II.
Die gemäß § 172
SGG - es handelt sich bei der Aussetzung des Verfahrens durch Beschluss nicht lediglich um eine prozessleitende Verfügung
i.S.d. § 172
Abs. 2
SGG (dazu
vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage, § 114 RdNr. 9; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte,
SGG, § 114 RdNr. 17), auch ist die Beschwerde vorliegend nicht nach § 173
Abs. 3
SGG ausgeschlossen - statthafte und
i.S.d. § 173
SGG form- und fristgemäß erhobene Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 114
Abs. 2
S. 1
SGG kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsstelle auszusetzen sei, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsstelle festzustellen ist.
Das Ergebnis des zwischen der Klägerin und der Beklagten geführten Rechtsstreits wird u.a. vom Ausgang des von der Klägerin gegenüber der Versorgungsverwaltung geführten Verfahrens S 18 SB 2253/12 abhängen.
Nach der Rechtsprechung des
BSG (19.12.2001 -
B 11 AL 57/01 R, BSGE 89, 119-124 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 2 = juris RdNr. 26) wird die Gleichstellung gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX durch den Bescheid der Beklagten konstitutiv mit Wirkung ab Antragstellung begründet. Maßgeblich ist daher für die Frage, ob ein behinderter Mensch einem Schwerbehinderten gleichzustellen ist, der Zeitpunkt der Antragstellung (
BSG 02.03.2000 -
B 7 AL 46/99 R, BSGE 86, 10-16 = juris RdNr. 15). Zu diesem Zeitpunkt lagen im hiesigen Rechtsstreit die Voraussetzungen für die Gleichstellung - mangels Zuerkennung eines
GdB von 30 durch die Versorgungsverwaltung - (noch) nicht vor. Ob eine solche Zuerkennung aber im dortigen Rechtsstreit mit Wirkung ab der dortigen Antragstellung, die vor dem hiesigen Antrag liegt, auszusprechen ist, wird das SG im Verfahren S 18 SB 2253/12 zu entscheiden haben. Insoweit hängt die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit davon ab, ob im Verfahren S 18 SB 2253/12 die Versorgungsverwaltung verpflichtet wird, der Klägerin einen
GdB von 30
bzw. 40 zuzuerkennen und zwar ab einem Zeitpunkt, der spätestens dem der Antragstellung im vorliegenden Verfahren (07.05.2012) entspricht.
Aber auch wenn sich abzeichnen sollte, dass eine Zuerkennung eines
GdB von 30
bzw. 40 erst ab einem späteren Zeitpunkt in Betracht kommt, so hinge der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits dennoch vom Ergebnis des Verfahrens S 18 SB 2253/12 ab. Denn nach der Rechtsprechung des
BSG (02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R, BSGE 86, 10-16 = juris RdNr. 15) sind in dem mittels Verpflichtungs-
bzw. Anfechtungs- und Leistungsklage betriebenen, auf Gleichstellung gerichteten Verfahren alle im Laufe des Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren eintretenden tatsächlichen und rechtlichen Änderungen bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz zu berücksichtigen. Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (
vgl. Urteil vom 25.01.2013 - L 8 AL 363/12, unveröffentl.) im Klageverfahren zwischen der Klägerin und der Beklagten zu berücksichtigen, ob (spätestens) zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen einer Gleichstellung schon
bzw. noch vorliegen (dazu
vgl. z.B. BSG a.a.O.; Hessisches
LSG 19.06.2013 -
L 6 AL 116/12 - juris RdNr. 31). Wird der Klägerin daher ein
GdB von 30
bzw. 40 zuerkannt mit Wirkung eines Zeitpunkts, der nach Antragstellung im vorliegenden Verfahren liegt (07.05.2012), so ist diese Änderung auch im vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung und zu berücksichtigen. Lediglich dann, wenn im vorliegenden Rechtsstreit offensichtlich ist, dass eine Gleichstellung auch unabhängig von der Zuerkennung eines
GdB von 30
bzw. 40 nicht in Betracht kommt, könnte Vorgreiflichkeit
i.S.d. § 114
Abs. 2
SGG verneint werden. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Hängt damit der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits auch von demjenigen des Verfahrens S 18 SB 2253/12 ab, so liegt Vorgreiflichkeit
i.S.d. § 114
Abs. 2
SGG vor.
Auch wenn durch die Aussetzung eine Verzögerung des Gerichtsverfahrens bis zum ungewissen Zeitpunkt der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen eintritt und die Klägerin auch nach Zuerkennung eines
GdB von 30
bzw. 40 einen Neuantrag auf Gleichstellung stellen könnte, so entfällt damit das Rechtsschutzinteresse der Klägerin am vorliegenden - ausgesetzten - Verfahren nicht. Denn zunächst würde der nach - auch rückwirkender - Zuerkennung eines
GdB von 30
bzw. 40 gestellte neue Gleichstellungsantrag nur ab dem Datum dieses Antrages wirken (
BSG 19.12.2001 a.a.O.); eine weiter zurückreichende Gleichstellung käme nicht in Betracht.
Im Übrigen begründet vorliegend auch
§ 90 Abs. 2a SGB IX ein Rechtsschutzinteresse - auch am ausgesetzten Verfahren. Danach besteht Sonderkündigungsschutz
i.S.d. § 85 ff SGB IX für Personen auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des
§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Diese Regelung hat das
BAG (01.03.2007 - 2 AZR 217/06, BAGE 121, 335-346 = juris RdNr. 43) auch für den Antrag auf Gleichstellung übertragen: Trotz fehlenden Nachweises bleibe der Sonderkündigungsschutz nach § 90
Abs. 2a 2. Alt.
SGB IX bestehen, wenn das Fehlen des Nachweises nicht auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers beruhe. Das Fehlen des Nachweises beruhe jedenfalls dann auf fehlender Mitwirkung des Arbeitnehmers, wenn er den Antrag auf Anerkennung oder Gleichstellung nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt habe (
BAG a.a.O.). Da der Klägerin mithin während des laufenden, auf Gleichstellung gerichteten Klageverfahrens ein Sonderkündigungsschutz zukommen kann - ob dieser besteht, müssen die Arbeitsgerichte in einem gegen eine Kündigung geführten Rechtsstreit entscheiden - besteht ein Interesse daran, das Verfahren gegen die Beklagte vorliegend - auch ausgesetzt oder ruhend - weiter offen zu lassen bis sich im auf Feststellung eines
GdB von 30 geführten Verfahren eine Entscheidung ergeben hat. Dieses Weiterbetreiben eines Verfahrens bei ungewissem Ausgang ist wegen des möglichen Sonderkündigungsschutzes aber auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Der Senat folgt der Argumentation der Beklagten und ihren Hinweisen auf die Rechtsprechung des
LSG Nordrhein-Westfalen bzw des Hessischen
LSG nicht. So war
z.B. in der Entscheidung des
LSG Nordrhein-Westfalen vom 06.07.2009 (
L 19 AL 17/09, juris) eine Aussetzung abgelehnt worden, weil dort im Hinblick auf das Begutachtungsergebnis im
GdB-Verfahren (der Gutachter, dem die Versorgungsverwaltung und das SG regelmäßig folgen - so das
LSG -, hatte einen
GdB 50 vorgeschlagen) eine Gleichstellung obsolet sei; dies hat auch das
BSG (15.07.2010 -
B 11 AL 150/09 B, juris) nachgehend für diese Fallkonstellation so bestätigt. Damit weicht aber der dort entschiedene Fall von dem hier vorliegenden ab; vorliegend ist für die Zuerkennung eines
GdB von 50 kein Anhalt gegeben.
Damit hat das SG bei seiner Entscheidung das Verfahren auszusetzen weder gegen Prozessrecht verstoßen noch konnte der Senat Ermessensfehler feststellen.
Da es sich bei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nach § 172
Abs. SGG um einen Zwischenstreit im Rahmen eines noch anhängigen Rechtsstreits handelt (Senatsbeschluss vom 22.08.2006 - L 8 AL 2352/06 B, juris ; Breitkreuz a.a.O. RdNr. 17), mithin nicht um ein selbständiges Zwischenverfahren, bedarf es vorliegend einer Kostenentscheidung nicht; diese ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu treffen (Böttiger in Breitkreuz/Fichte,
SGG, § 176 RdNr. 20).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177
SGG).