Urteil
Befreiung vom Rundfunkbeitrag wegen Schwerbehinderung

Gericht:

VG Wiesbaden


Aktenzeichen:

5 K 1044/13.WI


Urteil vom:

26.03.2014


Grundlage:

  • RdFunkBeitrStVtr HE § 4 Abs. 1, 2, 4 |
  • RdFunkBeitrStVtr HE § 14 Abs. 4

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rundfunkbeitragsbefreiung.

Auf Antrag des Ehemannes der Klägerin erhielt dieser - für die Haushaltsgemeinschaft - wegen der nachgewiesenen 100 %-igen Schwerbehinderung der Klägerin mit dem Merkzeichen "RF" am 06.08.2012 einen Bescheid, wonach er ab 01.09.2012 unbefristet von der Gebührenpflicht befreit ist.

Am 01.01.2013 trat der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) in Kraft, der den bisherigen Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV) ablöste. Hinsichtlich des bisherigen Befreiungstatbestandes in § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV bestimmt der neue Staatsvertrag in § 14 Abs. 4 Satz 2: "Soweit der Beitragsschuldner bisher aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages von der Rundfunkgebührenpflicht befreit war, wird vermutet, dass er mit Inkrafttreten dieses Staatsvertrages gemäß § 4 Abs. 2 ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu zahlen hat".

Unter dem 01.02.2013 wurde der Ehemann des Klägerin zur Zahlung des ermäßigten Rundfunkbeitrags für das 1. Quartal 2013 in Höhe von 17,97 EUR aufgefordert. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10.02.2013 "Widerspruch" unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen "RF" und darauf, dass sie als Erwerbsunfähige nur eine geringe Rente beziehe.

Unter dem 17.04.2013 wurde die Klägerin auf die Umwandlung der Befreiung in eine Ermäßigung durch Änderung der gesetzlichen Vorschriften und das gleichzeitige Erlöschen der bisherigen Befreiung hingewiesen. Daraufhin stellte die Klägerin am 25.04.2013 einen Befreiungsantrag und machte Besitzstandswahrung geltend.

Mit Bescheid vom 19.07.2013 wurde der am 30.04.2013 eingegangene Befreiungsantrag abgelehnt. Nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag erfülle die Klägerin nur die Voraussetzungen für eine Ermäßigung, nicht jedoch für eine vollständige Befreiung.

Der Bescheid war mit einer Rechtsmittelbelehrung (Widerspruch) versehen.

Am 05.09.2013 hat die Klägerin "Klage gegen die Rundfunkgebühren" erhoben. Sie sei schwerbehindert und Erwerbsunfähigkeitsrentnerin mit einer monatlichen Rente von 682,43 EUR. Wenn Erwerbsgeminderte von der Zahlung befreit seien, müsse das auch für Erwerbsunfähige gelten. Soweit der Staat Hartz IV-Empfängern Auto, Sprit und sonst alles bezahle, könne er auch für die 5,99 EUR im Monat - die man von ihr verlange - aufkommen. Sie könne nicht am öffentlichen Leben teilnehmen und berufe sich außerdem auf Besitzstandswahrung. Es geht ihr um Gerechtigkeit.

Einen Klageantrag hat die Klägerin nicht gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sei unzulässig, weil die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 19.07.2013 keinen Widerspruch eingelegt habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakte Bezug genommen.

Die ursprünglich beim Sozialgericht Wiesbaden erhobene Klage wurde mit Beschluss vom 14.10.2013 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden verwiesen.

Beide Beteiligte wurden zur Möglichkeit, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte durch Gerichtsbescheid ergehen, weil die Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 VwGO vorliegen. Der Sachverhalt ist geklärt, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.

Die Klage ist unzulässig.

Die Klägerin hat gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 19.07.2013 keinen Widerspruch beim Beklagten eingelegt und damit das vor Klageerhebung erforderliche Vorverfahren (§ 68 VwGO) nicht durchgeführt.

Die Klage wäre aber auch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere vollständige Rundfunkbeitragsbefreiung.

Der an ihren Ehemann adressierte Befreiungsbescheid vom 06.08.2012 konnte nur Geltung beanspruchen, so lange die Rechtsgrundlage für diese Befreiung geltendes Recht war. Der Rundfunkgebührenstaatsvertrag, der diese Befreiungsmöglichkeit in § 6 Abs. 1 Nr. 8 vorsah, trat aber am 31.12.2012 außer Kraft und wurde durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag abgelöst. Nach dessen ab 01.01.2013 geltenden Regelungen haben Personen mit einem GdB von mindestens 80 % und dem Merkzeichen "RF" keinen Anspruch mehr auf vollständige Befreiung, sondern nur noch auf Reduzierung des Rundfunkbeitrages um 2/3 (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV). Entsprechend regelt die gesetzliche Überleitungsvorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 2 RBStV, dass zugunsten der bisher Beitragsbefreiten nach § 6 Abs. 1 Nr. 8 RGebStV die Vermutung gilt, dass diese zukünftig nur 1/3 des Beitrags zu zahlen haben.

Mit dem Außerkrafttreten des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ist die bisherige Befreiung gegenstandslos geworden und in eine Ermäßigung übergeleitet worden (vgl. dazu VG Ansbach, Urteil vom 25.07.2013, Az.: AN 14 K 13.00535).

Das Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes dahingehend, dass die einmal gewährte vollständige Befreiung auch nach Außerkrafttreten der Rechtsgrundlage unbefristet weiter gelten wird, kann nicht festgestellt werden. Die Abgaben für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurden in zulässiger Weise neu geregelt, die Abgabenlast teilweise anders verteilt. So wird nun im privaten Bereich pro Wohnungseinheit ein Beitrag erhoben und nicht mehr - wie früher - auf den einzelnen Rundfunkteilnehmer abgestellt. Dies dient ebenso der Verwaltungsvereinfachung wie die an entsprechende Leistungs-, Förderungs- oder Feststellungsbescheide gebundenen Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände in § 4 RBStV. Dass durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag nun bestimmte Personengruppen anders behandelt werden als nach der bisherigen Rechtslage ist gerade der Rechtsänderung geschuldet, mit der eine verhältnismäßige Gleichbehandlung aller Nutzer erreicht werden soll. Den bisher vollständig befreiten schwerbehinderten Personen mit dem Merkzeichen "RF" soll nach wie vor ein Ausgleich für die ihnen nur beschränkt mögliche Nutzung des gesamten Rundfunkangebots gewährt werden, aber andererseits dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in der Regel schwerbehinderten Rundfunkteilnehmern kein durch die vollständige Befreiung ausgleichbarer Mehraufwand entsteht (vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 03.12.2013, Az.: 7 ZB 13.1817, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 28.06.2000, NJW 2001, Seite 1966).

Ein besonderer Härtefall liegt hier ebenfalls nicht vor. Die Klägerin kann sich nicht auf eine atypische persönliche Situation berufen, die vom Gesetz nicht erfasst würde. Vielmehr ist gerade ihr Fall durch § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV ausdrücklich geregelt (vgl. dazu auch VG Hannover, Urteil vom 15.01.2014, Az.: 7 A 6087/13).

Allein ein geringes Einkommen, wie es die Klägerin vorträgt, rechtfertigt ebenfalls keine Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV. Denn die vollständige Befreiung ist an einen durch entsprechende Bescheide nachzuweisenden Sozialleistungsbezug gebunden und soll den Beklagten gerade von komplizierten Berechnungen im Einzelfall entbinden. Dass die Klägerin einen Antrag auf Sozialleistungen (zur Ergänzung ihrer Rente) gestellt hätte, ist nicht vorgetragen. Von daher kann auch nicht überprüft werden, ob der Ausnahmefall des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV vorliegen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO und hat allerdings nur dann konkrete Auswirkungen, wenn der Beklagte seine durch das Gerichtsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten geltend machen und vollstrecken würde.

Referenznummer:

R/R7851


Informationsstand: 28.12.2018