Urteil
Keine Erhöhung des GdB auf mehr als 40 - Wechsel der Behördenzuständigkeit im laufenden Gerichtsverfahren

Gericht:

LSG Nordrhein-Westfalen 10. Senat


Aktenzeichen:

L 10 SB 40/06


Urteil vom:

05.03.2008


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob für die bei dem Kläger vorliegende Teilhabebeeinträchtigung nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festzustellen ist.

Der 1959 geborene Kläger beantragte am 05.12.2003, den bei ihm vorliegenden GdB festzustellen. Das Versorgungsamt zog einen Befundbericht des den Kläger behandelnden praktischen Arztes T2 bei, der unter anderem einen insulinpflichtigen Diabetes Typ II aufführte. Nach Auswertung des Befundberichts durch seinen medizinischen Dienst stellte das Versorgungsamt mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.04.2004 einen GdB von 30 fest. Dem lagen folgende Funktionsstörungen zu Grunde:

1. Zuckerkrankheit (GdB 30)
2. Psychovegetative Störungen mit funktionellen Organstörungen, gefäßbedingter Kopfschmerz, depressive Störung (GdB 10)
3. Wirbelsäulenveränderungen mit Nervenreizungen (GdB 10).

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung der 31. Kammer des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf damit, dass für die Bewertung des für einen Diabetes mellitus anzusetzenden GdB nicht die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) sondern der Katalog der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) maßgeblich sei.

In einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme führte der medizinische Dienst des Versorgungsamtes aus, dass nach dem Beschluss des Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) vom 05.11.2003 der beim Kläger vorliegende und mit Insulin behandelte Diabetes -Typ II mit einem GdB von 30 zu bewerten sei, da Hypoglykämien (Unterzuckerungen) nicht aufträten. Die Bezirksregierung Münster - Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt - wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2004 zurück.

Mit der hiergegen am 24.06.2004 erhobenen Klage hat der Kläger sein auf Feststellung eines GdB von 50 gerichtetes Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen: Der Beiratsbeschluss könne frühestens mit seiner Veröffentlichung in den AHP im Juni 2004 verbindlich geworden sein. Daher seien die AHP von 1996 anzuwenden. Diese würden für einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus einen GdB von 50 vorgeben. Außerdem leide er unter einer Allergie gegen Insulin. Infolge allergischer Reaktionen habe er seinen Beruf als Fahrzeuglackierer aufgeben müssen. Das müsse bei der Bildung des Gesamt-GdB berücksichtigt werden. Ferner bestünden Gesundheitsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke, psychische Beschwerden und Kopfschmerzen sowie eine Schlafapnoesymptomatik mit schwergradigem Befund.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 16.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2004 zu verurteilen, einen GdB von 50 festzustellen.

Das zunächst beklagte Land Nordrhein-Westfalen (NRW) hat beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit ein höherer GdB als 40 beantragt wird.

Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid berufen. Das Sozialgericht (SG) hat einen Bericht der Deutschen Diabetes Klinik E vom 22.04.2004 beigezogen, in dem ein mit lnsulin behandelter Diabetes Typ II und eine lokale lnsulinallergie beschrieben wird. Es hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachten von Dr. C (02.12.2004) sowie eines internistischen Gutachtens vom Internisten und Diabetologen Dr. N1 (28.12.2004). Der Sachverständige Dr. C hat das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Der Sachverständige Dr. N1 hat unter Zugrundelegung der AHP 1996 angenommen, dass ein mit intensivierter Insulintherapie schlecht eingestellter Diabetes mellitus mit einem Einzel-GdB von 40 vorliege und einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25.01.2005 hat der Sachverständige dies dahin revidiert, dass nach den AHP 2004 der Diabetes nicht höher als mit 30 zu bewerten sei, dennoch sei im Ergebnis ein Gesamt-GdB von 40 gerechtfertigt.

Auf Antrag des Klägers hat das SG weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. U, Chefarzt der Abteilung Pneumologie am Universitätsklinikum F. Der Sachverständige hat im Gutachten vom 11.02.2006 das Schlafapnoesyndrom mit einem GdB von 20 bewertet und unter Berücksichtigung des Diabetes sowie des Wirbelsäulenleidens einen Gesamt-GdB von zumindest 50 vorgeschlagen.

Mit Urteil vom 16.07.2006 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 verurteilt, beim Kläger einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die AHP hätten normähnlichen Charakter und seien insoweit verbindlich. Die Wirbelsäulenschäden seien mit geringen funktionellen Auswirkungen verbunden und daher nach Nr. 26.18 der AHP 2004 mit einem GdB von 10 zu bewerten. Für den mit Insulin behandelten Diabetes mellitus Typ II sei nach Nr. 26.15 der AHP 2004 ein GdB von 30 anzusetzen. Die Auswirkungen der Insulinallergie seien nach dem Bericht der Deutschen Insulinklinik gering. Das Schlafapnoesyndrom bedinge nach Nr. 26.8 der AHP 2004 einen GdB von 20 zu. Der Gesamt-GdB sei mit 40 zu bewerten.

Mit der dagegen fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel fort. Er trägt vor: Die Bewertung der Diabeteserkrankung mit einem GdB von 30 entsprechend dem Beiratsbeschluss vom November 2003 und entsprechend der AHP 2004 werde in der Literatur kritisiert. Der Sachverständige Prof. Dr. T1 habe zudem auf Probleme bei der Insulingabe hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es nicht auf die Einstellbarkeit des Diabetes, sondern auf die tatsächliche Einstellung an. Bei ihm bestehe daneben der Verdacht eines toxischen Leberzellenschadens.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG Gelsenkirchen vom 13.07.2006 unter Aufhebung des Bescheids vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 zu verurteilen, ab Antrag für die bei ihm vorliegende Teilhabebeeinträchtigung einen GdB von 50 anzuerkennen.

Die beklagte Stadt H beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 13.07.2006 zurückzuweisen.

Es stehe nicht sicher fest, ob ein Diabetes Typ I oder Typ II vorliege, wenn auch mehr für den Typ II spreche. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage bestehe allerdings kein schwer einstellbarer Diabetes.

Das beigeladene Land NRW stellt keinen Antrag.

Der Senat hat Befundberichte der Inneren Ambulanz des Elisabeth-Krankenhauses Gelsenkirchen, des HNO-Arztes Tarakanoff, des praktischen Arztes T2 sowie einen ärztlichen Untersuchungsbogen der Augenärzte Dres. T und Q beigezogen. Weiter hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. N (16.08.2007), eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. W (03.05.2007) und eines orthopädischen Gutachtens von Dr. S (06.08.2007).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogneen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Rechtsweg:

SG Gelsenkirchen Urteil vom 13.07.2006 - S 19 (27) SB 109/04

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Entscheidungsgründe

Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

A. Prozessuale Rechtslage

I. Der Kläger hat seine Klage zutreffend zunächst gegen das Land NRW gerichtet. Auch im Berufungsverfahren war zunächst das Land Berufungsbeklagter. Infolge von Artikel 1 des Gesetzes zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Eingliederungsgesetz) des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen (Straffungsgesetz) vom 30.10.2007 (GV. NRW S. 482) ist jedoch ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten. Berufungsbeklagter ist seit dem 01.01.2008 nicht mehr das Land NRW sondern die Stadt Gelsenkirchen.

1. Nach § 69 Abs. 1 S. 1 SGB IX stellen auf Antrag eines behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Der Bundesgesetzgeber hat die Errichtung der Verwaltungsbehörden im Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung (BGBl. I 1951, S. 169 ( ErrG)) geregelt, gültig in der Fassung des 2. Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 03.05.2000 (BGBl. I, S. 632). Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/640 S. 19 f; vgl. auch Straßfeld, Die Versorgungsverwaltung, 2001, 20) soll das ErrG sicherstellen, dass - das BVG im Bundesgebiet einheitlich angewandt, - die Qualität der Versorgungsverwaltung sowie ein sachgerechter und rationeller Verwaltungsaufbau gewahrt und der betroffene Personenkreis durch fachlich geschultes Personal und eine zentrale Koordination der Aufgaben mit umfassender Fachkompetenz besonders fürsorglich behandelt wird.

Zur Erreichung dieser Ziele hat der Bundesgesetzgeber im ErrG nicht nur die Zuständigkeit für die Durchführung des BVG geregelt, indem er festgelegt hat, dass die Versorgung der Kriegsopfer von "Versorgungsämtern und Landesversorgungsämtern" durchgeführt wird (§ 1 ErrG). Vielmehr hat er in § 3 ErrG einen dreigliedrigen Verwaltungsaufbau vorgegeben (Versorgungsamt, Landesversorgungsamt, zuständige oberste Landesbehörde). Zudem bestimmt das ErrG, dass die Versorgungsämter den Landesversorgungsämtern und diese den zuständigen obersten Landesbehörden "unterstehen". Aus dieser Formulierung "unterstehen" und aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass damit sowohl die Fachaufsicht als auch die Dienstaufsicht der jeweils höheren über die jeweils niedrigere Behörde gemeint ist (BSG, Urteil vom 12.06.2001 - B 9 V 5/00 R -; LSG NRW, Urteil vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00 -; vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 3 ErrG in BT-Drucks. 1/1729, Seite 6; Zeihe, SGb 2001, 117; Straßfeld, Die Versorgungsverwaltung 2001, 21). § 4 ErrG sieht schließlich vor, dass die Mitarbeiter der Versorgungsverwaltung für ihre Aufgaben "besonders geeignet" sein müssen.

Nach diesen Vorgaben hat das Land NRW bis zum 31.12.2007 seine Versorgungsverwaltung errichtet mit 11 Versorgungsämtern als untere besondere Verwaltungsebene (1. Stufe), der Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster - Landesversorgungsamt - als mittlere Verwaltungsebene (2. Stufe) und dem Ministerium für Arbeit und Soziales (MAGS) als oberste Landesbehörde (3. Stufe). Ausgehend hiervon ist der angefochtene Bescheid vom Versorgungsamt H und der Widerspruchsbescheid von der Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster - Landesversorgungsamt - erlassen worden.

2. Durch das Eingliederungsgesetz ist im Bereich der Feststellungsverfahren nach §§ 69 und 145 SGB IX zum 01.01.2008 ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit eingetreten. Waren bislang die Versorgungsämter für die Durchführung des Schwerbehindertengesetzes zuständig, gilt nunmehr, dass die Versorgungsämter mit Ablauf des 31.12.2007 aufgelöst und die ihnen nach §§ 69 und 145 SGB IX obliegenden Aufgaben mit Wirkung ab dem 01.01.2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übergegangen sind. Auch die Abteilung 10 - Landesversorgungsamt - der Bezirksregierung Münster ist aufgelöst worden (Art. 2 Straffungsgesetz). Ein neues "Landesversorgungsamt" wurde nicht bestimmt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) führt ein Wechsel der Behördenzuständigkeit in laufenden Gerichtsverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes, wenn es sich um Behörden verschiedener Rechtsträger handelt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - ; BSG, Beschluss vom 08.05.2007 - B 12 SF 3/07 S - juris Rdn. 4; zur vergleichbaren Rechtslage vor dem 01.01.1976 vgl. BSGE 27, 200, 203 = SozR Nr. 3 zu § 71 SGG; BSGE 62, 269, 270 = SozR 1200 § 48 Nr. 14 S. 72; für die Fälle der Funktionsnachfolge ebenso BVerwGE 44, 148, 150). Der Kläger verfolgt sein Begehren im Wege einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). In einem solchen Fall führt der Zuständigkeitswechsel zu einem Beklagtenwechsels kraft Gesetzes, denn mit diesen Klagearten wird i.d.R. ein auch in die Zukunft gerichtetes Begehren verfolgt; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dann die letzte mündliche Verhandlung in der Tatsacheninstanz (st. Rspr. BSGE 41, 38, 40 = SozR 2200 § 1418 Nr. 2 S 2; BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr. 4 S 16 f = SGb 1977, 547; BSGE 87, 14, 17 = SozR 3-2500 § 40 Nr. 3 S 6 = Breith 2000, 1004, 1006 = SGb 2001, 632, 634 = NZS 2001, 357, 358; BSGE 89, 294, 296 = SozR 3-2500 § 111 Nr. 3 S 16 f = Breith 2003, 14, 16; Jung in: Jansen, SGG, 2. Auflage, § 54 Rdn. 33; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 54 Rdn. 34). Allein bezogen auf diesen Zeitpunkt kann der im Lauf des Verfahrens zuständig gewordene Rechtsträger die begehrten Rechte gewähren, so dass sich die Klage richtiger Weise gegen diesen zu richten hat. Da der Kläger die Feststellung eines höheren als des zuerkannten GdB auch für die Zukunft begehrt, treten die kommunalen Rechtsträger kraft Gesetzes an die Stelle des zunächst beklagten Landes. Denn durch §§ 1 und 2 Eingliederungsgesetz hat das Land NRW die verwaltungsmäßige Durchführung der Feststellungsverfahren nach den §§ 69 und 145 SGB IX auf die Kreise und kreisfreien Städte als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Die Aufgaben sind damit nicht auf eine andere Landesbehörde, sondern auf andere Rechtsträger übergegangen (sog. Rechtsträgernachfolge; vgl. zur Abgrenzung des Begriffs zur Funktionsnachfolge einerseits und Rechtsnachfolge andererseits Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -). Die Übertragung der Feststellungsverfahren nach den §§ 69, 145 SGB IX als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 2 Abs. 2 Eingliederungsgesetz) bedeutet, dass die kommunalen Träger die Angelegenheiten zwar nicht als reine Selbstverwaltungstätigkeiten ausüben, jedoch auch nicht im Wege einer Organleihe als untere Landesbehörde. Daraus folgt, dass in den Feststellungsverfahren nach den §§ 69 und 145 SGB IX vor den Sozialgerichten nicht mehr das Land Hauptbeteiligter ist, sondern die Kreise beziehungsweise die kreisfreien Städte. Die Stadt H ist daher mit dem Aufgabenübergang zum 01.01.2008 im Wege der Rechtsträgernachfolge Hauptbeteiligte geworden (§ 69 Nr. 2 SGG). Das Berufungsverfahren ist durch den Beteiligtenwechsel nicht unterbrochen worden und musste auch nicht ausgesetzt werden (vgl. LSG NRW vom 21.11.2003 - L 4 (2) 55/01 -; OVG NRW, Beschluss vom 19.04.2007 - 6 B 2649/06 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.2007 - L 10 R 739/04 -).

3. Soweit den kommunalen Rechtsträgern die Durchführung der bislang den Versorgungsämtern nach §§ 69 und 145 SGB IX obliegenden Aufgaben übertragen worden sind (§ 2 Eingliederungsgesetz), verstößt das Eingliederungsgesetz gegen die Vorgaben des ErrG (a). Im Ergebnis ist dies wegen des mit Wirkung zum 01.05.2004 eingefügten § 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX (BGBl. I Nr. 18, S. 606 ff.) jedoch unschädlich (b).

a) Nach § 3 ErrG müssen die Versorgungsämter den Landesversorgungsämtern und diese ihrerseits den für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörden unterstehen. Aus der Formulierung "unterstehen" in § 3 ErrG ist zu schließen, dass sich die Zuständigkeit der für die mit der Kriegsopferversorgung betrauten obersten Landesbehörde sowohl auf die Dienst- als auch auf die Fachaufsicht erstrecken muss (BSG, Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R -; vgl. auch die Begründung zum Gesetzentwurf zu § 3, BT-Drucks 1/1729, S 6).

aa) Das Eingliederungsgesetz verstößt insoweit gegen § 3 ErrG, als das Land NRW zum 01.01.2008 die Durchführung der Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen hat. Nunmehr ist es sowohl der obersten Aufsichtsbehörde (§ 2 Abs. 2 Satz 3 Eingliederungsgesetz), dem MAGS, als auch der Bezirksregierung Münster als Aufsichtsbehörde (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Eingliederungsgesetz) verwehrt, Dienstaufsichtsrechte bezogen auf die untere (kommunale) Verwaltungsebene auszuüben (vgl. auch BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04 -).

bb) Auch soweit die Fachaufsicht betroffen ist, genügt das Eingliederungsgesetz nicht den Vorgaben des § 3 ErrG. § 2 Abs. 2 Satz 1 Eingliederungsgesetz bestimmt, dass die Kreise und kreisfreien Städte die Aufgaben nach Absatz 1 als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahrnehmen. Die Aufsichtsbehörden können allgemeine und besondere Weisungen erteilen, um die gesetzmäßige Erfüllung der Aufgaben zu sichern (§ 2 Abs. 3 Satz 1). Zur zweckmäßigen Durchführung der Aufgaben können die Aufsichtsbehörden allerdings ausschließlich allgemeine Weisungen erteilen, um die gleichmäßige Durchsetzung der Aufgaben zu sichern (§ 2 Abs. 3 Satz 2), nicht aber - wie bisher - besondere Weisungen zur zweckmäßigen Regelung eines Einzelfalls. Hätte der Landesgesetzgeber den Aufsichtsbehörden auch ein Einzelfallweisungsrecht eingeräumt, wäre es angesichts der in Art. 28 Grundgesetz (GG) und Art. 78 Landesverfassung NRW verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung ohnehin fraglich, ob die Aufsichtsbehörde hiervon ohne besonderen Anlass und ohne vorangegangene Weisungen des Bundes Gebrauch machen dürfte. Die Kommunalisierung der aus den §§ 69, 145 SGB IX folgenden Aufgaben kollidiert sonach mit den bundesrechtlichen Vorgaben des § 3 ErrG.

cc) § 4 ErrG bestimmt, dass Beamte und Angestellte der Versorgungsverwaltung für die ihnen übertragenen Aufgaben "besonders geeignet" sein müssen (vgl. auch BVerwGE 2, 329 ff - juris Rdn. 36 zum Begriff der "besonderen Eignung" i.S.d. § 26 Abs. 1 Nr. 2 des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.01.1937 (RGBl. I S. 39)). Näheres regelt das Gesetz nicht. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R - drei Faktoren herausgearbeitet, nämlich 1. die Übernahme der Mitarbeiter des (Landes-) Versorgungsamtes durch die Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster, 2. Struktur und Gefüge der Behörde und 3. die zumindest wesentlich beim Fachministerium (MAGS) liegende Dienstaufsicht, die diesem ausreichenden Einfluss auf die Bestellung des Personals, auch der Leitungsebene, einräumt. Ferner hat das BSG a.a.O. ausgeführt, dass die Länder verpflichtet sind, die fachliche Qualität der Versorgungsverwaltung durch Verwendung entsprechend ausgebildeter, in Versorgungsverwaltung und Versorgungsrecht kompetenter Bediensteter, zu erhalten.

Der Landesgesetzgeber hat mit dem Prinzip "das Personal folgt den Aufgaben" (§§ 9 ff. Eingliederungsgesetz), wonach die Mitarbeiter der Versorgungsämter auf die kommunalen Rechtsträger übergehen, zumindest sicherzustellen versucht, dass das bisherige "besondere" Qualitätsniveau erhalten bleibt. Ob und inwieweit der beabsichtigte Personalübergang letztlich gelingt, ist derzeit zumindest sehr fraglich. In den bisher von Beschäftigten der bisherigen Versorgungsämter gegen den Personalübergang geführten Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster erhebliche Bedenken an der Verfassungsgemäßheit des Eingliederungsgesetzes geäußert (z.B. Beschluss vom 21.12.2007 - 4 L 684/07 -) und das VG Düsseldorf sogar einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot angenommen (z.B. Beschluss vom 21.12.2007 - 13 L 1824/07 -). Im Beschwerdeverfahren hat das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 25.02.2008 - 6 B 2104/07 -) auf mehrere Aspekte hingewiesen, denen zufolge die Verfassungsmäßigkeit des Eingliederungsgesetzes als fraglich erscheint. Das OVG meint, es bestünden Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Landes, da das Statusrecht der Beamten geändert werde. Hierfür habe der Bund heute noch fortgeltende Regelungen im Beamtenrechtsrahmengesetz erlassen. Außerdem sei unklar, welche Beamten der Bezirksregierung auf die Landschaftsverbände übergehen sollten. Es sei auch nicht eindeutig, auf welchen Landschaftsverband der Übergang erfolge. Das Gesetz sehe einen Übergang nur vor, soweit er für die Aufgabenerfüllung erforderlich sei. Wann diese Voraussetzung vorliege, lege aber weder das Gesetz fest, noch komme dem Zuordnungsplan die Funktion zu, dies festzustellen. Auch die mit den Rechtsstreitigkeiten befassten Arbeitsgerichte haben offenbar erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den im Eingliederungsgesetz geregelten Übergang von Mitarbeitern der früheren Versorgungsämter auf die Landschaftsverbände. So hat das ArbG Gelsenkirchen die Versetzungen zweier Mitarbeiter von Gelsenkirchen nach Münster als grundgesetzwidrig und auch als nicht mit dem Europäischen Recht vereinbar erklärt (Beschlüsse vom 24.02.2008 - 5 Ca 11/08 - und - 5 Ca 2552/07 -). Danach ist zumindest sehr zweifelhaft, ob durch den angeordneten Personalübergang das Qualitätsniveau der früheren Versorgungsämter aufrechterhalten werden kann.

dd) Ob und inwieweit das Land mittels des Eingliederungsgesetzes von der Vorgabe des § 3 ErrG abweicht, einen dreigliederigen Behördenaufbau (1. Versorgungsamt, 2. Landesversorgungsamt, 3. zuständige oberste Landesbehörde) vorzusehen, hängt von der rechtlichen Beurteilung ab, ob die als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 2 Abs. 2 Eingliederungsgesetz) den Kommunen übertragenen Feststellungsverfahren nach den §§ 69 und 145 SGB IX als Selbstverwaltungsangelegenheiten oder als Auftragsangelegenheiten kraft Landesrecht zu qualifizieren sind.

Der Senat geht von Folgendem aus: Da die Aufgaben nach §§ 69, 145 SGB IX den Kreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen worden sind, musste durch Gesetz bestimmt werden, wer Sonderaufsichtsbehörde im Sinne von § 119 Abs. 2 GO NRW und § 57 Abs. 2 KrO NRW ist. Das ist mit § 2 Abs. 2 Eingliederungsgesetz geschehen. Danach führt die Bezirksregierung Münster die Aufsicht (Satz 2), während die fachlich zuständige oberste Landesbehörde als oberste Aufsichtsbehörde bestimmt wird (Satz 3). Landesweit zuständige Fachaufsichtsbehörde ist somit die Bezirksregierung Münster. Hieraus kann allerdings nicht hergeleitet werden, dass die Bezirksregierung Münster (landesweit) auch die Widerspruchsbehörde in den Feststellungsverfahren nach dem SGB IX ist, es mithin insoweit bei einem dreigliedrigen Verwaltungsaufbau entsprechend der Vorgaben des ErrG bleibt. Wer Widerspruchsbehörde ist, regelt vielmehr § 85 Abs. 2 SGG wie folgt:

Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, so erlässt den Widerspruchsbescheid 1. die nächsthöhere Behörde oder, wenn diese eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ... 4. in Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.

Hiernach kommen als Widerspruchsbehörde die Kreise und kreisfreien Städte (Nr. 4), die Bezirksregierung Münster als Fachaufsichtsbehörde (Nr. 1) oder aber die jeweilige der fünf Bezirksregierungen für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich (Nr. 1) in Betracht. Die Feststellungsverfahren nach §§ 69 und 145 SGB IX sind den Kreisen und kreisfreien Städten als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung übertragen worden. Die Rechtsnatur dieses Aufgabentyps ist strittig. Teilweise besteht die Auffassung, es handele sich um Auftragsangelegenheiten kraft Landesrechts (vgl. etwa: Dregger, Der Städtetag 1955, 190, 192; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 105 f.; Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 43 mit N. 23; zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen - in Form eines obiter dictum - BVerfGE 6, 104, 116), teilweise wird die Ansicht vertreten, es handele sich um Selbstverwaltungsangelegenheiten oder um gleichzustellende Angelegenheiten (Held, Decker, Krämer, Wansleben, § 2 KrO Rdn. 8.3.; vgl. Landtag NRW, Verfassungsausschuß, 35. Sitzung am 27. 01. 1950, 154 A; VerfGH Nordrhein-Westfalen, DVBl. 1985, 685, 687; Rietdorf, DVBl. 1958, 344, 345 ff.; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1988, S. 60; Brohm, DÖV 1989, 429, 432; Vietmeier, DVBl. 1992, 413, 416 ff.). Die vermittelnde Auffassung des OVG Münster (OVGE 13, 356, 358) sieht in den Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung hingegen einen selbständigen Aufgabentyp, der zwischen Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten anzusiedeln ist (vgl. auch Szymczak, Gutachten für die Landesregierung vom 14.11.2006, S. 8; Pagenkopf, Kommunalrecht, Band 1, Verfassungsrecht, 1975, S. 177; Stüer, Funktionalreform und kommunale Selbstverwaltung, 1980, S. 258; v. Mutius, Kommunalrecht, 1996, S. 167 f.). Die letztgenannte Auffassung spricht eher gegen eine (analoge) Anwendung des § 85 Abs. 2 Nr. 4 SGG und für die Anwendung der Nr. 1, da es sich nicht um eine (reine) Selbstverwaltungsangelegenheit handelt, so dass die Überprüfung des Ausgangsbescheids durch die nächsthöhere Behörde als Widerspruchsbehörde sinnvoll, rechtlich zulässig und der gesetzliche Regelfall ist. Zwingend ist das indes nicht.

Auf der Grundlage der Auffassung, die Pflichtaufgaben nach Weisung per se als Auftragsangelegenheiten ansieht, bestimmt sich die Widerspruchsbehörde (ebenfalls) nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG, zumal in NRW keine hiervon abweichenden Regelungen im Ausführungsgesetz zum SGG getroffen worden sind (§ 219 SGG). Insofern anders ist die Rechtslage beispielsweise in Hessen, wo in § 3 der Verordnung über den Sitz und den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsbehörden und Stellen der Kriegsopferversorgung und über die Zuständigkeit als Widerspruchsbehörden vom 17.09.2007 bestimmt, dass in Angelegenheiten des Sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts das jeweils zuständige Hessische Amt für Versorgung und Soziales Widerspruchsbehörde ist.

Zuständig für den Widerspruchsbescheid ist bei der Annahme von Auftragsangelegenheiten die nächsthöhere Behörde, es sei denn, es handelt sich um eine oberste Landesbehörde. Welche Behörde nächsthöhere Behörde ist, ergibt sich daraus, wer nach dem einschlägigen Landesorganisationsrecht der Ausgangsbehörde - hier den Kreisen bzw. kreisfreien Städten - unmittelbar übergeordnet ist (Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Ergänzungslieferung 2007, § 73 Rdn. 6 zur inhaltsgleichen Regelung der VwGO). Bezogen auf das Verhältnis zu den Kreisen und kreisfreien Städten enthält das LOG NRW keine ausdrückliche Regelung. In Betracht kommen folglich die fünf Bezirksregierungen als Landesmittelbehörden, denen in NRW alle Aufgaben zugewiesen sind, für die - wie hier - nicht ausdrücklich andere Landesbehörden zuständig erklärt wurden (§ 8 Abs. 3 LOG). Im Anwendungsbereich der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) soll allerdings die "nächsthöhere Behörde" im Zweifel die Behörde sein, der die Fachaufsicht über die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns der Ausgangsbehörde obliegt (Dolde/Porsch a.a.O.); das wäre hier die Bezirksregierung Münster. Diese Auffassung dürfte auf § 7 Ausführungsgesetz zur VwGO in der bis November 2007 gültigen Fassung beruhen. Der Landesgesetzgeber hat jedoch eine entsprechende Regelung im Ausführungsgesetz zum SGG unterlassen, obwohl er auf diese Problematik ausdrücklich in einem zur Vorbereitung des Eingliederungsgesetzes eingeholten Gutachten aufmerksam gemacht worden ist (Szymczak, Gutachten für die Landesregierung, S. 18: "Es sollte daher eine gesetzliche Regelung über die Widerspruchsbearbeitung erfolgen"). Das spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke und damit gegen die analoge Anwendung von § 7 Ausführungsgesetz zur VwGO a.F ...

Folgt man der vermittelnden Auffassung des OVG Münster zur Rechtsnatur der Pflichtaufgaben nach Weisung oder derjenigen Auffassung, der zufolge es sich um Auftragsangelegenheiten handelt, bleibt es bei dem in § 3 ErrG vorgesehenen dreigliedrigen Verwaltungsaufbau (Kreise/kreisfreie Städte - Bezirksregierungen - MAGS). Bezogen auf die Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX läge dann kein Verstoß gegen das ErrG vor. Sieht man hingegen die den Kommunen übertragenen Feststellungsverfahren nach den §§ 69 und 145 SGB IX als Selbstverwaltungsangelegenheiten an, entscheiden die Kreise und kreisfreien Städte über die Widersprüche in diesen Angelegenheiten selbst, da der Landesgesetzgeber keine abweichende Regelung i.S.v. § 85 Abs. 2 Nr. 4 SGG getroffen hat. Es gibt dann keinen dreigliedrigen Verwaltungsaufbau der Versorgungsverwaltung mehr. Welcher dieser Auffassungen letztlich zu folgen ist, braucht der Senat im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Im Gegensatz zu der für die Durchführung des SER maßgebenden Rechtslage (hierzu Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 9/05 -) bleibt ein Verstoß des Eingliederungsgesetzes gegen das ErrG letztlich folgenlos (dazu nachfolgend unter b)).

ee) Festzuhalten ist: Das Eingliederungsgesetz verstößt im Zusammenhang mit der Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX gegen das ErrG, soweit es die hierarchischen Aufsichtsebenen nicht nachvollzieht. Soweit § 4 ErrG eine "besondere Qualifikation" der Beschäftigten verlangt, ist fraglich, ob die neuen Rechtsträger dem dauerhaft gerecht werden. Das Eingliederungsgesetz genügt den Anforderungen des ErrG insoweit, als dieses einen dreigliedrigen Verwaltungsaufbau vorschreibt, sofern man die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung der Regelung des § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuordnet.

b) Soweit das Eingliederungsgesetz vom (bundesrechtlichen) ErrG abweicht, wird dies von Art 84 GG i.V.m. Art. 125b Abs. 2 GG nicht gedeckt. Nach letztgenannter Vorschrift darf das Land bis zum 31.12.2008 nicht von bundesgesetzlichen Vorgaben zur Regelung des Verwaltungsverfahrens abweichen. Die Vorgaben des ErrG zu Dienst- und Fachaufsicht sind ihrem sachlichen Gehalt nach überwiegend Regelungen des Verwaltungsverfahrens im Sinn des Art. 125b Abs. 2 GG (hierzu eingehend Urteil des Senats vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -; a.A. 6. Senat des LSG NRW, Urteil vom 12.02.2008 - L 6 SB 101/06 -). Im Gegensatz zu der für die Durchführung des SER maßgebenden Rechtslage darf das Land bei der Durchführung des Schwerbehindertenrechts (§§ 69, 145 SGB IX) allerdings von allen Vorschriften des ErrG seit dem 01.05.2004 abweichen. Dies folgt aus § 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX.

aa) Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen mit Wirkung ab dem 01.05.2004 in § 69 Abs. 1 SGB IX eingefügt worden (BGBl. I, S. 606). Dem liegt zu Grunde:

Die Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten am 16.01.2004 den Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen (BT-Drucks. 15/1783) u.a. mit dem Ziel in den Bundestag eingebracht, die wohnortsnahen berufsvorbereitenden Angebote für schwerbehinderte, geistig behinderte, lernbehinderte und seelisch behinderte Jugendliche auszubauen und die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe zu erhöhen. Der Bundesrat hat sich am 19.12.2003 zu einer Vielzahl der beabsichtigten Gesetzesänderungen kritisch geäußert (BR-Drucks. 746/03). Beiläufig, denn die Frage der Zuständigkeit war nicht Gegenstand der Gesetzesinitiative, schlug der Bundesrat vor, § 69 Abs. 1 SGB IX dahingehend zu ändern, dass statt der "für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden" künftig die "nach Landesrecht zuständigen Behörden" die Feststellungen zum Grad der Behinderung treffen sollten. Die Verweisung auf das ErrG und damit auf die Vorgaben dieses Gesetzes sollte vollständig entfallen. Der Bundesrat führte zur Begründung aus, dass die (herkömmliche) Verbindung der Aufgaben nach dem SGB IX und dem Bundesversorgungsgesetz nicht zwingend sei, die Zuständigkeit brauche auch nicht durch den Bundesgesetzgeber getroffen zu werden, sie könne den Ländern überlassen werden (Stellungnahme des Bundesrats vom 19.12.2003, BR-Drucks. 746/03). Die daraufhin ergangene Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung des Bundestages vom 14.01.2004 ging auf diesen Vorschlag nicht ein (BT-Drucks. 15/2357). Entsprechendes gilt für den Bundestagsbeschluss vom 16.01.2004 (BT-Druck. 48/04). Der Bundesrat verweigerte seine zur Wirksamkeit des Gesetzes erforderliche Zustimmung in der Sitzung vom 13.02.2004 und beschloss, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dabei forderte er u.a. erneut und mit derselben Begründung wie schon bei seiner Anhörung, dass die für die Feststellungen nach § 69 SGB IX zuständige Behörde künftig ausschließlich durch Landesrecht bestimmt werden sollten. Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 31.03.2004 (BT-Drucks. 15/2830) sah dann einen Kompromiss vor. Statt die Bezugnahme auf das BVG und auf das ErrG ganz zu streichen, sollte es hierbei in § 69 Abs. 1 S. 1 SGB IX grundsätzlich bleiben. Am Ende des ersten Absatzes wurde jedoch folgender Satz eingefügt: "Durch Landesrecht kann die Zuständigkeit abweichend von Satz 1 geregelt werden." In der Fassung der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz am 01. bzw. 02.04.2004 verabschiedet. Es ist am 01.05.2004 in Kraft getreten (BGBl. I, S. 606). Begründungen für den Kompromiss oder nähere Erläuterungen der Regelung finden sich weder in den Ausführungen des Vermittlungsausschusses noch in den sonstigen Gesetzesmaterialien. Ungeachtet dessen kann § 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX zur Überzeugung des Senats nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte nur so verstanden werden, dass den Ländern die Kompetenz eingeräumt werden sollte, von den Vorgaben des ErrG zur Frage, welche Behörden das Schwerbehindertenrecht durchführen, abzuweichen.

bb) Nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage danach, ob § 69 Abs. 1 Satz 7 SGB IX es den Ländern auch erlaubt, von den weiteren Vorgaben des ErrG abzuweichen. Der Senat bejaht dies. Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern mittels § 69 Abs. 1 Satz 7 SGB IX die Kompetenz eingeräumt, die Zuständigkeit für die Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX abweichend von der Grundregel des § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zu bestimmen. Hiernach stellen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Mittels der Formulierung "die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden" wird die Verbindung zu den Vorschriften des ErrG insgesamt hergestellt, sowohl zu den dort enthaltenen Verfahrens- als auch zu den Einrichtungsregelungen, die insbesondere die Behördenzuständigkeit bestimmen (hierzu Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -). Folgerichtig ist die Rechtsprechung jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 69 Abs. 1 Satz 7 SGB IX davon ausgegangen, dass das ErrG in seiner Gesamtheit gilt, wenn die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden das Schwerbehindertenrecht ausführen (vgl. BSG, Urteil v. 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R - und 27.02.2002 - B 9 SB 6/01 R - ; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2004 - L 7 (5) SB 8/02 -; LSG NRW, Urteil vom 30.01.2001 - L 6 SB 100/99 -). Räumt der Bundesgesetzgeber den Ländern die Möglichkeit ein, abweichende Zuständigkeiten festzulegen, gibt er insoweit mittelbar auch alle sonstigen im ErrG enthaltenen qualitätssichernden Vorgaben auf. Dies lässt sich mit dem unter I 1. dargestellten Zweck des ErrG rechtfertigen. Das in der Gesetzesbegründung formulierte Anliegen des ErrG betrifft den Personenkreis der Antragsteller nach dem Schwerbehindertengesetz ersichtlich nicht. Im Gesetzgebungsverfahren wird dieser Gedanke hinlänglich deutlich dergestalt formuliert, dass die (herkömmliche) Verbindung der Aufgaben nach dem SGB IX und dem BVG nicht zwingend ist (BR-Drucks. 746/03 S. 19). Hieraus folgt: Die für die Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX mittels des ErrG aufgestellten Qualitätsanforderungen entfallen, wenn die prima facie qualitätssichernden Behörden (Versorgungsämter) nach Landesrecht nicht mehr zuständig sind. Das ist in NRW nunmehr der Fall. Mit dem Eingliederungsgesetz sind die Versorgungsämter mit Ablauf des 31.12.2008 aufgelöst und die ihnen nach §§ 69, 145 SGB IX übertragenen Aufgaben ab dem 01.01.2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen worden.

II. Ist danach ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes eingetreten, bleibt zu klären, ob und ggf. welche Auswirkungen § 71 Abs. 5 SGG hierauf hat. Nach dieser Vorschrift werden die Länder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts (SER) und des Schwerbehindertenrechts durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. Auch diese Vorschrift steht dem Beteiligtenwechsel im Ergebnis nicht entgegen. Ihr Regelungsgehalt will den Ländern keine bestimmte Organisationsstruktur für die Durchführung der Aufgaben nach den §§ 69, 145 SGB IX vorgeben. Im Gegensatz zu den Streitverfahren nach dem SER (hierzu Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -) fehlt es auch an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die neuen Rechtsträger.

Im Einzelnen:

1. Mit der Auflösung des Landesversorgungsamtes NRW durch Art. 1 § 3 Satz 2 i.V.m. Art. 37 Abs. 2 des Zweiten Modernisierungsgesetz (2. ModernG) vom 09.05.2000 (GVBl. NRW 2000, S. 462) sind dessen Aufgaben zum 01.01.2001 auf die Bezirksregierung Münster, eine Landesmittelbehörde der allgemeinen und inneren Verwaltung, die dem Innenministerium (IM) nachgeordnet ist, übertragen worden (Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. ModernG). Die Bezirksregierung Münster (Abt. 10) war seither Landesversorgungsamt i.S.d. § 71 Abs. 5 SGG (BSG, Urteil vom 12.06.2001 - B 9 V 5/00 R -). Das Eingliederungsgesetz ändert hieran nichts. Aufgelöst werden nach dessen § 1 Abs. 3 mit Ablauf des 31.12.2007 nur die Versorgungsämter, nicht das Landesversorgungsamt. Soweit es die Bezirksregierung Münster (Abt. 10) anlangt, bestimmt das Eingliederungsgesetz in § 22 lediglich, dass die mit den Aufgaben der Widerspruchs- und Klagebearbeitung nach § 4 betrauten Beamten und tariflich Beschäftigten, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, mit Wirkung zum 01.01.2008 auf die Landschaftsverbände übergehen bzw. im Wege der Personalgestellung zwecks Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden. Mithin regelt das Eingliederungsgesetz die Auflösung des Landesversorgungsamtes zwar nicht unmittelbar, geht jedoch davon aus, dass die Abteilung 10 der Bezirkregierung Münster zum 01.01.2008 aufgelöst ist. Hintergrund ist, dass Art. 1 § 3 des Zweiten Modernisierungsgesetzes durch Art. 2 des Straffungsgesetzes gestrichen worden ist, mithin nunmehr keine das vormalige Landesversorgungsamt ersetzende Behörde mehr besteht. Verwaltungsmäßig umgesetzt hat die Landesregierung diesen Normbefehl u.a. durch den Erlass des Innenministeriums NRW vom 05.12.2007 - 52.18.01.02 -. Danach wird die Abteilung 10 der Bezirksregierung Münster (Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt) zum 01.01.2008 aufgelöst. Ausweislich des dem Erlass beigefügten Organisationsplans ist das Dezernat 29 der Abt. 2 (Organisationsrecht, Gesundheit, Sozialwesen, Gefahrenabwehr, Verkehr) zuständig für SER und Produktbetreuung sowie das Dezernat 27 für die Fachaufsicht im Schwerbehindertenrecht. Somit werden lediglich Teilzuständigkeiten der bisherigen Abteilung 10 auf das Dezernat 27 übertragen (z.B. Aufsichtsbefugnisse § 2 Abs. 2 Satz 2 Eingliederungsgesetz). Soweit mittels § 2 Abs. 1 Eingliederungsgesetz den Kreisen und kreisfreien Städten die aus §§ 69, 145 SGB IX folgenden Aufgaben übertragen worden ist, betrifft dies nur die den vormaligen Versorgungsämtern obliegen Zuständigkeiten und nicht jene der Bezirksregierung Münster, Abteilung 10 (Landesversorgungsamt). Ein "neues" Landesversorgungsamt hat das Land mithin nicht bestimmt. Hieraus folgt, dass weder das Dezernat 27, noch - soweit das SER betroffen ist - der jeweilige Landschaftsverband (Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 -) und schon gar nicht die Kreise oder kreisfreien Städte ein Landesversorgungsamt im Sinn der Vorschriften des SGG (z.B. § 14 Abs. 3 Satz 1) und insbesondere nicht i.S.v. § 71 Abs. 5 1. Alt. SGG sind.

Allerdings ist § 71 Abs. 5 SGG wegen der vom LSG Nordrhein - Westfalen geäußerten Bedenken hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Landes NRW infolge der Auflösung des vormaligen Landesversorgungsamtes zum 01.01.2001 (vgl. z.B. Senatsurteil vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00 -) durch das 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144) mit Wirkung vom 02.01.2002 dahin erweitert worden, dass das Land seither auch durch die Stelle, der die Aufgaben des Landesversorgungsamtes übertragen worden sind, vertreten werden kann (vgl. BT-Drucks. 14/6335, S. 13, 34). Auch nach dieser zweiten Alternative des § 71 Abs. 5 SGG konnte ein Land bis zur Ergänzung des § 69 Abs. 1 SGB IX um Satz 7 indes nur durch eine Stelle vertreten werden, deren Organisation die für die fachliche Qualität der Vertretung erheblichen Anforderungen des ErrG erfüllt (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2004 - L 7 (5) SB 8/02 - zur Rechtslage vor dem 01.05.2004). Soweit es die Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX anlangt, lässt sich diese Anforderung nun nicht mehr aufrechterhalten. Da das ErrG infolge der Einfügung von § 69 Abs. 1 S. 7 SGB IX mit Wirkung ab dem 01.05.2004 für die Durchführung der §§ 69, 145 SGB IX - wie dargelegt - nicht mehr gilt, fehlt es an einer Rechtsgrundlage, die es rechtfertigen könnte, die vom ErrG aufgestellten, erheblichen qualitativen Anforderungen in den Anwendungsbereich des § 71 Abs. 5 SGG zu übertragen. Diese Sondervorschrift überträgt die qualitätssichernden Regelungen des ErrG in das Prozessrecht, indem es die Prozessfähigkeit des Landes in Angelegenheiten des SER und des Schwerbehindertenrechts von der Vertretung durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, abhängig macht. Nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch im Gerichtsverfahren soll so eine sachgerechte, rationelle und besonders fürsorgliche Bearbeitung dieser Angelegenheiten sichergestellt werden. Ohne § 71 Abs. 5 SGG wären die Länder auch in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts (und des SER) bereits nach § 71 Abs. 3 SGG prozessfähig. Der Gesetzgeber hat indessen nicht nur in SER-Verfahren, sondern auch in Schwerbehindertenverfahren die Vertretung des Landes durch eine dafür besonders geeignete Stelle in § 71 Abs. 5 SGG angeordnet und die Prozessfähigkeit hiervon abhängig gemacht (LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.; vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00 -). Die Verknüpfung der Qualitätssicherung der Vertretung des Landes im Gerichtsverfahren mit der Qualitätssicherung durch das ErrG ist Sinn und Inhalt des § 71 Abs. 5 SGG. Die quantitative Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift durch Einbeziehung des gesamten sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts statt der zuvor allein erfassten Kriegsopferversorgung (KOV) durch das 6. SGG-ÄndG korreliert mit der Übertragung der Durchführung des betreffenden Gesetzes auf die Versorgungsverwaltung und damit der Einbeziehung in den Anwendungsbereich des ErrG (so zutreffend LSG Sachsen-Anhalt a.a.O.). Wird nunmehr die eine Qualitätssicherung im gerichtlichen Verfahren tragende Verknüpfung zwischen dem ErrG und § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX durch § 69 Abs. 1 Satz 7 SGB IX beseitigt, entfällt die Rechtfertigung dafür, die Prozessvertretung in Streitverfahren des Schwerbehindertenrechts besonderen Qualitätsanforderungen zu unterwerfen. Das bedeutet: Mit dem Eingliederungsgesetz hat das Land NRW von der ihm durch Bundesgesetz (§ 69 Abs. 1 Satz 7 SGB IX) eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit für die Durchführung des Schwerbehindertenrechts (§§ 69, 145 SGB IX) abweichend vom ErrG zu regeln. Damit ist die sachlich-inhaltliche Verknüpfung zwischen den Qualitätsmechanismen des ErrG und der Durchführung des Schwerbehindertenrechts mit der Konsequenz eliminiert, dass auch § 71 Abs. 5 SGG für Streitverfahren nach dem Schwerbehindertenrecht in NRW nicht mehr gilt.

2. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn § 71 Abs. 5 SGG neben der Prozessfähigkeit (mittelbar) auch die Verwaltungsorganisation der Länder bestimmen würde (in diesem Sinn die Äußerung der Bundesregierung zum Entwurf einer Verwaltungsprozessordnung (BT-Drucks. 10/3437, S. 95 )) oder ein Instrument zur Koordination der Versorgungsverwaltung der Länder wäre (so LSG Bremen, Urteil vom 24.08.1954 - LSonst 1/54 - in Breithaupt 1954, 985, 989). Dieser Auffassung folgt der Senat jedoch nicht. § 71 Abs. 5 SGG zwingt die Länder nicht dazu, ihre bisherigen Verwaltungsstrukturen im Bereich des Schwerbehindertenrechts beizubehalten. Ein dahingehendes Verständnis des § 71 Abs. 5 SGG ist mit den bundesstaatlichen Kompetenzregelungen des Grundgesetzes nicht vereinbar. Nach Art. 30 und 70 GG bedürfen Regelungen durch den Bundesgesetzgeber einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Im Bereich des § 71 Abs. 5 SGG muss insoweit zwischen der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des sozialgerichtlichen Verfahrens (Art. 70 GG) und derjenigen zur Regelung der Einrichtung von Behörden und des Verwaltungsverfahrens (Art. 84 und 85 GG) unterschieden werden. Bei der Neuregelung des SGG durch das 6. SGG-Änderungsgesetz ist der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet des gerichtlichen Verfahrens nach dem damaligem Art. 74 Nr. 1 GG ausgegangen, der mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in der Fassung vom 20.12.1993 übereinstimmt. Auch die in § 71 Abs. 5 SGG geregelten besonderen Anforderungen an die Prozessfähigkeit des Landes in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts können somit nur in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ihre kompetenzrechtliche Grundlage finden. Hätte der Gesetzgeber also nicht nur eine besondere Regelung bezüglich der Qualität der Vertretung des Landes in den Schwerbehindertenangelegenheiten treffen wollen, sondern auch eine Regelung bezüglich der für die Durchführung der Feststellungsverfahren nach den §§ 69 und 145 SGB IX zuständigen Behörden, so hätte er Art. 84 Abs. 1 GG in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung (a.F.) beachten und das SGG sowie insbesondere § 71 Abs. 5 SGG mit Zustimmung des Bundesrates beschließen müssen. Die Organisationsgewalt der Länder wäre im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG a.F. eingeschränkt worden. Das sollte jedoch offensichtlich nicht geschehen (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.02.2004 - L 7 (5) SB 8/02 -). Zwar hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf die Auffassung vertreten, das 6. SGGÄndG sei gemäß Art. 84 GG zustimmungsbedürftig. Hierzu bezog er sich jedoch nicht etwa auf die geplante Regelung in § 71 Abs. 5 SGG, sondern auf andere Vorschriften des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 14/5943 S. 33). Im Übrigen zeigt auch die vom Bundesgesetzgeber mit Wirkung zum 02.01.2002 im Anschluss an die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Prozessfähigkeit der Bezirksregierung (BSG, Urteil vom 12.06.2001 - B 9 V 5/00 R - = BSGE 88, 153; Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R -) vorgenommene Neufassung des § 71 Abs. 5 SGG, dass diese prozessrechtliche Vorschrift etwaigen landesrechtlichen Änderungen angepasst wird, mithin der Bundesgesetzgeber nicht von einem feststehenden Konzept landesrechtlicher Verwaltungsstrukturen ausgeht. § 71 Abs. 5 SGG steht dem Beteiligtenwechsel demzufolge nicht entgegen und ist auf die nun für die Schwerbehindertenverfahren zuständigen Kreise und kreisfreien Städte auch nicht analog anwendbar (vgl. aber Senatsurteil vom 05.03.2008 - L 10 V 9/05 - zur analogen Anwendung des § 71 Abs. 5 SGG auf die Landschaftsverbände).

III. Die beklagte Stadt H wurde im Termin vom 05.03.2008 rechtswirksam vertreten. Zwar ist die Vereinbarung der Stadt mit der Bezirksregierung Münster vom 25.01.2008 über deren besondere Beauftragung (§ 71 Abs. 3 SGG) unwirksam (1). Dies ist indessen unschädlich, weil die Sitzungsvertreterin der Stadt Anträge auf der Grundlage einer wirksamen Bevollmächtigung gestellt hat (2).

1. Die Stadt H ist als juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 70 Nr. 1 2. Alt. SGG beteiligungsfähig, allerdings nicht prozessfähig. Prozessfähig ist nach § 71 Abs. 1 SGG grundsätzlich nur, wer sich durch Verträge verpflichten kann. Diese Regelung bezieht sich nach ihrem Wortlaut zwar sowohl auf natürliche als auch auf juristische Personen (vgl. § 70 SGG). Allerdings geht die h.M. davon aus, dass Personenvereinigungen ohne Rücksicht darauf, ob sie rechtsfähig sind oder nicht, aufgrund ihrer Handlungsunfähigkeit auch prozessunfähig sind und folglich nur natürliche Personen prozessfähig sein können (Krasney in KassKomm, 56. Ergänzungslieferung 2007, SGB X § 11 Rdn. 7 sowie von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 11 Rdn. 9; Düring in: Jansen, SGG, 2. Auflage, § 71 Rdn. 1; Keller/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 71 Rdn. 3a m.w.N.). Die somit prozessunfähige Stadt H wird durch ihren Oberbürgermeister vertreten (§ 71 Abs. 3 SGG i.V.m. §§ 40 Abs. 2 i.V.m. 63 GO NRW). Dieser hat mit der Bezirksregierung Münster am 25.01.2008 eine Vereinbarung geschlossen, nach der die Stadt H die Bezirksregierung Münster gem. § 71 Abs. 3 SGG "besonders" zur Bearbeitung von Streitverfahren aller Instanzen im Bereich des Schwerbehindertenrechts sowie des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes beauftragt. Diese Vereinbarung ist jedoch unwirksam. § 71 Abs. 3 SGG stellt für sie keine Rechtsgrundlage dar, denn besonders beauftragt werden können nur (handlungsfähige) natürliche Person. Personenvereinigungen und Behörden, mithin auch die Bezirksregierung Münster, sind ohne Rücksicht darauf, ob sie rechtsfähig sind oder nicht, wegen ihrer Handlungsunfähigkeit prozessunfähig. Folgerichtig weist der Wortlaut des § 71 Abs. 3 SGG aus, dass für rechtsfähige und nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sowie für Behörden u.a. "besonders Beauftragte" handeln. Bereits sprachlich hat diese Formulierung einen personalen Bezug. "Besonderes Beauftragte" können hiernach nur natürliche Personen sein, nicht jedoch Behörden als solche (vgl. auch Hess. VGH, Beschluss vom 21.12.1984 - 11 TH 2870/84 -: Behördenbediensteter; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, 2003, § 62 Rdn. 15: Angehöriger der Behörde; BVerwG NJW 1999, 513: besondere Beauftragung einzelner anstelle des Behördenvorstandes handelnder Personen; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 8/06 R -; FG Köln, Urteil v. 25.01.2007 - 2 K 1092/05 - zu § 79 Abgabenordnung). M.a.W.: Wenn Behörden prozessunfähig sind, ist es schon dem Grunde nach ausgeschlossen, dass sie rechtlich in der Lage sind, als "besonders Beauftragte" für andere rechtswirksam in einem Prozess tätig zu werden. Für juristische Personen, die gesetzliche Vertreter haben, müssen demzufolge bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen die gesetzlichen Vertreter auftreten (BFH, Urteil vom 15.10.1998 - III R 58/95 - in BFHE 187, 141 m.w.N.; vgl. auch FG Köln, Urteil v. 25.01.2007 - 2 K 1092/05 -).

2. Unabhängig von der unwirksamen besonderen Beauftragung (§ 71 Abs. 3 SGG) hat die Stadt H allerdings unter dem 22.02.2008 den Regierungspräsidenten Dr. Q1, den Regierungsvizepräsidenten X1 sowie den Leiter der Abteilung 2, Herrn I, jeweils Bezirksregierung Münster, in sämtlichen die Zuständigkeit der Stadt H betreffenden Streitverfahren in Schwerbehindertenrechts- und Angelegenheiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bevollmächtigt, alle notwendigen Prozesshandlungen einschließlich der Vertretung vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vorzunehmen sowie Untervollmachten zu erteilen. Auf der Grundlage dieser Vollmacht hat der Abteilungsleiter 2 der Sitzungsvertreterin, Leitende Regierungsdirektorin Wüchner-Schmidt, am 29.02.2008 Terminvollmacht erteilt. Diese Vollmacht ist zu den Streitakten gelangt (§ 73 Abs. 2 Satz 1 SGG).

B. Begründetheit

Das Urteil des SG Gelsenkirchen ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 16.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Er hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40.

1. Gemäß § 69 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 7 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die nach Landesrecht zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Dabei kommt es nicht auf Diagnosen an, sondern darauf, ob die Gesundheitsstörungen zu Funktionsbeeinträchtigungen führen und diese die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Sätze 1 und 3 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei ist der GdB unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) festzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kommt den AHP keine Normqualität zu (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9a/9 RVs 1/91 -), es handelt sich vielmehr um antizipierte Sachverständigengutachten, die aus Gründen der Gleichbehandlung normähnlichen Charakter haben und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind (z.B. Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 -, SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -, Breithaupt 2004, 293 ff.; Senatsurteil vom 17.01.2007 - L 10 SB 101/03 -).

2. Die beim Kläger nachgewiesenen Funktionsstörungen sind wie folgt zu bewerten:

a) Für den Diabetes mellitus ist auf der Grundlage der AHP 2004 ein GdB von 30 anzusetzen. Soweit der Kläger meint, es sei auf die AHP 1996 abzustellen und für den Diabetes mellitus schon deswegen ein GdB von 50 gerechtfertigt, ist dem nicht zu folgen. Maßgebend sind die AHP 2004, denn diese sind im Juni 2004 veröffentlicht worden und galten bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2004 (vgl. BSG, Urteile vom 11.10.1994 - 9 RVs 1/93 - und 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R -; die inzwischen veröffentlichten AHP 2005 und 2008 weichen gegenüber den AHP 2004 in Bezug auf die beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen nicht ab). Auch wenn die AHP 1996 anzuwenden wären, würde das im Ergebnis keine andere Beurteilung rechtfertigen. Soweit es die Bewertung des GdB eines Diabetes mellitus anlangt, entsprachen die AHP 1996 zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Widerspruchsbescheides nicht mehr dem herrschenden Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft. Die AHP müssen als antizipiertes Sachverständigengutachten jedoch grundsätzlich den aktuellen herrschenden Wissens- und Erkenntnisstand der sozialmedizinischen Wissenschaft wiedergeben. Falls die Beurteilungskriterien der AHP auf Grund geänderter Ergebnisse und Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft überholt sind, hat eine systemgerechte Korrektur zu erfolgen. Der Nachweis über geänderte Erkenntnisse der sozial-medizinischen Wissenschaft kann dabei u.a. durch veröffentlichte Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) oder durch die Beschlüsse der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMGS geführt werden.

aa) Die AHP 1996 gaben für einen durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbaren Diabetes mellitus einen GdB von 40 vor. Sie unterschieden nicht danach, ob es sich dabei um einen Diabetes mellitus vom Typ I oder Typ II handelt. Der Sachverständigenbeirat hat hingegen im November 2001 die Auffassung vertreten, dass die Therapie für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus nur scheinbar im Vordergrund stehe, tatsächlich werde der GdB primär vom Typ sowie der jeweiligen Ausprägung und Auswirkung der Stoffwechselstörung und nur sekundär von der Behandlungsart bestimmt. Wenn ein Betroffener mit Typ-II-Diabetes mellitus allein Insulin erhalte und damit ausreichend einstellbar sei, bleibe er ein Typ-II-Diabetiker, und damit sei nur ein GdB von 30 gerechtfertigt analog einem Diabetes mellitus, der durch Diät und orale Antidiabetika und ergänzende Insulinbehandlung ausreichend einstellbar sei; eine Änderung der Beurteilungskriterien für den Diabetes mellitus sei daher nicht erforderlich (Beirat vom 07./08.11.2001 und 24./25.04.2002: "Gutachtliche Beurteilung bei Diabetes mellitus"). Dem ist die Rechtsprechung zunächst nicht gefolgt. Sowohl das SG Mainz (Urteil vom 27.05.2002 - S 3 SB 532/00 -) als auch das SG Düsseldorf (Urteil vom 11.07.2002 - S 36 SB 132/01 -) sowie das SG Koblenz (Urteil vom 25.11.2002 - S 8 SB 160/01 -) haben entschieden, dass ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus (alleinige Insulinbehandlung - Typ II) nach den damals geltenden AHP - nach wie vor - einen GdB von 40 bedinge. Die gegenteilige Auffassung (GdB 30) des Sachverständigenbeirats sei nicht geeignet, zu einer Änderung der in den AHP bekannt gegebenen Vorgaben zu führen. Die gegen das Urteil des SG Mainz eingelegte Berufung des Landes hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 20.01.2003 - L 4 SB 135/02 - zurückgewiesen; denn die AHP könnten nicht durch Einzelfallgutachten oder Auslegungen gegen den klaren und eindeutigen Wortlaut hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden; dies gelte auch hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigenbeirats. Das SG Düsseldorf (Urteil vom 05.03.2003 - S 31 SB 388/01 -) hat zudem ausgeführt, Häufigkeit und Schwere von Hypoglykämien seien entgegen den AHP gerade kein geeigneter Maßstab für die GdB-Bewertung eines schwer einstellbaren Diabetes mellitus; die Frage, ob und wie oft Hypoglykämien aufträten, hänge im Wesentlichen nicht von der Art der Erkrankung, sondern von der Durchführung der Diät- und Insulinbehandlung ab; der Diabetes sei deshalb anhand des Therapieaufwandes zu bewerten; zugrunde zulegen sei der von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) aufgestellte und dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechende GdB-Katalog.

Der Sachverständigenbeirat hat u.a. infolge der o.a. Rechtsprechung zu seinen Empfehlungen von 2001/2002 festgestellt, dass der Wortlaut der AHP irreführen könne. Er empfahl zur Klarstellung, den Beiratsbeschluss vom November 2001 durch Rundschreiben bekannt zu geben und zu erläutern (Beirat vom 26.03.2003: "GdB/MdE-Beurteilung bei Diabetes mellitus II"). Mit Rundschreiben vom 03.11.2003 (AZ 435 - 65 463 - 5) hat das BMGS sodann der Empfehlung des Sachverständigenbeirats folgend ausgeführt:

Nr. 26.15 der "Anhaltspunkte" (Diabetes mellitus) Der Ärztliche Sachverständigenbeirat hat auf der Tagung am 7./8.11.2001 hierzu folgendes angemerkt: Die GdB/MdE-Bewertung bei Diabetes mellitus ist primär vom Typ sowie der jeweiligen Ausprägung und Auswirkung der Stoffwechselstörung - und nur sekundär von der Art, der Behandlung - abhängig. Wird ein Typ-II-Diabetes mellitus allein mit Insulin behandelt und mit dieser Behandlung ausreichend eingestellt, kommt nur ein GdB/MdE-Grad von 30 in Betracht.

Hiermit wurden nicht etwa die AHP geändert, sondern es wurde auf eine - von den Versorgungsverwaltungen nunmehr zu beachtende - Auffassung des Sachverständigenbeirats hingewiesen, die mit den AHP, die für einen durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbaren Diabetes mellitus einen GdB von 40 vorgaben, allerdings weiterhin nicht übereinstimmte. Das BMGS hat dem Streit ein Ende zu bereiten versucht, indem es die Änderung der AHP durch Rundschreiben vom 16.04.2004 (AZ 435 - 65 463 - 5) veröffentlicht hat. Dessen Inhalt entspricht den AHP 2004.

Die Neufassung ist - wie der Kläger zutreffend vorträgt - kritisiert worden (z.B.: v. Kriegstein in Diabetes und Stoffwechsel, 2004, 271 ff.). Die Rechtsprechung ist dem jedoch nicht beigetreten. Das LSG Rheinland-Pfalz hat festgestellt, dass die AHP 2004 bei der Beurteilung des Diabetes mellitus dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Weder die von der DDG vorgeschlagenen Kriterien noch die Stellungnahme von Kriegstein zur Neufassung der AHP 2004 trügen durchgreifende Bedenken (Urteil vom 20.10.2004 - L 6 SB 20/04 -). In diesem Sinn hat dann auch das LSG NRW (Urteil vom 31.08.2006 - L 7 SB 39/05 -) entschieden. Der GdB für einen Diabetes mellitus sei auf der Grundlage der AHP 2004 und nicht anhand der abweichenden Kriterien der DDG zu bestimmen. Die GdB-Bewertung erfolge nicht nach dem Therapieaufwand; es sei im Wesentlichen auf Einstellbarkeit sowie Art und Ausmaß von Komplikationen sowie den Typ der Erkrankung abzustellen.

Dem ist zuzustimmen. Wie auch immer geartete Bewertungskriterien der DDG sind für die GdB-Bestimmung ungeeignet. Die DDG formuliert als medizinische Fachgesellschaft zwar den aktuellen Stand des medizinischen Wissens in ihrem Fachgebiet mit, kann aber versorgungsmedizinische Festlegungen aus sich heraus nicht alleine treffen, da der Datenlage in diesem Bereich wissenschaftliche Evidenz fehlt und deshalb zwingend auf das langjährige Erfahrungswissen der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMGS zurückzugreifen ist (so zutreffend BMGS vom 04.03.2005, Az 435 - 65464 - 3/10). Im Übrigen lag der GdB/MdE-Bewertungsvorschlag der DDG bereits bei der Erarbeitung der Auflage 1996 der AHP vor und ist von den seinerzeit gehörten Sachverständigen nicht übernommen worden. Er unterscheidet sich aber auch von der Fassung 2004 der AHP nicht so erheblich, dass die fortdauernde Strittigkeit damit zu begründen wäre. Nur die sowohl durch SGB IX als auch die AHP selbst vorgegebene Zielgröße für die Festsetzung von GdB, nämlich die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bzw. in allen Lebensbereichen, ist Grundlage der Bewertung der AHP (so BMGS a.a.O.).

Somit richtet sich die GdB-Bewertung des Diabetes mellitus primär nach dem Typ der Erkrankung, nach der Einstellbarkeit sowie Art und Ausmaß von Komplikationen; eine gesonderte Berücksichtigung des individuellen Therapieaufwands ist nicht möglich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.08.2006 - L 3 SB 2251/05 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.10.2004 - L 6 SB 20/04 -; LSG Hamburg, Urteil vom 06.02.2007 - L 4 SB 4/06 -; SG Duisburg, Urteil vom 24.08.2004 - S 24 SB 20/04 - ). Allerdings ist der Therapieaufwand in den Kriterien der Anhaltspunkte nicht völlig außer Betracht gelassen, denn sonst müsste ein gut eingestellter Diabetiker praktisch wie ein Gesunder behandelt werden (LSG Baden-Württemberg a.a.O.; LSG Hamburg a.a.O.).

bb) Die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. N hat ergeben, dass beim Kläger ein durch alleinige Insulinbehandlung ausreichend einstellbarer Diabetes mellitus Typ II vorliegt. Dieser ist nach den AHP 2004 Nr. 26.15 mit einem GdB von 30 zu bewerten. Das ergibt sich wie folgt: Der Diabetes mellitus hat sich erstmals in der Zeit von 1998 bis 2000 manifestiert. Der Kläger war in diesem Zeitraum 39 - 41 Jahre alt. Ein Diabetes mellitus Typ I manifestiert sich üblicherweise deutlich früher. Der Kläger wog - nach eigenen Angaben - zum Zeitpunkt der Erstmanifestation des Diabetes mellitus zwischen 90 und 94 kg. Es bestand also ein deutliches Übergewicht. Dieses ist der wichtigste Manifestationsfaktor für einen Diabetes mellitus Typ II. Am 12.11.2003 war der Autoantikörper GADA beim Kläger negativ. Es handelt sich um denjenigen Autoantikörper, der beim Diabetes mellitus Typ I am häufigsten positiv ist. Der Diabetes mellitus ist unter Zugrundelegung der anamnestischen Angaben über einen Zeitraum von 3 - 5 Jahren oral-medikamentös ausreichend einstellbar gewesen. Auch dies spricht eher für einen Diabetes mellitus Typ II als für einen Diabetes mellitus Typ I. Differentialdiagnostisch muss zwar auch an eine Sonderform des Diabetes mellitus Typ I gedacht werden, nämlich den sogenannten LADA (latent autoimmune diabetes in adults). Dabei läuft der den Diabetes mellitus verursachende autoimmunologische Prozess so langsam ab, dass es erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter zu einem den Diabetes mellitus manifestierenden Insulinmangel kommt. Der LADA tritt häufig bei solchen Patienten auf, die von ihrer Konstitution (Übergewicht) her eher dem Typ II als dem Typ I des Diabetes mellitus entsprechen. Ein LADA ist zur Überzeugung des Sachverständigen Dr. N jedoch wenig wahrscheinlich, da der Autoantikörper GADA beim Kläger negativ war. Zwar ist der Diabetes mellitus Typ II des Klägers unzureichend eingestellt. Das ist indessen nicht auf eine schlechte Einstellbarkeit des Diabetes, sondern darauf zurückzuführen, dass der Kläger gegenüber seiner Diabetes-mellitus-Erkrankung nachlässig ist. Der Senat verweist insoweit auf die ausführlichen Darlegungen des Sachverständigen Dr. N. Die Untersuchungsbefunde des Sachverständigen belegen überdies, dass der Kläger die derzeit von ihm verwendeten Insuline problemlos verträgt. In der Vergangenheit sind keine gravierenden Hypoglykämien aufgetreten. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der beim Kläger vorliegende Diabetes mellitus Typ II ungeachtet schlechter Einstellung gut einstellbar ist, mithin nach den AHP 2004 einen GdB von 30 bedingt. Ein höherer GdB kommt nicht in Betracht.

c) Diabetesbedingte Folgeerkrankungen sind gesondert zu bewerten (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 06.02.2007 - L 4 SB 4/06 -). Im Rahmen der neurologischen Begutachtung hat der Sachverständige Dr. W eine beinbetonte symmetrische diabetogene Polyneuropathie festgestellt. Klinisch relevante Beeinträchtigungen sind hiermit nicht verbunden, so dass insoweit kein GdB angesetzt werden kann. Die Hypertriglyzeridämie als solche bedingt ebenfalls keinen GdB. Fettstoffwechselstörungen stellen zwar einen erheblichen Risikofaktor dar, insbesondere für die Ausbildung oder Verschlechterung einer kardiovaskulären Erkrankung. Eine Funktionsstörung geht jedoch von dieser letztlich nur durch Laborwertabweichungen aufzuzeigenden Anormalität nicht aus. Der lediglich bestehende Risikofaktor rechtfertigt die Feststellung eines GdB nicht; relevant sind ausschließlich die Auswirkungen der tatsächlich eingetretenen Folgekrankheiten (z.B. einer Herzerkrankung). Der leichtgradige toxische Leberschaden ist Folge des unzureichend eingestellten Diabetes mellitus und der Hypertriglyzeridämie und insoweit als diabetesbedingte Folgeerkrankungen gesondert zu bewerten. Die AHP 2004 Nr. 26.10 sehen für eine Fettleber (auch nutritiv-toxisch) ohne Mesenchymreaktion einen GdB von 0 - 10 vor. Da nur ein leichtgradiger toxischer Leberschaden ohne Hinweise auf eine Fettleberhepatitis besteht, ist für den Leberschaden ein GdB von 10 angemessen.

b) Die Lungenüberblähung bedingt nach AHP 2004 Nr. 26.8 einen GdB von 30. Für Krankheiten der Atmungsorgane (z.B. Lungenemphysem) mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion geringen Grades (das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung, statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte, Blutgaswerte im Normbereich) sehen die AHP 2004 einen GdB von 20 - 40 vor. Unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen Dr. N durchgeführten Lungenfunktionsuntersuchung, der Anamnese und der Beschwerdeangaben des Klägers ist ein GdB von 30 für die Lungenüberblähung angemessen. Die erhobenen Befunde belegen eine deutliche Lungenüberblähung, die noch nicht mit einer ins Gewicht fallenden Störung des respiratorischen Gasaustausches einhergeht.

c) Das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom ist für Mai 2004 bis zum Frühjahr 2007 nach den AHP 2004 Nr. 26.8 mit einem GdB von 20 zu bewerten. Für ein Schlafapnoesyndrom ohne die Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung sehen die AHP 2004 a.a.O. einen GdB von 0 - 10 und mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung einen GdB von 20 vor. Von Mai 2004 bis zum Frühjahr 2007 ist eine nächtliche Überdruckbeatmung durchgeführt worden. Dies rechtfertigt einen GdB von 20. Nach Gewichtsabnahme konnte auf die nächtliche Überdruckbeatmung verzichtet werden, so dass seither kein GdB mehr anzusetzen ist.

d) Durch die asymptomatische Prostatahypertrophie wird kein GdB bedingt. Zwar hat der Urologe K im Befundbericht vom 01.09.1993 einen Harnwegsinfekt und das Elisabeth-Krankenhauses in Gelsenkirchen im Bericht vom 16.03.2006 eine Mikroalbuminurie beschrieben, der Sachverständige Dr. N hat jedoch keine Hinweise für eine Erkrankung der Nieren oder für eine entzündliche Erkrankung der ableitenden Harnwege feststellen können. Vorerkrankungen der Nieren hat Kläger gegenüber dem Sachverständigen verneint. Beschwerden hat er keine angegeben.

e) Die Stammvarikose links mit leichtgradigen hauttrophischen Störungen am linken Unterschenkel ist einem GdB von 10 zu bewerten. Die AHP 2004 Nr. 26.10 sehen für eine chronisch-venöse Insuffizienz mit geringem belastungsabhängigem Ödem und mit nicht-ulzerösen Hautveränderungen einen GdB von 0 - 10 vor. Der Kläger hat kleine Krampfadern an beiden Unterschenkeln, aber insoweit weder Beschwerden angegeben noch hat er eine Thrombose durchgemacht.

f) Die arterielle Verschlusskrankheit bedingt keinen GdB. Bei der körperlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. N fiel ein lautes Strömungsgeräusch im Bereich der linken Leiste auf. Farbdopplersonografisch war die Weite der Arteria femoralis beidseits noch normal, wobei beidseits jedoch unregelmäßige Wandkonturen und links auch multiple Turbulenzen, zum Teil mit einer geringen Strömungsumkehr, erkennbar waren. Da die arterielle Verschlusskrankheit der beinversorgenden Arterien bisher völlig asymptomatisch ist und die Fußpulse beidseits noch gut tastbar sind, wird durch diese arterielle Verschlusskrankheit der Beine kein GdB bedingt.

g) Durch die Hörminderung wird kein GdB bedingt. Die AHP 2004 Nr. 26.5 sehen in Tabelle D bei einem Hörverlust beider Ohren von 0 - 20 % einen GdB von 0 vor. Da am linken Ohr nur ein Hörverlust für die Luftleitung, nicht jedoch ein relevanter Hörverlust für die Knochenleitung nachweisbar ist (Hörverlust anhand der Frequenztabelle nach Röser für die Knochenleitung rechts 2 % und links 3 %; Hörverlust für die Luftleitung rechts 5 % und links 56 %), ist für die Hörminderung kein GdB anzusetzen.

h) Der Tinnitus (Ohrgeräusche) ist mit einem GdB von 10 zu bewerten. Die AHP 2004 Nr. 26.5 sehen bei einem Tinnitus ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen einen GdB von 0 - 10 und mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen einen solchen von 20 vor. Im August 2006 hatte der Kläger einen Hörsturz im linken Ohr. Die anschließende HNO-ärztliche Behandlung bewirkte keine Verbesserung des Hörvermögens und keine Linderung des Rauschens. Außer den affektiven Anspannungen, mitbedingt durch die anhaltenden Ohrgeräusche links, leidet der Kläger unter keinen psychischen Beeinträchtigungen. Ein GdB von 10 ist angemessen.

i) Die Funktionsstörung der Wirbelsäule bedingt nach AHP 2004 Nr. 26.18 einen GdB von 10 (Wirbelsäulenschäden "mit geringen funktionellen Auswirkungen"). Es bestehen leichtgradige Bewegungseinschränkungen der BWS/LWS bei flacher, linkskonvexer Ausbiegung und druckschmerzhaftem Wirbelgelenk L5/S1 sowie juveniler Aufbaustörung. Bezüglich der vom Kläger geklagten Schmerzen der oberen Gelenke konnte der Sachverständige Dr. S keinen krankhaften Befund feststellen. Die vom Hausarzt Dr. X im Befundbericht vom 21.11.2006 diagnostizierten chronisch rezidivierenden Wirbelsäulenbeschwerden und -veränderungen liegen ebenfalls nicht vor und wurden vom Kläger gegenüber dem Sachverständigen auch nicht beklagt.

j) Keinen GdB bedingen die vom Kläger angegebenen Kniegelenksbeschwerden. Der Sachverständige Dr. S fand keine Bewegungseinschränkungen der Knie- oder Sprunggelenke. Die Bandführung der Gelenke war fest. Entzündungen lagen nicht vor. Die vergleichende Umfangmessung der unteren Extremitäten ergab keine Auffälligkeiten.

3. Die beim Kläger durch o.g. Funktionsstörungen bewirkte Teilhabebeeinträchtigung ist zur Überzeugung des Senats, übereinstimmend mit dem Vorschlag des Sachverständigen Dr. N, im Zeitpunkt der Antragstellung (05.12.2003) mit einem Gesamt-GdB von 30 und ab Februar 2004 mit Gesamt-GdB von 40 zu bewerten. Bei der Ermittlung des Gesamt-GdB dürfen die Einzel-GdB-Werte nicht addiert werden. Auch andere rechnerische Methoden dürfen nicht angewandt werden (AHP 2004 Nr. 19 Abs. 1). Maßgeblich sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen (§ 69 Abs. 3 S. 1 SGB IX). Hierbei ist zu beachten, inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen, ob sich die Behinderungen überschneiden und dass das Ausmaß einer Behinderung vielfach durch hinzutretende Gesundheitsstörungen nicht verstärkt wird. In der Regel ist von der Beeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Beeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderungen größer wird, ob also wegen weiterer Beeinträchtigungen der höchste Einzel-GdB angemessen durch Hinzufügen von 10, 20 oder mehr Punkten zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP 2004 Nr. 19 Abs. 3). Von Ausnahmen abgesehen führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung und sind daher in aller Regel bei der Gesamtbeurteilung nicht erhöhend zu berücksichtigen (sog. relatives Erhöhungsverbot; vgl. BSG, Urteile vom 13.12.2000 - B 9 V 8/00 R - und 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R -). Auch bei leichten Teilhabebeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2004 Nr. 19 Abs. 4).

Ausgehend hiervon ergibt sich: Der ab Antragstellung im Dezember 2003 vorliegende Gesamt-GdB von 30 wird im Wesentlichen durch den Diabetes mellitus bedingt. Im Februar 2004 ist erstmals der Verdacht auf eine schlafbezogene Atmungsstörung geäußert und im Mai 2004 ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert worden. Diese mit einem GdB von 20 bewertete Funktionsstörung führt zu Beeinträchtigungen in anderen Lebensbereichen als der Diabetes mellitus und erhöht insoweit das Gesamtausmaß der Beeinträchtigung. Für die Zeit ab Februar 2004 ist daher der Gesamt-GdB auf 40 anzuheben. Das Schlafapnoe-Syndrom ist, nachdem beim Kläger eine deutliche Gewichtsabnahme bis hin zum Normalgewicht eingetreten ist, zwar inzwischen nicht mehr klinisch relevant. Allerdings ist im Rahmen der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. N eine Lungenüberblähung mit einem GdB von 30 nachgewiesen worden. Die Lungenüberblähung bewirkt Beeinträchtigungen in anderen Lebensbereichen als der Diabetes mellitus, hierdurch wird das Gesamtausmaß der Beeinträchtigung gesteigert. Der GdB von 30 für den Diabetes mellitus ist auf 40 zu erhöhen. Die übrigen Gesundheitsstörungen, die lediglich Einzel-GdB von 0 oder 10 bedingen, erhöhen den Gesamt-GdB nicht (AHP 2004 Nr. 19 Absatz 4). Der begehrte Gesamt-GdB von 50 wird nicht erreicht. Der Kläger ist nicht schwerbehindert.

Die Berufung des Klägers konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Nach Abs. 1 der Vorschrift steht den Beteiligten gegen ein Urteil eines Landessozialgerichts die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in dem Urteil des Landessozialgerichts oder in dem Beschluss des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 2 SGG zugelassen worden ist. Sie ist vom Landessozialgericht nach Abs. 2 - soweit hier von Interesse - zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Grundsatzrevision) oder 2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Divergenzrevision). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist und nunmehr klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Soweit es den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB anlangt, sind die vom Senat geprüften Rechtsfragen nicht klärungsbedürftig. Die maßgebenden Rechtssätze sind durch die höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Soweit es die Frage anlagt, ob die beklagte Stadt H als Rechtsträgernachfolgerin des Landes NRW in den Rechtsstreit eingetreten ist, hängt dies zwar von der Vorfrage ab, ob und inwieweit das dem zugrundeliegenden Landesgesetz rechtmäßig oder aber verfassungswidrig ist. Ungeachtet dessen ist diese Rechtsfrage im anhängigen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsbedürftig, denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 für die bei ihm vorliegende Teilhabebeeinträchtigung besteht in keinem Fall. Fragen der Passivlegitimation stellen sich damit nicht.

Referenznummer:

R/R4809


Informationsstand: 18.02.2011