Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln ist begründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 23.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2011, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54
Abs. 1 Satz 1, § 56
SGG) wendet (
vgl. hierzu
BSG, Urt. v. 01.03.2011 -
B 7 AL 6/10 R -, juris Rn. 9), ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54
Abs. 2
SGG). Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger durch feststellenden Verwaltungsakt einem schwerbehinderten Menschen gemäß
§ 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen.
1.) Nach dieser Vorschrift sollen behinderte Menschen mit einem
GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2
Abs. 2
SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des
§ 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens nach § 2
Abs. 3
SGB IX ist wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung (
§ 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX) in erster Linie dieser Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (
vgl. grdl.
BSG, Urt. v. 02.03.2000 -
B 7 AL 46/99 R -, juris Rn. 14 f.; s. auch
BSG, Urt. v. 06.08.2014 -
B 11 AL 16/13 R -, juris Rn. 12).
2.) Die Voraussetzungen des § 2
Abs. 3
SGB IX liegen ab Antragstellung (13.10.2010) durchgängig vor.
a) Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und es ist bei ihm ein
GdB von 40 anerkannt. Er erstrebt bei verständiger Auslegung seines Begehrens (§ 123
SGG) insbesondere unter Einbeziehung seiner Berufungsbegründung die Gleichstellung, weil er ohne diese den konkret angestrebten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz eines Lehrers im Beamtenverhältnis auf Probe nicht erlangen kann (§ 2
Abs. 3 Alt. 1
SGB IX). Dagegen macht er ausweislich seines Vorbringens im Berufungsverfahren nicht (mehr) geltend - was alternativ, aber auch kumulativ zulässig wäre (
vgl. BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R -, juris Rn. 16) - den von ihm gegenwärtig besetzten, konkreten Arbeitsplatz, hier des Lehrers im Angestelltenverhältnis,
i.S.d. § 2
Abs. 3 Alt. 2
SGB IX behalten zu wollen (zum Abstellen auf den konkret innegehaltenen Arbeitsplatz bei der Behaltens-Alternative s.
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R -, juris Rn. 20). Eine Beschränkung auf das Begehren nach Gleichstellung zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes ist zulässig (
BSG, Urt. v. 06.08.2014 -
B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 23).
b) Der Kläger möchte mit der Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - einen Arbeitsplatz
i.S.d. § 73
SGB IX erlangen und nicht bloß den gleichen Arbeitsplatzes mit geändertem Status behalten. Arbeitsplätze im Sinne des § 73
SGB IX sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der von dem Kläger angestrebte Arbeitsplatz als Beamter auf Probe im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllt diese Voraussetzungen. Hieran würde sich auch nichts ändern, sollte der Kläger nach Übernahme in das Beamtenverhältnis (auf Probe) die "gleiche" Tätigkeit als Lehrer am gleichen Ort ausüben, wie er diese gegenwärtig als Angestellter verrichtet. Die Beklagte verkennt in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitsplatzbegriff nach § 73
SGB IX rechtlich-funktional vorgeprägt und hierbei auch durch supranationales und Völkerrecht überlagert wird. Die rechtlich-funktionale Betrachtungsweise bedeutet, dass der Arbeitsplatz diejenige Stelle ist, in deren Rahmen eine bestimmte Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeits-, Dienst- oder Ausbildungsverhältnisses mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten vollzogen wird (
BVerwG, Urt. v. 08.03.1999 -
5 C 5/98 -, juris Rn. 12). Daraus folgt insbesondere, dass der Arbeitsplatz (§§ 2
Abs. 3, 73
SGB IX) durch die Eigenheiten der Rechtsstellung aus dem dem Arbeitsplatz zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis geprägt wird (HessLSG, Urt. v. 19.06.2013 -
L 6 AL 116/12 -, juris Rn. 28). Dies hat das
BSG bereits für die Alternative der Arbeitsplatzgefährdung entschieden, als es bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz" wie beispielsweise Beamten, Richtern auf Lebenszeit oder Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz das Postulat einer "besonderen Begründung" aufgestellt hat, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen (
BSG, Urt. v. 01.03.2011 -
B 7 AL 6/10 R -, juris Rn. 13). Diese funktionale Sichtweise dürfte das
BSG nunmehr auf die Alternative der Erlangung eines Arbeitsplatzes übertragen haben. Dabei kommt es für § 2
Abs. 3 Alt. 1
SGB IX insbesondere nicht darauf an, dass der Kläger derzeit einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Er bedarf insoweit keiner Gleichstellung, um seinen bisherigen Arbeitsplatz als angestellter Lehrer behalten zu können. Die Alternative 1 des § 2
Abs. 3
SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat (
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 23). Das
BSG führt weiterhin aus (a.a.O. -, juris Rn. 24):
"Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach
Art. 21 und
Art. 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird" (ausdrücklicher Hinweis auf HessLSG, Urt. v. 19.06.2013 - L 6 AL 116/12 -, juris Rn. 29).
Aus diesem rechtlich-funktionalen Begriffsverständnis des Arbeitsplatzes folgt, dass auch ein bloßer Statuswechsel vom Angestellten- ins Beamtenverhältnis ohne Änderung des eigentlichen Tätigkeitsbereichs mit der Erlangung eines (neuen) Arbeitsplatzes i.
S.d § 2
Abs. 3 Alt. 1
SGB IX einhergeht. Genau diese Konstellation lag dem einen Anspruch auf Gleichstellung bejahenden Urteil des HessLSG v. 19.06.2013 zu Grunde, auf welches das
BSG in seinem o.a. Urteil vom 06.08.2014 ausdrücklich Bezug nimmt und das die gegen dieses Urteil von der beklagten Bundesagentur für Arbeit eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 10.03.2014 (B 11 AL 96/13 B, n.v.) als unzulässig verworfen hat.
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage erfüllt der Kläger die sachlichen Voraussetzungen des § 2
Abs. 3 Alt. 1
SGB IX.
aa) Mit seinem Antrag auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe im Schuldienst des Landes NRW bei der Bezirksregierung L vom 14.05.2009 strebt er einen konkreten Arbeitsplatz an, was, wie das
BSG nunmehr klargestellt hat, Voraussetzung auch für die Erfüllung des Erlangungs-Tatbestandes ist (
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 19
ff.). Dies hat der Dienstherr abgelehnt, weil der am 23.02.1969 geborene Kläger nur unter Berücksichtigung der Altersgrenze des § 6
Abs. 3 LVO NW (jetzt: § 8
Abs. 3 LVO) in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen werden kann und diese Voraussetzung gegenwärtig nicht erfüllt. Danach dürfen schwerbehinderte Menschen und ihnen gemäß § 2
Abs. 3
SGB IX gleichgestellte behinderte Menschen abweichend von Absatz 1 auch eingestellt oder übernommen werden, wenn sie zwar das 40. aber noch nicht das 43. Lebensjahr vollendet haben. Hierzu führt der Kläger gegen das Land Nordrhein-Westfalen zurzeit einen Rechtsstreit vor dem
VG L - 3 K 6251/10 -, welches mit Beschluss vom 20.01.2011 das Verfahren bis zur bestands-
bzw. rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ausgesetzt hat.
bb) Der angestrebte Arbeitsplatz ist für den Kläger geeignet. Der behinderte Mensch darf durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden. Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes (
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R -, juris Rn. 18). Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen. Nach den insoweit zutreffenden Feststellungen des Sozialgerichts, denen sich der Senat anschließt (§ 153
Abs. 2
SGG), ist der Kläger den gesundheitlichen Anforderungen seiner seit September 2009 in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit als (Gymnasial-)Lehrer gewachsen. Es bestehen deshalb auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit, die mit der derzeit Ausgeübten in körperlicher und geistiger Hinsicht identisch ist (Lehrer/Studienrat), für ihn geeignet ist, ihn also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.
cc) Der Kläger bedarf auch "infolge" seiner Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Hierbei hat die Kausalitätsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen. Ausreichend für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ist es, wenn die Behinderung bei wertender Betrachtung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist (
vgl. hierzu
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R -, juris Rn. 22).
Die Kausalität kann hier nicht schon deshalb verneint werden, weil der am 23.02.1969 geborene Kläger bei seinem Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe (14.05.2009) bereits die Regelaltersgrenze (Vollendung des 40. Lebensjahres, § 8
Abs. 1 LVO NW) überschritten hatte, so dass auch ein Nichtbehinderter in vergleichbarer Situation nicht eingestellt
bzw. übernommen worden wäre. Eine solche Sichtweise würde das mit der Anhebung der Altersgrenze von 40 auf 43 Jahre für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen (§ 8
Abs. 3 LVO NW) verbundene Ziel eines "Nachteilsausgleichs" im Sinne eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Beamtenverhältnis für diese Personengruppen eklatant konterkarieren. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts handelt es sich hier gerade nicht um eine "Vorteilsverschaffung" für den Kläger gegenüber nichtbehinderten Kollegen, die in seinem Alter nicht mehr verbeamtet werden können, sondern um eine mit der pauschalen Anhebung der Altersgrenze einhergehende Kompensation von (vom Gesetzgeber in typisierender Form angenommenen) behinderungsbedingten Nachteilen. Damit verschafft die begehrte Gleichstellung dem behinderten Kläger letztlich (nur) gleiche Wettbewerbsbedingungen, nicht aber einen "Vorteil" gegenüber Nichtbehinderten. Dies gilt auch und gerade für Altersgrenzen. Auch das
BVerwG hat zu Recht den Zusammenhang der sozialrechtlichen Gleichstellungsvorschriften und der Einstellungsaltersgrenze des § 8
Abs. 3 LVO NW (damals § 6
Abs. 1 Satz 6 NW a.F.) in seinem Urteil vom 19.02.2009 -
2 C 55/07 -, juris Rn. 14 betont, indem es ausgeführt hat:
"Das nahe liegende Verständnis der sozialrechtlichen Gleichstellungsvorschriften und der Einstellungsaltersgrenze in § 6
Abs. 1 Satz 6 LVO NW besagt, dass eine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten zu einer Einbeziehung in die für Schwerbehinderte geltende Regelung über die Altersgrenze führt. § 2
Abs. 3
SGB IX dient dem Schutz der Behinderten im Erwerbsleben und soll Ungerechtigkeiten und Härten beseitigen, die bei der starren Grenze des § 2
Abs. 2
SGB IX auftreten können (
vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2001 -
B 11 AL 57/01 R - SozR 3-3870 § 2
Nr. 2 = juris Rn. 22). Die Gleichstellung soll [ ] erfolgen, wenn der Betroffene wegen seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73
SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten kann. Arbeitsplatz im Sinne des § 73
Abs. 1
SGB IX sind alle Stellen, auf denen unter anderem Arbeitnehmer oder Beamte beschäftigt sind. Die Wirkungen einer erfolgten Gleichstellung erstrecken sich somit nach dem Zweck der Regelung jedenfalls auf solche für Schwerbehinderte geltenden Bestimmungen außerhalb des Schwerbehindertenrechts des
SGB IX, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zugang zu einem Arbeitsplatz stehen. Dazu zählen zweifellos Altersgrenzen für die Einstellung. Mit Recht sieht deshalb die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) im nordrhein-westfälischen Landesdienst eine Einbeziehung der gleichgestellten Behinderten in die für Schwerbehinderte geltenden Einstellungserleichterungen des § 6 LVO NW vor (
vgl. Ziffer 2.1 und 4.4 der Richtlinie, MBl NRW 2003
S. 1498)".
Gegen dieses Normverständnis kann auch nicht eingewendet werden, dass es sich bei § 2
Abs. 3
SGB IX um eine bundeseinheitliche Vorschrift handelt, die nicht nach Maßgabe des jeweils geltenden Landesrechts zum Zugang für eine Tätigkeit als Beamter ausgelegt und angewendet werden könne. Dies trifft nicht den Kern der Sache. Vielmehr bestimmt hinsichtlich der Einstellung und Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe oder Lebenszeit das Landesrecht die Anforderungen an den "Arbeitsplatz"
i.S.d. §§ 2
Abs. 3, 73
SGB IX, dem - wie bereits ausgeführt (s.o.) - ein rechtlich-funktionales Begriffsverständnis zu Grunde liegt. Dies muss für die Altersgrenzen ebenso gelten wie für die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis, die sich ebenfalls nach dem jeweils einschlägigen (und durchaus unterschiedlichen) Landesrecht richtet und auch vom
BSG ohne Weiteres zu Grunde gelegt wird (s.
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 30).
Die Kausalität ist auch nicht deswegen zu verneinen, weil der Kläger mittlerweile auch die Altersgrenze des § 8
Abs. 3 LVO NW (Vollendung des 43. Lebensjahres) überschritten hat. Dem steht die Ausnahmeregelung des § 18
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 LVO NW i.d.F. vom 28.01.2014 (= § 84
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 LVO NW i.d.F. bis 07.02.2014) entgegen, auf die auch das
VG L im Aussetzungsbeschluss vom 20.01.2011 Bezug genommen hat. Danach können Ausnahmen von dem Höchstalter für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis für einzelne Fälle zugelassen werden, wenn sich nachweislich der berufliche Werdegang aus von dem Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in einem Maß verzögert hat, das die Anwendung der Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe. Dies ist nach der Rechtsprechung des
OVG NW etwa der Fall, wenn ein Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe rechtswidrig abgelehnt wurde, der Bewerber hiergegen Rechtsmittel eingelegt hat und zwischenzeitlich die neue Höchstaltersgrenze überschritten ist. Ein solcher Geschehensablauf, bei dem sich der berufliche Werdegang des Bewerbers durch die behördliche Behandlung des Verbeamtungsantrags verzögert hat, ließe im Sinne der Verordnung die Anwendung der Altersgrenze unbillig erscheinen (
OVG NW, Beschl. v. 28.11.2013 - 6 A 368/12 -, juris Rn. 40). Ferner ist hier die Rückwirkung einer Gleichstellung auf den Antrag (
§ 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, hier: 13.10.2010) zu berücksichtigten; zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger das 43. Lebensjahr noch nicht vollendet.
Es spricht auch viel dafür, dass der Kläger nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erfüllen wird; eine absolute Sicherheit hierfür ist für die Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht erforderlich (
vgl. BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 28). Hierbei ist zu beachten, dass das
BVerwG die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis jüngst konkretisiert hat. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (
BVerwG, Urt. v. 25.07.2013 -
2 C 12/11 -, juris Rn. 16
ff.). Das
BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (
BVerwG - a.a.O. -, juris Rn. 34 f). Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie nach Maßgabe des nordrhein-westfälischen Landesrechts einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert oder mit ihnen gleichgestellte behinderte Menschen sind. Dies folgt aus § 17
Abs. 1 LVO NW, wonach bei der Einstellung solcher Personengruppen "nur das für die Laufbahn erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung verlangt werden [darf]". Eine Konkretisierung hierfür ergibt sich aus der "Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen" vom 14.11.2003, MBl NRW 2003
S. 1498. Danach gilt für die Einstellung schwerbehinderter Menschen, unter die auch die gleichgestellten behinderten Menschen fallen (s. Ziffer 2.1.), Folgendes: "Im Hinblick auf
§ 128 SGB IX ist das erforderliche Mindestmaß körperlicher Eignung bereits dann als gegeben anzusehen, wenn schwerbehinderte Menschen nur bestimmte Dienstposten ihrer Laufbahn wahrnehmen können. Dabei sind Möglichkeiten der behinderungsgerechten und barrierefreien Arbeitsplatzgestaltung
(z. B. mit technischen Arbeitshilfen) nach dem
SGB IX auszuschöpfen" (Ziffer 4.4.1.). "Schwerbehinderte Menschen können auch dann in das Beamtenverhältnis eingestellt werden, wenn als Folge ihrer Behinderung eine vorzeitige Dienstunfähigkeit möglich ist. Die Bewerber sind jedoch auf die Vorschrift des § 4
Abs. 1
Nr. 1 BeamtVG in der am 31. August 2006 geltenden Fassung sowie die mit einem Ausscheiden vor Ablauf einer fünfjährigen Dienstzeit verbundenen Folgen hinzuweisen. Diese Regelungen gelten auch für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit" (Ziffer 4.4.2). Ob der Kläger diese Anforderungen erfüllt, wofür angesichts der vom Sozialgericht zutreffend bejahten Geeignetheit seines jetzigen Arbeitsplatzes als angestellter Lehrer Einiges spricht, haben die Verwaltungsgerichte in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist allein erheblich, dass der Kläger nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Zugangs zum Beamtenverhältnis auf Probe einen Wettbewerbsnachteil hat, weil er aufgrund seiner Behinderung den konkret angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen und dieser Nachteil durch die Gleichstellung ausgeglichen werden kann (
vgl. auch
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 32).
d) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2
Abs. 3
SGB IX hat der Gesetzgeber der Bundesagentur für Arbeit ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (sog. atypischer Fall (
BSG, Urt. v. 01.03.2007 - B 7 AL 6/10 R -, juris Rn. 16;
BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 34). Da für einen atypischen Fall nach Lage der Akten nichts ersichtlich und ein solcher von Seiten der beklagten Bundesagentur auch nicht geltend gemacht worden ist, ist die Beklagte zur Gleichstellung verpflichtet.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
SGG.
4.) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG). Es existiert, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage einer Gleichstellung im Zusammenhang mit Altersgrenzen als Zugangsvoraussetzung für eine Verbeamtung.