1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Streitig ist die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Der am ...1955 geborene Kläger ist seit dem 1.3.1993 bei der Sparkasse F. als Direktor der Filiale in I. beschäftigt.
Mit Bescheid vom 9.6.2004 stellte das Versorgungsamt A. bei ihm einen
GdB von 30 fest. Dabei berücksichtigte das Versorgungsamt Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund einer koronaren Herzkrankheit, einer Herzleistungsminderung sowie Bluthochdruck.
Am 20.3.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zur Begründung seines Antrags führte er
u. a. aus, im Hinblick auf seine Behinderung spreche ihm seine Arbeitgeberin die erforderliche Leistungsfähigkeit ab. Ende des Jahres 2011 habe sie daher damit gedroht, ihm die Position eines Filialdirektors zu entziehen. Zwar genieße er gemäß § 34 TVöD einen besonderen tarifvertraglichen Kündigungsschutz. Die Vorschrift schließe aber weder eine betriebsbedingte Änderungskündigung noch eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund aus.
Die Beklagte holte daraufhin Stellungnahmen des Personalmanagements der Sparkasse F., des dortigen Personalrats und der dortigen Schwerbehindertenvertretung ein.
Im Anschluss daran lehnte sie mit Bescheid vom 24.5.2012 den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung gab sie an, gemäß
§ 2 Abs. 3 SGB IX komme die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nur in Betracht, wenn der Betroffene infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten kann. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Denn nach den eingeholten Stellungnahmen sei der Arbeitsplatz des Klägers nicht aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet. Im Übrigen sei sein Arbeitsplatz bereits aufgrund der tariflichen Bestimmungen hinreichend sicher. Der Kläger benötige daher nicht den besonderen Kündigungsschutz, der aus der Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen resultiere.
Hiergegen legte der Kläger am 31.5.2012 Widerspruch ein. Er machte geltend, der tarifvertragliche Kündigungsschutz reiche nicht aus. Denn er stünde einer außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit nicht entgegen. Seine Arbeitgeberin halte ihm Führungsschwäche und Leistungsdefizite vor. Angesichts dessen sei sein Arbeitsplatz durchaus gefährdet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.9.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, für eine Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX genüge nicht die abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes; erforderlich seien vielmehr Tatsachen, die den Schluss zulassen, der Arbeitsplatz sei infolge einer Behinderung konkret in Gefahr. Könne - wie hier - der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Betroffenen aufgrund seines Alters und seiner Beschäftigungsdauer nur noch außerordentlich kündigen, komme eine Gleichstellung nur im Ausnahmefall in Betracht. Denn eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit dürfe der Arbeitgeber dann nur bei außergewöhnlich langen oder häufigen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit erklären. Zudem müsse er zuvor alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine Kündigung zu vermeiden
(z. B. Fortbildung des Betroffenen oder Umsetzung anderer Mitarbeiter). Im vorliegenden Fall ließen sich die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers mit seiner beruflichen Tätigkeit ohne weiteres vereinbaren. Hiermit übereinstimmend habe er in den letzten Jahren keine nennenswerten Fehlzeiten gehabt. Nach Auskunft der Arbeitgeberin und der Mitarbeitervertretungen drohten dem Kläger durch seine Behinderungen weder eine außerordentliche Kündigung noch eine Änderungskündigung. Eine etwaige innerbetriebliche Umsetzung wegen Führungsschwäche stünde in keinem Zusammenhang mit seiner Behinderung, wäre also für die beantragte Gleichstellung unerheblich.
Mit der am 27.9.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Er trägt ergänzend vor, infolge seiner Behinderung sei seine Leistungsfähigkeit gemindert. Nach Auffassung seiner Arbeitgeberin gelte dies auch für seine berufliche Tätigkeit. So habe sie ihm bei einer Mitarbeiterbeurteilung am 16.9.2010 bescheinigt, seine Führungsleistung erfülle nicht immer die Anforderungen der Stelle. In der Folgezeit habe ihm seine Arbeitgeberin eine Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Kreditabteilung nahegelegt. Der Vorstandsvorsitzende der Arbeitgeberin habe angekündigt, ihm die Stelle als Filialdirektor "mit allen Mitteln" zu nehmen; dies umfasse auch eine Kündigung. Entgegen der Auffassung der Beklagten setze eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit keine langdauernde Arbeitsunfähigkeit voraus. Es genüge, wenn der Betroffene aufgrund seiner Leistungseinschränkungen die Anforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes nicht mehr erfüllen kann. Im Übrigen solle die Gleichstellung nicht nur vor einer Kündigung schützen, sondern auch vor einer Umsetzung. Auch eine Umsetzung habe sein Arbeitgeber bereits erwogen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.9.2012 zu verurteilen, ihn mit Wirkung zum 20.3.2012 einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
1) Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (§ 2
Abs. 3
SGB IX). Die Vorschrift bezweckt den Schutz des behinderten Menschen vor einer für ihn ungünstigen Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt. Anders als bei schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 2
Abs. 2
SGB IX besteht bei behinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 keine generelle Vermutung für ein erhöhtes Arbeitsplatzrisiko. Eine Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX kommt daher nur in Betracht, wenn im konkreten Einzelfall die berufliche Integration des Betroffenen aufgrund seiner Behinderung gefährdet ist. Dies setzt voraus, dass sein Arbeitsplatz verloren zu gehen droht und er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gesunden Arbeitnehmern in Konkurrenz treten muss. Besteht diese Gefahr nicht, scheidet ein Anspruch auf Gleichstellung aus. Maßgebend ist somit, ob der Arbeitsplatz durch eine Gleichstellung sicherer gemacht werden kann.
Gemessen hieran ist die Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen nicht notwendig. Denn für ihn bestand und besteht keine Gefahr, seinen Arbeitsplatz zu verlieren - weder durch eine Entlassung (dazu a) noch durch eine Änderungskündigung (dazu b); eine drohende Umsetzung rechtfertigt keine Gleichstellung (dazu c).
a) Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, können nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden (§ 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD). Gilt - wie hier - dieser besondere Kündigungsschutz, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Arbeitgebers nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wobei in der Regel eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten ist: Erforderlich ist erstens eine negative Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustands des Arbeitnehmers. Zweitens muss aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen in Zukunft mit einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers zu rechnen sein. Drittens ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Vor Ausspruch der Kündigung hat der Arbeitgeber nach leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer zu suchen; an seine Bemühungen sind dabei hohe Anforderungen zu stellen. Die Unfähigkeit des Arbeitnehmers, einen Teil der geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen, reicht in der Regel nicht aus, um eine krankheitsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen. Erst wenn das Arbeitsverhältnis auf Dauer umfassend gestört ist, weil aufgrund der Erkrankung des Arbeitnehmers auf nicht absehbarer Zeit kein Leistungsaustausch mehr erfolgen wird, ist eine Kündigung zulässig (Linck in: Schaub, ArbR-Hdb., 14. Aufl., § 128
Rdnr. 34a).
Zwar ist bei den Erkrankungen des Klägers (koronare Herzkrankheit, Herzleistungsminderung und Bluthochdruck) möglicherweise nicht mehr mit einer Besserung zu rechnen. Allerdings bestehen keine Anhaltspunkte dafür, die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen der Sparkasse F. würden durch die Krankheiten des Klägers erheblich beeinträchtigt. Der kardiologische Befund des Klägers liegt dem Grunde nach bereits seit dem Jahr 2003 vor. Mit seiner beruflichen Tätigkeit ließen sich die Krankheiten seither ohne weiteres vereinbaren. So war der Kläger in den letzten Jahren nicht in nennenswertem Umfang arbeitsunfähig; lediglich im Jahr 2009 hat er eine dreiwöchige stationäre Rehabilitation absolviert. Sowohl nach der eigenen Einschätzung des Klägers (Seite 2 der Verwaltungsakte) als auch nach Auffassung des Personalmanagements der Sparkasse F., des dortigen Personalrats und der dortigen Schwerbehindertenvertretung (Seiten 21, 31 und 33 der Verwaltungsakte) wirken sich die Erkrankungen des Klägers in keiner Weise auf seine Tätigkeit aus. Ist der Kläger also trotz seiner Behinderung grundsätzlich weiter in der Lage, seine Beschäftigung zu verrichten, ist das Austauschverhältnis von Arbeit und Vergütung nicht wesentlich gestört. Im Übrigen müsste die Sparkasse F. bei einer etwaigen Kündigung den Nachweis erbringen, dass eine andere, den Erkrankungen des Klägers Rechnung tragende Beschäftigung im Unternehmen nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger derzeit keine Gefahr, entlassen zu werden - schon gar nicht aus Gründen seiner Behinderung (so auch das Personalmanagement der Sparkasse, der dortige Personalrat und die dortigen Schwerbehindertenvertretung, Seiten 22, 32 und 34 der Verwaltungsakte).
b) Die Gleichstellung des Klägers mit einem schwerbehinderten Menschen ist auch nicht notwendig, um ihn vor einer Änderungskündigung seiner Arbeitgeberin zu schützen.
Allerdings hat die Sparkasse F. hier möglicherweise eine Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger erwogen: Auf dem Vordruck der Beklagten hatte das Personalmanagement der Sparkasse
u. a. angekreuzt, vorgesehen sei eine "innerbetriebliche Umsetzung" des Klägers. Nach Darstellung des Klägers wollte ihm die Sparkasse seine Tätigkeit als Filialdirektor entziehen und ihm eine neue Tätigkeit als Sachbearbeiter zuweisen. Träfe dies zu, wäre dies nur im Wege der Änderungskündigung möglich, nicht im Wege der Umsetzung: Denn im Rahmen seines Direktionsrechts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur solche Tätigkeiten zuweisen, die den Merkmalen der im Arbeitsvertrag genannten Entgeltgruppe entsprechen. Eine Änderung der bisherigen Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten kann der Arbeitgeber hingegen nur im Wege der Änderungskündigung erreichen (
BAG, Urteil vom 23.11.2004, 2 AZR 38/04,
Rdnr. 47 - nach Juris).
Bei einer Änderungskündigung handelt es sich um eine "echte" Kündigung, verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen (
vgl. § 2 Satz 1
KSchG). Auch für eine Änderungskündigung gilt daher der besondere Kündigungsschutz nach § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD (
BAG, Urteil vom 28.10.2010, 2 AZR 688/09,
Rdnr. 31 - nach Juris).
Im Hinblick auf § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD scheidet eine Entlassung des Klägers aus (siehe a). Die dortigen Erwägungen gelten in gleicher Weise für eine Änderungskündigung. Besteht schon aus diesem Grund keine Gefahr einer Änderungskündigung, kann die Kammer dahingestellt lassen, ob die Sparkasse F. überhaupt noch an ihrer am 18.5.2012 geäußerten Absicht festhält, den Kläger "umzusetzen"; nach Angaben seines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung hat sich der Kläger mit seiner Arbeitgeberin zwischenzeitlich über den Verbleib auf seinem bisherigen Arbeitsplatz (bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Altersteilzeit) verständigt.
c) Sofern dem Kläger - trotz der Verständigung mit seiner Arbeitgeberin - eine "echte" Umsetzung (also auf einen gleichwertigen anderen Arbeitsplatz) drohen sollte, könnte er hieraus keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ableiten. Zwar könnte sich der Kläger gegen eine solche Umsetzung nicht unter Hinweis auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD wehren. Auch die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen stünde indes einer Umsetzung nicht entgegen (Koch in: Schaub, ArbR-Hdb., 14. Aufl., § 179
Rdnr. 15 f.). Im übrigen hätte eine solche Umsetzung ihren Grund nicht in der Behinderung des Klägers, sondern in dessen - aus Sicht der Arbeitgeberin - mangelnder Führungsleistung.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.