Urteil
Beamter auf Lebenszeit - Gefährdung des Arbeitsplatzes - Schwerbehinderter - Gleichstellung

Gericht:

LSG Mainz 6. Senat


Aktenzeichen:

L 6 Ar 159/94


Urteil vom:

10.11.1995


Grundlage:

Leitsatz:

1. Der Arbeitsplatz eines Beamten auf Lebenszeit ist (selbst dann) noch nicht gefährdet, wenn der Dienstherr die amtsärztliche Überprüfung der weiteren Dienstunfähigkeit androht. Angesichts der ungleich besseren sozialen Absicherung des Lebenszeitbeamten gegen die Risiken Dienstunfähigkeit (Arbeitsunfähigkeit), Erwerbsminderung und Verlust des Arbeitsplatzes gegenüber der sozialen Absicherung des (sozialversicherten) Arbeitnehmers ist fraglich, ob die Gleichstellungsvorschrift des § 2 SchwbG überhaupt auf Lebenszeitbeamte angewendet werden kann.

Orientierungssatz:

1. Der Arbeitsplatz eines Beamten kann frühestens dann konkret bedroht sein, wenn der Dienstherr unter Angabe der Gründe und des Ergebnisses des amtsärztlichen Gutachtens dem Beamten mitteilt, daß er ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen beabsichtige.

Fundstelle:

Bibliothek BSG

Rechtszug:

vorgehend SG Koblenz 1994-09-28 S 9 Ar 118/94

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH
Selbsthilfe 01/1998

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat in diesem Fall die beantragte Gleichstellung einer Beamtin mit Schwerbehinderung entsprechend § 2 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) abgelehnt.
Die klagende Lehrerin hatte einen GdB von 30 und beantragte Gleichstellung nach dem Schwerbehindertengesetz mit der Begründung, daß ihr wegen ihrer Erkrankung die Zwangspensionierung drohe. Während zu Beginn dieses Beantragungsverfahrens der Dienstherr auf Anfrage mitteilte,
daß eine Versetzung in den Ruhestand nicht vorgesehen sei, änderte sich dies im Verlauf des Verfahrens und ca. zwei Jahre später hat der Dienstherr eine amtsärztliche Untersuchung wegen Feststellung der Dienstunfähigkeit der klagenden Lehrerin angekündigt. Dabei wurde vom Amtsarzt festgestellt, daß nach der Dienstunfähigkeit wegen einer akuten Erkrankung mit der Dienstfähigkeit der Klägerin zu Beginn des neuen Schuljahres zu rechnen gewesen sei.

Dennoch begehrte die Klägerin schließlich im Berufungsverfahren weiterhin die Gleichstellung nach dem Schwerbehindertengesetz.

Das Landessozialgericht führte dazu aus, daß, selbst wenn man entgegen der z.B. in der Literatur vertretenen Meinung die Gleichstellung eines im Dienst befindlichen Beamten überhaupt als möglich ansehe, im vorliegenden Fall jedenfalls die Voraussetzungen für eine Gleichstellung nicht vorlägen. Alleine die Möglichkeit eines drohenden Arbeitsplatzverlutes durch die zwangsweise Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit reiche nicht aus. Nach Ansicht des Senats genüge es auch nicht, daß der Dienstherr den Amtsarzt beauftragt habe, zu überprüfen, ob in absehbarer Zeit Dienstunfähigkeit eintreten werde oder die Dienstunfähigkeit über sechs Monate hinaus weiter anhalte. Das Zwangspensionierungsverfahren, das als Anhaltspunkt für den drohenden Verlust des Arbeitsplatzes herangezogen werden könne, sei erst dann eingeleitet, wenn der Dienstherr unter Angabe der Gründe und des Ergebnisses des amtsärztlichen Gutachtens dem Beamten mitteile, daß er ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen beabsichtige. Frühestens dann könne der Arbeitsplatz des Beamten konkret bedroht sein.

In der Folge führte das Gericht noch zum Beamtenstatus aus, daß die klagende Lehrerin bei ihrem Begehren völlig die ungleich bessere Absicherung des Beamten gegenüber dem versicherten Arbeitnehmer übersehe. Der Beamte erhalte während der Dienstunfähigkeit unbefristet sein volles Gehalt weiter. Dagegen habe der arbeitsunfähige versicherte Arbeitnehmer nach Ablauf der 6-wöchigen Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung lediglich Anspruch auf höchstens 1 Jahr Krankengeld in Höhe von 80 % des letzten Lohnes bzw. Gehaltes. Nach Ablauf dieser Zeit bestehe kein Anspruch mehr, wenn es sich um dieselbe Erkrankung während der Blockfrist von drei Jahren handele.

Durch die Zurruhesetzung wegen andauernder Diesntunfähigkeit verliere der Beamte lediglich seine Arbeit. Er erhalte jedoch weiter Versorgungsbzüge, die allerdings voll steuerpflichtig seien, bei längerer Dienstzeit von 75 % seines letzten Gehaltes. Beim Versicherten dagegen sei - zwar unter Einschränkungen - die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen langer Arbeitsunfähigkeitszeiten auch während einer Arbeitsunfähigkeit zulässig. Nach Ablauf der Frist habe der Versicherte keinen Anspruch auf weitere Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlungen. Arbeitslosengeld erhalte er nur, wenn er nicht arbeitsunfähig ist, für 176 Tage, d.h. ein halbes Jahr (bei älteren Versicherten mit langer Versicherungszeit kann sich die Bezugsdauer auf 832 Tage verlängern). Das Arbeitslosengeld betrage - zwar steuerfrei - höchstens 67 % des letzten Netto-Arbeitsentgelts. Nach Abbau des Arbeitslosengeldbezugs erhalte der Arbeitslose nur dann Arbeitslosenhilfe, wenn er bedürftig im Sinne des Sozialhilferechts sei. Hingegen erhalte der in den Ruhestand versetzte Beamte immer seine Ruhegehaltsbezüge. Nach Ablauf des Leistungsbezugs könne sich der Arbeitnehmer - soweit die Vorversicherungszeit erfüllt sei - lediglich gegen Krankheit auf eigene Kosten weiterversichern. Sei er nicht arbeitslos gemeldet, müsse er zur Erhaltung seiner Anwartschaft auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit selbst freiwillig Beiträge zahlen. Dagegen sei der Beamte überhaupt nicht vom Risiko der Arbeitslosigkeit bedroht. Auch als Ruhestandsbeamter habe er weiterhin Anspruch auf Beihilfe. Diese Unterschiede in der sozialen Absicherung zwischen Arbeitnehmern (Versicherten) und Beamten zwängen gerade dazu, den Schutz des § 3 SchwbG für Beamte allenfalls in Ausnahmefällen zu gewähren.

Referenznummer:

KSRE020371508


Informationsstand: 31.10.1996