Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF" (Befreiung von der Rundfunk- und Fernsehgebührenpflicht) erfüllt. Soweit die Klägerin erstmals im Klageverfahren auch eine Höherbewertung des Grades der Behinderung (
GdB) im Sinne des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (
SGB IX) geltend gemacht hatte, hat sie die Klage in der mündlichen Verhandlung am 23.08.2011 wieder zurück genommen.
Bei der 1924 geborenen Klägerin hatte das Landratsamt R. (LRA) - zuletzt - in Ausführung eines im Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 10 SB 3754/07) abgegebenen Anerkenntnisses vom 15.04.2008 einen
GdB von 80 seit dem 05.09.2006 sowie die Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Gehbehinderung) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) anerkannt (Bescheid vom 09.06.2008).
Am 16.01.2009 beantragte die Klägerin, ihr auch den Nachteilsausgleich "RF" zuzuerkennen. Hierzu holte das LRA die Auskunft des Allgemeinmediziners
Dr. P. ein, der über eine mittelschwere, aktuell medikamentös sehr gut eingestellte Depression und eine leichte Demenz der Klägerin berichtete. Hierdurch ergäben sich leichte Einschränkungen im täglichen Leben. Trotz der Demenz sei die Klägerin ruhig und störe bei öffentlichen Veranstaltungen nicht. Sie könne kurze Strecken selbstständig zurücklegen. Die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sei nur geringfügig eingeschränkt. Gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von
Dr. G. lehnte das LRA den Antrag ab (Bescheid vom 25.03.2009).
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie leide an einem erheblichen Verwirrtheitszustand und Orientierungslosigkeit. Sie könne öffentliche Veranstaltungen stören, weshalb ihre Teilnahme daran und am gesellschaftlichen Leben erheblich eingeschränkt sei. Wegen einer Darmerkrankung trage sie bereits seit mehreren Jahren Einlagen, seit einem Jahr zusätzlich auch sogenannte Slip-Pants. Außerdem leide sie an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Ihre Demenz sei schleichend, nehme aber konstant zu. Zur Stützung ihres Widerspruchsbegehrens legte die Klägerin zahlreiche Arztunterlagen, u.a. eine Auskunft von
Dr. P. als sachverständiger Zeuge im Verfahren vor dem SG, S 9 KR 3881/06, den Entlassungsbericht der Fachklinik
S., W., vom Juli 2006 sowie den vorläufigen Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik des Kreiskrankenhauses R. vom September 2009 vor. Die Allgemeine Ortskrankenkasse K. (
AOK) teilte auf Anfrage des LRA mit, die Klägerin erhalte keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Aufgrund einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von
Dr. Sch. hob das LRA den Bescheid vom 09.06.2008 auf und setzte den
GdB ab dem 27.05.2009 auf 90 fest unter Berücksichtigung folgender Funktionsbeeinträchtigungen:
- Hirnleistungsschwäche Teil-
GdB 70 - Kniegelenksendoprothese rechts Teil-
GdB 30 - Teilverlust des Dickdarms Teil-
GdB 10 - Bluthochdruck, Herzklappenfehler Teil-
GdB 10 - Sehminderung Teil-
GdB 10 - chronische Bronchitis Teil-
GdB 20 - unwillkürlicher Harnabgang Teil-
GdB 10; die Nachteilsausgleiche "G" und "B" blieben weiter zuerkannt (Bescheid vom 13.11.2009).
Den Widerspruch der Klägerin wegen der Versagung des Nachteilsausgleichs "RF" wies der Beklagte sodann durch Widerspruchsbescheid vom 01.12.2009 zurück.
Deswegen hat die Klägerin am 29.12.2009 Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Widerspruchsvorbringen. Ergänzend trägt sie vor, ihre Demenz habe zugenommen. Ihre Inkontinenz habe sich ebenfalls verschlechtert, weshalb sie neben Einlagen zusätzlich Inkontinenz-Hosen tragen müsse. Wegen einer Einschränkung ihres Gehvermögens sei sie dauerhaft auf die Benutzung einer Gehhilfe angewiesen. Mit der Feststellung des
GdB von 90 erfülle sie in jedem Fall die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des begehrten Nachteilsausgleichs. Die Auskunft des sachverständigen Zeugen
Dr. P. und die versorgungsärztliche Stellungnahme von
Dr. W. seien nicht überzeugend. Zur Stützung ihres Klagebegehrens legt die Klägerin zahlreiche weitere Arztunterlagen vor, u.a. den ärztlichen Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik des Kreiskrankenhauses R. vom Dezember 2009, den Behandlungsbericht der selben Klinik vom Januar 2010 sowie zuletzt den Arztbrief des Zentrums für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums F. vom März 2011.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Auskünfte des HNO-Arztes
Dr. Ro. und von
Dr. P. als sachverständigen Zeugen.
Dr. Ro. hat über eine seitengleich mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit zu den hohen Frequenzen hin berichtet.
Dr. P. hat die von ihm diagnostizierten Gesundheitsstörungen mitgeteilt und bekundet, bei der Klägerin mache sich eine leichte Demenz bemerkbar. Unter medikamentöser Therapie sei ihr Zustand sehr gut. Sie sei sogar in der Lage, Urlaubsreisen ins Ausland zu unternehmen. Seinen Bekundungen hat
Dr. P. ebenfalls weitere Arztunterlagen beigefügt.
Auf Anfrage der Kammer hat die
AOK die Krankenhauszeiten der Klägerin zwischen September und Dezember 2009 sowie die jeweiligen Diagnosen mitgeteilt. Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung habe sie im Jahr 2007 abgelehnt.
Die Klägerin beantragt - zuletzt noch -,
den Bescheid vom 25. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit dem 16. Januar 2009 die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF" erfüllt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Trotz ihrer Behinderung könne die Klägerin zumindest zeitweilig und mit Hilfe von Begleitpersonen oder Hilfsmitteln an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Ergänzend hierzu legt der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme des
Dr. W. vor.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Die Klage ist, nachdem die Klägerin diese in Bezug auf den erst im Verlauf des Klageverfahrens mit Schriftsatz vom 20.05.2011 gestellten Antrag auf Neufeststellung des
GdB in der mündlichen Verhandlung am 23.08.2011 zurück genommen hat, zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54
Abs. 2 Satz 1
SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF", denn sie erfüllt die hierfür erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen nicht. Die Klägerin ist trotz ihrer Gesundheitsstörungen nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
1.) Nach
§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen sie auch insoweit die erforderlichen Feststellungen (§ 69
Abs. 4
SGB IX).
Die Voraussetzungen der Vergabe des Merkzeichens "RF" sind gemäß § 69
Abs. 5
SGB IX in Verbindung mit
§ 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) landesrechtlich im Land Baden-Württemberg seit dem 01.04.2005 durch
Art. 5 § 6
Abs. 1 Nrn. 7 und 8 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 15.10.2004 in der Fassung des Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl. 2005,
S. 189), in Kraft getreten am 01.04.2005 (GBl. 2005,
S. 404)
bzw. ab 1. Januar 2009 (
vgl. Bekanntmachung des Staatsministeriums Baden-Württemberg vom 27.03.2009 - GBl. 2009,
S. 180) in der Fassung des Zwölften Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 18.12.2008 (GBl. 2009,
S. 131) geregelt. Nach § 6
Abs. 1
Nr. 7 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit a) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung; b) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist.
Nach § 6
Abs. 1
Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags werden außerdem schwerbehinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern. Öffentliche Veranstaltungen sind damit nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch
z.B. Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (
vgl. BSG SozR 3-3870 § 4
Nr. 17;
BSG SozR 3-3870 § 48
Nr. 2 sowie
BSG SozR 3870 § 3
Nr. 15). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann (
vgl. BSG SozR 3870 § 3 Nrn. 15, 24 und 25 sowie SozR 3-3870 § 4 Nrn. 2 und 17). Solange der Behinderte mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an der Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert. Bei der vom
BSG vertretenen Auslegung, der die Kammer folgt, muss der schwerbehinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss von öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (
vgl. BSG SozR 3-3870 § 4
Nr. 2 und 17 sowie a.a.O. § 48
Nr. 2; ferner
LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 -
L 8 SB 2294/10 - und
LSG Berlin-Brandenburg vom 29.01.2009
L 11 SB 190/08 - (jeweils veröffentlicht in juris)). Es kommt auch nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen (
vgl. BSG SozR 3870 § 3 Nrn. 24 und 25 sowie SozR 3-3870 § 4
Nr. 2) noch überhaupt am Wohnort des schwerbehinderten Menschen öffentliche Veranstaltungen angeboten werden (
vgl. BSG SozR 3870 § 3
Nr. 25). Andernfalls müsste jeder nach einem anderen, in sein Belieben gestellten Maßstab von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Das wäre mit dem Gebührenrecht nicht vereinbar, denn die Gebührenpflicht selbst wird nicht bloß nach dem individuell unterschiedlichen Umfang der Sendungen, an denen die einzelnen Teilnehmer interessiert sind, bemessen, sondern nach dem gesamten Sendeprogramm. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsausgleich "RF" nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
2.) Die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Denn zur Überzeugung des erkennenden Gerichts steht aufgrund der glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen
Dr. P., ferner des Arztbriefes des Zentrums für Geriatrie und Gerontologie des Universitätsklinikums F. wie auch der versorgungsärztlichen Stellungnahme von
Dr. W. fest, dass die Klägerin trotz ihrer zweifellos zahlreichen Funktionsbeeinträchtigungen, die auch die Kammer nicht verkennt, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen in einem nennenswerten Teil der Gesamtheit aufsuchen und diesen auch beiwohnen kann.
a) Daran ist die Klägerin insbesondere nicht wegen ihrer Hirnleistungsschwäche gehindert. Denn diese äußert sich nach den - im Ergebnis - übereinstimmenden Ausführungen von
Dr. P. und den Ärzten des Universitätsklinikums F. lediglich in einer diskret beeinträchtigten zeitlichen und örtlichen Orientierung bei umfassend erhaltener Orientierung zur Person und Situation, einer leicht beeinträchtigten Merkfähigkeit und einem diskret beeinträchtigen Altgedächtnis. Dagegen sind Aufmerksamkeit und Konzentration der Klägerin unauffällig. Auch ihre affektive Schwingungsfähigkeit ist noch adäquat ausgeprägt. Eine leicht ängstlich-depressive Symptomatik ist unter entsprechender Medikation gut remittiert. Überdies haben die Ärzte des Universitätsklinikum F. der Klägerin aufgrund des Ergebnisses eines geriatrischen Assessements im Wesentlichen umfassende Kompetenz für die instrumentellen und basalen Aktivitäten des täglichen Lebens, d.h. Basisfähigkeiten wie Aufstehen, sich waschen, ankleiden, Telefonbenutzung, Einkaufen, Kochen, Versorgung des Haushaltes und der Wäsche sowie Geldhaushalt, bestätigt. Gestützt werden diese Fähigkeiten der Klägerin durch deren eigenes Vorbringen wie auch die weiteren glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen
Dr. P., denen zufolge die Klägerin - zusammen mit ihrem Sohn - auch Urlaubsreisen ins Ausland unternehmen kann. Trotz einer leichten Demenz hat
Dr. P. den Zustand der Klägerin unter der medikamentösen Therapie als sehr gut bezeichnet und ihre Fähigkeit zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben überzeugend als nur geringfügig eingeschränkt angesehen. Allein der Umstand, dass der sachverständige Zeuge ihr wiederholt häusliche Krankenpflege verordnet hat, um zwei Mal täglich die ordnungsgemäße Medikamenteneinnahme sicher zu stellen, steht ihrer Fähigkeit zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen deshalb nicht entgegen. Soweit im ärztlichen Entlassungsbericht der Fachklinik
S. vom Juli 2006 eine "gewisse Verwirrtheit" der Klägerin mit Orientierungsproblemen erwähnt ist, aufgrund derer sie im Haus entsprechend begleitet wurde, führt auch dies nicht zu einer Unmöglichkeit der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Denn zum Ausgleich dieser Funktionsstörung hat der Beklagte der Klägerin den Nachteilsausgleich "B" zuerkannt, mithin anerkannt, dass die Klägerin bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ständig auf die Begleitung durch eine dritte Person angewiesen ist. In diesem Zusammenhang ist deshalb auch nicht entscheidungsrelevant, dass ihr Sohn - ihr Prozessbevollmächtigter - es der Klägerin seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge nicht mehr "zumuten" will, sie zu öffentlichen Veranstaltungen zu bringen.
b) Die Harn- wie auch eine geltend gemachte leichte Stuhlinkontinenz der Klägerin stehen dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen ebenfalls nicht generell entgegen. Vielmehr kann die Klägerin einer durch unwillkürlichen Urin- oder Stuhlabgang eventuell auftretenden Geruchsbelästigung durch das Anziehen von einmal zu tragenden Windelhosen entgegenwirken. Das Tragen solcher Windelhosen ist ihr zumutbar (
vgl. BSG SozR 3-3870 § 4
Nr. 17 sowie
BSG vom 11.09.1991 -
9a RVs 1/90 - und vom 09.08.1995 -
9 RVs 3/95 -, ferner
LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 -
L 8 SB 2294/10 - und vom 18.03.2005 -
L 8 SB 2366/03 -, Bay.
LSG vom 20.10.2010 - L 16 SB 182/09 -;
LSG Berlin-Brandenburg vom 29.01.2009
L 11 SB 190/08 - und SG Berlin vom 07.02.2011 - S 46 SB 1405/10 - (jeweils veröffentlicht in Juris); außerdem
LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 2006, 856). Entsprechende Inkontinenzartikel benutzt die Klägerin eigenen Angaben zufolge auch ständig.
c) Auch die orthopädischen Gesundheitsstörungen, insbesondere die Versorgung des rechten Kniegelenks mit einer Endoprothese und die dadurch verursachte dauerhafte Nutzung einer Gehhilfe, schließen die Klägerin nicht generell vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen aus. Wegen einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit hat der Beklagte ihr den Nachteilsausgleich "G" zuerkannt. Die Klägerin kann deshalb nach Erwerb einer (kostenpflichtigen) Wertmarke (
§ 145 Abs. 1 Satz 3 SGB IX) öffentliche Verkehrsmittel zusammen mit einer Begleitperson (§ 145
Abs. 2
Nr. 1
SGB IX) unentgeltlich (§ 145
Abs. 1 Satz 1
SGB IX) nutzen und so den Ort öffentlicher Veranstaltungen auch erreichen. Gegenteiliges hat der sachverständige Zeuge
Dr. P. nicht bestätigt. Hierfür ergibt sich aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens, insbesondere der zahlreichen aktenkundigen medizinischen Befunde und Arztunterlagen, auch sonst kein Anhalt.
d) Der als weitere Funktionsbeeinträchtigung berücksichtigte Teilverlust des Dickdarms hat zwar im Jahr 2009 nach der Auskunft der
AOK zu mehrfachen Krankenhausbehandlungen unter anderem wegen einer Kolitis und blutigen Durchfallerscheinungen geführt. Nach dem Arztbrief der medizinischen Klinik des Kreiskrankenhauses R. vom Januar 2010 war die Kolitis zuletzt indes nahezu vollständig abgeheilt bis auf geringe Rötungen im absteigendem Dickdarm; erosive Läsionen, entzündliche Schleimhautschwellungen oder Blutbeimischungen waren nicht mehr zu objektivieren.
e) Die übrigen Gesundheitsstörungen der Klägerin sind jeweils nur geringgradig ausgeprägt und stehen schon deshalb einem Aufsuchen öffentlicher Veranstaltungen und deren Teilnahme daran seitens der Klägerin nicht entgegen. Dies gilt insbesondere für die Sehminderung, denn weder ist die Klägerin blind noch erreicht ihre Sehbeeinträchtigung ein Ausmaß, dass allein hierfür ein (Teil-)
GdB von 60 zustünde. Sie ist nach den glaubhaften Bekundungen des sachverständigen Zeugen
Dr. Ro. auch nicht gehörlos noch ist vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass ihr eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit den verwendeten Hörgeräten nicht möglich wäre.
3.) Mithin ist festzustellen, dass es der Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen möglich ist, öffentliche Veranstaltungen - unter Umständen mit Hilfe einer Begleitperson (den Nachteilsausgleich "B" hat der Beklagte zuerkannt) - zu besuchen. Vor diesem Hintergrund sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden und musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193
Abs. 1 und 4
SGG.