Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Zwischen den Beteiligten ist die Gleichstellung der Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen
gem. § 2 Abs. 3 SGB IX streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist als Sekretärin bei einer Großbuchbinderei beschäftigt. Ihr wurde mit Bescheid vom 25. August 1992 ein Grad der Behinderung (
GdB) von 30 wegen Blutungsstörungen und Verwachsungsbeschwerden nach gynäkologischen Operationen, rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach ventraler und dorso-lateraler Versteifungsoperation L 5/S 1 zuerkannt. Mit Bescheid vom 7. Juli 2009 wurde seit 29. Oktober 2008 ein
GdB von 40 festgestellt (zugrundeliegende Behinderungen: Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Fingerpolyarthrose, Bronchialasthma).
Am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie mit einem schwerbehinderten Menschen nach
§ 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Sie gab u.a. an, von ihrem Chef seit einigen Jahren schikaniert zu werden, aber nicht wegen der Behinderung, denn davon wisse er erst seit ein paar Tagen. Als sie 2007 eine Kur angetreten habe, habe ihr Chef gesagt, dass sie häufig krank sei und sich überlegen müsse, wie es weitergehen solle. Seitdem habe sie sich in dem Betrieb sehr zurückgehalten. Sie spreche mit ihrem Chef auch nur noch wenig und in rauem Ton. Sie werde für Fehler verantwortlich gemacht, die sie nicht begangen habe. Sie habe den Antrag auf Gleichstellung gestellt, damit man sie nicht entlassen könne.
Gegenüber der Beklagten erklärte der Arbeitgeber am 26. November 2008, dass ihm die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin bekannt seien. Zur Verbesserung des Arbeitsplatzes käme ein behindertengerechter Stuhl oder ein Umzug in ein anderes Gebäude in Betracht. Eine Umsetzung sei nicht möglich. Der Arbeitsplatz sei weder aus behinderungsbedingten noch aus sonstigen Gründen gefährdet. Die Beklagte lehnte eine Gleichstellung mit Bescheid vom 27. November 2008 ab. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, dass sich durch die Schikanierung seitens ihres Arbeitgebers eine Gefährdung ihres Arbeitsplatzes ergebe. Sie verwies dazu auf eine vorgelegte Übersicht über die Krankheitstage (2006: 22 Tage Arbeitsunfähigkeit wegen einer Meniskusschädigung und eines Infekts; 2007: 29 Tage Fehlzeit wegen Kreuzschmerz, Zervikobrachial-Syndrom und Gonarthrose; 2008: 3 Tage Fehlzeit wegen chronischer Sinusitis). Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Angesichts der Fehlzeiten lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine behinderungsbedingte Kündigung bevorstehe. Die Schikane durch ihren Arbeitgeber stehe nicht im Zusammenhang mit behinderungsbedingten Fehlzeiten.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf die Erhöhung des
GdB auf 40. Die erforderliche Behandlung ihrer Erkrankungen sei sehr zeitaufwändig. Die Fehlzeiten seien nur deshalb so niedrig gewesen, weil sie Angst vor einem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehabt habe. Die 2007 von ihrem Arbeitgeber angedrohte Kündigung stehe nach wie vor im Raum.
Das SG hat nach schriftlicher Befragung des Arbeitgebers, der die bisherigen Angaben bestätigte (Auskunft vom 7. Dezember 2009), die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes erforderlich sei. Dazu müssten Tatsachen dargetan und
ggf. bewiesen sein, die die Prognose einer behinderungsbedingten deutlichen Risikoerhöhung des Arbeitsplatzverlustes trügen. Solche Tatsachen seien weder dargetan noch ersichtlich. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, ihr Chef schikaniere sie nicht wegen ihrer Behinderung. Entscheidend komme hinzu, dass der Arbeitgeber nur 2007 anlässlich einer Kur eine Bemerkung gemacht habe, die man als Androhung einer Kündigung interpretieren könne. Seitdem habe der Arbeitgeber trotz erneuter Fehlzeiten dieser Aussage keine Taten folgen lassen oder die Kündigungsandrohung erneuert. Sowohl eine Anfrage der Beklagten nach einer drohenden Kündigung als auch eine des Gerichts habe er abschlägig beantwortet. Dass er dies strategisch getan habe, sei reine Spekulation. Damit lägen keine Anhaltspunkte mehr dafür vor, dass eine Kündigung drohe.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. August 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (
LSG) Berufung eingelegt. Bereits die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei nicht zulässig, denn der Sachverhalt sei nicht hinreichend geklärt. Das Gericht hätte hinsichtlich der Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung gefährdet ist, auf die Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung in einer mündlichen Verhandlung zurückgreifen müssen. Es sei gegenüber dem SG umfangreich ausgeführt worden, dass die Klägerin seitens ihres Arbeitgebers im Jahre 2007 auf häufige Fehlzeiten im Sinne einer Kündigungsandrohung angesprochen worden sei. Es sei ferner ausgeführt worden, dass die Kündigungsandrohung aus 2007 fortwirke. Im weiteren Verlauf hätten sich bei der Klägerin erhebliche weitere behinderungsbedingte Fehlzeiten ergeben. Dies habe zur Folge, dass sich das Kündigungsrisiko der Klägerin stetig erhöhe. Auch sei eine Erneuerung der Kündigungsandrohung nicht erforderlich, denn die Androhung, die sich aus dem Gespräch 2007 ergab, wirke weiterhin fort. Selbstverständlich habe der Arbeitgeber die Frage nach einer drohenden Kündigung gegenüber dem SG verneint, denn sonst hätte das SG die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen müssen, was zu entsprechenden Kündigungserschwerungen führen würde. Das SG habe damit die Auskunft des Arbeitgebers unzutreffend gewürdigt. Es habe völlig außer Acht gelassen, dass der Arbeitgeber mit einer derartigen Auskunft auch eigene Interessen verfolge.
Auch sei eine Anpassung des Arbeitsplatzes erforderlich, um diesen für die Klägerin leidensgerecht zu gestalten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß:
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen verlieren werde oder ihr eine Kündigung drohe. Die Kündigungsandrohung aus dem Jahr 2007 liege lange zurück und habe sich offensichtlich nicht wiederholt.
Eine behindertengerechte Ausstattung eines Arbeitsplatzes sei vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Erbringung dieser Leistungen hänge nicht vom Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung ab. Eine Gleichstellung diene nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Insoweit sei es Sache der Klägerin, geeignete und erforderliche Maßnahmen von ihrem Arbeitgeber einzufordern. Das generelle Bedürfnis eines Behinderten nach Förderung und Rücksichtnahme könne eine Gleichstellung mit den schwerbehinderten Menschen jedenfalls nicht begründen.
In einem Termin zur Beweisaufnahme am 22. Oktober 2010 wurde der Arbeitgeber der Klägerin als Zeuge befragt. Dieser hat erklärt: "Es gab oft Gespräche über die Aufgabenstellung und den Gesundheitszustand der Klägerin, eine Kündigungsandrohung aufgrund des Gesundheitszustandes oder einer Minderleistung gab es nicht. Auch steht eine Kündigung aktuell nicht im Raum. Auch eine Kündigungsdrohung steht nicht im Raum." Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin ausgeführt, dass sie seit Beginn der Angelegenheit herausragende Ereignisse dokumentiert habe; hierzu wird auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen. So habe es seit 2008 seitens des Zeugen immer wieder Aufforderungen gegeben, frühzeitig in Rente zu gehen
bzw. Andeutungen, das Arbeitsverhältnis anderweitig zu beendigen. Im November 2008 sei sie gefragt worden, wann sie in Rente gehen möchte. Es sei das 2-Jahres-Modell vorgeschlagen worden. Am 18. November 2008 sei die Klägerin von Frau Wa. gefragt worden, ob man jetzt jemanden für sie einstellen solle oder noch nicht; sie gehe jetzt für ein paar Tage in Urlaub und wolle dies vorher erledigen. Die Klägerin sei auch wiederholt auf Umstände angesprochen worden, die zu Unrecht als Fehler ihrerseits gedeutet worden seien. Auch auf das Nichterscheinen beim Umzug des Unternehmens an einem Samstag sei sie seitens des Zeugen in unfreundlichem Ton angesprochen und darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie erneut die einzige gewesen sei, die am Samstag anlässlich des Umzugs ins neue Büro nicht gearbeitet habe. Die Klägerin habe zu der Zeit ihre krank im Bett liegende Mutter versorgt. Darüber hinaus habe der Zeuge mitgeteilt, Überstunden nicht zu bezahlen, da sie ihren Arbeitsplatz nicht ordentlich verlassen habe. Außerdem habe dieser erklärt, er erwarte mehr Einsatz von ihr, er sei sehr unzufrieden mit ihr. Auch habe der Zeuge die Klägerin gefragt, ob diese ihm Anlass geben wolle, sie loszuwerden, sie würde es nach seinem Gefühl nach darauf anlegen. Des Weiteren sei sie während eines Krankenhausaufenthalts viermal von der Arbeit aus angerufen worden, weil ihre Vertretung die Arbeitsabläufe nicht gekannt habe. Während dieser Zeit habe der Zeuge sie auch aufgefordert, ihn zu einem Kunden zu begleiten um dort eine Übergabe durchzuführen. Auf die Ablehnung seitens der Klägerin habe der Zeuge trotz der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ungehalten reagiert. Im Dezember 2009 habe der Zeuge sie erneut aufgefordert, sich hinsichtlich der Altersteilzeit zu äußern.
Der Arbeitsplatz der Klägerin sei geeignet. Es sei mit einem relativ geringen Aufwand möglich die Klägerin ausreichend vor Zug und Staub zu schützen, so dass die Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund ihrer Atemwegserkrankungen auf ein akzeptables Maß beschränkt würden. Im Übrigen zeige sich die Eignung des Arbeitsplatzes bereits darin, dass die Klägerin ihre Aufgaben nach wie vor zu erfüllen vermöge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsakte, die Akte des SG sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124
Abs. 2
SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die
gem. §§ 143, 144
Abs. 1
SGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht § 151
Abs. 1
SGG eingelegt, sie ist zulässig. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
Das SG durfte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105
SGG entscheiden, denn aus seiner Sicht war der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt, weitere Beweise mussten nicht erhoben werden, auch weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Das SG hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und diese gehört. Dabei hatten die Beteiligten nichts vorgebracht, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstand.
Gemäß
§ 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2
Abs. 2
SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des
§ 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Soll-Formulierung bedeutet kein freies Ermessen; lediglich im besonders begründeten Ausnahmefall kann eine Versagung der Gleichstellung in Betracht gezogen werden kann (Luthe in jurisPK-SGB IX § 2
SGB IX Rn. 105; Zoppik in Hassel/ Gurgel/ Otto, Handbuch des Fachanwalts - Sozialrecht, 2. Auflage, Kapitel 11
Rdnr. 76). Es sind auch die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 68 ff
SGB IX zu beachten.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2
Abs. 3
SGB IX sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2
Abs. 3
SGB IX begünstigt die Erlangung und schützt das Behalten eines Arbeitsplatzes. Geschützt ist dabei nicht jeder beliebige Arbeitsplatz. Vielmehr ist der Schutz beschränkt auf geeignete Arbeitsplätze (Luthe a.a.O. Rn. 102). Dem Senat erscheint insoweit schon als fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Denn angesichts des bei der Klägerin vorhandenen Bronchialasthmas erscheint die Geeignetheit des Arbeitsplatzes mit der von der Klägerin aber auch dem Zeugen geschilderten Staubbelastung, die in Folge des in der Buchbinderei verwendeten mit Druckpuder beschichteten Papiers im gesamten Gebäudekomplex und auch im Büro der Klägerin vorhanden ist, als zweifelhaft.
Auf diese Frage kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht an, denn es liegt kein Grund für eine Gleichstellung im Sinne des § 2
Abs. 3
SGB IX vor. Eine Gleichstellung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn behinderte Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73
SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Da die Klägerin bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes ist, käme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn die Klägerin infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass wegen der Behinderung der Klägerin ein Verlust ihres Arbeitsplatzes droht. Erforderlich ist insoweit, dass ein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht. Es müssen mithin Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss zulassen, dass der Arbeitsplatz wegen der Behinderung konkret gefährdet ist (
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. April 2010 -
L 19 AL 51/09 - juris Rn. 27). Solche Tatsachen liegen nicht vor.
Zunächst hat der als Zeuge vernommene Arbeitgeber mitgeteilt, dass weder eine Kündigung noch eine Kündigungsdrohung im Raum steht. Auch wenn die Klägerin dem Zeugen ein strategisches Aussageverhalten unterstellt, ergeben sich weder aus seiner Aussage, noch aus den Angaben der Klägerin Anhaltspunkte, die diesen Verdacht untermauern würden. Vielmehr wäre für ihn eine Gleichstellung der Klägerin im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe nach
§ 77 SGB IX günstig (
vgl. dazu Goebel in jurisPK-SGB IX, § 75
SGB IX Rn. 7; Zoppik a.a.O.
Rdnr. 78), da das Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erfüllt hat.
Dass der Zeuge die Klägerin in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vorruhestandsregelungen und eine Beschäftigung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angesprochen hat, kann nicht als konkretes Drohen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verstanden werden. Derartige - auch der Personalplanung und der vom Zeugen geschilderten wirtschaftlich angespannten Lage des Unternehmens geschuldete - Gespräche sind zulässig und begründen für sich keine konkrete Gefahr, aus behinderungsbedingten Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren.
Auch hinsichtlich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin sieht der Senat keine konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Zwar hat der Zeuge auf die erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten hingewiesen, jedoch auch mitgeteilt, darauf eine Kündigung nicht stützen zu können. Dadurch wird für den Senat deutlich, dass der Arbeitgeber an die Fehlzeiten der Klägerin eine behinderungsbedingte Kündigung nicht knüpft. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg die Fehlzeiten der Klägerin ohne rechtliche Folgen hingenommen hat. Die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten berechtigen den Arbeitgeber auch heute nicht mehr zu einer Kündigung.
Soweit die Klägerin meint, die zeitaufwändige Behandlung ihrer Behinderungen begründe eine Gleichstellung, so kann der Senat dem - auch in der Zusammenschau mit den sonstigen krankheitsbedingten Fehlzeiten - nicht folgen. Denn die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankungen
bzw. Behinderungen führt nach den von der Klägerin aber auch den vom Zeugen geschilderten Umständen nicht dazu, dass deswegen der Verlust des Arbeitsplatzes konkret droht.
Auch die
ggf. im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt der Klägerin geäußerte Kündigungsdrohung - ob eine solche ausgesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern - hat heute keine Wirkungen mehr. Alleine schon durch folgenlosen Zeitablauf nach nunmehr annähernd vier Jahren ist davon auszugehen, dass eine damalige Drohung nicht mehr wirksam ist. Denn auch die in den Folgejahren aufgetretenen Fehlzeiten haben weder zu einer Wiederholung oder einem Aufgreifen der damaligen Drohung geführt und die Klägerin auch nicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten abgehalten.
Soweit die Klägerin meint, vom Arbeitgeber, dem Zeugen, gemobbt zu werden, ist dieses Verhalten
bzw. Empfinden nicht auf eine bei der Klägerin bestehende Behinderung zurückzuführen. Vielmehr scheint dieses Verhalten
bzw. Empfinden dem Charakter des Zeugen und der Klägerin geschuldet zu sein; die Klägerin bezeichnet insoweit sich als auch den Zeugen als schwierigen Charakter, mit dem man am besten auskomme, wenn man ihn morgens nicht beachte. Zwischenmenschliche Problemsituationen begründen aber nicht die behinderungsbedingte Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes.
Ebenso begründen weder tatsächliche (
z.B. solche, wie sie zu der Abmahnung geführt haben, als die Klägerin über mehrere Tage hinweg die Eingangspost falsch abgestempelt hat) oder angebliche
bzw. bestrittene Fehlleistungen der Klägerin noch die Bezahlung und Ausführung von Überstunden durch die Klägerin die konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes in Folge infolge ihrer Behinderung. Denn die tatsächlichen
bzw. angeblichen
bzw. bestrittenen Fehlleistungen und auch die Bezahlung
bzw. Ausführung von Überstunden stehen nicht im Zusammenhang mit den Behinderungen der Klägerin.
Weder einzeln noch in der Zusammenschau der genannten Gründe konnte sich der Senat damit vom Vorliegen einer konkreten Gefahr eines behinderungsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes überzeugen. Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch einfach persönliche Schwierigkeiten miteinander, die wie hier nicht auf einer Behinderung sondern auf dem Charakter der Klägerin und des Zeugen beruhen, begründen keinen Anspruch auf Gleichstellung im Sinne des § 2
Abs. 3
SGB IX.
Auch soweit das Begehren der Klägerin darauf zielt, mit einer Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX einen besser den Behinderungen angepassten Arbeitsplatz zu bekommen und den Arbeitgeber zu Umbaumaßnahmen zu veranlassen, begründet dies keinen Anspruch auf Gleichstellung. Insoweit ist auf die im Beweisaufnahmetermin erklärte Bereitschaft des Zeugen hinzuweisen, eine Verbesserung des Arbeitsplatzes mit einem finanziellen Aufwand von wenigen 100 Euro vorzunehmen. Im Übrigen ist eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation (
z.B. § 13 ff
SGB VI). Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht an den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung geknüpft. Insoweit dient die Gleichstellung nach § 2
Abs. 3
SGB IX auch nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG, dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160
Nr. 1 und 2
SGG).