Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung weder selbst erschienen noch vertreten gewesen ist. Denn er ist mit der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Mit der Berufung begehrt der Kläger bei verständiger Würdigung seines schriftsätzlichen Vorbringens inzwischen nur noch die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" für die Zeit ab Eingang seines allein dieses Merkzeichen betreffenden Antrages beim Beklagten am 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011. Soweit das Begehren des Klägers ursprünglich auch auf die Zeit nach dem 28. Februar 2011 gerichtet gewesen ist, hat sich der Rechtsstreit gemäß § 101
Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) mit Eingang des klägerischen Schriftsatzes vom 25. Juli 2011 beim Landessozialgericht in der Hauptsache erledigt, weil der Kläger mit diesem Schriftsatz das vom Beklagten mit seinem Schriftsatz vom 12. Juli 2011 abgegebene Teilanerkenntnis angenommen hat, mit dem der Beklagte anerkannt hat, dass dem Kläger für die Zeit ab dem 1. März 2011 der von ihm im vorliegenden Rechtsstreit verfolgte Anspruch zusteht.
Zu Recht hat das Sozialgericht die vom Kläger mit der Berufung für die Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011 weiterverfolgte Klage abgewiesen. Denn diese Klage ist in Gestalt der die Anfechtungsklage umschließenden Verpflichtungsklage im Sinne des § 54
Abs. 1 Satz 1 2. Alt.
SGG zwar zulässig, aber unbegründet.
Sie betrifft allein den Bescheid des Beklagten vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2008, mit dem der Beklagte den vom Kläger verfolgten Anspruch für die Zeit ab dem 6. Dezember 2005 abgelehnt hat. Nicht betroffen ist demgegenüber der von dem Beklagten im Zusammenhang mit dem von ihm abgegebenen Teilanerkenntnis erlassene Bescheid vom 11. Juli 2011. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte zwar eine Regelung auch zum Merkzeichen "RF" getroffen. Sie erschöpft sich jedoch in der Zuerkennung dieses Merkzeichens für die Zeit ab dem 1. März 2011, die angesichts der für diese Zeit eingetretenen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache für den vorliegenden Fall keine Relevanz mehr hat. Soweit der Beklagte mit dem Bescheid vom 11. Juli 2011 Regelungen (im Sinne von echten Zweitbescheiden) auch zum
GdB sowie zum Merkzeichen "G" getroffen hat, sind sie gemäß § 153
Abs. 1 und § 96
Abs. 1
SGG nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden, weil sie den die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 26. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2008 weder abändern noch ersetzen.
Der vorgenannte Bescheid ist - soweit er sich auf die Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011 bezieht - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat für diese Zeit keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF".
Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist
§ 69 Abs. 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Hiernach stellen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, soweit sie Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Nach
§ 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung gehört zu diesen Merkmalen das Merkzeichen "RF", das im Schwerbehindertenausweis auf der Rückseite einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt. Landesrechtlich maßgeblich sind insoweit die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen § 6
Abs. 1 Satz 1
Nr. 7 und 8 sowie
Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes (Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 27. Januar 2005 (GVBl. Seite 82), welches die bis dahin geltende Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 2. Januar 1992 (GVBl. Seite 3) aufgehoben hat. Spätere Änderungen, zuletzt im Dreizehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 3. Februar 2010 (GVBl. Seite 39), haben die hier maßgeblichen Voraussetzungen unberührt gelassen.
Der Senat lässt offen, ob die hier einschlägigen Vorschriften auch heute noch herangezogen werden können, obwohl ein durch die Gebührenbefreiung ausgleichbarer Mehraufwand behinderter Rundfunk- und Fernsehteilnehmer möglicherweise nicht mehr besteht, weil der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung - unabhängig von eventuellen Behinderungen - Rundfunk hört oder fernsieht (
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 30. April 2009 -
L 11 SB 348/08 - juris). Denn im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften im noch streitigen Zeitraum nicht erfüllt.
Nach § 6
Abs. 1 Satz 1
Nr. 7 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit:
a) blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von 60 vom Hundert allein wegen der Sehbehinderung,
b) hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist.
Zu diesen Personengruppen gehört der Kläger nicht, was hinsichtlich der unter a) aufgeführten Personen keiner näheren Begründung bedarf. Entgegen seiner Auffassung gehörte er mindestens im streitigen Zeitraum aber auch nicht zu den unter b) benannten Personen. Denn er ist - was ebenfalls keiner näheren Begründung bedarf - nicht gehörlos. Darüber hinaus erfüllte er aber auch nicht die Anforderungen, die an die dort des Weiteren aufgeführte Personengruppe zu stellen sind.
Wie der Kläger im Grundsatz selbst zutreffend ausgeführt hat, ist es insoweit erforderlich, dass eine (gravierende) Hörschädigung vorliegt, die mit einem
GdB von wenigstens 50 zu bewerten ist. Zudem muss es sich bei der Hörschädigung, bei der im Übrigen eventuelle
GdB-Erhöhungen,
z. B. aufgrund eines Tinnitus, von vornherein außer Betracht zu bleiben haben, um eine hochgradige kombinierte Schwerhörigkeit oder hochgradige Innenohrschwerhörigkeit an beiden Ohren handeln; reine Schallleitungsschwerhörigkeiten reichen im Allgemeinen nicht aus, weil in diesen Fällen bei Benutzung von Hörhilfen eine ausreichende Verständigung möglich ist (so auch die - zur authentischen Interpretation von landesrechtlichen Bestimmungen allerdings nicht geeignete - Definition in den ansonsten als antizipierte Sachverständigengutachten heranzuziehenden "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (
AHP) in der Fassung von 2005).
Im vorstehenden Zusammenhang fehlt es bezogen auf den allein noch streitigen Zeitraum vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011 bereits an einer beiderseitigen Hörschädigung, die für sich genommen,
d. h. ohne zu einer
GdB-Erhöhung führende Besonderheiten, wie
z. B. einem Tinnitus, mit einem
GdB von (mindestens) 50 bewertet werden könnte. Denn ausweislich der hier vorliegenden Ton- und Sprachaudiogramme der Ärzte für HNO-Heilkunde
Dr. P und andere von September 1993 und des Ton- und Sprachaudiogramms des Arztes für HNO-Heilkunde
Dr. S vom 29. Januar 2007 lagen bei dem Kläger nach den insoweit überzeugenden Ausführungen der Fachärztin für HNO-Heilkunde
Dr. M in ihrer Stellungnahme vom 4. Oktober 2011 bis zu dem am 5. Juli 2010 erlittenen Knalltrauma lediglich eine mittelgradige Schwerhörigkeit rechts mit einem Hörverlust von maximal 57 % und eine hochgradige Schwerhörigkeit links mit einem Hörverlust von maximal 64 % vor, die nach der seit 2005 unverändert gebliebenen Tabelle D in Teil A
Nr. 26.5 der insoweit als antizipierte Sachverständigengutachten zu berücksichtigenden
AHP 2005 und 2008 (jeweils Seite 59) sowie in Teil B
Nr. 5.2.4 der Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1
Abs. 1 und 3, des § 30
Abs. 1 und des § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (Seite 35) zusammen mit einem
GdB von lediglich 30 zu bewerten waren. Auch nach dem am 5. Juli 2010 erlittenen Knalltrauma wurde durch die Hörschädigung ein
GdB von (mindestens) 50 zunächst nicht erreicht, was durch den Befundbericht des C Centrums vom 18. April 2011 nebst den dort am 16. September 2010 erhobenen Befunden belegt wird. Danach ergaben die erhobenen Messwerte lediglich eine beiderseits vorliegende mittel- bis schwergradige Schwerhörigkeit, für die nach der genannten Tabelle D jedoch ein
GdB von maximal 40 vorgesehen ist. Dass dieser
GdB den während der streitigen Zeitspanne maßgeblichen Gesundheitszustand des Klägers zutreffend widerspiegelt, ergibt sich auch aus dem im Einverständnis des Klägers beigezogenen Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde
Dr. N vom 28. März 2011, der darin für die erste Zeit nach dem Knalltrauma auf von
Dr. S am 16. Juli 2010 erhobene Befunde hingewiesen hat. Aus diesen Befunden lässt sich ein Hörverlust von 85 % rechts und 55 % links herleiten, für den nach der genannten Tabelle D jedoch ebenfalls nur ein
GdB von maximal 40 in Betracht kommt. Eine einen
GdB von (mindestens) 50 bedingende Verschlechterung der Hörschädigung lässt sich erst für die Zeit ab März 2011 feststellen. Sie ergibt sich aus dem Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde
Dr. N vom 28. März 2011 und ist von dem Beklagten mit seinem Bescheid vom 11. Juli 2011 und dem Teilanerkenntnis vom 12. Juli 2011 auch zutreffend berücksichtigt worden. Für eine Vorverlagerung dieser Verschlechterung zumindest für die Zeit ab dem 5. Juli 2010 ist angesichts der insoweit entgegenstehenden Befunde aus dieser Zeit entgegen der Auffassung des Klägers kein Raum.
Der Kläger kann sich im vorstehenden Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Beklagte ihm bislang seit Ende 1993 für die bei ihm vorliegende Hörschädigung einen Einzel-
GdB von 50 zugebilligt hatte. Denn abgesehen davon, dass mit diesem Einzel-
GdB von 50 nicht nur die reine Hörschädigung, sondern insbesondere auch Ohrgeräusche erfasst worden sind, auf die es nach den eingangs gemachten Ausführungen für das Merkzeichen "RF" gerade nicht ankommt, ist der Beklagte an den früher zugebilligten Einzel-
GdB von 50 auch nicht gebunden. Denn dieser Einzel-
GdB ist niemals mit einem Verwaltungsakt im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB X) separat festgestellt worden, sondern immer nur als ohne Anhörung des Betroffenen jederzeit abänderbares Begründungselement in die Feststellung des Gesamt-
GdB eingeflossen. Das Mitteilungsschreiben des Beklagten vom 27. Februar 1997 führt hierbei zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch mit diesem Schreiben hatte der Beklagte hinsichtlich der darin aufgeführten Einzel-
GdB keine Regelung im Sinne des § 31
SGB X getroffen. Vielmehr hatte er lediglich seine Überlegungen dazu, wie der Gesamt-
GdB im Fall des Klägers zu bilden sei, nach außen kundgetan. Ein schützenswertes Vertrauen durfte der Kläger vor diesem Hintergrund hinsichtlich des Einzel-
GdB von 50 nicht bilden, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" davon abhängt, dass allein für die Hörschädigung ein
GdB von (mindestens) 50 erforderlich ist. Auch der Hinweis des Klägers auf die Vorschrift des § 62
Abs. 3 BVG führt im vorstehenden Zusammenhang nicht weiter. Denn diese Vorschrift betrifft lediglich die Neufeststellung von Versorgungsbezügen und wird in den hier einschlägigen Vorschriften, insbesondere in § 69
Abs. 4
SGB IX, nicht in Bezug genommen; sie ist auf die hier vorliegende Fallkonstellation auch nicht analog anwendbar.
Nach § 6
Abs. 1 Satz 1
Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht des Weiteren befreit behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Auch zu dieser Personengruppe gehörte der Kläger entgegen seiner Auffassung nicht. In seinem Fall hat der
GdB zwar auch schon während der hier streitbefangenen Zeitspanne vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011 sogar mehr als 80 betragen. Der Kläger erfüllt jedoch die zweite Voraussetzung nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern. Öffentliche Veranstaltungen sind damit nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (
vgl. nur
BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 - 9/9a RVs 2/96 - juris). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei der vom
BSG vertretenen Auslegung muss der Schwerbehinderte praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können. Es kommt nicht darauf an, ob jene Veranstaltungen, an denen er noch teilnehmen kann, seinen persönlichen Vorlieben, Bedürfnissen, Neigungen und Interessen entsprechen. Sonst müsste jeder nach einem anderen, in sein Belieben gestellten Maßstab von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Das wäre mit dem Gebührenrecht nicht vereinbar, denn die Gebührenpflicht selbst wird nicht bloß nach dem individuell unterschiedlichen Umfang der Sendungen, an denen die einzelnen Teilnehmer interessiert sind, bemessen, sondern nach dem gesamten Sendeprogramm. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der Nachteilsausgleich "RF" nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Nach diesen Grundsätzen, von denen auch der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung ausgeht, liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" für die Zeit vom 6. Dezember 2005 bis zum 28. Februar 2011 nicht vor. Denn der Kläger ist in dieser Zeit nicht wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend, vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen gewesen. Insbesondere lässt sich ein solcher Ausschluss nicht aus den bei ihm bestehenden Darmstörungen herleiten, bei denen es sich - anders als der Beklagte bis etwa Ende der 90er Jahre gemeint hat - nicht um eine geschwürige Dickdarmentzündung organischen Ursprungs, sondern um eine psychisch determinierte somatoforme Funktionsstörung handelt. Letzteres ergibt sich vor allem aus den im Rahmen des Verfahrens nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz veranlassten Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie H und der Fachärztin für Innere Medizin
Dr. T vom 11. Mai 1999 und vom 22. Juni 1999, in denen erstmals eine funktionelle Störung im Sinne eines Colon irritabile (Reizdarms) beschrieben worden ist, die mit einer neurotischen Fehlentwicklung mit Angst und Selbstunsicherheit einhergeht. Dass diese Einschätzung zutrifft, wird vor allem durch den Entlassungsbericht der H-Klinik vom 10. Oktober 2000, die Stellungnahme der Landesklinik T vom 1. Dezember 2003, das Gutachten der Ärztin
Dr. R vom 15. November 2005, die Befundberichte der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. W vom 12. September 2000, 22. März 2007 und 21. Februar 2011 und der Fachärztin für Innere Medizin
Dr. L vom 7. März 2011 sowie durch deren Attest vom 31. Juli 2009 belegt. Hiernach ist davon auszugehen, dass der Kläger seit Jahren unter einer somatoformen autonomen Funktionsstörung leidet, die mit Diarrhoe und Stuhlinkontinenz verbunden ist. Letzteres berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, dass er wegen dieses Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnte. Hierbei geht der Senat angesichts der von der Fachärztin für Innere Medizin
Dr. L im November 2007 verordneten Inkontinenzmittel zwar davon aus, dass der Kläger wegen der vorgenannten Erkrankung seit Jahren Windelhosen benötigt und tatsächlich auch benutzt. Wie das Sozialgericht mit Recht ausgeführt hat, reicht dies jedoch für die Bejahung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" nicht aus. Denn Windelhosen sind - was bereits dadurch belegt wird, dass sie im Fall des Klägers verordnet worden sind - auch bei Stuhlinkontinenz geeignet. Zudem minimieren sie auch die Geruchsbildung. Sie bei öffentlichen Veranstaltungen tragen zu müssen, ist dem Kläger zumutbar. Denn abgesehen davon, dass der Verweis auf Windelhosen nach der ständigen Rechtsprechung des
BSG (
vgl. nur Urteil vom 11. September 1991 -
9a RVs 1/90 - juris) insbesondere mit Blick auf die nach
Art. 1 des Grundgesetzes (
GG) zu wahrende Würde des Menschen sowie den in
Art. 20
Abs. 1
GG niedergelegten Sozialstaatsgrundsatz keinen grundsätzlichen Bedenken begegnet, ist im Fall des Klägers zu berücksichtigen, dass er ausweislich des Befundberichts der Fachärztin für Innere Medizin
Dr. L vom 7. März 2011 zwar insbesondere wegen der bei ihm auftretenden rezidivierenden Durchfälle in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist, der Stuhlgang jedoch (nur) "manchmal nicht zu kontrollieren (ist)". Zudem ist von Bedeutung, dass die vorgenannte Ärztin in ihrem Attest vom 31. Juli 2009 ausgeführt hat, dass der Kläger wegen seiner psychogenen Darmerkrankung regelmäßig und mit gutem Erfolg das Medikament Loperamid einnehme, ohne das er seine Wohnung nicht verlassen und am gesellschaftlichen Leben nicht teilhaben könne. Denn diese Ausführungen lassen den Gegenschluss zu, dass der Kläger bei einer entsprechenden Medikation durchaus in der Lage ist, aus der Wohnung zu gehen. Letzteres ergibt sich auch aus dem Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. W vom 21. Februar 2011, wonach der Kläger seit einiger Zeit regelmäßig Vorlagen trägt, weil er "große Angst und Scham (habe), dass er wieder mal stuhlinkontinent sein könnte, wie es ihm immer mal wieder passiert (sei)". Dementsprechend ist an anderer Stelle des vorgenannten Befundberichts auch nur von einer zeitweiligen Inkontinenz
bzw. einer Diarrhoe mit Inkontinenzgefahr die Rede. Das nur zeitweilige Auftreten von Inkontinenz
bzw. eine nur bestehende Inkontinenzgefahr schließen jedoch den Kläger im Sinne der oben genannten Voraussetzungen nicht ständig vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen aus. Dies wird beispielhaft auch daran deutlich, dass er - wie sich dem Gutachten des Facharztes für HNO-Heilkunde
Dr. N vom 28. März 2011 entnehmen lässt - das am 5. Juli 2010 hervorgerufene Knalltrauma erlitten hat, als er bei sommerlichen Temperaturen mit seiner Ehefrau und einem befreundeten Ehepaar außerhalb seiner Wohnung draußen Karten gespielt hat.
Dass der Kläger wegen seiner sonstigen psychischen Leiden ständig nicht in der Lage sein könnte, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, ist nicht ersichtlich. Denn diese Leiden, die sich insbesondere in depressiven Zuständen, Angst, Überlastung, extremer Schwäche, Überforderungsgefühlen, Verzweiflungsgefühlen, Insuffizienzgefühlen und Schlafstörungen äußern, beeinträchtigen den Kläger zwar in seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, stehen dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen jedoch nicht entgegen, weil sich Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen dieser Leiden praktisch an das Haus gebunden gewesen sein könnte, den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere den Befundberichten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Dr. W vom 22. März 2007 und vom 21. Februar 2011, nicht entnehmen lassen. Ob der Kläger wegen dieser Leiden
bzw. der Nebenwirkungen der von ihm zur Linderung seiner diversen Beschwerden eingenommenen zahlreichen Medikamente, die nach seiner Schilderung bei ihm Abwesenheits- und schläfrige Körperzustände auslösen, öffentlichen Darbietungen nicht folgen kann, ist für das Merkzeichen "RF" unerheblich, weil Einschränkungen der geistigen Aufnahmefähigkeit gleichermaßen sowohl bei öffentlichen Veranstaltungen als auch vor den Rundfunk- und Fernsehgeräten in der eigenen Wohnung auftreten können (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 11. September 1991 -
9a/9 RVs 15/89 - und Urteil vom 28. Juni 2000 -
B 9 SB 2/00 R - juris).
Schließlich ist der Kläger während der hier streitigen Zeitspanne auch nicht wegen seiner sonstigen Beeinträchtigungen oder wegen der Gesamtheit aller Beeinträchtigungen praktisch an das Haus gebunden gewesen. Diese Beeinträchtigungen bedingen in seinem Fall lediglich die Feststellung eines
GdB von mehr als 80 sowie - worauf es hier nicht ankommt - jedenfalls nach Auffassung des Beklagten die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G", schließen den Kläger jedoch nicht ständig von der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen im oben genannten Sinne aus.
Nach § 6
Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags können schließlich auf Antrag in besonderen Härtefällen Befreiungen von der Rundfunkgebühren vorgenommen werden, wobei es im hiesigen Zusammenhang nur auf solche besonderen Härtefälle ankommen kann, die allein auf den gesundheitlichen Gegebenheiten eines Menschen mit Behinderung beruhen. Zudem muss es sich um solche Fälle handeln, die von § 6
Abs. 1 Satz 1
Nr. 7 und 8 sowie
Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrags in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrags nicht erfasst werden, es jedoch wegen außergewöhnlicher Besonderheiten erforderlich erscheinen lassen, den behinderten Menschen in den Genuss des Merkzeichens "RF" kommen zu lassen, was
z. B. bei einer Person anzunehmen sein könnte, die mit einem
GdB von weniger als 80 wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Derartige außergewöhnliche Besonderheiten sind im Fall des Klägers, der nach den obigen Ausführungen wegen der bei ihm vorliegenden Beeinträchtigungen gerade nicht praktisch an das Haus gebunden gewesen ist, indes nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG. Dass der Beklagte den vom Kläger verfolgten Anspruch im Laufe des Berufungsverfahrens für die Zeit ab dem 1. März 2011 anerkannt hat, wirkt sich in kostenrechtlicher Hinsicht nicht zu Gunsten des Klägers aus, weil dieser Umstand auf einen veränderten Sachverhalt zurückzuführen ist, dem der Beklagte nach seinem Bekanntwerden umgehend Rechnung getragen hat.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür gemäß § 160
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG nicht vorliegt.