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen gestützt: Bronchialasthma, Schlafapnoe-Syndrom, Atembehinderung bei Verengung des Nasenganges, Kopfschmerzsyndrom, Schwindel, Reizmagen, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen.
Am 08.11.2011 stellt er bei der Beklagten einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2
Abs. 3
SGB IX. Er gab an, seine derzeitige Tätig könne er mit behinderungsbedingten Einschränkungen weiterhin ausüben. Er dürfe aber nicht mehr schwer heben; deshalb halte er seinen Arbeitsplatz für stark gefährdet. Das Arbeitsverhältnis sei allerdings ungekündigt; über einen besonderen Kündigungsschutz verfüge er nicht. Auf Anfrage der Beklagten teilte die Firma R. mit Antwortschreiben vom 30.11.2010 mit, der Kläger überwiegend eine Umspultätigkeit aus. Bestehende gesundheitliche Einschränkungen des Klägers seien bekannt und wirkten sich durch häufige Fehlzeiten aus. Eine innerbetriebliche Umsetzung des Klägers sei nicht möglich. Eine Kündigung sei nicht ausgesprochen worden; es handele sich weder aufgrund gesetzlicher noch aufgrund tariflicher Bestimmungen um ein unkündbares Arbeitsverhältnis. Zu einer Gefährdung des Arbeitsplatzes machte der Arbeitgeber keine Angaben.
Mit Bescheid vom 24.01.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ab. Die Gleichstellung diene der Erhaltung oder Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Auf einem solchen werde der Kläger jedoch nicht beschäftigt. Ein anderer, geeigneter Arbeitsplatz stehe bei seinem Arbeitgeber - nach dessen Angaben - nicht zur Verfügung.
Mit seinem hiergegen am 03.02.2011 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Voraussetzungen für die begehrte Gleichstellung lägen vor. Eine Verbesserung der Arbeitsplatzsituation des Klägers bei der Firma R. sei ohne Weiteres möglich. Auf eine weitere Anfrage der Beklagten erklärte die Firma R. mit Schreiben vom 11.03.2011, der Kläger sei als Umspuler eingesetzt,
d. h. er länge Kabel nach Kundenwunsch ab und spule sie auf Trommel oder Ringe um. In der Vergangenheit habe sich der Kläger nie massiv geäußert, dass ihm diese Tätigkeit zu schwer sei. Der Kläger sei im Lagerwesen beschäftigt und deshalb immer mit Gewichten konfrontiert. Nach Auskunft des behandelnden Arztes sei die lumbale Leistungsfähigkeit aber wieder hergestellt. Seit Wiederaufnahme der Tätigkeit am 10.01.2011 sei keine Arbeitsunfähigkeit mehr eingetreten. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Gleichstellung könne erst festgestellt werden, wenn der innegehaltene Arbeitsplatz konkret gefährdet sei. Eine solche Gefährdung liege im Fall des Klägers nicht vor.
Mit der am 08.06.2011 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das bisherige Verhalten seines Arbeitgebers lasse seinen Arbeitsplatz als gefährdet erscheinen. Er befürchte weiterhin eine krankheitsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 Bezug genommen.
Gegen diesen seinen Bevollmächtigten gemäß Empfangsbekenntnis am 27.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.01.2012 schriftlich beim Landessozialgericht (
LSG) Berufung eingelegt. Die Beklagte habe ihre Entscheidung zu Unrecht nur auf die Angaben des Arbeitgebers gestützt; denn dieser könne naturgemäß kein Interesse an einer Gleichstellung seines Arbeitnehmers mit einem behinderten Menschen haben. Darüber hinaus habe ihm der inzwischen anwaltlich vertretene Arbeitgeber die erheblich erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten ausdrücklich vorgehalten und die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angekündigt. Ein solches stelle häufig die Vorstufe zu einer krankheitsbedingten Kündigung dar. Dies sei auch im vorliegenden Fall so anzunehmen, nachdem der Arbeitgeber gegenüber der Beklagten selbst angegeben habe, eine Umsetzung innerhalb des Betriebes sei nicht möglich. Damit liege im Ergebnis eine die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen rechtfertigende Gefährdung des innegehaltenen Arbeitsplatzes vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16.12.2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011 zu verpflichten, ihn einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat eine (weitere) schriftliche Auskunft der Firma R. eingeholt. Für diese hat deren Mitarbeiter Hauser unter dem 26.04.2012 mitgeteilt, die Tätigkeit des Klägers erfordere die Fähigkeit zum Heben und Tragen von Gewichten bis zu 35
kg und zum Arbeiten in Zwangshaltungen. Der Kläger sei zuletzt vom 11.10.2011 bis 20.01.2012 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Der Reha-Fachberater der DRV habe anlässlich einer Besichtigung des Arbeitsplatzes des Klägers am 24.04.2012 bestätigt, dass der Arbeitsplatz des Klägers aus ärztlicher Sicht nicht geeignet sei; wegen technischer Hilfestellungen solle jetzt ein Sachverständiger der Beklagten zu Rate gezogen werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 03.07.2012 hat der Mitarbeiter der Firma R. H. ausgeführt, der Arbeitsplatz des Klägers sei gefährdet; alternative Einsatzmöglichkeiten für den Kläger bestünden nicht.
Darüber hinaus sind die Reha-Akten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund (24 240557 O 015) und die Stellungnahme des Technischen Beraters der Beklagten
Dipl.-Ing. (
FH) E.
S. vom 20.02.2013 beigezogen worden. Wegen des Inhalts dieser Stellungnahme wird auf Bl. 42 bis 45 der Berufungsakte des Senats verwiesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Der Senat konnte gemäß § 153
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) in Verbindung mit § 124
Abs. 2
SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (
vgl. §§ 143, 144
Abs. 1
Nr. 1
SGG in der hier anzuwendenden ab 1. April 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere wurden die maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151
Abs. 1
SGG) beachtet. Die Berufung ist auch begründet, das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1) ist der den Antrag des Klägers vom 08.11.2010 auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ablehnende Bescheid der Beklagten vom 24.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2011. Dieser Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in subjektiven Rechten; der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die begehrte Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX.
Nach dieser Vorschrift (in der Normfassung des
SGB IX vom 19.06.2001 – BGBl. I
S. 1056) sollen behinderte Menschen mit einem
GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30 (
vgl. dazu
BSG, Beschluss vom 15.07.2010 - B 11 AL 150/09 B - veröffentlicht in Juris), bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2
Abs. 2
SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen (mit einem
GdB von wenigstens 50; § 2
Abs. 2
SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des
§ 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2
Abs. 2
SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen
GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder eine rechtmäßige Beschäftigung im Sinne des § 73
SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes. Die letztgenannte Voraussetzung muss dementsprechend auch bei einer Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX vorliegen. Darüber hinaus ist zwischen zwei Tatbestandsalternativen zu unterscheiden, nämlich der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Sinne des § 73
SGB IX (Alternative 1) und der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2). Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (
BSG, Urteil vom 01.03.2011- B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2
Nr. 4).
Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten
GdB von 30 und eines Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist darüber hinaus infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht in der Lage, einen geeigneten Arbeitsplatz zu behalten; eine für die begehrte Gleichstellung ausreichende Gefährdung seines innegehaltenen und im Sinne des § 2
Abs. 3
SGB IX geeigneten Arbeitsplatzes liegt vor. Damit ist die 2. Tatbestandsalternative des § 2
Abs. 3
SGB IX erfüllt.
Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (
BSG, Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1). Dass der Kläger die für die von ihm verrichtete Tätigkeit als Umspuler erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, um diesen Arbeitsplatz vollwertig ausfüllen zu können, steht fest, nachdem der Kläger diese Tätigkeit über Jahre und ohne Beanstandungen ausgeübt hat. Darüber hinaus lassen auch die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers die Geeignetheit des Arbeitsplatzes nicht entfallen. Der behinderte Mensch darf zwar grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung gesundheitlich nicht überfordert werden. Auf der anderen Seite kann das Hinzutreten einer - wie im Fall des Klägers - behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes führen. Andernfalls liefe der Zweck der Gleichstellung, den behinderten Menschen gerade vor den negativen Konsequenzen seiner Behinderung im Hinblick auf seine Konkurrenzfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu schützen, leer. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind deshalb auch die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus
§ 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (
vgl. dazu Christians in
GK-SGB IX, § 2
Rdnr. 143
ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 81
Abs. 4
Nr. 5
SGB IX, der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2
Abs. 3
SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen.
Im Fall des Klägers sind diese Voraussetzungen erfüllt. Der Senat kann offen lassen, ob den Behinderungen des Klägers, wie von diesem vorgetragen, bereits dadurch Rechnung getragen und die Geeignetheit des Arbeitsplatzes erreicht werden kann, dass der Kläger ausschließlich mit - seinem positiven Leistungsbild entsprechenden - Arbeiten an der Ringemaschine betraut wird. Jedenfalls lässt sich auch der vom Kläger derzeit konkret innegehaltene Arbeitsplatz durch technische Arbeitshilfen so ausstatten, dass dieser den körperlichen Einschränkungen des Klägers gerecht wird. Dies steht zur vollen Überzeugung des Senats fest aufgrund der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des technischen Beraters
Dipl.-Ing. (
FH)
S. vom 20.02.2013. Dieser hat aus Sicht des Senats nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass die am Arbeitsplatz des Klägers anfallenden Belastungen
u. a. durch die Anbringung einer Elektroseilwinde, die Anschaffung eines Manipulators zur Entlastung bei der Benutzung der hydraulischen Schere und eine motorische Unterstützung der Abwickelstation durch Erweiterung der elektrischen Steuerung in einem in Ansehung von Art und Schwere der beim Kläger bestehenden Einschränkungen notwendigen und zweckmäßigen Umfang verringert werden können. Eine Förderung dieser technischen Hilfen ist aus Sicht des technischen Beratungsdienstes der Beklagten empfohlen worden; die DRV hat bereits Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt.
Angesichts dieser Gegebenheiten steht der Umstand, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen (noch) nicht umgesetzt worden sind, der Geeignetheit des Arbeitsplatzes nicht entgegen. Dass die zwischen Arbeitgeber, Beklagter und DRV Bund als zuständigem Reha-Träger vereinbarte Prüfung und Planung der vorgeschlagenen technischen Lösungen jedenfalls teilweise nicht realisiert worden sind, beruht, wie sich aus dem aktenkundigen Vermerk der DRV Bund vom 01.02.2013 ergibt, allein auf einer absprachewidrigen (teilweisen) Untätigkeit des Arbeitgebers. Hiervon die Geeignetheit des Arbeitsplatzes abhängig zu machen, würde im Ergebnis nichts anderes bedeuten, als die Entscheidung über die Gleichstellung letztlich in die Hand des Arbeitgebers zu legen. Nachdem auf dessen Seite wegen des mit der Gleichstellung verbundenen Kündigungsschutzes ein nicht unerhebliches Eigeninteresse besteht, würde eine solche Lösung der Zielsetzung des § 2
Abs. 3
SGB IX nicht gerecht. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes muss es deshalb genügen, dass eine behindertengerechte Ausgestaltung des Arbeitsplatzes durch rechtlich gebotenes Handeln des Arbeitgebers und des zuständigen Rehabilitationsträgers realisiert werden kann.
Nachdem es sich bei dem Arbeitsplatz des Klägers somit um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt, ist mit Rücksicht auf die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können") zu prüfen, ob bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (
BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Da der behinderte Mensch insoweit in seiner ungünstigen Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu sehen ist und die Gleichstellung wie die Anerkennung als Schwerbehinderter eine Rehabilitationsmaßnahme in einem weiten Sinne darstellt, sind bei der erforderlichen Prognose über das Behaltenkönnen des Arbeitsplatzes nur geringe Anforderungen zu stellen (
BSG, Beschluss vom 17.07.2009 - B 11 AL 168/08 R - veröffentlicht in Juris); eine absolute Sicherheit ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass durch eine Gleichstellung der Arbeitsplatz sicherer gemacht werden kann (
BSG, Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des
BSG (a.a.O.), der der erkennende Senat sich anschließt, bereits durch den besonderen Kündigungsschutz der
§§ 85 ff. SGB IX der Fall.
Da der Kläger angesichts der Anforderungen seines Arbeitsplatzes und der durch seine Behinderung bedingten qualitativen Leistungseinschränkungen gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig ist, wird diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht. Den gesetzlichen Anforderungen des "Nichtbehaltenkönnens eines geeigneten Arbeitsplatzes ohne die Gleichstellung" ist damit genügt.
Eine darüber hinausgehende konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes durch eine bereits im Raum stehende oder zumindest angedrohte Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (so
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10; in diesem Sinne wohl auch Schleswig-Holsteinisches
LSG, Urteil vom 14.12.2012 - L 3 AL 36/11 - und - für den Fall eines bereits behindertengerecht eingerichteten Arbeitsplatzes -
LSG Nordrhein-Westphalen, Urteil vom 12.04.2010 - L 19 AL 21/09 - alle veröffentlicht in Juris) ist demgegenüber nicht zu fordern. Auch ein solches Erfordernis würde dem Zweck der Gleichstellung zuwider laufen. Deren Zielrichtung ist es, den behinderten Menschen vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät (Christians a.a.O.
Rdnr. 135
m.w.N.). Dieses Ziel würde verfehlt, könnte der Arbeitgeber vollendete Tatsachen schaffen, bevor der behinderte Mensch - mangels ausreichend langfristiger vorheriger Ankündigung einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses - in die Lage versetzt ist, die Gleichstellung zu beantragen. Die Gleichstellung wirkt zwar auf den Tag des Eingangs des Antrags bei der Agentur für Arbeit zurück; gemäß
§ 90 Abs. 2a SGB IX (in der mit Wirkung vom 01.05.2004 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 23.04.2004 [BGBl. I
S. 606]) findet
u. a. § 85
SGB IX jedoch keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69
Abs. 1 Satz 2 eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (
BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 217/06 - BAGE 121, 335) ist diese Norm so auszulegen, dass die (regelmäßig erst später rückwirkend verfügte) Gleichstellung den Verlust des geeigneten Arbeitsplatzes nur noch verhindern kann, wenn sie bis spätestens drei Wochen vor Erhalt einer Kündigung beantragt worden ist (
vgl. dazu auch
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2011 - L 3 AL 1949/11 - Justiz 2012, 332, veröffentlicht auch in Juris). Fordert man für eine Gleichstellung nach der 2. Tatbestandsalternative des § 2
Abs. 3
SGB IX das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine beabsichtigte arbeitgeberseitige Kündigung des Arbeitsverhältnisses, nimmt man letzten Endes billigende in Kauf, dass eine (erfolgversprechende) Antragstellung in vielen Fällen nicht mehr rechtzeitig erfolgen und der Kündigungsschutz des § 85
SGB IX nicht mehr rechtzeitig erlangt werden kann. Mit der Zielsetzung der Gleichstellung, den Arbeitsplatz des behinderten Menschen sicherer zu machen (
BSG a.a.O.), ließe sich ein solches Ergebnis nicht vereinbaren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung des Klägers insgesamt erfolgreich gewesen ist.
Der Senat hat gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG die Revision zugelassen, da die an das Ausmaß der Arbeitsplatzgefährdung im Rahmen des § 2
Abs. 3
SGB IX zu stellenden Anforderungen in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte (Schleswig-Holsteinisches
LSG a.a.O.;
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - und
LSG Nordrhein-Westphalen a.a.O.) und derjenigen des
BSG (
vgl. insbesondere Urteil vom 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1) nicht einheitlich beurteilt werden.