Streitig ist, ob der Kläger einem Schwerbehinderten gleichzustellen ist.
Der 1940 geborene Kläger ist seit April 1991 beim Beigeladenen in dessen Architekturbüro als Bauzeichner beschäftigt. Das Versorgungsamt hat beim Kläger verschiedene Behinderungen (unter anderem Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Funktionseinschränkung der rechten Hand, vegetative Fehlsteuerung) mit dem Grad der Behinderung (
GdB) von 30 festgestellt.
Den Antrag des Klägers vom 12. März 1997, ihn nach § 2 des Schwerbehindertengesetzes (
SchwbG) Schwerbehinderten gleichzustellen, lehnte der Beklagte zunächst mit der Begründung ab, das vom Beigeladenen zum 30. April 1997 gekündigte Arbeitsverhältnis sei bereits gelöst (Bescheid vom 14. März 1997).
Nach dem Widerspruch des Klägers nahm der Beigeladene die Kündigung zurück. Die Beklagte half sodann dem Widerspruch des Klägers ab und erkannte die Gleichstellung unbefristet ab 12. März 1997 mit der Begründung an, der Kläger sei bezogen auf seine ausgeübte berufliche Tätigkeit in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten benachteiligt und auf den Schutz des
SchwbG angewiesen (Bescheid vom 14. Juli 1997).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beigeladene Widerspruch und machte geltend, der Kläger sei infolge seiner Krankheit weder innerhalb des Betriebs noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber Nichtbehinderten; seine Einsatzfähigkeit sei nicht infolge einer Erkrankung, sondern allein aus Gründen fachlicher Unterqualifizierung eingeschränkt.
Die Beklagte gab dem Widerspruch des Beigeladenen statt, hob den Bescheid vom 14. Juli 1997 auf und lehnte eine Gleichstellung ab (Widerspruchsbescheid vom 8. April 1998). Zur Begründung führte die Beklagte nun aus, eine ernsthafte behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung sei nicht gegeben.
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und den Widerspruchsbescheid mit der Begründung aufgehoben, dem Beigeladenen stehe ein Widerspruchsrecht nicht zu (Urteil vom 19. Januar 2000). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (
LSG) nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Juni 2001).
Zur Begründung hat das
LSG unter anderem ausgeführt: Der Beigeladene sei als Arbeitgeber zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Gleichstellungsbescheid befugt gewesen. Es gehe um die Gleichstellung bezogen auf einen konkreten, heute noch existierenden Arbeitsplatz. Das Bundessozialgericht (
BSG) habe bereits betont, dass ein Klagerecht des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nach § 2
SchwbG bestehe, da in diesem Verfahren die Verwaltung einen Interessenausgleich zwischen Antragsteller und Arbeitgeber herbeiführe. Deshalb muss demjenigen, der in seinen Rechten beeinträchtigt wird, auch eine Anfechtungsmöglichkeit zugestanden werden.
Der Auffassung, im Gleichstellungsverfahren könne vorwiegend aus Datenschutzgesichtspunkten nichts anderes gelten als im Feststellungsverfahren, sei nicht zu folgen. Jedem Antragsteller müsse klar sein, dass er die konkrete Prüfung der Auswirkungen der Behinderung auf den Arbeitgeber zulassen müsse. Es sei keine chancengleiche Verteilung der prozessualen Rechte, wenn der Arbeitgeber einerseits zu beteiligen sei und ihm Mitwirkungspflichten auferlegt würden, er andererseits aber keine Rechte in Bezug auf Widerspruch oder Klage haben solle.
Die Ablehnung der Gleichstellung sei rechtmäßig. Der konkrete Arbeitsplatz als Bauzeichner sei - bezogen auf die Zeit ab Antragstellung am 12. März 1997 - infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung nicht gefährdet. Dies folge aus den Angaben des Klägers selbst und den Ausführungen des behandelnden Arztes.
Mit der vom
LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2, 3, 38
Abs. 2
SchwbG, des § 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SBG I) und der §§ 45, 76 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SBG X): Er sei einem Schwerbehinderten gleichzustellen, da er infolge der anerkannten Behinderung ohne die Gleichstellung seinen Arbeitsplatz nicht behalten könne. Entgegen der Auffassung des
LSG kenne das Gesetz kein Widerspruchsrecht des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nach § 2
SchwbG.
Vielmehr sei es so, dass der Arbeitgeber im Antragsverfahren gehört werde; weitere Rechte seien dem Arbeitgeber nicht eingeräumt. Ein Widerspruchsrecht könne nur begründet sein, wenn rechtlich geschützte Interessen des Widerspruchsführenden in Bezug auf den angefochtenen Verwaltungsakt bestünden; es müsse sich hierbei um Rechte handeln, die der Verwaltungsakt auf Grund einer Zielrichtung oder Wirkung unmittelbar berühre.
Eine solche Rechtsverletzung erfordere, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes gegen Rechtsvorschriften verstoßen werden, die gerade dem Schutz des Widerspruchsführers zu dienen bestimmt seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Urteil des
LSG stehe auch im Widerspruch zu Urteilen anderer Landessozialgerichte und zu Stimmen in der Literatur.
Die Beklagte teilt die Auffassung des
LSG: Es habe, bezogen auf die Zeit ab Antragstellung (März 1997) bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung, festgestellt, dass der Kläger der Gleichstellung zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes nicht bedurft habe. Die Rechtsfrage der Zulässigkeit eines Widerspruchs des Arbeitgebers habe das
LSG zutreffend beantwortet.
Der Beigeladene trägt vor, da im Gleichstellungsverfahren durch die Verwaltung ein Interessenausgleich zwischen Antrassteller und Arbeitgeber herbeigeführt werden solle, müssen allen Beteiligten, die durch die Entscheidung in ihren Rechten beeinträchtigt werden könnten, auch eine Anfechtungsmöglichkeit zugestanden werden. Der Arbeitgeber sei in erheblichem Umfang in seinen Rechten betroffen. Die tatsächlichen Feststellungen zeigten, dass beim Kläger letztmals am 12. März 1997, jedoch nicht mehr zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 14. Juli 1997 die Voraussetzungen für eine Gleichstellung vorgelegen hätten.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündlichen Verhandlungen einverstanden erklärt.
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Keine Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage, die sich nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. April 1998 richtet. Allein durch diesen Bescheid ist der Kläger beschwert (Vergleiche Meyer-Ladewig,
SGG, 6 Aufl., § 54 Rz 4b und § 95 Rz3).
Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Denn die Beklagte war nicht berechtigt, die mit Bescheid vom 14. Juli 1997 ab 12. März 1997 ausgesprochene Gleichstellung aufzuheben und den Gleichstellungsantrag des Klägers abzulehnen.
Die Anfechtung des Bescheids vom 14. Juli 1997 durch den Beigeladenen verlieh der Beklagten hierzu keine Rechtsmacht. Nach § 49 SBG X gelten zwar die Aufhebung begünstigender von Anfang an rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte einschränkenden Vorschriften des § 45
Abs. 1 bis 4, der §§ 47 und 48
SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen wird.
Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf zulässige Widersprüche Dritter, das heißt Widersprüche von Personen, die hierzu befugt sind, weil der Verwaltungsakt sie unmittelbar in ihren Rechten und geschützten Interessen betrifft (Hauck/Heines, SGB, Stand März 199, § 49 Rz 5; Krause ua,
GK-SGB X 1, § 494 Rz 4 und 14; Wulfen,
SGB X, 4. Auflage 2001, § 49 Rz 1 und 4; Vergleiche Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, § 50 Rz 13,16 und 19).
Der Widerspruch des Beigeladenen war jedoch unzulässig, da er nicht geltend machen kann, durch die Gleichstellung des Klägers in eigenen Rechten verletzt zu sein, wie das SG zutreffend erkannt hat.
Eine Verletzung von Rechten des Beigeladenen ist allerdings nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Gleichstellungsbescheid vom 14. Juli 1997 sich nur an den Kläger gerichtet hat. Denn maßgebend ist nicht, an wen die Behörde ihre Entscheidung gerichtet hat, sondern was die Entscheidung regelt. Der Beigeladene kann auch geltend machen, von der Gleichstellung betroffen zu werden. Denn der den Kläger begünstigende Bescheid, der die Gleichstellung gemäß § 2
SchwbG in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I, 1421, 1550) konstituiv begründet (Vergleiche Neumann/Pahlen,
SchwbG 9. Auflage 1999, § 2 Rz 38), bewirkt, dass der Kläger nunmehr verschiedenen Bestimmungen des
SchwbG unterfällt, was mittelbar auch für die Beziehungen zu Arbeitgebern von Bedeutung ist.
So genießt der Kläger als Gleichgestellter den Kündigungsschutz nach §§ 15 ff
SchwbG und wird auf die Anzahl der vom Arbeitgeber nach §§ 5 ff
SchwbG zu beschäftigenden Schwerbehinderten angerechnet; nicht anzuwenden auf Gleichgestellte sind lediglich die Regelungen zum Zusatzurlaub und zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr (§ 2
Abs. 2
SchwbG, §§ 47, 59 ff
SchwbG). Der Bescheid vom 14. Juli 1997 wirkt sich folglich auch auf den Beigeladenen als Arbeitgeber aus.
Um eine Anfechtungsbefugnis zu bejahen, muss ein Drittbetroffener allerdings nach der Rechtsprechung zu § 54
Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) und zu § 42
Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) behaupten können, dass der angefochtene Verwaltungsakt in seine eigenen rechtlichen Interessen eingreift (BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54
Nr. 15; BSGE 86, 126, 130 = SozR 3-2500 § 85
Nr. 37; BVerfGE 83, 182, 196 = SozR 3-1100
Art. 19
Nr. 2, jeweils mwN). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet (Vergleiche BSGE aaO; BVerwGE 27, 29, 31).
Dabei ist im Einzelfall maßgebend, ob die Möglichkeit besteht, dass der angefochtene Verwaltungsakt gegen eine Rechtsnorm verstößt, die zumindest auch den Schutz individueller Interessen des Drittbetroffenen bezweckt (
BSG SozR
Nr. 115 zu § 54
SGG; BSGE 67, 30, 31 f = SozR 3-2200 § 368n
Nr. 1; BSGE 68, 291, 293 = SozR 3-1500 § 54
Nr. 7). Eine Anfechtungsbefugnis ist also gegeben, wenn der maßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den Individualinteressen des Anfechtenden zu dienen bestimmt ist; nicht ausreichend ist dagegen eine Reflexwirkung in dem Sinne, dass sich aus einer im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm zugleich auch eine Begünstigung einzelner Dritter ergibt (
BSG SozR 3-1500 § 54
Nr. 40; SozR 3-2500 § 101
Nr. 4; BVerwGE 111, 354, 357 = NJW 2001, 909 mwN).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist - entgegen zahlreichen Literaturstimmen (Cramer,
SchwbG, 5.Auflage 1998, Rz 24; Großmann u.a.,
GK-SchwbG, 2.Auflage 2000, § 2 Rz 84 und 101; Neumann/Pahlen,
SchwbG, 9. Auflage 1999, § 2
Anm. 8; Wiegand,
SchwbG, Stand Juni 2000, § 2 Rz 17) - eine Berechtigung des Arbeitgebers eines Minderbehinderten, dessen Gleichstellung anzufechten, und damit auch ein Anfechtungsrecht des Beigeladenen gegen den Bescheid vom 14. Juli 1997 zu verneinen.
Denn die die Gleichstellung regelnde Norm des § 2
SchwbG ist nicht dazu bestimmt, zumindest auch den Individualinteressen der von einer Gleichstellung mittelbar betroffenen Arbeitgeber zu dienen. Bei den sich aus § 2
SchwbG für die Arbeitgeber ergebenden Konsequenzen handelt es sich vielmehr um Reflexwirkungen, die nach Sinn und Zweck der Norm nicht einer Anfechtung durch Arbeitgeber unterliegen.
Dies folgt insbesondere daraus, dass der Regelung des § 2
SchwbG in der hier anwendbaren Fassung arbeitsmarkt- und sozialpolitische Gesichtspunkte zu Grunde liegen. Erwerbsgeminderte Personen, die den nach § 1
SchwbG erforderlichen
GdB von wenigstens 50 nicht erreichen, deren
GdB aber wenigstens 30 beträgt (so genannte Minderbehinderte), sollen in den Schutz des
SchwbG einbezogen werden, wenn sie sich ohne Hilfe des
SchwbG nicht auf dem Arbeitsmarkt behaupten können (Vergleiche Neumann/Pahlen aao Rz 1, 3, 4; Großmann u.a. aaO Rz 10, 33, 77; zu den ab 1. Juli 2001 geltenden Nachfolgeregelungen in §§ 2
Abs. 3, 68
Abs. 2 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, die im Wesentlichen mit den Bestimmungen des
SchwbG übereinstimmen, vergleiche Hauck/Noftz,
SGB IX, § 2 Rz 34).
Entscheidendes Kriterium ist somit die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (Vergleiche BSGE 86, 10, 15 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1). Darüber hinaus hat die Gleichstellung die Funktion, Ungerechtigkeiten und Härten zu beseitigen, die bei der starren Grenze des § 1
SchwbG auftreten müssen ( Vergleiche Neumann/Pahlen aaO Rz 1). § 2
SchwbG bezweckt also vorwiegend den Schutz Minderbehinderter und ist im Übrigen im Allgemeininteresse erlassen.
Nicht ersichtlich ist dagegen, dass die Vorschrift auch dazu bestimmt sein könnte, den Interessen der Arbeitgeber zu dienen, etwa dem Interesse, nur solche Behinderte als Gleichgestellte zu beschäftigen, die die Voraussetzungen des § 2
SchwbG auch erfüllen.
Im Ergebnis nichts anderes folgt aus dem insbesondere zu §§ 1 und und 3
SchwbG ergangenen Urteil des
BSG vom 22. Oktober 1986, wonach der Arbeitgeber die versorgungsamtliche Feststellung des Schwerbehindertenstatus seines Arbeitnehmers nicht anfechten kann (BSGE 60, 284 = SozR 3870 § 3
Nr. 23). Zwar hat das
BSG in diesem Urteil eine Anfechtungsbefugnis des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren für möglich gehalten, ohne dass es für die Entscheidung des damals zu beurteilenden Falles darauf angekommen wäre (aaO 287).
Die insoweit angeführten Überlegungen, es handle sich bei der Entscheidung über die Gleichstellung um eine konstitutive Entscheidung in Bezug auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis, der Arbeitgeber sei im Widerspruchsverfahren zu hören (§ 43
Abs. 2
SchwbG) und die Verwaltung führe auch im Gleichstellungsverfahren einen "Interessenausgleich" zwischen dem Schwerbehinderten und seinem Arbeitgeber herbei, vermögen jedoch nicht zu überzeugen.
Dass der Arbeitgeber nach § 43
Abs. 2
SchwbG im Widerspruchsverfahren zu hören ist, besagt nicht zwingend, dass ihm damit im Vorfeld der Entscheidung über einen Gleichstellungsantrag eine verfahrensrechtliche Position zugebilligt werden soll, die auch eine Anfechtungsbefugnis begründet (zur Möglichkeit der Klagebefugnis auf Grund der Einräumung einer verfahrensrechtlichen Position vergleiche BSGE 88, 6, 11 ff = SozR 3-2500 § 103
Nr. 6).
Denn es ist zu beachten, dass ausschließlich der Behinderte berechtigt ist, die Gleichstellung zu beantragen (§ 2
Abs. 1
SchwbG, vergleiche Neumann/Pahlen aaO § 2 Rz 28 mwN), dass ein Widerspruchsrecht des Arbeitgebers erst im Widerspruchsverfahren vorgesehen ist.
Da im Übrigen § 43
SchwbG verschiedene Fälle innerhalb der Aufgabenbereiche der Hauptfürsorgestelle (§ 31
SchwbG) und der Bundesanstalt für Arbeit (§ 33
SchwbG) betrifft, ist die Anhörung des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nur dazu bestimmt, der Widerspruchsbehörde die für ihre Entscheidung notwendigen Informationen zu verschaffen, nicht aber dem Arbeitgeber das Recht zur Erhebung eines Widerspruchs gegen den Behinderten begünstigenden Bescheid zu geben.
Auf die weiteren Ausführungen des
BSG, die Verwaltung führe im Widerspruchsverfahren wegen der Gleichstellung ebenso wie im Verfahren betreffend den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten einen "Interessenausgleich" zwischen dem Schwerbehinderten und seinem Arbeitgeber herbei (BSGE 60, 284, 287 = SozR 3870 § 3 NR. 23), kann ein eigenständiges Recht des Arbeitgebers zur Anfechtung eines Gleichstellungsbescheid nicht gestützt werden.
Zwischen dem Gleichstellungsverfahren und dem Verfahren nach §§ 17 ff
SchwbG bestehen nämlich erhebliche Unterschiede; insbesondere ergeht die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle im Zustimmungsverfahren allein auf Antrag des Arbeitgebers (§ 17
SchwbG), während das Gleichstellungsverfahren nur durch den Behinderten eingeleitet wird (§ 2
Abs. 1 Satz
SchwbG).
Auch gibt das Gesetz nichts dafür her, dass der bei der Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung offensichtliche Ausgleich des Interessengegensatzes zwischen Arbeitgeber und zu kündigendem Schwerbehinderten bereits in das Gleichstellungsverfahren vorverlagert werden soll.
Die konstitutive Begründung der Gleichstellung durch den Bescheid des Arbeitsamtes mit Wirkung ab Antragstellung ist zwar für die Tatbestandswirkung der Gleichstellung von Bedeutung, rechtfertigt aber ebenfalls keine Klage- oder Widerspruchsbefugnis des Arbeitgebers im Zeitpunkt ihres Anspruchs.
Der erst durch einen Bescheid des Arbeitsamtes begründete Schwerbehindertenschutz entfaltet, ebenso wie der durch einen Bescheid des Versorgungsamtes deklaratorisch festgestellte Schwerbehindertenstatus, gegenüber jedermann Wirkung, dem gegenüber Behinderte ihre Rechte geltend machen können (Vergleiche BSGE 60, 284, 285 = SozR 3870 § 3
Nr. 23; BVerwGE 72, 8, 9 ff). Dass bestimmte Regelungen für Gleichgestellte nicht gelten (§ 2
Abs. 2
SchwbG), kann insoweit keine Rolle spielen.
Wenn das
BSG die Anfechtungsbefugnis des Arbeitgebers im Verfahren zur Feststellung des Schwerbehindertenstatus unter anderem mit der Erwägung verneint hat, ein Arbeitgeber könne ebenso wenig die Begründung eines familienrechtlichen Verhältnisses, das sich arbeits- oder tarifvertraglich auf das Arbeitsverhältnis auswirke, anfechten (aaO
S. 286), so gilt die gleiche Erwägung auch für das Gleichstellungsverfahren.
Dies trifft ebenso zu für die Ausführungen des
BSG (aaO
S. 286) zum Recht des Behinderten, über die Offenbarung persönlicher Tatsachen wie gesundheitlicher Verhältnisse selbst bestimmen zu können (Vergleiche §§ 35
SGB I, 76 SBG X), wenngleich diesem Gesichtspunkt unter Berücksichtigung des nach § 2
SchwbG zu prüfenden Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und dem Behaltenkönnen des Arbeitsplatzes (Vergleiche BSGE 86, 10, 13 = SozR 3-3870 § 2
Nr. 1; Großmann aaO Rz 55) keine entscheidende Bedeutung zukommen dürfte.
Nicht zu folgen vermag der Senat schließlich der zurückliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses Gericht hat zum damaligen § 2 des Schwerbeschädigtengesetzes
idF vom 14. August 1961, BGBl I, 1233, die Auffassung vertreten, dem Arbeitgeber eines Gleichgestellten stehe das Recht zu, Beschwerde einzulegen oder Klage zu erheben (BVerwGE 42, 189, 190 = Buchholz 436.6 § 2
SchwbG Nr. 5; BVewrwG Buchholz 232 BBG § 32
Nr. 22).
Die Begründung, der Arbeitgeber sei durch einen Gleichstellungsbescheid deswegen beschwert, weil er dem Gleichgestellten Zusatzurlaub zu gewähren und bei einer Kündigung die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle einzuholen habe, verkennt jedoch die bereits angeführte Rechtsprechung zu § 54
Abs. 1 Satz 2
SGG oder § 42
Abs. 2
VwGO, wonach eine Anfechtungsbefugnis die Verletzung einer Norm voraussetzt, die dem Drittbetroffenen eine eigene schutzfähige Rechtsposition einräumt.
Im Übrigen überzeugt diese Begründung schon deshalb nicht, weil der Arbeitgeber auch bei einem Schwerbehinderten mit einem
GdB von 50 oder mehr, der einer Gleichstellung nicht bedarf, die Schutzbestimmungen des
SchwbG zu beachten hat, und der Arbeitgeber die versorgungsamtliche Feststellung des Schwerbehindertenstatus - wie ausgeführt - gerade nicht anfechten kann (so zutreffend
LSG, Rheinland Pfalz Breithaupt 2001, 155, 157).
Es kann folglich nicht ausreichen, dass der Arbeitgeber durch die Auswirkungen der Gleichstellung faktisch in seinen Interessen berührt wird; anderenfalls müsste im Anwendungsbereich des
SchwbG zahlreichen Dritten, die von einer Anerkennung als Schwerbehinderter oder einer Gleichstellung betroffen sind, ebenfalls ein Anfechtungsrecht zugebilligt werden.
Eine Pflicht zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Vergleiche § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I, 661) besteht nicht, da sich die genannten Entscheidungen auf eine im Vergleich zu § 2
SchwbG abweichende Gesetzesfassung beziehen und darüber hinaus inzwischen die Verwaltungsgerichte nicht mehr für die Entscheidung über die Gleichstellung zuständig sind (Vergleiche §§ 2
Abs. 1 Satz 1, 33
Abs. 1
Nr. 5
SchwbG, § 51
Abs. 1
SGG).
Die Beklagte hätte daher den Widerspruch des Beigeladenen als unzulässig verwerfen müssen. Dass die Voraussetzungen vorlägen, die die Beklagte - unabhängig von § 49
SGB X - nach § 45 oder 48
SGB X berechtigen, die Gleichstellung aufzuheben und den Antrag des Klägers abzulehnen, macht die Beklagte selbst nicht geltend. Der Kläger beruft sich somit zu Recht auf die Bestandskraft des ihm die Gleichstellung zubilligenden Bescheids vom 14. Juli 1997.
weitere Fundorte:
Behindertenrecht 2002 Heft 3,
S. 107
ff.ZB 4/2002,
S. 9